Ich hab da mal ein paar Fragen…

Der Eine ist meistens etwas zurückhaltender, wenn es um das Thema Schwangerschaft geht. Für ihn ist das alles nicht greifbar und zu sehr ist es von seinem Lebensentwurf entfernt. Als homosexueller Mann kann und will er sich keine Kinder vorstellen. „Wer das für sich möchte, der kann das gerne machen. Aber die Natur limitiert mich da. Ich möchte keine Kinder, weil ich sie nicht auf natürlichem Weg produzieren kann. Und alles andere würde mir persönlich falsch vorkommen.“

Dennoch ist er höflich interessiert an meiner Schwangerschaft. Letztens rief er an. Er war gerade auf den Galapagos Inseln und er erzählte mir von seiner Reise, die er sich, nun als Single, selbst schenkte. Da ich nicht mehr viel reisen kann, stillt er mein Fernweh mit seinen grandiosen Bildaufnahmen.

Als wir auf mich zu sprechen kommen, das übliche „Und? Was gibt’s bei dir neues?“ abgeschlossen haben, fängt er an: „So, ich hab da mal ein paar Fragen… Thema: Schwangerschaft und Kindererziehung.“

Ich muss lachen. Im Hintergrund heult ein Seehund laut auf.

„Jaaaaaa….?!“ entgegne ich gespannt auf das, was da kommen mag. „Also, erster Punkt: Name! Habt ihr schon einen?“ fragt er. „Ja, den haben wir schon. Seit der sechsten Schwangerschaftswoche. Ist mir in der Dusche eingefallen.“ erkläre ich ehrlicherweise und muss dabei kichern als „..in der Dusche eingefallen“ in meinem Kopf nachhallt. „Uuuuuund?“ erwidert er neugierig. „Der ist geheim und ich sag dir auch warum: Vor der Geburt erlaubt sich jeder einen oftmals verletzenden oder unqualifizierten Kommentar zum Namen. Beispielsweise kannte man damals in der Schule einen XY , der ein schlimmer Nasenpoppler war oder was auch immer. Wir möchten uns den Namen nicht entzaubern lassen.“ erkläre ich. „Aha. Gut, verstehe ich.“ antwortet er knapp – wie es so seine Art ist.

Im Hintergrund streiten sich anscheinend zwei Seelöwen, denn für ein paar Sekunden verstehe ich kein Wort am Telefon. Wir müssen beide lachen – zu absurd ist die Situation. All die Fragen des Einen, mit seiner für ihn typischen, stakkatoartigen Fragerunde, dazu das Brüllen der Seelöwen und das Rauschen des Meeres. Ca. 11000 km von einander entfernt – aber doch so nah.

„Nächster Punkt!“ macht er weiter. „Religion! Ihr habt eine unterschiedliche Religion. Du bist als Christin geboren, er ist Moslem. Wie macht ihr das?“ fragt er neugierig.

„Na ja, er bekommt einfach das Beste von beiden Religionen mit. Ganz einfach!“ gebe ich grinsend zurück. Damit will sich der Eine nicht zufrieden geben und hakt weiter nach.

„Wir haben uns schon vor einigen Jahren unterhalten. Es ist ganz einfach: Jeder Elternteil bringt seine Religion in die Ehe ein. Und wenn der kleine Bambino alt genug ist, entscheidet er, ob er Christ oder Moslem, vielleicht aber auch Buddhist oder Atheist sein will.“ Ich setze kurz ab, trinke einen Schluck Wasser und führe meinen Monolog fort: „Für meine Familie gab es nur das Christentum. Mein Opa war unglaublich gläubig und immer enttäuscht, wenn wir nicht – wie er – drei Mal die Woche in die Kirche gingen. Dennoch habe ich viel von ihm gelernt. Ich glaube an die Bibel, ich glaube an Gott, aber ich glaube nicht an die katholische Kirche als Institution. Ich glaube nicht an den Vatikan und ich glaube nicht, dass Gott einen von Menschenhand gewählten Vertreter braucht oder haben sollte.“ führe ich meine Religionsansichten weiter aus. „Ja, das weiß ich.“ stimmt der Eine, der ganz Atheist ist, zu. Ich setze wieder an: „Nun ist es so, dass der Römer ein gläubiger Moslem ist. Wann immer er kann, geht er in die Moschee. Abends murmelt er ein arabisches Gebet zum Wohlbefinden des Bambinos und ich bete mein deutsches, christliches Gebet. Keiner drängt dem Kleinen eine Religion auf. Wir bestehen aber darauf, dass er beide Religionen so gut es geht kennenlernt. Weihnachten wird genauso wie das Opferfest gefeiert. Der Islam, seine Gebete, Gotteshäuser und Riten sollen ihm ebenso vertraut sein wie alles rund ums Christentum. Am Ende entscheidet er, sobald er alt genug ist. Womit wir auch wieder beim Thema Namen wären…“ beendete ich meinen Dialog.

„Warum?“ fragt der Eine. „Na, wir wollten einen religiösen Namen, der sowohl im Christentum vorkommt als auch im Islam. Selbst im Judentum kommt dieser Name vor, Und da war mein „Dusch-Einfall“ perfekt. Der Name funktioniert in Italien, in Deutschland, in Albanien und auch in Amerika wird er keine Schwierigkeiten haben.“ erkläre ich.

„Na, da bin ich aber gespannt!“ gibt der Eine zurück. Im Hintergrund wieder das Seelöwenbrüllen. „Das kannst du auch!“ gebe ich geheimnisvoll zurück.

Chapeau!

Gestern beim Kinderwagen Kauf. “Wenn ich Sie so anschaue, kommt ihr Baby im März!” sagte die nette Verkäuferin. “Im Dezember!” antwortete ich lachend. “Wow! Das nenn ich mal gute Gene. Sie haben ja eine Minikugel! Na, dann müssen wir uns beeilen mit der Bestellung.” gab sie grinsend zurück.

Trotzdem, die Minikugel hindert mich am Schuhe binden, Beine rasieren, gemütlich im Bett liegen. Und ich verneige mich innerlich vor allen Frauen mit großem Schwangerschaftsbauch – ich krieg so schon kaum was erledigt. 😄

Babyrobbe auf den Galapagos Inseln – aufgenommen vom Einen

Elda geht ins Ausland!

Elda geht ins Ausland!

[Der erste Teil ist hier zu finden….]

„Und? Was kam raus?“ belagerte Elda den Römer. Ihre Stimme überschlug sich förmlich. „Er überlegt sich’s. Das war das Beste, was ich rausschlagen konnte.“ antwortete der Römer wahrheitsgemäß. Sie legte ihr Köpfchen mit den dunklen Locken schräg. Ihre Augen guckten nach oben. Ihren Mund verzog sie zu einem Schnütchen. Spätestens hier wusste man, warum Besnik wollte, dass seine adrette Tochter nicht ins Ausland geht.

„Na ja, aber er hat nicht jo [nein] gesagt.“ bemerkte sie. „Auch nicht po [ja], aber eben auch nicht jo [nein]!“

Der Römer musste lachen. „Wenn er etwas absolut nicht will, dann sagt er sofort nein. Du kennst ihn! Und dann ist auch nichts daran zu rütteln. Aber er sagte, er überlegt sich’s. Das ist ein gutes Zeichen. Ich werde warten bis er bereit ist. Du bist Besniks einzige Tochter. Er braucht Zeit sich an den Gedanken zu gewöhnen.“ erklärte der Römer ruhig.

Drei quälend lange Tage für Elda gingen ins Land. Sie versuchte sich abzulenken, aber man merkte ganz genau: Sie war nicht bei der Sache. Ihre Mutter vermutete, dass sie verliebt sei. In gewisser Weise stimmte das auch: Sie war verliebt in den Gedanken ins Ausland zu gehen. Womöglich nach Übersee? Singapur? Oder gar London? Sie wischte den Gedanken weg. „Bloß keine Hoffnungen machen!“ befahl sie sich. Nicht, dass sie wieder im öden Tirana fest saß. Das monotone „biep“ der Kasse, immer wenn sie einen Artikel über den Scanner zog, machte sie in diesen Tagen besonders aggressiv. Klar, es ist der Supermarkt ihres Vaters, wo sie aushalf, wann immer es ging. Aber das konnte doch wohl kaum ihr Leben sein? Sie hatte Wirtschaft studiert. Sie hatte einen Bachelor. Sie wollte raus! Raus aus Albanien. So wie die meisten ihrer Verwandten: Die Zogus haben’s gut, die sind damals nach Amerika. Die Muratis in die Schweiz. Die Xhiajs, Lilas und Kastratis sind alle gesammelt nach Italien. Nur sie, sie war gefangen in Albanien.

Nach drei Tagen klingelte das Telefon des Römers. Besnik stand in großen Lettern auf dem Display. „Alo?“ unterbrach die Stimme des Römers das Klingeln des Telefons. „Po…. Po…Po… Ciao. [Ja….Ja…Ja… Tschüss]“

„Amore mio, was hältst du davon, wenn wir heute bei Besnik essen?“ fragte er mich – pro forma. Dass das Abendessen schon längst beschlossen war, war selbst mir klar. „Kein Problem.“ gab ich grinsend zurück. „Es geht ja schließlich um Elda und ihre Zukunft.“ Der Römer musste lachen: „Esatto!“ [Genau] sagte er.

Um 20 Uhr traten wir in Besniks neugebautem Haus ein. Wir kannten es noch nicht und er führte uns stolz herum. „Hier ist die Etage von Toni [seinem Sohn] und seiner Frau.“ zeigte er uns. Wunderschön war diese. Die Innenarchitekten hatten ganze Arbeit geleistet. „Das hier ist unsere Etage. Flora [die Schwester des Römers und die Frau von Besnik] hat sich etwas florales gewünscht.“ erklärte er uns. Eine geschmackvolle Blümchentapete zierte die große Wand hinter dem gemeinsamen Ehebett. Überall waren florale Elemente eingearbeitet. Es sah bezaubernd aus. Verspielt, aber nicht zu kitschig. Wir nahmen den Lift um noch eine Etage höher zu gelangen. „Und hier ist…“ er stockte. „Eldas Zimmer…also ihre Etage…also falls sie uns mal besuchen kommt.“ Man sah ihm an, dass ihn sein eigener Satz mitten ins Herz traf. Der Römer und ich guckten verwirrt. „…Falls sie uns mal besuchen kommt.“ hallte es in unseren Köpfen nach.

„Wie? Falls?“ nutzte der Römer die Gunst der Stunde um gleich zu fragen was Sache ist. „Ich habe darüber nachgedacht. Als Vater habe ich eine gewisse Verpflichtung meiner Tochter gegenüber. Bei ihrer Geburt habe ich mir geschworen, dass sie die allerbeste Ausbildung genießen soll, die es gibt. Also ist es wohl an der Zeit, meine eigenen Interessen hinten anzustellen. Sie soll im Ausland studieren.“ erklärte er mit traurigem Blick.

„Das ist ja ganz fantastisch!“ gab der Römer zurück. „Du wirst sehen, dass es absolut die richtige Entscheidung war.“

„Wer studiert im Ausland?“ hörte man eine Stimme aus dem Off. Elda!

„Du!“ antwortete der Römer noch vor Besnik. Sie flippte aus vor Freude. Stürmisch umarmte sie ihren Vater Besnik, ihre Mutter Flora, den Römer und mich. „Ich kann es gar nicht glauben!! Papa!!! Danke!!!“ Ihre Augen schäumten über vor Freude. Flora freute sich für ihre Tochter, doch gleichzeitig liefen ihr dicke Tränen über die Wange. Ihr kleines Mädchen… ins Ausland? Wann war sie denn so schnell groß geworden?

Besnik erhob das Wort: „Es gibt jedoch eine Bedingung!“

[Für die Fortsetzung hier klicken]

Elda geht ins Ausland?

Elda geht ins Ausland?

Des Römers liebste Nichte, Elda, beschloss, dass es nun an der Zeit ist, die erste, in Albanien groß gewordene Frau in der Familie zu sein, die allein im Ausland studierte. Ihren Bachelorabschluss hatte sie schon in der Tasche – jetzt war der Zeitpunkt gekommen, den Master zu machen.

Sie brachte die Idee zuerst beim Römer hervor. Ihren Onkel zu überzeugen, war nicht gerade schwer. Aufgewachsen in Rom, war er Feuer und Flamme, dass seine „kleine“ 22jährige Nichte im Ausland studieren sollte. Am Ende des Gesprächs presste sie ihre Lippen aufeinander und sagte: „Sag mal, dajë (Onkel – mütterlicherseits), könntest du es meinem Vater sagen?“ Sie guckte ihn mit großen, Adria blauen Augen an. Er lachte. „Ja, ich kann’s versuchen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dein Vater seine einzige Tochter ins Ausland gehen lässt zum studieren…also… puh…die ist gering.“ antwortete er wahrheitsgemäß.

Am nächsten Tag traf er sich mit Besnik, Eldas Vater. Bei einem Espresso saß man in Besniks Bar und unterhielt sich. Ganz vorsichtig schnitt der Römer das Thema an. „Sag mal, Besnik, Elda sollte ihren Master machen. Ein Bachelor allein bringt ihr ja nun nichts.“ Besnik nickte. Ihm war die erstklassige Ausbildung seiner Tochter sehr wichtig. „Aber an der Universität von Tirana… du weißt ja wie es ist! Man bekommt nur die besten Posten, wenn man zufällig die Tochter des Dekans ist. Für die anderen bleiben auch nach einem Masterstudiengang wenig Perspektiven übrig.“ Besnik runzelte die Stirn, musste aber zustimmen. „Im Ausland wäre das anders. Dort hätte man mehr Möglichkeiten. Gerade wenn es um ihren Studiengang, Wirtschaft, geht. Und guck mal, wie sich das in einem Lebenslauf macht, wenn deine Tochter im Ausland studiert hat. Das wäre eine ganz andere Qualifikation. Du legst doch immer soviel Wert auf eine angemessene Ausbildung. Das wäre ihre Chance!“

Besnik starrte dem Römer lange in die Augen. Ich, als stiller Beisitzer, dachte nur: „Entweder er wirft jetzt den Tisch um und zieht wutentbrannt ab oder er fängt an zu weinen. Da sich letzteres als albanischer Mann nicht schickt, wird es wohl ersteres werden.“

Es kam nur ein Laut aus Besniks Mund: „Hm!“ Ja, man kann „Hm!“ mit einem empörten Ausrufezeichen am Ende intonieren. Es war auch kein grübelndes „Hmmm…“, vielmehr ein „Hm!“ das diesen abstrusen Gedanken wegzuwischen versuchte. Seine einzige Tochter! Im Ausland! Womöglich noch allein! Und überhaupt: Was sollen die Leute denken? Er schickt doch seine Tochter nicht ins Ausland. Nein, nein! Das kommt nicht in Frage! Das alles lag in seinem „Hm!“. Und seinem Blick. Durchdringende, braune Augen, die gar nicht mehr so warm lächelten wie sie es sonst immer tun.

Doch der Römer wäre nicht der Römer, wenn er hier aufgeben würde. „Erinnerst du dich noch als ich klein war und du meine Schwester getroffen hast? Ihr habt mich als Alibi benutzt, dass ihr euch heimlich sehen könnt. All die Jahre habe ich dieses Geheimnis für mich behalten. 35 lange, lange Jahre…. Niemand weiß davon. Vielleicht solltest du dir das mit Elda nochmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.“ Oha. Der Römer griff zu einer richtigen Granate. Der Kampf ist eröffnet, dachte ich nur.

Besnik starrte ihn an. Schockiert. Klar, er war seit 30 Jahren mit der Schwester der Römers verheiratet, sie hatten zwei Kinder, doch wäre es unschön, wenn seine hochgeschätzten Schwiegereltern das nun herausfinden würden. Was würden sie von ihm denken? Von ihrer Tochter?

„Ich überleg’s mir….“ sagte er. „Sprich mich in zwei, drei Tagen nochmal darauf an. Aber währenddessen behältst du Stillschweigen. Über alles! Besonders über deine verrückte Idee und diese Geschichte von damals!“

[Für die Fortsetzung bitte hier entlang]

Andere Zeiten, andere Sitten. Andere Länder, andere Sitten.

„Jeder Jeck ist anders.“ sagt man so schön in Köln. Aber nicht nur jeder Jeck, auch ganze Kulturen sind anders.

Es geht mal wieder um das beliebte Thema Schwangerschaft. Sie sehen es mir nach, liebe Leser, aber mein Kosmos ist klein geworden. Seit sechs Monaten bin ich von der Arbeit befreit und außer dem beliebten Babythema und ab und an Themen des Römers, die ich an mich reiße, passiert hier nicht mehr viel.

In einem Kommentar hierzu erzählte ich, dass meine Mutter damals, nach jeder der vier Geburten, ein schönes Glas Sekt angeboten bekommen hat und natürlich, wie es damals Usus war, dankend angenommen hat. „Das erklärt einiges.“ sagte Turtle und knuffte mich in die Seite. „Ja, bei dir!!“ konterte ich zurück und knuffte sie zurück. Wir mussten kichern und sie streckte ihre Zunge raus. „Kinder, Kinder! Ich erklär euch auch warum: 1. Fällt man in ein hormonelles Tief nach der Geburt. Man hat es als Prävention zur Postnatalen Depression benutzt. 2. Es ist sehr nett, nach der harten Abend ein wohlverdientes Gläschen Sekt zu trinken. Auch zum Anstoßen mit eurem Papa war das nett. 3. Sekt steigert die Milchproduktion. So hat es uns die Hebamme gesagt. Sie wies uns sogar an, dass wir daheim öfter einmal ein Sektchen aufmachen. Denn letztens: Sekt beruhigt Nerven und Geist.“ Turtle musste lachen: „Na, wenn das so ist. Nun mal her mit dem guten Tropfen. Wir stoßen an.“ Unsere Mutter guckte empört: „Bist du wahnsinnig! Heute ist das nicht mehr denkbar.“

Doch kommen wir zu einem anderen Land und seinen Sitten – Italien. Meine Schwägerin, die Schwester der Römers, ist eine gertenschlanke Erscheinung. Hochgewachsen, dunkelblond und sportlich. Als sie ihrem Frauenarzt erzählte, dass sie plant schwanger zu werden, wies dieser sie an, dass sie jetzt nochmal im Fitnessstudio eine Schippe drauf legen soll. Sie sollte aktiv ihre Muskeln trainieren, damit sich der Körper (oder vielmehr sie) nach der Schwangerschaft an ihre alte Form erinnert. Als wir sie besuchten, als sie dann schwanger war, konnte ich beobachten wie sie ungefähr 3-4 Tassen Espresso am Tag trank. Ich fragte den Römer abends, ob das normal sei. „Klar, Espresso ist kein Problem. Du kannst soviel trinken wie du möchtest.“ Ich guckte irritiert und erklärte ihm wie es in Deutschland gehandhabt wird. „Aber bei uns trinken doch schon 3-jährige Cappuccino.“ Das stimmt! Ich erinnerte mich an die Zeit als Au Pair als der kleine Ricchi mit seinen 3 Jahren am Frühstückstisch saß und nach einem Cappuccino verlangte. Ich prustete damals los und schüttelte den Kopf. Er guckte mich empört an und ging zu seinem Vater – petzen. Der machte ihm – ganz selbstverständlich – einen Cappuccino. Ich guckte ihn entgeistert an. „Meno caffé, ma più latte per i bambini.“ [Weniger Espresso, aber mehr Milch für die Kinder] Ja, ja. Das hatte ich schon verstanden. Aber in meinem Kopf machte es immer noch keinen Sinn. Das sah er mir auch an. „Non fa nulla! I bambini si abituano piano piano. Con 6 anni può bere un cappuccino normale.“ [Das macht gar nichts! Die Kinder gewöhnen sich langsam daran. Mit 6 Jahren kann er einen richtigen Cappuccino trinken] Na, das beruhigte mich jetzt aber ungemein. Und es erklärt die ganze Kultur in einem Getränk.

Doch zurück zu meiner Schwägerin: Ich sah sie jeden Tag Salat essen. Auch Brot verbot sie sich. Etwas irritiert fragte ich den Römer auch hier nach. „Du wirst bei jeder Untersuchung gewogen. Und die Obergrenze sind 12 kg – je nach Größe. Sollte die Gewichtskurve zu einer höheren Zahl tendieren, dann werden die Mütter auf Diät gesetzt. Und bei meiner Schwester ist das wohl so.“ erklärte er. „Auf Diät? Na klar sollte man nicht 25 kg zunehmen, das verstehe ich. Aber 12 kg als Obergrenze?! Das kommt doch auch darauf an, was dein Ausgangsgewicht war. Sie wog ja vorher schon kaum was, da würden ihr ein paar Pfunde extra doch ganz gut tun.“ wendete ich ein. „Offiziell heißt es: Wegen der Gesundheit von Mutter und Kind. Aber wenn man sich einmal in das Thema einliest, dann geht es darum, dass die Frau auch nach der Geburt noch attraktiv wie zuvor sein soll. Und eben kein camion [LKW].“ gab er zu. Mein Unverständnis stand mir ins Gesicht geschrieben.

Doch nun zu einem anderen Land: Albanien. Hier gibt es nicht viel zu erzählen. Die meisten der römischen Geschwister wurden per Hausgeburt auf die Welt gebracht. Ultraschall gab es nicht und Vorsorgeuntersuchungen auch nicht. „Es wird schon gut gehen.“ und das traf bei meiner Schwiegermutter in sieben von sieben Fällen zu. Sie hatte Glück – und Gottvertrauen. Als wir ihr die Ultraschallbilder zeigten, war sie ganz entzückt. Von ihren Töchtern und Schwiegertöchtern war ich die einzige, die eine ganze Kollektion hatte. Sie streichelte die Bilder und murmelte: „So ein schöner Junge.“ Zugegeben, mehr als seine Silhouette konnte man nicht erkennen, aber sie war blitzverliebt.

Als ich wenig später Wasser mit Kohlensäure bestellte, hefteten sich drei irritierte Augenpaare an mich. Meine Schwiegereltern und der Kellner guckten als hätte ich sie mit dem Tod bedroht. „Aber sie sind doch schwanger.“ stammelte der Kellner. „Ähm ja…“ ich guckte den Römer hilfesuchend an. Vielleicht war meine Aussprache doch nicht so gut wie ich dachte und ich hatte versehentlich etwas alkoholisches bestellt. Aber dem war nicht so. Der Römer bestellte mir stilles Wasser um diese unangenehme Situation zu beenden. Er flüsterte mir ins Ohr: „Erklär ich dir später.“ Na, auf die Erklärung war ich gespannt! Nach dem Essen erzählte er, dass schwangere Frauen in Albanien kein Wasser mit Kohlensäure trinken sollten. Das könnte zu Fehlbildungen, Abgängen oder einer schwierigen Geburt führen. Aha. Aber es ist doch nur Wasser. „Ich bestell dir nächstes Mal einfach heimlich Wasser mit Kohlensäure.“ sagte er und zwinkerte mir zu. „Ich kann’s kaum erwarten.“ gab ich zurück und musste lachen.

Tipps zwischen Müttern

Wie die Zeit und die Distanz so spielen wurde aus einer guten Freundin eine gute Bekannte. Ab und zu schreiben wir uns, alle paar Jahre sehen wir uns, aber es ist immer noch ein überaus herzlicher Kontakt zwischen uns vorhanden. Das bedeutet auch, dass wir über die wichtigsten Lebensabschnitte der jeweils anderen informiert sind. Vielleicht nicht mehr so schnell wie damals als wir uns jedes kleine Detail haarklein und brühwarm erzählen mussten, sondern manchmal mit einer gewissen Zeitspanne, aber dennoch: Man weiß Bescheid über das Leben der anderen.

So schrieb sie mir letzte Woche, dass sie und ihr Mann ein Baby planen und fragte wie lange es beim Römer und mir gedauert hat. Es entstand ein nettes und offenes Gespräch und ich erzählte ihr von meinen Erfahrungen und meinen damaligen Gefühlen. Ich thematisierte mein Mitfiebern – jeden Monat aufs Neue – meine Vorfreude, meine Enttäuschung und dann irgendwann meine Resignation bei der es mir egal war wie lange es dauert bis sich der kleine Bambino auf den Weg macht. Und tadaaaa! Genau da klappte es.

Ich drückte ihr die Daumen, dass es diesen Monat klappt und gab ihr einen Tipp, den ich mir damals von meinen Mitmenschen gewünscht hätte: Iss nochmal Sushi! Geh nochmal Carpaccio essen, erfreu dich an Parmaschinken, an Bresaola, an Thunfisch Ceviche. Iss nochmal ein 5-Minuten Ei. Genieße poached eggs mit flüssigem Kern. Denn all das geht mir am meisten ab.

Ihre Antwort kam prompt: Das finde ich lächerlich darauf zu verzichten. Japaner essen doch auch rohen Fisch und rohes Fleisch. Das heißt, wenn mein Körper darauf besteht, dass ich Sushi esse oder Carpaccio, dann tue ich das einfach.

Grundsätzlich bin ich so, dass ich niemanden überzeugen möchte, wenn es um ihre oder seine Angelegenheiten geht. Wenn ich nach Tipps gefragt werde, gebe ich sie gerne, aber ich verteufel keine Ansicht.

Ich schrieb: Ich für mich habe mir gesagt: 9 Monate darauf zu verzichten kriege ich hin. Denn wenn es dann zu einem Abgang oder zu einer Fehlbildung kommen würde, würde ich mir persönlich Vorwürfe machen. Wenn ich aber für mich jedes Risiko ausgeschlossen habe und es trotzdem dazu kommt, dann ist es Schicksal und ich hatte es nicht in der Hand. Das habe ich am Anfang der Schwangerschaft für mich so entschieden. Jede Frau ist anders und jede Frau entscheidet für sich und für ihr Kind, das was sie am Besten findet. Also mach ganz entspannt!

Ich bin nicht dazu da, andere Menschen zu belehren, weil jeder den für sich richtigen Weg findet. Ich verurteile auch niemanden. Für mich habe ich den richtigen Weg gefunden und ich bin mir sicher, dass sie für sich auch den richtigen Weg findet.

Sie bedankte sich für meinen Erfahrungsbericht und das weitere Gespräch verlief im Sand…

Briefe ans Bambino (Teil 2)

CTG, Ultraschall und Doppler sind absolut nicht dein Fall. Da lässt du auch keine Zweifel daran.

Als du noch ganz klein warst, ja, noch kleiner als heute, ca. in der 17. Schwangerschaftswoche, hast du Rosi, der Hebamme, erst einmal gezeigt wie sehr dir der Doppler missfällt. Um Herztöne von dir zu erhaschen, musste sie sich ganz schön anstrengen. Als sie dich dann endlich gefunden hatte, in der hintersten Ecke, hast du darauf eingetreten als gäbe es keinen Morgen mehr.

Genauso heute: Das erste CTG stand an. Neben mir in der anderen CTG Kabine lag eine andere Mami. Gleichmäßig blubbernd hörte man den Herzschlag bei ihrem Baby. Und bei dir? Erst einmal nichts. Die Arzthelferin musste ganz schön suchen um deinen Rücken zu erhaschen. Aber leider ist die Zeit des Versteckens vorbei. Mit deinen 1200g und deinen 36cm bist du auch einfach zu groß um dich zu verstecken.

Als sie dich dann gefunden hatte, gingst du sofort in die Verteidigungsposition. Mit aller Wucht tratst du gegen das CTG Gerät, dass deine Herztöne erfassen sollte. 10 Minuten war gar nicht daran zu denken, irgendetwas von dir zu messen. Entweder du hast dich weggedreht (wahrscheinlich um Anlauf zu nehmen) oder du hast mit voller Kraft zugeschlagen.

Dein Papa, der Römer, ist deswegen sehr stolz auf dich. 😉 Ist er doch damaliger Olympiateilnehmer im Taekwando gewesen. „Lui diventa un campione.“ [Er wird ein Weltmeister] verkündete er stolz als ich ihm nach dem CTG verkündet habe, was du gemacht hast.

„Wenn er sich jetzt nicht beruhigt, dann versuchen wir es später noch einmal. Eine Chance haben wir aber noch. Legen Sie sich mal auf den Rücken.“ sagte die nette Arzthelferin. Gesagt, getan. Und siehe da: Du hast dich beruhigt. Klar hast du ab und zu noch zu getreten und geboxt, aber bei weitem nicht mehr so schlimm wie vorher. „Noch drei Minuten – genauso bleiben und wir haben’s geschafft.“ munterte sie uns auf. Und du hast dich wunderbar betragen.

Danach stand der dritte, große Ultraschall an. Du bist zeitgerecht entwickelt, sehr groß, aber schlank. Und wie sollte es anders sein -getreten hast du auch wieder. Der Ultraschall gefällt dir eben auch nicht. Die Frauenärztin wollte uns auch dein Gesichtchen zeigen, aber du bist schüchtern. Das heißt, dass du brav deine Händchen und Füßchen vor’s Gesicht gehalten hast. Genau wie beim letzten Mal. Aber warte mal ab! In wenigen Monaten musst du Mama und Papa wohl oder übel dein Gesichtchen zeigen.

Doch eins ist klar: Du hast keine Probleme dich zu wehren. Und das ist auch gut so. Aber nächstes Mal könnten wir das CTG abkürzen, wenn du, mein Schatz, nur fünf klitzekleine Minuten still hältst. Abgemacht?

This is no dobre-dan-country

This is no dobre-dan-country

Sie sind stolz auf ihre Sprache, keine Frage. Über 7,6 Millionen Menschen sprechen Albanisch. Dieser erlesene Kreis von Albanisch Sprechern macht die Sprache wahrscheinlich so besonders.

Und das ist sie auch: ein ganz eigener Zweig der indogermanischen Sprachen gehört der albanische Sprache. Gelispelte Laute wie th und dh (und ja, da gibt es Unterschiede), gj das bei mir Krämpfe in der Zunge auslöst, ll-Laute, die zu Atemnot führen und ë das eigentlich eher ein ö ist, machen diese Sprache schwierig. Und von grammatikalischen Konstrukten möchte ich gar nicht erst anfangen. Deswegen beschränkt sich meine Konversation auch auf „Danke, gut! Und dir?“ und den üblichen Tageszeit abhängigen Grüßen.

Miremengjes oder Guten Morgen hätte man wohl im letzten Juli gesagt, so früh ging unser Flug nach Tirana. Es stand mal wieder eine Hochzeit an. Diesmal heiratete Toni, der Neffe vom Römer. Mit seinen 25 Jahren war er spät dran (für albanische Verhältnisse), aber was lange (höhö) wärt, wird endlich gut.

Wie manche meiner werten Leser wissen, arbeite ich bei einer deutschen Fluggesellschaft. Das bringt viele Vorteile mit sich, z.B. vergünstigte Flüge, FALLS (und hier kommt der Haken) noch Plätze frei sind. Nun, im Juli waren wenige Plätze frei. Um nicht zu sagen keine. Als wir online eingecheckt haben, schaute ich noch einmal nach den Passagier-Zahlen. Wenn wir nicht auf den Tragflächen mitfliegen wollten, dann wäre es eine glückliche Fügung wenn in letzter Minute ein (oder besser zwei) vollzahlende Passagiere ihren Flug verpassen würden oder aber stornieren.

Am Gate angekommen, drängte sich eine Menschentraube von reisewütigen Albanern. Juli. Ferienzeit. Jeder unbequeme, aber doch so moderne Sitzplatz in der Wartehalle war besetzt. Das sah nicht gut aus.

Als Mitarbeiter hat man die Möglichkeit einen „Jump Seat“ anzufragen. Dafür muss man sich in eine Liste eintragen und der Kapitän entscheidet, je nach ermessen, Auslastung und Gewichtsverteilung des Flugzeugs, ob er das genehmigen kann oder nicht.

Ich nahm meinen Mut zusammen und tigerte zu den Gate-Kollegen, die fleißig in ihrem PC rumhakten und schon äußerst gestresst wirkten. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf: „Einen wunderschönen guten Morgen!“ fing ich an. Die Kollegin blickte kurz auf. Lächelte. Das war ein gutes Zeichen. „Ganz schön viel Stress für euch heute, was?“ setzte ich fort. Erst einmal Mitgefühl zeigen. Dann mit der Bombe ins Haus fallen. „Ich bin Kollegin.“ machte ich mutig weiter. Nun wurde ich von oben bis unten gemustert. „Und ich wollte ganz lieb fragen, ob wir uns auf die Jump Liste setzen dürfen?“

Die Kollegin guckte verwundert. „Auf die Jump Liste? Der Flug geht nach Tirana!!“ gab sie irritiert zurück. „Ja, genau da wollen wir hin.“ Ich zeigte auf den Römer. „Sein Bruder heiratet.“ Ich lächelte. Naja, Bruder, Neffe, in diesem Moment nehme ich es mit der Wahrheit nicht so genau. „Ach, das ist ja schön.“ gab die Kollegin zurück und schob mir die Liste zu. „Einmal bitte alle Details eintragen. Ihr fliegt beide bei uns, oder?“ fragte sie lächelnd. „Ich ja, der Römer nur privat. Aber er ist Jump erfahren.“ Das letzte Detail dieses Satzes stimmte nicht, aber die Kollegen haben wohl kaum Lust jemand absolut unerfahrenen zu erklären, was er im Notfall zu tun hat. „Ach super. Ich ruf schon mal den Kapitän an. Ihr könnt Platz nehmen oder euch einen Kaffee holen. Das wird ein bisschen dauern.“ erklärte uns die Kollegin.

Der Römer hörte nur das Wort caffé und war Feuer und Flamme, die Anweisung der Kollegin zu befolgen. Nach einem Espresso später, zurück am Gate, mittlerweile mit einem wachen Römer, waren so gut wie alle Gäste eingestiegen. Wir warteten. Nachdem kein Gast mehr anstand und der, wie es schien, letzte Bus zum Flugzeug abgefahren war, wurden wir aufgerufen.

„Aaaaalso, ihr Süßen“, begann die mittlerweile sichtlich entspannte Kollegin, „für den jungen Mann haben wir einen Sitzplatz. Sogar einen Fensterplatz. Also ganz klasse! Für dich“, sie guckte nun mich an, „haben wir einen Jump Seat. Im Cockpit. Deinen Mitgliedsausweis hast du dabei?“ fragte sie. „Klar, der ist hier.“ antwortete ich und zeigte ihn vor. „Na super, dann bestell ich euch einen Bus und euch zwei Hübschen eine tolle, tolle Hochzeitsfeier in Dingens…ääh…Tirana.“ wünschte sie uns. Wir bedankten uns überschwänglich und gingen zum Bus.

Im Flugzeug angekommen bedankte ich mich bei der diensthabenden Crew für den Jump Seat. Im Cockpit wurde mir mein Sitz umgeklappt, ich zurrte mich fest und wir hielten einen sehr langen (1:30h) Smalltalk.

Ich bekam auch Kopfhörer um mitzuhören, was der Co-Pilot Stefan mit der Flugsicherung besprach. Wir flogen über Österreich, der Co-Pilot begrüßte die österreichische Flugsicherung mit einem herzlichen „Servus, Airline XY 123…„. In Kroatien angekommen begrüßte er die Flugsicherung mit einem freundlichen dobre dan – nicht ganz korrekt, aber man Verstand und schätzte den Gruß. Generell bleibt zu sagen, dass viele Piloten, die für’s Funken zuständig sind, gerne als Wertschätzung den landestypischen Gruß beim ersten Kontakt mit der neuen Flugsicherung benutzen. Also Buongiorno in Italien und Buenas dias in Spanien, usw..

Als wir dann in den albanischen Luftraum eintraten, begann der Co-Pilot wieder mit einem äußerst freundlichen dobre dan, gefolgt von unserer Flugnummer.

Ich guckte gespannt, wusste ich doch, dass dobre dan nicht nur der falsche Gruß ist, sondern auch noch, je nach Gesprächspartner, nicht gerade freundlich aufgenommen wird. Fünf quälende Sekunden passierte nichts. Als der Co-Pilot wieder anfangen wollte mit dobre dan kam eine Antwort von der albanischen Flugsicherung. Erst war nur ein Räuspern zu hören. Dann ein Schlucken und dann kam mit tiefer, ernster, akzentreicher Stimme: „Sir, this is no dobre-dan-country!!!“ Ich lachte Tränen. Stefan war sichtlich rot geworden und stammelte „Ääääh…ähhh….I mean, good morning….anyway… Airline XY 123…“ Und das Gespräch ging weiter.

Als er eine kurze Funkpause hatte, stammelte er: „Ich dachte, ganz Osteuropa sagt dobre dan oder zumindest etwas in der Art.“ Ich lachte. „Alle – bis auf Albanien. Sie sprechen keine slawische Sprache und deswegen sind sie no dobre-dan-country.“ antwortete ich. „Mensch, voll in die Nesseln gesetzt. Wie mach ich das wieder gut? Er scheint ja sehr nüchtern zu sein.“ gab Stefan zurück. „Sag doch beim Verabschieden einfach „Danke, Auf Wiedersehen“ auf Albanisch.“ wendete ich ein. „Okay, schreib mir das mal hier auf den Block. Das hört sich gut an. Wir müssen ja schließlich wieder zurückfliegen. Und bei meinem Glück wird es keinen Schichtwechsel geben.“ sagte der Co.

Ich notierte ihm „Faleminderit. Mirupafshim.“ übte ein paar Mal mit ihm und war sichtlich stolz als er es höflich zur Verabschiedung vortrug. Zurück kam ein erfreutes „Mirupafshim.“ Sie waren wieder Freunde.

Angekommen in Tirana wartete ich an der vorderen Tür des Flugzeugs auf den Römer. Neben mir die nette Kabinenkollegin und der Co Stefan, die beide den Gästen Auf Wiedersehen sagten. Stefan, mit seinen neuen Sprachkenntnissen, zauberte jedem Albaner ein Lächeln ins Gesicht als er sich bei ihnen auf Albanisch bedankte und verabschiedete. Als der Römer vorbeikam, hakte ich ihn unter, bedankte mich nochmal bei der Crew und verabschiedete mich. „Faleminderit. Mirupafshim.“ sagte Stefan augenzwinkernd.

Auf der Flugzeugtreppe sagte der Römer: „Siehst du, sogar der Co konnte zwei Wörter Albanisch. Das finde ich toll. Albanisch wird immer wichtiger.“ Ich musste grinsen: „Ja, den Eindruck habe ich auch….“

Krankenhaus Besichtigung

Liebe Leser, meine Albanien-Berichterstattung wird unterbrochen für einen anderen Beitrag aus der Serie „Schwangerschaftsgedanken“. Nicht, dass Sie sich noch langweilen. Aber keine Sorge, immer Mittwochs (oder Dienstags 😄) kommen meine Albanien Artikel weiterhin raus. 😉

Bin ich die coolere oder die naivere Mutter? Das ist die große Frage. Und die wurde mir bewusst bei der Krankenhaus Besichtigung letzte Woche.

Vorab: Es gibt einige Krankenhäuser in unserer Stadt. Man findet hier die kleinen, heimeligen oder aber die großen, hochspezialisierten Krankenhäuser. Bei uns ums Eck, Luftlinie 500 Meter, ist ein kleines, heimeliges. Entbinden kann man dort ab der 36. Schwangerschaftswoche, da es keine Baby-Intensivstation gibt.

Wir kennen das Krankenhaus schon. Der Römer wurde dort operiert und ich wurde dort mit meinem gebrochen Fuß behandelt.

So trug es sich also zu, dass ein Grüppchen Schwangere sich zusammen mit den jeweiligen Partnern in der Lobby des Krankenhauses traf. Man konnte 40 Babybäuche in allen Größen und Formen bewundern. „L’incontro delle balene“ [Das Treffen der Wale] flüsterte mir der Römer wenig charmant zu. Ich musste trotzdem grinsen. Ja, es sah tatsächlich so aus.

Wir wurden in die Cafeteria des Krankenhauses geführt und der Vortrag des Chefarztes und der leitenden Hebamme begann. Mir gefiel er sehr gut, weil freundlich aber bestimmt gesagt wurde, was geht und was nicht. Der Chefarzt sagte – eine für mich logische Sache – die aber viele erstaunte Gesichter hervorrief: „Wenn wir eine brenzlige Situation haben, dann haben wir keine Zeit in genau dieser Sekunde mit Ihnen ausführlich darüber zu diskutieren. Wir machen unseren Job und sorgen für Sicherheit für Sie und Ihr Kind. Gerne sprechen wir danach ausführlich über die Situation, wir erklären und machen verständlich. Aber in dieser Situation bitten wir Sie, dass wir unseren Job machen dürfen.““

Das saß. Mindestens zwei Elternpaare erhoben sich und gingen. Ich grinste. Der Römer nickte begeistert. „Giusto quello che dice! Assolutamente giusto!“ [Das ist richtig was er sagt! Absolut richtig!] flüsterte er in mein rechtes Ohr. Zu sehr kannte er es aus seinem medizinischen Beruf, dass gerne der medizinische Laie mitredet. „Dr. Google sagt aber, dass….“

Eine Mutter fiel mir ganz besonders auf. Sie stellte trölfzigtausend Fragen und hatte sehr genau im Kopf wie die Geburt ihres ersten Kindes ablaufen muss. „Ich möchte es so und so. Aber ohne Dammschnitt. Wie ist das mit einem Kaiserschnitt? Wie wird das bei Ihnen mit Bonding gehandhabt? Wie kann ich ein Familienzimmer buchen? Kann sich mein Mann direkt nach der Geburt auf meine Liege legen?“ Ich rollte genervt mit den Augen.

Vielleicht bin ich naiv, vielleicht ignorant, aber seit Jahrtausenden von Jahren existiert die Menschheit und die Medizin ist weiter als jemals zuvor. Frühchen, die früher keine Chance hatten, bekommen die beste, medizinische Hilfe, die man sich vorstellen kann. Aber, und da bin ich mir sicher, eine Geburt folgt keinem Drehbuch. Wenn es so wäre, wäre die Geburt vom Bambino nämlich ein Kurzfilm und endet nach 6 Minuten mit einem Happy End. 😉

Von Wehen geplagt ist mir wahrscheinlich egal, ob die Hebamme eine homöopathische Lösung für mich bereit hält. Ich möchte nur keine Schmerzen mehr haben. In den Presswehen sind mir Akkupunktur Nadeln in meinen Ohren egal. Ich möchte auch meine Plazenta nicht mit nach Hause nehmen und sie einfrieren.

Es gibt keine 100% Sicherheit für eine Geburt. Es gibt ja nun auch keine 100% Sicherheit für dasLeben. Leben heißt Überraschung. Vieles ist planbar, so denken wir. Manches ist gesteuert. Man hat es nicht in der Hand. Egal wie sehr man sich bemüht.

Und dazu zähle ich auch die Geburt. Bis jetzt habe ich keine Angst. Wenn es anfängt, fängt es an. Ob es am Ende ein medizinisch notwendiger Kaiserschnitt, eine Traumgeburt oder 36 Stunden Wehen wird – ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, ich werde es in den nächsten Monaten herausfinden.

Aufgenommen vom Einen auf den Galapagosinseln. So fühle ich mich! Müde und dickbauchig im Sand.

Eine albanische Tradition

Eine albanische Tradition

Es gibt sie wohl in jedem Land: die kleinen, feinen Traditionen und Verhaltensweisen, die andere Kulturen zum Kopfschütteln, Schmunzeln oder zum Stirn kräuseln bringen. So auch hier!

Als mein Pinkeltest noch nicht einmal trocken war, war die erste Anweisung des werdenden Vaters (nachdem er realisiert hat, dass er einen kleinen Nachfahren gezeugt hat): „Wir müssen es meiner Mutter sagen.“ Da ich noch etwas unsicher war, bat ich ihn darum, noch mindestens ein oder besser zwei Frauenarzttermine abzuwarten. Meine Angst war, dass unser kleines, binationales Liebesprodukt nur ein Windei sein könnte. In der achten Schwangerschaftswoche hielt er es nicht mehr aus. Er müsse es JETZT seiner Mutter sagen. Und zwar sofort!

[Dazu vielleicht ein kleiner Exkurs, warum die Nachricht so überraschend und freudig ist. In Albanien bekommt man Kinder mit Anfang 20. Alle aus seiner Familie hielten sich daran, außer der Römer. Er studierte lieber, genoß, mal mit, mal ohne Beziehung, sein Leben in Rom. Als er Mitte 30 war, traf er mich. Nun, mit fast 40, wird er endlich Vater. Nichts ungewöhnliches in unserem Kulturkreis. In Albanien aber schon. Seine nur zwei Jahre ältere Schwester ist nämlich schon Großmutter. So dachte man also in Albanien, der Römer wird nie Vater. Deswegen ist die Nachricht über seine Vaterschaft wie Weihnachten und Bayram an einem Tag – nicht die Normalität, aber kommt vor. Nun aber zurück zur Geschichte:]

Wenn es denn so wichtig ist, dann lassen wir die Bombe platzen. Ohne weiteres hätte man den Freudenschrei meiner Schwiegermutter – auch ganz ohne Telefon – von Albanien nach Deutschland hören können. Als sie sich wieder einigermaßen eingekriegt hatte, die ersten Freudentränen getrocknet waren und sie wieder sicher auf den Beinen stand, senkte sich ihre Stimme mysteriös: „Mein liebes Kind, wem, außer mir, hast du es schon gesagt? Doch nicht etwa deinen Brüdern?“ Ihre Stimme bebte beim letzten Satz.

Der Römer verneinte. Sie sei die erste, die von dieser glücklichen Fügung wüsste. „Aaaah! Shumë mirë! [sehr gut!] Bitte sag es niemanden. Ich möchte persönlich die frohe Botschaft an die Familie überbringen.“ Er versprach hoch und heilig, dass er es niemanden sagen wird.

Nachdem Telefongespräch erklärte er mir alles. Sichtlich irritiert fragte ich ihn: „Warum sollst du denn niemanden davon erzählen? Ist das wieder so ein albanischer Aberglaube?“ Er grinste. „Nein, also jein… also ja. Schon irgendwie.“ fing er an. „Also, das ist so: In Albanien wird derjenige reich beschenkt, der sehr, SEHR gute Nachrichten überbringt. Meine Mutter geht also nun von Haus zu Haus und erzählt es meinen Geschwistern, ihren Geschwistern, den Geschwistern meines Vaters, sämtlichen Cousins und Cousinen. Und jede Familie muss ihr eine Kleinigkeit schenken um die gute Nachricht zu erfahren.“ Ich musste laut lachen. Meine Schwiegermutter, der Fuchs.

Wie es schien, machte sie sich sofort an die Arbeit. Mein Schwiegervater berichtete später, dass sie zum Friseur ging, ihre Haare frisch ondulieren lies, ihre besten Kleider anzog und ihn sofort als Fahrer einspannte – natürlich in seinem besten Anzug. Vorher musste er den alten, dunklen Mercedes noch gründlichst waschen und polieren lassen. Währendessen setzte sie sich ans Telefon und informierte schon einmal alle, dass sie gleich vorbeikommen würde. Es würde außerordentlich gute Nachrichten geben. Das Telefon diente natürlich nur dazu, dass die Sippschaft genug Zeit hätte sich um ein ordentliches Geschenk zu bemühen. Denn nichts anderes erwartete meine Schwiegermutter von ihrer Verwandtschaft.

Dann ging die wilde Fahrt los. Sie fingen bei ihrem ältesten Sohn, dem großen Bruder des Römers, an und klapperten alle in Albanien lebenden Verwandten ab. Auf der Rücksitzbank, so erzählte mein Schwiegervater später, häuften sich die Geschenke. Meine Schwiegermutter lächelte zufrieden. Als sie ihre „tour de cadeaux“ [Geschenketour] beendet hatten, war meine Schwiegermutter längst noch nicht fertig. Nun galt es alle Verwandten in Italien, Griechenland, der Schweiz und den USA zu informieren. Sie machte sich sofort ans Werk. Denjenigen, die nicht via Telefon erreicht werden konnten, schickte sie eine Email oder wies ihren Enkel an, er solle eine Sprachnachricht schicken mit der Bitte zurückzurufen. Es sei dringend!

Noch Wochen später trudelten Pakete in verschiedenen Größen und von verschiedenen Werten ein. Es wurden liebevoll bestickte Tischwaren und teure Kristallserviettenringe geschickt. Man besorgte teure, Schweizer Schokolade, man stellte liebevolle Pakete aus exquisiten Pastasorten und selbstgemachten Nudelsaucen zusammen. Es war ein Fest!

Als wir Wochen später in Albanien ankamen, wurden wir in ihre private Kammer geführt. Sie glich einem Showroom von Macy’s. Mit Bedacht wurden uns all die Geschenke und Glückwünsche präsentiert. Hier verstand ich auch, warum meine Schwiegermutter so erpicht darauf war, dass sie die guten Nachrichten verbreiten konnte. Und man bloß nichts verraten sollte. Denn gute Nachrichten werden teuer bezahlt. Nicht etwa an uns, die werdenden Eltern. Wir spielen hier keine Rolle. Sondern an die oder den glücklichen, der diese überbringt.