Pasta al ragù oder die Lieblingsbolognese des Römers

Der Römer liebt pasta al ragù. Als er noch ganz neu in Deutschland war, versuchten wir uns an einer Bolognese Sauce. Sie war nicht schlecht, aber sie lag auch ziemlich schwer im Magen.

Dazu kam: Ich mag kein Hackfleisch. Das liegt vielleicht daran, dass man nie weiß, ob hier Hund/Katze/Maus verarbeitet wurde oder der Metzger die Wahrheit sagt, dass hier nur reines Rindfleisch verwendet wurde. (Bei Fleisch bin ich allerdings sehr speziell…)

So wagte ich mich also an einen Selbstversuch: Ich erinnerte mich, dass ich vor Jahren eine Soja Bolognese kochte, die per se sehr gut war. Was per se nicht so gut war: Mein Verdauungstrakt ist kein Freund von Soja.

Ich setzte die Suche fort und stolperte über Linsenbolognese. Der Römer liebt seit jeher Linsen und ich fand die Idee sehr schmackhaft Linsen als Hackfleischersatz zu verwenden. Gesagt, getan. Nach einigen Versuchen nach Rezept zu kochen, konnte ich „mein Rezept“ irgendwann im Schlaf. Also versuche ich es nun hier aufzuschreiben.

Vom Römer, der mein schlimmster Kritiker ist (zu Recht: Er kocht zu 80% deutlich besser als ich), bekam ich das Testurteil: „Il miglior ragú del mondo“. [die beste Bolognese Sauce der Welt] Selbst die Bolognese seines hochgeschätzten Freundes und Kochs Nicola lässt er dafür links liegen.

Und da ich meiner Leserschaft das Rezept nicht vorenthalten will, kommt es hier:

Zutaten

1 Zwiebel (ich nehme gerne eine rote)

2 Knoblauchzehen

1 Packung Suppengrün (oder alternativ 300g Karotten, 100-200g Knollensellerie, 60g Lauch)

500g passierte Tomaten

300g rote Linsen

2 gehäufte EL Gemüsebrühe

1 L Wasser

Salz

Pfeffer

(Gewürze je nach Geschmack – bei mir ist es meistens ein bisschen Muskatnuss, edelsüßer Paprika, Chilli, Kümmel, ein minimaler Schuss Sojasauce (!), ein Hauch Zimt)

Zubereitung

  • Die Zwiebel klein schneiden und in einem großen Topf mit ausreichend Olivenöl anschwitzen. Sie sollte nicht braun werden, sondern am besten leicht glasig. Knoblauch schälen und die ganzen Zehen dazu. Dies dient zur Aromatisierung. Sie werden am Ende wieder rausgefischt.
  • Die Karotten, den Sellerie und den Lauch fein hacken (ich benutze dafür eine Küchenmaschine, man kann die Zutaten aber sicher auch sehr fein schneiden oder raspeln). Dann die Zutaten zu den Zwiebeln geben und bei mittlerer Hitze (Stufe 5-6) vorgaren.
  • Nach einigen Minuten gebe ich 500g passierte Tomaten dazu und lasse es kurz mitköcheln.

  • Die roten Linsen waschen, abtropfen lassen und ab in den Topf.
  • In der Zwischenzeit rühre ich 2 gehäufte EL Gemüsebrühe in einem Messbecher mit Wasser an und gebe es in den Topf.
  • Jetzt die Mischung aufkochen, einen Moment kochen lassen und dann auf mittlere Flamme zurückschalten, so dass es nur noch köchelt. (Bei meinem Herd ist es Stufe 3-4)
  • Und jetzt kommt das Geheimnis jeder guten Bolognese – egal ob vegetarisch, vegan oder mit Fleisch: Man muss ihr Zeit geben. Eine gute Bolognese wird nie in 30 min fertig sein. Sie braucht Stunden auf kleiner Stufe um all ihre Aromen zu entfalten. Das heißt für meine Bolognese sie köchelt mind. 1,5 Stunden, gerne aber auch 2,5 Stunden vor sich hin. Ab und zu rühre ich um, gieße Wasser auf, wenn sie zu sehr einreduziert und lasse ihr Zeit.
  • Knoblauchzehen rausfischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Dann kommen Gewürze nach Lust und Laune dazu. Bei mir meist die oben stehenden Gewürze, aber in sehr kleinen Mengen. Das wiederum heißt: Muskatnuss, edelsüßer Paprika, Chilli, Kümmel, ein minimaler Schuss Sojasauce (!), ein Hauch Zimt. Jeder schmeckt ja nach belieben ab. Also je nachdem, wie man es gern möchte. Ich kann mir auch Tomatenmark vorstellen, Rosmarin, Thymian,..
  • Dann nur noch die Pasta kochen (wir nehmen gerne Penne Rigate oder noch lieber mezze maniche rigate) und sobald die Pasta al dente ist, die Pasta mit der Soße im Topf mischen. Bloß nicht einen Klecks Soße auf die Pasta geben und dann servieren. Denn jedesmal, wenn ihr das tut, heult eine italienische Nonna ihr Stofftaschentuch voll. Pasta gehört mit der Soße vermischt – vor dem Servieren. „Cosi si sposano!“ [So heiraten die beiden] Und wer möchte den Nudeln schon die Ehe mit der Sauce verweigern.
  • Dazu Parmesan, ein bisschen Olivenöl und buon appetito.

Das Rezept ist vegetarisch und je nach Brühe auch vegan. Also für jeden geeignet.

Biografien sollten verpflichtend sein

„Wie oft hat man schon Gelegenheit jemanden sein komplettes Leben zu erzählen?“ Diese Frage habe ich letztens von einem Strafgutachter im „stern Crime – Spurensuche“ Podcast (ist wahrscheinlich Werbung…) gehört und sie bewegte mich zum Nachdenken.

Wir geben Einblicke in unser Leben. Wir zeigen Momentaufnahmen von diesem oder jenem Moment als wären es Fotoalben aus längst vergangenen Zeiten. Aber wann hat man schon mal die Gelegenheit sein komplettes Leben von A bis Z zu erzählen? Und wäre es vielleicht ein bisschen zu viel auf einmal? Nicht unbedingt für den Zuhörer, aber für einen selbst? Hat man sich nicht schon längst die Highlights aus dem Skript der Vergangenheit markiert, die man je nach Situation vortragen kann? Die kleinen, feinen Geschichten, die man vielleicht hier und da abändert um ein spannenderes Ende zu wählen? Sollte es vielleicht obligatorisch sein, seine Biografie zu schreiben?

Wenn ich an meinen Großvater denke, so bereue ich es, dass ich zu jung war um die wirklich interessanten Fragen zu stellen. Seit Jahren ist es leider zu spät dafür.

Wir waren ein Herz und eine Seele. Er wusste wahrscheinlich alles von mir, da er immer auf mich aufpasste als ich noch klein war. Aber ich wusste nicht viel über ihn. Ein paar Erinnerungsfetzen fallen mir ein, ja.

Er war sehr interessiert am Glauben. Er war im Krieg und hatte Albträume davon. Er vermisste seine Noch-Ehefrau und verstand nicht, warum sie den Kontakt abbrach. Er stritt jedesmal mit seinem Sohn, meinem Vater. Er war ein wunderbarer Opa, aber ein ungerechter Vater. Ein Schlitzohr war er. Den Schalk hatte er stets im Nacken. Klug war er auch – und bekam deswegen ein Stipendium und eine Banklehre, in Zeiten, in denen ein einfacher Näherssohn normalerweise Tagelöhner war.

Aber ich hätte heute so viele Fragen an ihn: Wie war es als 18jähriger im Krieg? Hattest du Angst nie wieder heimzukommen? Wie war es als dein bester Freund vor dir gefallen ist? Und was hast du gefühlt als du vom Kriegsgefangenen Lager heimgeschickt wurdest, weil du der jungen, russischen Ärztin erzählt hast, du hast Malaria? Was hast du gedacht als du meine Oma das erste Mal gesehen hast? Was hast du gefühlt als deine Söhne geboren sind? Was war der größte Moment des Scheiterns für dich? Und wie kamst du darauf einem 12 Wochen alten Welpen, unserem Hund, Haferflocken zu füttern? Hast du deinen Vater oft vermisst als er viel zu früh verstorben ist? Hättest du gerne Geschwister gehabt? Und wie hast du diese fantastischen Pfannkuchen am Freitag immer wieder hinbekommen? Warum hast du damals bei Nebel die Straße nicht bei der 100m entfernte Ampel überquert? Hattest du Angst als du die Scheinwerfer sahst? War der Aufprall schmerzhaft? Und stimmt es, dass du danach tatsächlich nichts mehr Hören und Sehen konntest? Und wenn ja, wie hast du es geschafft mich einen Tag vor deinem Tod mit diesen glasklaren Augen anzusehen während dein Sohn aus dem Zimmer ging? Hättest du gerne deine Urenkel kennengelernt? Und wenn ja, was würdest du mit 97 Jahren von ihnen denken? Warum hast du nie eine Familien interne Biografie geschrieben? Nur für uns Enkel?

Und die wichtigste Frage ist:

Vermisst du mich so wie ich dich?

Eine Hand voll Muscheln und Sand

Bei diesem schmuddelig-kalten Wetter ist mir ein Blogbeitrag in die Hände gefallen, den ich im Urlaub am Strand geschrieben habe. Hoffentlich wärmt er genau so wie eine warme Kürbissuppe, die auf dem Herd vor sich hinköchelt oder die Kuscheldecke auf dem Sofa.

Eine Hand voll Muscheln und Sand bedeuten doch überall Glück, oder? Egal in welche Sprache. Egal mit welcher Währung gezahlt wird. Egal in welchem Land und an welchem Strand.

Eine Hand voll Muscheln und Sand bedeutet Freiheit, salzige Meerluft. Es bedeutet einen Moment sorglos zu sein. Tief durchzuatmen während die Meeresbrise sanft die sonnengebräunte Haut streichelt. Es bedeutet Familien mit Kühlboxen voller Köstlichkeiten, die liebe- und mühevoll zusammengestellt wurden. Es bedeutet Eis, dass viel zu schnell schmilzt und Geschmackssorten, die oft so künstlich sind, dass man sie nur im Sommer am Strand essen kann. Es bedeutet Fußabdrücke im warmen, hellen Sand. Es bedeutet Wellen, die dich umspielen um dich langsam ins Meer zu ziehen. Lauwarmes, salziges Meerwasser, Luftmatratzen in grellen Farben, windschiefe Sandburgen, morsche, ausgeblichene Holzplanken, über die man bis zum Strand balanciert.

Es bedeutet, Urlaubsbekanntschaften an der immer selben Strandbar zur immer selben Zeit zu treffen. Nur die Haut- und Haarfarbe verändert sich. Während die Haare ausbleichen, das dunkelblonde Kleinkind nun fast hellblond ist, wird die Haut dunkler. Bei manchen erst rot – und das in allen Schattierungen, bei anderen ein hübsches braun, dass so wunderbar zum weiten, weißen Leinenkleid passt. Es bedeutet Kaffeeduft und eine große Flasche Wasser, an der die Wassertropfen abperlen und sich ihren Weg bahnen um eine hübsche, kleine Pfütze auf dem Holztisch zu bilden.

Eine Hand voller Muscheln und Sand bedeutet auch Wassermelonenkerne-Weitspucken. Die riesigen, süßen Wassermelonen des Südens mit ihren Rabenschwarzen Kernen. Es bedeutet Schwimmsachen, die im Wind in wenigen Minuten wie von Zauberhand trocknen. Es bedeutet Gummikrokodile, die mit voller Lebenslust von jungen Abenteurern gekapert werden, nur dass sie sie dann wieder ins Meer plumsen lassen, wenn sie nicht aufpassen. Es bedeutet pappsüße Granita, abends, auf warmen Steinstufen zu schlürfen oder zu löffeln.

Es bedeutet fangfrischer Fisch, der wunderbar nach Salz und Meer riecht, gebraten mit ein wenig Olivenöl und Rosmarin auf dem Grill. Beträufelt mit frischer, sonnengelber Zitrone aus Nachbars Garten. Es bedeutet Gemüse aus dem Garten. Gurken, so aromatisch, dass man sich schwört, nie nie nie wieder ihre traurigen Artgenossen in Plastikfolie eingeschweißt im Supermarkt zu kaufen. Es bedeutet warme Nächte, die nur durch den Ventilator und das dünne Betttuch erträglich werden.

Und am Ende des Urlaubs bedeutet es, immer nochmal ein paar Sandkörner im schon ausgepackten Koffer zu finden. Vielleicht auch eine kleine Muschel, die sich keck reingeschmuggelt hat.

Eine Hand voll Muscheln und Sand sind vielleicht die Währung des wahren Glücks auf dieser Erde.

Gjiri i lalzit – verursacht einen Knoten in der Zunge beim Aussprechen, ist dafür aber tausendmal schöner als die Aussprache. Versprochen.

Vorschnelles urteilen

Wenn man nur die halbe Wahrheit kennt, ist man schnell dabei sich eine Meinung zu bilden.

Ich wusste von meiner Mutter, dass sie Ski fahren war als ich noch gut verpackt in ihrem Bauch gewohnt habe. Dieser Fakt belastete mich nicht weiter und ich dachte nie intensiv über die Gefahr nach. Erst als ich es Freundinnen erzählte, die bereits Kinder hatten, merkte ich die Verwunderung in ihrem Gesicht: „Sie war Ski fahren? Schwanger? Weißt du eigentlich wie gefährlich das ist?“

Öhm. Nein. Wenn man keine Kinder hat oder gerade plant, macht man sich darüber keine Gedanken.

Nach dem Grund für ihren Skiausflug fragte ich sie nie.

Bis sie gestern erzählte: „Als ich mit dir schwanger war, wusste ich am Anfang nicht, dass ich schwanger bin. Wir hatten unsere Kinderplanung weitgehend abgeschlossen. Es dauerte etwas bis ich es bemerkte. Also gingen wir Ski fahren – die ganze Familie. Der tiefe, glitzernde Pulverschnee in dem Jahr lud mich förmlich dazu ein auch etwas riskantere Abfahrten zu nehmen. Ein paar Tage später, ich wunderte mich wo meine Monatsblutung blieb, macht ich einen Test. Schwanger! Als ich dann nach zwei Tagen anfing heftig zu bluten machte ich mir solche Vorwürfe, dass ich Ski fahren gegangen bin. Angekommen beim Frauenarzt versuchte er mich zu beruhigen. <<Schonen Sie sich! Heben Sie nicht schwer! Und alles andere regelt die Natur>> sagte er. Ich weinte auf der kompletten Rückfahrt. Diesen kleinen, unschuldigen Menschen wollte ich nicht verlieren aufgrund meiner Unwissenheit. Nach ein paar Tagen hörte die Blutung auf. Ich hatte wieder einen Frauenarzttermin und siehe da: Ein kleines Gummibärchen mit einem kräftigen Herzschlag. Das warst du! Ich hätte nicht glücklicher sein können.“

Das war also die ganze Geschichte. Sie wusste nicht, dass sie schwanger war und machte sich Vorwürfe. Auch nach drei Jahrzehnten schien sie dieses Gefühl immer noch mitzunehmen. „Aber es ging ja alles gut. Und es wäre doch nicht deine Schuld gewesen.“ versuchte ich sie aufzumuntern. „Doch, doch. Es wäre meine Schuld gewesen.“ antwortete sie nach all den Jahren immer noch überzeugt von ihrem Verschulden.

Mütter – in Gänze schätzen lernt man sie erst, wenn man selber zum Elter wird.

Elda in Mailand

Elda in Mailand

[Alle vorherigen Teile sind hier zu finden: Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4]

Für Besnik gab es kein Zurück mehr. Er erlaubte Elda schweren Herzens in Mailand zu studieren. Wäre da nicht vor Jahren dieses blöde Versprechen an sich selbst gewesen, dass er alles tut, damit seine Tochter die bestmögliche Ausbildung bekommt. Manchmal möchte er den jungen, naiven Besnik für diese dämliche Aussage ohrfeigen. Doch jetzt war es zu spät dafür.

Flora, seine Frau, lief schon seit Tagen mit geschwollenen Augen durch das große Haus. Als Elda vor dem Studentenvisumsantrag saß und sie in ihrer mädchenhaften Schrift Druckbuchstabe um Druckbuchstabe einfügte, rissen bei Flora wieder alle Dämme. Schnell huschte sie in die Küche und schnitt Zwiebeln. Wenn sie eh schon weinte, dann sollten wenigstens ihre Kinder denken, es käme von den Zwiebeln. Dass sie dabei herzzerreißend schluchzte blieb ihren Kindern trotzdem nicht verborgen.

Elda wusste, dass ihr neuer Lebensabschnitt nicht nur Freude für die Familie bedeutete. Aber sie redete sich ein, dass es wie mit einem Pflaster ist: Lieber schnell und ruckartig „abziehen“ als langsam und schmerzhaft. Sie musste alles ausblenden um den Schritt in die große, weite Welt zu wagen. Anders ging es nicht.

Am nächsten Tag hatte sie einen Termin beim italienische Konsulat in Tirana. Bevor das Konsulat aufmachte, genoss sie noch eine Tasse Espresso im schräg gegenüberliegenden Sophie Café. Sie ließ sich in die braune, abgewetzte Ledercouch sinken und begutachtete das frühe Treiben Tiranas. „Faleminderit! [Danke]“ bedankte sie sich höflich bei der freundlichen Bedienung, die ungefähr in ihrem Alter war.

Sie dachte nach. Nein, so wollte sie nicht enden. Sie wollte mit ihrem Studium keine Kellnerin oder Barista werden. Und das scheint ohne die nötigen Kontakte oft der einzige Weg in Albanien zu sein. Sie wollte weg von Tirana und internationale Erfahrungen sammeln. Hier würde sie nur das gut behütete Mädchen bleiben, dass von allen unterschätzt wird.

Entschlossen trank sie den letzten Schluck ihres Espressos, kramte in ihrer Tasche und holte eine 100 Lek (0,81 Eur) Münze aus ihrem Portmonnaie. Als sie diese auf den Tisch legte um zu zahlen, fiel ihr die kleine, gerollte Botschaft auf, die zu jedem Getränk bei Sophie Café gereicht wird. Sie glaubte nicht an sowas. Aber was schadete es schon, diese Nachricht zu lesen? „Hapi krahet dhe fluturo zog i vogel! Bota eshte jotja! [Öffne deine Flügel und flieg, Vögelchen! Dir gehört die Welt].“ stand da. Sie lächelte und schob die Nachricht zu den Familienbildern in ihrem Geldbeutel. Kurz darauf überquerte sie die Straße und marschierte auf das italienische Konsulat zu. „Takim? [Termin?]“ fragte der Pförtner forsch. „Ja!“ antwortete sie und reichte ihm ihren Reisepass. „Va bene! Entri, signora! [In Ordnung! Treten Sie ein!]“ sagte der Pförtner.

In der herrschaftlichen Villa im mediterranen Stil ging alles ganz schnell. Unterlagen wurden geprüft, es wurde gestempelt, ihr Pass wurde mit einer Lupe auf die Echtheit überprüft und der Beamte sagte mit seiner tiefen, sonoren Stimme: „Va bene, signorina. Dura un giorno. Ci vediamo domani. Il visto d’ingresso per motivi di studio sará pronto domani mattina. [In Ordnung. Es dauert einen Tag. Wir sehen uns morgen. Das Einreisevisum für Studenten ist morgen Vormittag fertig]“

„Domani mattina…“ hallte es in ihrem Kopf nach. „Morgen Vormittag also. Das heißt, sie kann an der Einführungs- und Orientierungsphase in Mailand teilnehmen und das wiederum heißt…“ Sie musste kurz nachrechnen. „…sie würde wohl Ende der Woche nach Mailand fliegen. Wow!“ Plötzlich war ihr Traum so unglaublich nah. Beschwingt fuhr sie die wenigen Kilometer nach Hause.

Besnik fragte sie, wie es gelaufen sei. „Mire! [Gut!]“ war ihre knappe Antwort und sie grinste. „Shume mire [Sehr gut]!“ Sie erklärte, dass das Visum morgen fertig sei und sie demnach nicht die erste Phase an der Universität verpassen würde, wenn sie Freitag flöge. Besnik schluckte und nickte.

„Wo ist eigentlich Mama?“ fragte Elda. „Sie schneidet Zwiebeln.“ antwortete Besnik und versuchte ein Lächeln anzudeuten, dass ihm nur schwer gelang. „In letzter Zeit gibt es ziemlich viele Gerichte mit Zwiebeln, findest du nicht?“ fragte Elda. „Hm….“ stimmte Besnik gedankenversunken zu.

Am Abend tagte der Familienrat. Es gab – wie sollte es anders sein – französische Zwiebelsuppe. Anwesend waren Toni, Elda, ihre Eltern und Tonis Frau. „Okay, aufgepasst: Elda wird nach Mailand fliegen. Mama und ich können die Geschäfte hier nicht Ruhen lassen. Toni! Du wirst mit Elda mitfliegen und dich um alles kümmern. Dein Italienisch ist sehr gut und ich werde sie vorerst nicht allein in einer fremden Stadt lassen. Ich habe schon mit Afrim, meinem Studienfreund, telefoniert. Dort werdet ihr für’s erste wohnen bis Elda eine eigene Wohnung gefunden hat. Es wird nicht allzu lange dauern.“ erklärte Besnik. Alle nickten. „Die Tickets habe ich schon buchen lassen. Freitag um 14:30 Uhr fliegt ihr.“

Alle nickten. Flora verließ schniefend den Tisch um nach der Suppe zu sehen.

Die folgenden Tage war Elda damit beschäftigt, ihr Visum abzuholen, sich von ihren Freundinnen zu verabschieden, ihre Verwandten noch ein letztes Mal zu drücken und ihre Sachen zu packen. „Wie viele Koffer darf ich mitnehmen?“ fragte sie Besnik. Vor ihr waren drei große Koffer geöffnet und bereits gut gefüllt. „Einen.“ antwortete dieser knapp. „Einen?!?!?“ fragte sie schockiert. Ihr Vater nickte belustigt. „Tja, Kind. Im Ausland zu wohnen hat nicht nur Vorteile.“ gab er ihr lachend zurück. „Aber Papa!!“ wollte sie protestieren. „Schatz, da musst du jetzt durch.“ sagte er und verließ den Raum. Irgendwie schaffte sie es einen Koffer zu packen. Was keiner außer Toni wusste: Sein Koffer war nochmal zu 2/3 mit ihren Sachen belegt. Er würde nicht soviel brauchen für die wenigen Tage und wusste wie wichtig all die Kleidungsstücke für seine kleine Schwester waren.

Am Freitag ging die Reise los. Alles war aufregend. Die Tage vergingen wie im Flug und die beiden Geschwister suchten mit Afrims Hilfe händeringend eine kleine Wohnung für Elda. Erfolglos! Es war September und sie waren bei weitem nicht die einzigen, die nun eine bezahlbare Unterkunft suchten.

Nach einer Woche rief der verzweifelte Toni bei seinem Onkel, dem Römer, an. Er klagte von seiner Erfolglosigkeit. Der Römer musste lachen. „Was dachtet ihr denn? Dass ihr innerhalb von zwei Tagen eine Wohnung findet?“ belächelte er die beiden Geschwister. „Das kann Wochen oder Monate dauern.“ Toni räusperte sich. „Aber in Tirana…“ wollte er ansetzen. „Ja, in Tirana ticken die Uhren anders. Das hier ist Mailand.“ erklärte der Römer. „Aber wie gut, dass ihr mich habt. Ich werde mich bei ein paar Freunden erkundigen, ob jemand eine Wohnung für Elda hat.“

Der Römer kramte all seine Kontakte aus. War da nicht die Tante der Dottoressa der alten Praxis, die in Mailand vermietete? Und gab es nicht den Bruder seines Freundes Fabian, der dort seit Jahren wohnte?

Der Römer klapperte alle ab. Innerhalb von wenigen Stunden hatte er zwei heiße Tipps. Nicht ganz günstig, aber was ist schon günstig in Mailand?

Er überbrachte die frohe Botschaft direkt an Elda. Sie freute sich sichtlich. Man machte einen Besichtigungstermin aus und die zwei Geschwister schauten sich die beiden Wohnungen an. Eine lag vier Straßen von der Uni entfernt. Ein süßes, kleines Apartment in einem schönen Palazzo. Da wollte sie hin. Es war die Eigentumswohnung von Fabians Bruder.

Elda berichtete abends dem Römer von den Besichtigungen. „Die Wohnung ist einfach perfekt. Klein, aber dennoch zwei Zimmer, eine kleine Küche, voll ausgestattet. Der Preis – nicht ganz billig. Aber noch am oberen Limit. Nur die Mietbedingungen scheinen mir komisch.“ erzählte sie dem Römer. Dieser fragte nach dem Warum. „Na ja, ich sagte, ich will mindestens zwei Jahre bleiben. Aber in den langen Semesterferien brauche ich die Wohnung nicht. Ich fliege doch heim nach Albanien. Also würde ich die Wohnung bis Anfang Februar mieten und dann wieder ab Ende März bis einschließlich Juni und von Juni bis September bin ich wieder nicht da, das heißt ich brauche die Wohnung wieder ab September. Und so erklärte ich Endrit, dem Bruder von Fabian, das. Er hat mich ausgelacht, aber ich weiß nicht warum. Er sagte nur: Ruf den Römer an und lass dir das alles nochmal erklären.“ führte sie lang und breit aus. Der Römer wusste nicht, ob er lachen oder schimpfen soll. „Ach Elda, Elda, Elda! Du musst noch viel lernen. Eine Wohnung kann man nicht nach Bedarf mieten. Du kannst einen Untermieter suchen, aber du kannst nicht monatsweise mieten. Das macht kein Vermieter mit.“ erklärte er geduldig. „Wenn du meinen Ratschlag willst: Unterschreib den Vertrag! Endrit ist ein guter Kerl und versucht dich nicht übers Ohr zu hauen“ versuchte er ihr zu helfen.

Sie seufzte. „Das ist hier alles viel komplizierter als ich dachte. So allein. Im Ausland. Aufregend – klar. Aber kompliziert.“ gab sie kleinlaut zurück.

„Ja und es werden noch viele, viele Dinge folgen. Hör auf deinen Onkel! Aber dennoch wird es eine wunderbare Zeit. Hab Vertrauen!“ ermutigte der Römer sie.

„Irgendwie kann ich’s kaum erwarten!“ gab sie aufgeregt zurück. „Ich – allein in Mailand. Wow!“

Fine – Fund – Ende

Elda geht nach Mailand

Elda geht nach Mailand

[Teil 1 ist hier zu finden] [Teil 2 ist hier zu finden] [Teil 3 ist hier zu finden]

„Absage, Absage, Absage!!! Maaaan! Sehen die nicht, dass ich eine der besten Studentinnen in ganz Albanien bin?“ wütet Elda. „Sind die denn wirklich alle so doof? Ich habe überall Top-Noten! Nur weil ich nicht aus den USA komme, sondern aus so einem blöden, kleinen, unwichtigen Land wie Albanien.“ ätzte sie weiter. Sie knallte die Unterlagen auf den Tisch, seufzte und lies sich mit verschränkten Armen auf den Stuhl am großen Esstisch plumpsen.

„Aber, aber, aber! Deine Vorfahren würden sich im Grab umdrehen! Wir sind ein stolzes Volk. Behandel dein Land mit Respekt und sei stolz darauf, was du bist und woher du kommst.“ mahnte sie Besnik. Doch er goß nur noch mehr Öl ins Feier mit seinen Worten.

„Ja, was denn? Nur weil wir Albaner sind, nehmen die mich nicht. Was soll denn sonst der Grund sein?“ fragte Elda aufgebracht und nun den Tränen nahe.

„Ich weiß es nicht. Es gibt viele Bewerber aus vielen Ländern. Und die Top-Unis warten nun mal nicht auf dich, mein Kind. “ setzte Besnik erneut an um sie zu bechwichtigen.

Es half nur wenig. Tagelang lief Elda mit einem unsichtbaren, schwarzen Schleier vor ihrem Gesicht herum. Ihre Laune war nicht mies, sie war auf einem Punkt, den man nur selten im Leben erreicht. Ihre Stimmung war vergleichbar mit dem Marianengraben -abgrundtief und keiner weiß, was da unten alles lauerte.

Mehrere Tage gingen ins Land. Es hagelte Absagen. Frankfurt sagte ab. Zürich sagte ab. Genf sagte ab. Rom meldete sich gar nicht. Elda war verzweifelt. Sie sah sich auch im nächsten Jahr wieder an der Supermarktkasse – mit ihrem Bachelor-Abschluss. „Dann hätte ich mir auch einfach das Studium sparen können.“ seufzte sie als sie mit dem Römer telefonierte. „Ich ende als Top-Studentin an der Supermarktkasse. Na, danke auch. Dann kann ich doch gleich den Sohn meines Nachbarn heiraten und ihm drei Kinder schenken. Wozu brauche ich Bildung? Wozu bitte?“ Sie klang verzweifelt und ihre Stimme war belegt. Mehrmals schniefte sie.

„Du wirst sehen, irgendwoher kommt ein Lichtblick. Keine Sorge.“ erwiderte der Römer.

Und er sollte Recht behalten.

Zwei Tage später kam ein Lichtblick. Ein Lichtblick aus Italien. Università di Milano – Lehrstuhl für economia [Wirtschaft]. Sie teilten Elda mit, dass sie angenommen wurde an eben dieser Universität. Sie flippte aus vor Freude und rief sofort den Römer an. Er gratulierte ihr herzlich und senkte dann seine Stimme: „Elda, es gibt nur ein Problem: Dein Vater hat dir drei Städte vorgegeben und sein Favorit war Frankfurt. Bitte sag ihm noch nichts. Ich kümmere mich darum. Schaffst du das?“ fragte er. Sie bejahte und quiekte vor Freude.

Der Römer recherchierte, telefonierte mit alten Freunden aus Mailand, informierte sich über diverse Möglichkeiten und rief dann kurzerhand Besnik an. Das Gespräch begann wie immer – mit einem harmlosen Geplänkel über die Familie, die Gesundheit, das Wetter und die Arbeit. Irgendwann kamen sie zum Thema Elda. „Ja, sie ist sehr traurig. Sie bekommt nur Absagen. Mein kleines Mädchen so zu sehen, tut mir in der Seele weh.“ erzählte Besnik. „Und wenn es eine Zusage geben würde?“ fragte der Römer unschuldig. „Das wäre toll! Klar, nicht jede Stadt wäre willkommen, aber zum Beispiel Mailand wäre doch ein Kompromiss. Ich habe einen alten Studienfreund dort. Blöd nur, dass ich ihr nur die drei Städte genannt habe. Und die Bewerbungsphase für dieses Jahr ist schon vorbei.“ seufzte Besnik. „Dann ist heute dein Glückstag, lieber Besnik. Ich habe deiner Tochter geraten sich auch bei anderen Universitäten zu bewerben und Mailand hat ihr zugesagt!“ gab der Römer stolz preis. „WAAAAAAAS?“ entfuhr es Besnik – und man wusste nicht, ob nur das reine Erstaunen und die Freude darüber mitschwang oder doch auch ein bisschen Wut.

„Bevor du es nun doch verteufelst, lass es mich erklären: Es gibt 14 Flüge am Tag nach Mailand – von Frankfurt aus. Wir sind in einer Stunde bei ihr, falls was sein sollte. Dein Studienfreund wohnt dort, aber auch einer meiner engsten Freunde. Mailand hat einen ausgezeichneten Ruf. Die Norditaliener sind ähnlich wie die Deutschen – eher ernst und arbeitsam. Von Albanien gibt es etliche Direktflüge und was noch wichtiger ist: Du würdest deiner Tochter einen Traum erfüllen.“ argumentierte der Römer ausführlich.

Besnik seufzte am anderen Ende der Leitung. „Und wie soll das alles gehen? Sie ist so jung und war noch nie im Ausland. Es lauern überall Gefahren. Bis ich bei ihr bin, vergehen mindestens 3 Stunden. Mein kleines Mädchen… ganz allein in Mailand.“

[Fortsetzung folgt – letzter Teil]

Gute Nacht

Es sind die stillen, die feinen Momente, die uns im Leben weiterbringen. Nicht die lauten, in denen man kaum sein eigenes Wort versteht.

Es sind die einsamen, nächtlichen Stunden, wenn alles schläft, die einem ermöglichen die Seele aufzuräumen. Draußen läuft seit Stunden keiner mehr herum, alle schlafen tief und fest in ihren Betten, doch einem selbst, warum auch immer, bleibt der Schlaf verwehrt. So steht man auf, im Schlafanzug, schlüpft in die warmen Hausschuhe, wandert durch’s Haus – ganz ohne Plan was auf diesen Moment folgen soll.

Die Pantoffeln tragen einen in die Küche. Für Kaffee ist es schon zu spät, für ein schlichtes Glas Wasser zu kühl in der Wohnung, aber für Tee könnte es keine bessere Zeit geben. Man setzt das Wasser auf, öffnet behutsam die Teeschatulle und hat endlich einmal Zeit all die Teesorten in Ruhe anzuschauen. Grüner Tee, Schwarzer Tee, Pfefferminztee? Zu laut für diesen einsamen Moment. Früchtetee? Zu aufgeregt. Melisse? Danach hatte ich gesucht. Melisse soll es also sein.

Behutsam wählt man eine Tasse aus. Exemplare aus längst vergangenen Zeiten, die ganz weit hinten im Regal stehen, lächeln einem aufmunternd zu. Wo warst du all die Jahre, meine liebste Pinocchio Tasse? Mit Bedacht packt man den Teebeutel aus, lässt ihn in die Tasse gleiten und stellt sicher, dass die Schnur auch gut befestigt ist. Das sprudelnde Wasser ergießt sich in einer flüssigen Bewegung in dem Gefäß. Leise tickt die Küchenuhr. Tick Tack, Tick Tack, Tick Tack. Sie hat keine Eile, wie es einem untertags scheint. Stoisch verrichtet sie ihre Arbeit. Ohne mahnende Worte. Die digitale Anzeige des Backofens erhellt den Raum nur so viel, dass man nicht komplett blind in der Küche ist. Der Teebeutel wird entfernt. Das Licht ist aus. Doch die Hand kennt die Wege, die sie zum Honig und zu den Löffeln führen. Routiniert lässt man einen Löffel voller Honig, goldgelb und klebrig, in die Teetasse sinken. Leise, aber doch mit einem hellen Klingen hier und dort rührt man um. Drehung um Drehung verschmilzt der Honig mit der hellen Flüssigkeit.

Im Wohnzimmer angekommen, den Tee fest in beiden Händen, steht man am großen Fenster, die Stadt liegt einem zu Füßen. Wolkenkratzer scheinen nie zu schlafen. Stets sind die Firmenlogos und Schriftzüge beleuchtet. Wachsam um keine Sekunde zu verpassen. Die Straßenlaternen stehen wie Soldaten da – der Wind fegt ein paar Blätter durch die Straße. Menschenleer ist es da unten. Doch was ist das? Ein weiteres Licht brennt in unserer Straße. Ein kleines Fenster – 100 Meter zu meiner linken – 1. Stock. Man sieht niemanden. Ob es wohl vergessen wurde? Oder absichtlich angelassen? Vielleicht ein Student, der hektisch auf den letzten Metern seine Master-Arbeit tippt – noch nicht sicher, ob er das Spiel gegen die Zeit gewinnen kann? Vielleicht eine junge Mutter, die versucht ihr doch so waches Kind zum Schlafen zu überreden? Vielleicht eine Nachteule, die während des Tages weder die Ruhe noch die Muße findet, all ihre doch so fundamentalen Gedanken abzutippen?

Ich schlürfe meinen Tee. Die Nacht war mir schon immer die liebste Zeit. Ruhig ist sie, einnehmend, beherrschend. Gleichzeitig liebevoll umarmend, kühl, aber nicht distanziert. Aufregend. Gibt sie doch all die Gedanken Preis die man untertags hektisch weggeschoben hat oder für die keine Zeit waren.

Die Nacht lässt mich nicht gruseln und schaudern – sie offenbart mir Geheimnisse – über mich. Flüsternd erzählt sie mir, dass man nachsichtiger sein soll. Mit sich, mit anderen, mit der eigenen Kindheit, der Gegenwart, der Zukunft. Leise ermahnt sie mich, dass man nicht immer gleich kämpfen muss. Man kann Sachen auch einfach einmal abwarten. Diplomatisch sein. Mühsam versucht sie mir zu erklären, dass ich vielleicht nicht jede Entscheidung von meinen Mitmenschen verstehen kann, dass sie mir aber versichern kann, dass meine Mitmenschen sich viele Gedanken darüber gemacht haben. „Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gegangen bist“ haucht sie mir zu und streichelt mir über die Wange.

Ich versuche mir all die Weisheiten zu merken. Doch langsam werden meine Augen schwer. Die Nacht, sie lullt mich ein und begleitet mich zurück ins Bett. Sanft breitet der Schlaf seine Flügel über mir aus und wir heben ab – ins Land der Träume.

Gute Nacht.

Elda geht ins Ausland! (Teil 2)

Elda geht ins Ausland! (Teil 2)

[Für Teil 1 und Teil 2 bitte jeweils auf den Link klicken]

„Und die wäre?“ fragten der Römer und Elda unisono.

„Ich habe es mir lange und breit überlegt. Elda darf im Ausland studieren, aber nur dort, wo es Verwandte gibt. Singapur und London wären damit eindeutig vom Tisch. Ich möchte jemanden von meiner Familie in ihrer Nähe wissen.“ erklärte Besnik. „Eine Möglichkeit wäre z.B. Rom…“ setzte er an.

Doch Elda unterbrach ihn sofort: „Rom!?!? Papa! Wo in Rom vermutest du denn die erstklassigen BWL Unis? Da kann ich genauso gut in Tirana studieren.“ Sie schmollte. Der Römer warf ihr einen strengen Blick zu, der sie dazu bringen sollte, sich erst einmal alles anzuhören, bevor sie ihre Chancen verspielte. Doch ihr jugendlicher Übermut verhinderte, dass sie den Blick des Römers richtig deutete oder gar wahrnahm.

„Na gut, in den süditalienischen Dörfern gibt es keine Universitäten, die fallen also raus. Dann hätten wir noch Zürich…“ machte Besnik weiter.

Bevor Elda wieder ansetzen konnte, boxte der Römer sie leicht in die Seite, damit sie still ist. „Lass deinen Vater ausreden.“ zischte er.

„Dann natürlich Frankfurt, wo der Römer wohnt.“ zählte Besnik weiter auf. „Ja, Frankfurt hat einen guten Ruf, wenn es um Finanzwesen und um BWL geht. Aber die Spraaaache…“ Elda konnte es nicht lassen. Ihr jugendlicher Leichtsinn zwang sie förmlich dazu, all ihre Gedanken, taktisch unklug, auszusprechen.

„Und sonst würde noch Chicago bleiben. Das ist mir persönlich allerdings zu weit. Ich schicke doch meine Tochter nicht auf einen anderen Kontinent. Wo kämen wir denn dahin? Was würden die Leute sagen?“ führte Besnik weiter aus.

„Danke, Besnik. Ich denke, das sind ziemlich viele Informationen für Elda. Sie muss sicher erst einmal recherchieren und darüber schlafen.“ sagte der Römer, bevor Eldas Mund wieder Sätze los lies, die besser Gedanken geblieben wären.

Besnik und Flora mussten etwas erledigen. So blieben nur wir drei bei ihnen zu Hause. „Ich finde das blöd! Die große, weite Welt steht mir offen und ich soll nach Rom, Zürich oder Frankfurt? Pfff! Ich hab von London, Paris, Brüssel oder gar Singapur geträumt. Meine Freundin Ionnida studiert beispielsweise in New York. Ich sehe all ihre Bilder online und es sieht fantastisch aus.“ maulte Elda.

„Elda, Elda, Elda. Erst einmal: Am Ende des Tages sind es nur Bilder von Ionnida. Wer weiß, wie toll es wirklich ist? Du bist doch ein kluges Mädchen. Du bewirbst dich für Rom, Zürich und Frankfurt wie mit Besnik abgemacht. Dazu nimmst du noch Orte, die in der Nähe liegen. Das wäre beispielsweise Mailand, Genf, Berlin, vielleicht auch Brüssel? Orte, die von den Wohnorten deiner Familie schnell erreichbar sind. Es geht Besnik ja nur darum, dass du als Mädchen nicht allein im Ausland bist. Er hat Angst um dich.“ erklärte der Römer. Elda guckte ihn mit großen Augen an. Anscheinend war der Groschen jetzt gefallen. Ihr Vater hatte Angst um sie.

„Hm…. gar nicht mal so dumm. Wie weit ist London von Frankfurt entfernt?“ fragte Elda mit strahlenden Augen. „Zu weit.“ war die nüchterne Antwort des Römers. „Na gut, aber dein Tipp gefällt mir. Ich schau mir das mal genauer an.“ gab Elda zurück und setzte sich an ihren PC um zu recherchieren. So genau betrachtete sie die Europakarte das letzte mal im Geographie Unterricht in der 7. Klasse.

Wenig später stand fest, dass sie sich offiziell für die drei bekannten Städte bewirbt, inoffiziell noch für Brüssel und Mailand. Sie bereitete den Bewerbungsprozess vor und wartete nun auf Antwort der Unis. Wie auf heißen Kohlen saß sie da. „Und wenn mich alle Unis nehmen?“ fragte sie. „Dann besprechen wir zwei das zuerst und dann schlagen wir es deinem Papa vor.“ antwortete der Römer besonnen.

In diesen Tagen und Wochen des Wartens suchte Besnik das Gespräch mit dem Römer. „Wir müssen über etwas reden. Wenn ich ehrlich bin, ist mein Wunsch, dass sie in Frankfurt studiert. Seit dich deine Schwester als Alibi benutzte um sich mit mir treffen zu können, bist du wie ein kleiner Bruder für mich. Ich würde mich am wohlsten fühlen, wenn du ein Auge auf Elda hast- Deutschland hat einen grandiosen Ruf in Albanien, es kostet, aber nicht so viel wie Zürich. Ich würde mich einfach besser fühlen, wenn Elda bei euch wäre. Deswegen ist meine Entscheidung schon gefallen. Sie geht nach Frankfurt.“

„Ich verstehe dich. Uns wäre es eine Ehre deine Tochter bei uns zu haben. Frankfurt ist eine größere Stadt, aber keine Großstadt wie Berlin. Man kann alles mit dem Rad oder zu Fuß erreichen. Die Goethe Uni hat einen ausgezeichneten Ruf. Wir würden uns um deine Tochter kümmern als wäre es unsere eigene. Aber nun warten wir ab, was die Unis zurückmelden. Denn ich fürchte, es wird nicht leicht.“

[Fortsetzung folgt…]