„Dann frage ich auch gleich in der Bewerbung, ob meine Schwester mit mir am Schreibtisch sitzen kann. Allein kriege ich es einfach nicht hin.“ sagt Turtle halb scherzhaft, halb ernst.
Turtle ist bereit. Rausgespült in das weite Meer der Arbeitgebersuche, versucht sie mühsam zu paddeln, verfängt sich in sinnlos erscheinenden Netzen aus Jobangeboten, die nicht zu ihr passen, und braucht Unterstützung. Turtle macht aus einfachen Dingen komplizierte. „Ich bin seit drei Jahren komplett raus aus dem Arbeitsmarkt. Erst hatte ich zwei Sabbat-Jahre, dann kam der blöde Krebs.“ seufzt sie.
„Aber die ganze Geschichte kann man doch nett verpacken. Wer sagt denn, dass du einen geradlinigen Lebenslauf haben musst?“ frage ich zurück und streichle ihr über den Oberarm.
Sie seufzt wieder und starrt nach unten.
„Okay, andere Taktik. Wir sind im Bewerbungsgespräch. Du bist Herr Arbeitgeber, ich bin du. Los geht’s!“ schlage ich vor. Sie muss grinsen und setzt sich aufrecht hin, faltet die Hände vor sich und räuspert sich.
„Okay, Frau Turtle, Sie haben ja einen ziemlich interessanten Lebenslauf….“ beginnt sie.
„Das stimmt, Herr Arbeitgeber. Nach meinem Abitur machte ich eine Ausbildung im Finanzwesen, studierte, beendete mein Studium mit Bravour und merkte, dass ich schon immer einmal Reisen wollte. Glücklicherweise hatte ich den Luxus, dass ich das zwei Jahre lang tun konnte. Ich wollte es sofort nach dem Studium machen um später nicht zu merken, dass ich etwas verpasst habe und mich dann gezwungen fühle zu kündigen. Danach, als ich frisch in den Arbeitsmarkt starten wollte, erkrankte ich an Krebs. Und nun, vollständig geheilt nach einem Jahr, bin ich bereit ins Arbeitsleben mit vollem Elan zu starten.“ fange ich an.
„Hm… so würdest du das verpacken? Bei dir hört sich das ganz logisch an. Ich fühle mich immer so als würde ich die Leute anlügen. Und als wäre ich nichts wert.“ sagt sie traurig.
„Ach Turtle, du hast doch eine tolle Qualifikation. Verkauf dich nicht unter Wert. Du wirst das toll machen. Keine Sorge! Du bist gewissenhaft, präzise, detailverliebt, belastbar, hast keine Angst vor Überstunden und bist fleißig. Wer würde denn freiwillig auf so einen Arbeitnehmer wie dich verzichten?“ versuche ich sie aufzumuntern. Ein lächeln huscht über ihr Gesicht. „Ja, das bin ich. Und ich glaube, ich kann das auch.“ erwidert sie – nun etwas selbstsicherer.
„Klar kannst du das, Turtle. Mach dir keine Sorgen! Du schaffst das mit links.“ gebe ich ihr zurück.
„Da ist noch was…“ ,fängt sie an. „Ich brauche noch elegante Schuhe für meine zukünftigen Bewerbungsgespräche. Kannst du mitkommen?“
„Klar, gar kein Problem. Wir finden schon was!“ antworte ich.
Turtle springt auf, umarmt mich stürmisch und sagt: „Danke! Ich bin nämlich immer so verloren allein.“
„Ach, Turtle. Die Selbstsicherheit kommt schon wieder von allein. Nur Geduld!“ presse ich heraus, da Turtle mich so fest drückt.
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