
Ich gehe ins Schlafzimmer, um Signorino zu wecken, damit wir zur Kita können. Er ist gar nicht begeistert von meinem Versuch und folgender kurzer, aber aussagekräftiger Dialog spielt sich ab:
Ich: Guten Morgen!
Signorino: NEIN!!
Aus dem Leben einer trinationalen Familie
Ich gehe ins Schlafzimmer, um Signorino zu wecken, damit wir zur Kita können. Er ist gar nicht begeistert von meinem Versuch und folgender kurzer, aber aussagekräftiger Dialog spielt sich ab:
Ich: Guten Morgen!
Signorino: NEIN!!
Täglich gehe ich vier Mal an der Wahlwerbung einer deutschen Partei vorbei und jeden Tag denke ich bei dem Spruch „Nie gab es mehr zu tun.“ an unseren Umzug und muss schmunzeln. Deswegen habe ich mir erlaubt, das Plakat etwas umzugestalten. Doch sehen Sie selbst:
Starten Sie gut in die Woche!
Und ich sage noch zum römischen Gatten im heimischen Supermarkt: „Du, lass uns lieber zehn Eier (statt sechs) nehmen, die halten länger.“ Das war der erste Fehler einer langen Anreihung an falsch getroffenen Entscheidungen.
Den zweiten Fehler beging ich an der Kasse, als ich dem Römer mit folgendem Satz entlasten wollte: „Amore, gib‘ mir mal lieber die schweren und sperrigen Sachen. Ich lege sie in den Unterkorb des Kinderwagens. Das macht keinen Sinn, dass du alles schleppst.“
Den dritten Fehler machten wir, der Römer und ich, zusammen. Wir waren der Meinung erst die große Einkaufstasche zu entleeren. Danach würden wir in aller Ruhe den Unterkorb ausräumen. Doch Signorino kümmerte sich schon von ganz alleine um den Unterkorb. Erst zog er den 4er Pack Joghurt hervor. Sogleich knüpften wir ihm den Joghurt ab, dachten aber im angeregten Gespräch nicht weiter als bis zum Joghurt-Quartett. Dass im Kinderwagenkörbchen noch andere Artikel auf Signorinos großen Auftritt warteten, kam uns nicht in den Sinn. Daraufhin zog er den Toast hervor und hüpfte damit fröhlich ins Wohnzimmer. Ja, gut. Den würden wir gleich nachher einsammeln, denn bis jetzt weiß er nicht, wie sich der Klippverschluss öffnet.
Somit wären wir bei Fehler Nr. 4 angelangt. Wir vergaßen einerseits, dass im Unterkorb noch Eier lagerten. Andererseits unterhielten wir uns so leidenschaftlich, dass wir – nach Joghurt und Toast – nicht weiter verifizierten, was sich tatsächlich noch im Korb des Kinderwagens befand.
Irgendwann hörte man ein sich in äußerst kurzen Abständen wiederholendes „FLATSCH!“-Geräusch. Ich nahm es nur als Randgeräusch zur Kenntnis, während ich den italienischen Hartkäse einräumte. Der Römer nahm es deutlich bewusster wahr, drehte sich um und schrie: „AAAAH! Figlio mio! Figlio mio! [Mein Sohn! Mein Sohn!]“ Figlio nostro [Unser Sohn] hatte 10 Eier aus ihrem Kartonagen-Zuhause ins Freie katapultiert. Eines überlebte. 9 breiteten sich im Wohnungsflur aus. Der Römer transportierte den jungen Mann, laut schimpfend, ab. Ich wischte derweil die Eierpampe auf. Dazu braucht man übrigens, falls Sie sich die Frage stellen, eine 3/4 Küchenpapierrolle für 9 Eier.
Am Ende war ich dennoch heilfroh, dass der Flurteppich bereits ins neue Heim transportiert wurde. Signorino guckte noch sehr lange sehr betreten. Erst eine Banane lockte ihn wieder aus der Reserve. Schließlich fühlte er sich nach einem halben Vanillepudding später wieder bereit, im Reich der Rabauken zu schalten und walten.
… möchte ich ungerne ausrufen, weil Sie vermutlich wissen wie das ist: Just in dem Moment, wo man mit ergreifender Musik und dramatischen Lichteffekten die Blog-Pause ankündigt, ist die Freizeit wieder im Übermaß verfügbar.
Damit Sie wissen, mit was ich mich momentan befasse: Umzug – Arbeit – Familie – Studium. Genau in dieser Reihenfolge.
Starten Sie gut ins Wochenende und, falls es bei Ihnen (dauer-)regnet, dann denken Sie immer an den Spruch einer Münchner Radiomoderatorin: „Das ist nur flüssiger Sonnenschein.“
Es passiert momentan einfach zu viel in der Welt als dass es mir richtig vorkäme, über meinen belanglosen Alltag zu berichten.
Zugegeben, besonders begeistert war ich nicht von der Idee, dass sich der römische Gatte ein entspanntes Wochenende in Tirana macht. Das mag daran liegen, dass ich seine letzte Abwesenheit in bitterer Erinnerung habe. So war ich im Februar 2020 mit einem wenige Wochen alten Signorino daheim. An einem Freitag Nachmittag teilte mir die Hebamme mit, dass Signorino nur 40 Gramm in sieben Tagen zugenommen hatte und das mehr als alarmierend wäre. Deswegen muss ich mir absolute Sorgen machen! Alle Register müssten gezogen werden. Unbedingt musste ich jetzt anfangen Muttermilch abzupumpen. Am besten heute noch. Ihr ist bewusst, dass Freitagnachmittag ist, aber ich muss eine elektrische Milchpumpe auftreiben, koste es was es wolle. Wenn ich nett in der Apotheke fragen würde, würde man mich sicher das Rezept vom Frauenarzt nachreichen lassen. Daraufhin waren wir im nieselregnerischen Frankfurt und klapperten 4(!) Apotheken ab. Die Hälfte verlieh keine Milchpumpe, die andere bestand darauf, dass ich ein Rezept brauche, ansonsten würde an mich keine Milchpumpe verliehen werden. Wir gingen nach Hause und ich fühlte mich hundeelend. Irgendeine Milchpumpe bestellte ich im Internet, die am darauffolgenden Tag geliefert werden würde. Ich muss den Müttern unter Ihnen nicht sagen, dass ein 35 Euro Modell eine reine Tortur ist. Am Abend erreichte uns der Anruf der römischen Familie: Der römische Vater habe einen Herzinfarkt erlitten und werde gerade operiert. Der Römer hatte keine andere Wahl als am nächsten Morgen nach Tirana zu fliegen. Ich war mit Signorino alleine, der zudem gut und gerne vier bis 6 Stunden am Stück durchschrie. Die römische Abwesenheit verbrachte ich damit, mir Vorwürfe zu machen, warum ich nicht in der Lage bin, mein Kind zu stillen, warum es stundenlang durchschrie und warum ich keine Möglichkeit fand, dass er mit dem Schreien aufhört. Mein Milchfluss versiegte vollends und ich war gezwungen, ihm Pulvermilch zu füttern. Bei jeder Flasche (und das sind bei frisch geschlüpften Babys einige) heulte ich mir die Augen aus. Kurzum: Es war schrecklich und ich hatte als Neu-Mutter überhaupt kein Standing, der Hebamme etwas entgegen zu setzen. Vermutlich begründete sich in dieser Szenerie meine Angst, wieder mit Signorino ganz alleine daheim zu sein, während der Römer weit weg in Tirana ist.
Was soll ich sagen? Gestillt wird Signorino schon lange nicht mehr und aus dem Säuglingsalter ist er auch raus. Das Wochenende ist unglaublich entspannt gewesen und ich habe tatsächlich viel Zeit für mich gehabt. Abends guckte ich schnulzige Serien (Emily in Paris ;-)), aß Gummibärchen und Eis und ließ es mir richtig gut gehen. Die Wohnung war ohne den Römer deutlich aufgeräumter (und ich dachte, Signorino wäre für das Chaos verantwortlich) und ich musste nicht noch eben schnell etwas organisieren, das dem Römer siedendheiß und ganz urplötzlich einfiel. Natürlich freute ich mich sehr, als der Gatte wieder zurückkehrte, aber diese räumliche Trennung tat mir wirklich gut. Signorino fragte ab und an nach Papa, aber im Großen und Ganzen war auch er sehr entspannt, was daran liegen mag, dass es am vergangenen Freitagabend Pizza und Schokopudding als Wohlfühlmenü gab. Wenn der Gatte schon nicht daheim ist, dann dürfen es sich die Daheimgebliebenen auch richtig nett gestalten. Und mein Trauma, alleine mit Signorino zu sein, habe ich damit auch überwunden. Ab und an ein Wochenende ohne Papa? Bitte gerne. 😉
Dieser Artikel ist keine leichte Kost, aber eine, die mit viel Herzblut und Mitgefühl geschrieben wurde. In diesem absolut lesenswerten Werk schreibt Tom über die Toten von Srebrenica. Mit seiner feinsinnigen Beobachtungsgabe und seinem ausgeprägten, journalistischen Talent fängt er die Szenerie in Srebrenica so ein, als würde man sich dort mit ihm im Jahr 2008 befinden und neben ihm hertrotten. Er nimmt uns mit in die grausame Vergangenheit Bosniens, beschreibt die bittere Lage in den 90er Jahren und gibt den Opfern dieses humanitären Verbrechens besonders eines zurück: Ihre Würde. Jedes Wort, jeder Satz, ist so ausgefeilt und ehrlich, dass es genau dort trifft, wo es noch lange nachhallt: Mitten im Herzen!
Am Ende schreibt er: „Ich habe mich lange davor gedrückt diesen Beitrag zu schreiben. Heute habe ich es getan.“
Danke, Tom, dass du diesen Artikel geschrieben hast. Diese und weiter Artikel finden Sie auf seinem absolut empfehlenswerten Blog www.coffeenewstom.de
Gute Frage, oder? Vermutlich haben Sie sich diese Frage noch nie gestellt, weil Sie entweder nicht bloggen oder aber nicht über Kunst (und im Speziellen nicht über die Werke Leonardo Da Vincis) schreiben. Dennoch, im Rahmen meines neuen Moduls der Universität, beschäftige ich mich mit dem Thema Urheberrecht am Bild (im wissenschaftlichen Kontext). Ich gehe davon aus, dass mittlerweile jede textschaffende Person, wie z.B. Blogger, etwas zum Thema Urheberrecht und Recht am eigenen Bild gehört hat. Die meisten Blog-Nachbar*innen halten es wie ich und bedienen sich Bilder, deren Urheber*in sie selbst sind. Andere bedienen sich gemeinfreier, also lizenzfreier, Bilder. Somit sind Sie auf der sicheren Seite. Doch was tun, wenn es unbedingt die Mona Lisa sein muss, die Ihren Artikel schmücken soll? Rollen wir den Fall von vorne auf:
Grundsätzlich sind alle Bilder, Fotografien und Screenshots urheberrechtlich geschützt. Da das Bild von Da Vinci eine weibliche Person abbildet, fällt es damit unter das Urheberrecht. Hinzu kommt, dass der Urheber zwar Herr Da Vinci ist, nicht aber er selbst gezeigt wird, sondern eben Frau Mona Lisa. Somit greift hier das Recht am eigenen Bild der Dame. Es bedarf damit einer Einwilligung ihrerseits, die detaillierte Informationen zu den verwendeten Daten, dem Zweck der Datenverwendung, die Speicherdauer und ob eine Weitergabe an Dritte geplant ist, enthält.
Vorläufiger Status zu unserer Frage: Es bedarf einer Einwilligung von Herrn Da Vinci und Frau Mona Lisa.
Aber Moment, es gibt noch eine andere Möglichkeit: Das Bildzitat.
Kurz gesagt ist das Bildzitat eine gesetzliche Erlaubnis zur Einbindung von Bildern, ohne den Urheber explizit um Erlaubnis zu Fragen. Das geschieht jedoch unter strengen Auflagen. Das Bildzitat wird in wissenschaftlichen Arbeiten (= Wissenschaftliches Großzitat, § 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG) verwendet, jedoch dürfen es auch Blogger verwenden (=großes Kleinzitat; § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG). Es gilt, dass ein innerer Bezug zwischen Text und Bild bestehen muss.
Kontrollfragen dazu könnten sein:
1. Ist genau dieses Bild notwendig?
2. Wenn das Bild nicht da wäre, bliebe die These/die Kernaussage meines Artikels dennoch bestehen?
3. Ist auf dem Bild eine Marke (Logo) abgebildet und wenn ja, ist die Abbildung der Marke nur „ein unwesentliches Beiwerk“?
Doch zurück zu unserem Beispiel: Die Abbildung der Mona Lisa auf meinem Blog. Würde ich einen Artikel über das geheimnisvolle Lächeln einer Frau schreiben und zur Illustration das Bild der Mona Lisa nehmen, müsste ich Herrn Da Vinci und Frau Mona Lisa um Einverständnis bitten. Es bestünde bei dieser Absicht kein Grund, genau dieses Bild für meinen Artikel zu benutzen. Würde ich aber über die Geheimnisse der Mona Lisa schreiben, dann wäre ein innerer Bezug gegeben und ich hätte allen Grund, dieses Bild einzufügen. Denn Monets Seerosenbilder würden mich hier nicht weiterbringen.
Ein Ass im Ärmel habe ich aber noch in dieser komplizierten Frage und dieses lautet: Wie soll ich jemanden um Erlaubnis fragen, der seit 500 Jahren tot ist?
Und hier kommen wir zur Beantwortung unserer Frage: Das Urheberrecht erlischt 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG). Fristbeginn ist der Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urheber gestorben ist. Leonardo Da Vinci ist am 02. Mai 1519 gestorben, somit beginnt die Frist zum Jahr 1520. Seit dem Jahr 1590 haben wir somit Narrenfreiheit.
Wie Sie wissen, bin ich keine Juristin (und habe es auch nicht vor, eine zu werden), somit übernehme ich für meine Einführung in das Urheberrecht keinerlei Haftung und Gewähr. An einigen Stellen habe ich die Gesetzeslage und die dazugehörigen Informationen gekürzt, vereinfacht oder ganz weggelassen. Gerne können Sie sich auf der Seite der Universität Bremen* oder auch bei der Anwaltskanzlei Dr. Schwenke* weitergehend informieren.
Noch eine Sache möchte ich als Nachwort dazu schreiben, da ich immer wieder auf befreundeten Blogs sehe wie Artikel ohne vorherige Rückfrage des Autors rebloggt werden: Es gehört nicht nur zum guten Ton, sondern zu den Grundmanifesten des Urheberrechts, nur dann Artikel seiner Mitblogger zu rebloggen, wenn das Einverständnis des Urhebers vorliegt. Machen Sie sich immer bewusst, dass die Artikel geistiges Eigentum sind und auch wenn die Beiträge (oft) keine wissenschaftliche Arbeit darstellen, so kann man sicher verstehen, dass der Urheber das Recht hat zu wissen, wo und in welcher Form sein geistiges Eigentum auftaucht. Ich persönlich bin ein großer Freund des Verlinkens. So weise ich auf einen interessanten Artikel hin und die interessierten Besucher werden direkt auf den Ursprungsblog geleitet – ohne, dass dabei Urheberrechtsverletzungen stattfanden. Als privater Nutzer kann eine Verlinkung (normalerweise) keine Urheberrechtsverletzung darstellen. Weitere Infos dazu finden Sie auf dieser Internetseite.
*Werbung, unbeauftragt und unbezahlt
In diesem Sinne: Starten Sie gut ins Wochenende, verbringen Sie Ihre Zeit an Monets Seerosenteich und genießen Sie das Leben. Sie haben (vermutlich) nur das eine. 😉
Ich weiß nicht, ob „ADESSO!“ in den engen Gassen des römischen Stadtviertels Trastevere funktioniert, aber ich weiß, dass „ADESSO!“ definitiv nicht auf den getakteten Straßen Frankfurts funktioniert. „ADESSO!!“ bedeutete nämlich nicht nur „JETZT!!“, sondern auch, dass ich auf der linken Spur der zweispurigen Fahrbahn abbremsen musste und mühsam versuchte, mich mit der Familienkutsche auf die rechte Spur zu hieven. Das alles geschah im dichten Feierabendverkehr Frankfurts, denn die Vorstädter wollten zurück in ihre Vorstädte und Familie Farniente wollte nach Alt-Heddernheim. Dabei brauche ich Ihnen nicht zu erklären, dass die hinter mir fahrenden Autos aufgeregt hupten und die dazugehörigen Fahrer ekstatisch mit den Händen fuchtelten. Das taten sie in etwa so, als wären sie anmutige Flamenco-Tänzer*innen. Allein der grimmige, teils schreiende Gesichtsausdruck passte nicht in das anmutige Bild, das mir beim Begriff Flamenco-Tänzer*in in den Kopf kommt. Auch die Vehikel der rechten Spur, auf die ich übersetzen wollte, zeigten sich wenig angetan von meinem spontanen Einfall, ihre Spur benutzen zu wollen. Da wir zu diesem Zeitpunkt bereits die dritte Ausfahrt mit der „ADESSO!!“-Methode verpasst hatten, musste ich jetzt in den sauren Apfel beißen und mich als miserabler Autofahrer outen. Dabei war es absolut nicht meine Schuld, denn hätte ich einen ordentlichen Lotsen, hätte er mindestens 500 Meter vorher Bescheid gegeben, dass ich mich rechts halten solle. Doch wenn ich mich auf eine Eigenschaft des Römers verlassen konnte, dann war es, dass das Adverb „vorausschauend“ ein ihm gänzlich unbekanntes ist. Dabei bildete seine Tätigkeit als temporärer Straßenlotse keinerlei Ausnahme. Seit jeher navigierte er nach der „ADESSO!“-Methode. Soll die Fahrerin der Farniente’schen Familienkutsche doch gucken, wo sie bleibt. Frei nach dem Motto: „Man lebt im Hier und Jetzt. Also lotst man auch im Hier und Jetzt.“
Glücklicherweise hatte irgendwann einer der anderen Autofahrer Erbarmen (oder aber ihm platzte die Hutschnur bei der Ansicht des von mir kreierten Staus), so dass er mir die Chance gab, mich in die rechte Spur einzufädeln. Der Römer saß währenddessen entspannt und breitbeinig auf dem Beifahrersitz und mampfte zufrieden einen Schokoriegel, der sich in meiner Snack-Schublade der Mittelkonsole befand. Ich schwitzte derweil Blut und Wasser. Mein Herzschlag schlug im Takt schneller Techno-Beats. Hastig bedankte ich mich bei dem zuvorkommenden Autofahrer und fuhr geduckt und beschämt nach Alt-Heddernheim ein. Wer meint, der Ort sei ein verträumtes, hessisches Dorf irgendwo im Taunus, der irrt sich nicht ganz. Es ist durchaus ein alteingesessener Stadtteil Frankfurts, in dem, da lege ich mich fest, ganz sicher hessisch gebabbelt (=gesprochen) wird. Auch die Architektur sieht nicht mehr als maximal drei Familien in einem Haus vor.
Wer davon ausgeht, dass die anschließende Fahrt im verträumten Alt-Heddernheim reibungslos ablief, den muss ich leider an dieser Stelle enttäuschen. Mein gewagtes Manöver um nach Heddernheim zu kommen, war anscheinend nur die Pflicht. Die Kür sollte erst noch folgen. Das wusste ich zum damaligen Zeitpunkt zum Glück nicht, sonst hätte ich das Familienauto abgestellt und wäre die acht Kilometer (immer die Eschersheimer Landstraße entlang Richtung Innenstadt) heimgestiefelt. Der Clou in Alt-Heddernheim ist nämlich – verzeihen Sie, liebe Heddernheimer – der kleinstädtische Charakter, der sich in einem Labyrinth aus Sträßchen, Gassen und Winkeln niederschlägt. Zumindest beschrieb der mit der Navigation restlos überforderte Gatte diesen Stadtteil so. Ein Labyrinth – oder mit den Worten des Römers: „‚sto labirinto di merda“ [dieses Sch*iß-Labyrinth]. So trug es sich zu, dass wir spätestens alle 50 Meter abbiegen mussten. Doch wohin? Ja, das wusste der Lotse auch nicht. „Aspetta…[Warte…]“, fing jede Antwort auf meine Aufforderung der dringlichen Wegbeschreibung an. An mir sollte es nicht liegen. Ich konnte warten. Doch die Alt-Heddernheimer Autofahrer, die zu Scharen in den verwinkelten Gassen unterwegs waren und hinter der „blöden Stadttussi mit der Sonnenbrille“ hinterher tuckern mussten, hatten für das stotternde Navigationsvermögen des römischen Gatten keinerlei Verständnis. So begann ich aus der Not heraus meine Weg-Entscheidungen selber zu treffen. Der Gatte zoomte, fluchte und aktualisierte immer wieder die digitale Karte auf seinem Handy. Zu unserem Unglück war nur jede fünfte meiner Entscheidungen richtig getroffen und so irrten wir durch die Wirren Alt-Heddernheims. Irgendwann fuhr ich schweißnass rechts ran, stellte mich an einen Bürgersteig der 1001 Gassen und lehnte meinen dröhnenden Kopf gegen das Lenkrad. Das Kind quakte von der Rücksitzbank, der Römer aktualisierte immer noch die digitale Straßenkarte und ich wäre am liebsten auf die Rücksitzbank gekrochen, was leider nicht ging, denn der Mann verfügt immer noch über keinen, hier anerkannten Führerschein. Doch in diesem Moment meiner absoluten Resignation sprach der Gatte ein: „Eccoci qui! [Hier sind wir!] Wir stehen genau vor der richtigen Tür.„
Mühsam hob ich meinen schweren Kopf, blinzelte hinter meiner Sonnenbrille hervor und sah ein Fachwerkhaus.
Ich wollte dem Römer diese Information nicht recht glauben, aber anscheinend waren wir richtig. Wir standen, wie durch eine göttliche Fügung, vor der gewünschten Adresse. Schwerfällig quälte ich mich aus dem Fahrersitz, schnappte mir den Umschlag, den ich abzuliefern hatte und schlich mit zitternden Beinen zum Haus mit der Nummer 10. Dass meine Beine so kraftlos und wabbelig waren, verwunderte nicht. Schließlich habe ich seit 40 Minuten meine komplette Beinmuskulatur krampfhaft angespannt. Auch meine Nackenmuskulatur konnte von diesem K(r)ampf ein Liedchen singen. Ich warf den Umschlag mit unserem neuen Wohnungsschlüssel in den Briefkasten des von der Hausverwaltung beauftragen Baudekorateurs und schlürfte wieder zum Auto. Hätte ich vorher gewusst, wie katastrophal anstrengend eine neun Kilometer Fahrt in Frankfurt werden würde, ich hätte dem Baudekorateur am Telefon gesagt, dass wir uns an die drei großen Löcher in der Wand sicher gewöhnen werden. Mangels Betreuung Signorinos (aufgrund der Kitaferien), schlug ich ihm jedoch vor, ihm „mal eben“ die Schlüssel vorbeizufahren. „Heddernheim? Gar kein Problem. Das ist ein Klacks.“, sprach ich selbstbewusst ins Telefon. Ebenso gut hätte er Kinshasa, die Hauptstadt der demokratischen Republik Kongo, als Wohnort nennen können. Vermutlich wäre die Fahrt dorthin auch nicht anstrengender geworden. Eventuell nur langwieriger.
Leider war die Adresse des Baudekorateurs nur ein Zwischenstopp und nicht das finale Ziel. Es gab noch eine weitere Etappe auf der Tour de Francfort: Unsere neue Wohnung. Der Kofferraum des Autos war vollgepackt mit Kartons, die wir von unserem aktuellen Keller in den neuen transferieren wollten. Die Kartons wieder in der alten Wohnung abzusetzen, stellte für mich keine Option dar. Munter flötete der Römer ein “Non ti preoccupare! [Keine Sorge!] Ich navigiere dich.” Aber genau diese Drohung seinerseits bereitete mir große Sorgen. „Besser nicht.“, antwortete ich knapp und so höflich wie man eben einen Zweiwortsatz betonen konnte. Trotzig guckte mich der Römer von der Beifahrerseite an, legte sein Mobiltelefon mit der geöffneten Straßenkarten-App auf die Mittelkonsole des Autos und verschränkte gekränkt seine Arme. „Pah! Vedi tu! [Pah! Schau halt du!]“, murmelte er und starrte in die entgegengesetzte Richtung aus dem Beifahrerfenster.
Nichts leichter als das. Ich schnappte mir sein Handy, schaute mir die Stadtkarte an und hatte danach eine ungefähre Vorstellung wie wir zur neuen Wohnung kommen würden. “Sicher verfährst du dich.”, trat der Römer nach und zupfte sich einen Fussel von seinem dunkelblauen Hemd. Ich hob abschätzig meine linke Augenbraue und gab ihm sein Telefon zurück. “Selbst wenn, miserabler als die Hinfahrt kann es nicht werden.”, konterte ich und lachte süffisant auf. Der römische Blick streifte kampfbereit den Meinen. Doch er entschied sich dazu, zu schweigen und in seinem Mobiltelefon sinnlos auf- und abzuscrollen. Konzentriert schlängelte ich mich aus dem Gassengewirr Alt-Heddernheims heraus. Das dauerte einige Zeit, aber immerhin schrie niemand völlig inkorrekte Anweisungen in mein rechtes Ohr. Aha, da sah ich auch schon die große Hauptstraße von der wir kamen. Ich bog ab und hatte das Glück, dass mir ein dottergelbes Straßenschild anbot, mir den Weg zum Frankfurter Palmengarten zu weisen. Der Palmengarten befindet sich immerhin in der ungefähren Ecke der Stadt, in der wir die Kartons abladen wollten. Dankbar nahm ich das Angebot der Frankfurter Straßenverkehrsbehörde an. Als wir unterhalb des Ginnheimer Spargels (= Europaturm) vorbeifuhren, wusste ich, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Das angenehme an den Straßenschildern, die den Weg säumten, war, dass keines von ihnen völlig aufgeregt „ADESSO!!“ brüllte. Vielmehr kündigten sie – weit bevor ich mich einordnen musste – an, dass ich bei der nächsten Kreuzung abbiegen sollte. Vorbei am Senckenbergmuseum bog ich nach links ab und steuerte auf den Frankfurter Hauptbahnhof zu. Der Römer saß immer noch missmutig auf seinem Lotsensitz und beobachtete aus dem Augenwinkel jede meiner Bewegungen. Signorino quakte einmal kurz und der Römer reichte ihm eine Flasche Wasser nach hinten. Vielleicht war das seine Berufung? Der Kabinenservice klappte in diesem Auto nämlich phänomenal. Angekommen auf der großen Landstraße Richtung Griesheim waren es nur noch wenige hundert Meter bis wir am Ziel waren. Ich wollte in die Hofeinfahrt des neuen Wohnhauses einfahren, doch da sah ich, dass das Tor verschlossen war. Hastig würgte ich den Motor ab, eilte zum Hoftor und versuchte es zu öffnen. Doch es bewegte sich, trotz mehrmaligen Rütteln, keinen Zentimeter. “Der Hausschlüssel muss doch in dieses dumme Tor passen!!”, murmelte ich, doch dem Haustürschlüssel und dem Hoftor war das egal. Sie kooperierten kein bisschen. Mittlerweile streckte der Römer seinen Lockenkopf aus dem Beifahrerfenster. “Ti serve aiuto? [Brauchst du Hilfe?]“, wollte er wissen und ich schüttelte den Kopf. “Danke, geht schon.”, krakelte ich zurück und verzweifelte dabei immer noch an diesem blöden Schloss. Eine Minute später schwang sich der römische Gatte galant aus dem Auto. Die Steinchen unter seinen Lederschuhen knirschten auf dem Gehsteig. “Dai, amore! Ti aiuto. [Komm schon, Schatz! Ich helfe dir.]”, sprach er verständnisvoll. Zähneknirschend überreichte ich ihm den Schlüssel. Innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde war das Tor offen. “Wie hast du das denn gemacht?”, sprach ich völlig fassungslos. Er grinste keck: “Mit Gefühl und Empathie öffnet sich jedes Tor.” Dann zwinkerte er mir zu. Ich guckte immer noch verdutzt aus der Wäsche. “Fahr schon mal rein, ich schließe das Tor nach dir ab.”, schlug der Gatte mir vor. Und so tat ich wie mir geheißen. Verwundert fuhr ich durch das verwunschene Tor, dass sich unter meiner Hand partout nicht öffnen ließ. “Anfängerglück.”, dachte ich. Doch nach einer viertel Stunde in der neuen Wohnung – die Kartons waren alle verstaut – gelang es dem Römer abermals mühelos das trotzige Tor zu öffnen. Ich bestand darauf, es zumindest schließen zu wollen und scheiterte wieder kläglich. “Sag mal, wie schwer kann es denn sein, so ein dämliches Tor zu schließen?! Irgendetwas ist kaputt.”, moserte ich als ich zurück ins Auto kam und das Tor immer noch sperrangelweit offen stand. Der Römer stieg ruhig aus, schlenderte zum Tor und drehte den Schlüssel in einer flüssigen Bewegung um 360 Grad. Zack. Zu war’s, das Burgtor. “Das ist doch nicht dein Ernst!!”, ächzte ich. “Wenn’s darauf ankommt, weiß ich eben wie’s geht. Wozu brauchst du einen Lotsen, wenn du noch nicht einmal das Tor aufbekommst, um das Auto herauszufahren?„, ärgerte er mich. Diesmal schwieg ich, denn auf diesen Satz fiel mir partout keine Antwort ein.
Ein schnell aufgenommener Schnappschuss. Der Römer hatte schon sein Päckchen „canna“ (zucchero di canna = Rohrzucker) in seinen Cappuccino geleert. Und doch ist dieses Bild so viel mehr:
Angefangen hat es mit einem glücklichen Zufall. Die Sekretärin informierte den Römer heute früh darüber, dass die ersten zwei Patienten abgesagt hatten. Somit brauche er nicht vor 11:30 Uhr in die Praxis kommen. Signorino war zu diesem Zeitpunkt schon fertig angezogen und ignorierte gekonnt sein Frühstück. „Bringst du ihn jetzt trotzdem in die Kita?„, fragte ich hoffnungsvoll. Schließlich befand ich mich noch im Nachtgewand und ein „Nein“ des Römers hätte zu erheblichem Stress meinerseits geführt. „Aber klar doch! Und danach gehen wir einen Kaffee trinken.“, schlug der Römer vor. „Nur wir beide?„, wollte ich ungläubig wissen, denn das kommt in etwa so häufig vor, als würde Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Der Römer lachte. Ja, nur wir beide.
30 Minuten später war er wieder daheim, hatte das gut gelaunte Kind abgeliefert und war etwas traurig, dass Signorino ihn zum Schluss nicht umarmt hat. Der kleine Kerl war einfach zu beschäftigt.
Wir fuhren in die Innenstadt und der Römer zeigte mir sein neues Stammcafé. „Questo è amico mio. [Das ist mein Freund.]„, sprach er und zeigte auf einen Herren mit schneeweißen Haaren und schneeweißer Uniform. Seine haselnussbraune Haut bildete einen schönen Kontrast zu all den weißen Akzenten. „Buongiorno Signori! [Guten Morgen, die Herrschaften!]“, begrüßte er uns mit einem spitzbübischen Lächeln. Man merkte schnell: Hier wohnte ein junger, schelmischer Geist in einem nicht mehr ganz taufrischen Körper. Ohne Zweifel, er ist die Seele des MONZA Caffè & Bar in der Fressgasse. Charmant, höflich, nie aufdringlich, dabei immer einen wohl dosierten Schalk im Nacken.
Wir verbrachten hier eine knappe Stunde mit Blick auf die Fressgasse. Die Zeit verflog wie der Wind. Das Angenehmste daran war, dass wir nach Monaten (oder Jahren?) für einen Moment einfach nur ein Pärchen waren und nicht Mama und Papa. Das war bitter nötig, denn seit geraumer Zeit leben wir nebeneinander her. Ohne Großeltern oder anderweitige Betreuungspersonen mit einem Kind, dass vor 22 Uhr nicht ins Bett geht, bleibt keine Zeit als Pärchen. Man funktioniert neben der Arbeit, dem Studium, Haushalt, Kind und Umzug einfach nur.
Aber diese eine Stunde für uns wog viele „Nur Mama und Papa“-Monate auf.
Oh, und das Monza ist wirklich empfehlenswert. Es gibt zwei Dependancen:
MONZA Caffè & Bar*
Große Bockenheimer Straße 43 | Innenstadt | Frankfurt am Main
oder
Schweizer Straße 73 | Sachsenhausen | Frankfurt am Main
*Werbung, aus reiner Überzeugung, unbezahlt und unbeauftragt
Ein Kleinkind mit Sonnencreme einzucremen, ist in etwa so, als würden Sie ein Schnitzel in einem Flugzeug unter heftigsten Nordatlantik-Turbulenzen panieren wollen.
Eva Farniente, mag am liebsten echtes Wiener Schnitzel vom Kalb und ruhige Langstreckenflüge über die weiten Russlands