Kindermund – Glückchen

Unser dreijähriger Signorino bereitet uns, neben der aktuellen Problematik, auch viele tolle Momente. Seit er sprechen kann, ist es wunderbar, welche Wortkompositionen er erschafft. Doch schauen Sie selbst:

Der Römer erwärmt Milch für das Kind, gibt Cornflakes hinein und bringt sie zum Esstisch. Das Kind guckt pikiert. Seeehr pikiert. Nein, Signorino hatte sich anscheinend etwas anderes unter Frühstück vorgestellt.

Energisch schüttelt er den Kopf und sagt laut protestierend: „Nein, ohne Glückchen! Nur Milch! Keine Glückchen!“

Es dauerte etwas bis wir verstanden, dass er mit Glückchen Klümpchen meinte und sich damit auf die Cornflakes bezog.

Ich hoffe, Sie haben einen guten Start in diese Woche – mit dem ein oder anderen Glückchen (und nicht Klümpchen)!

Ich war am Wochenende in Ruhpolding. Das war nicht nur ein Glückchen, sondern ein riesen Glück!

Kitafrust Deluxe

Es ist momentan so furchtbar anstrengend, dass ich schreien möchte. Dabei ist die Kita überhaupt keine Hilfe, sondern nur Hindernis.

Es fing damit an, dass wir von allen Seiten gehört haben, dass „jetzt aber wirklich der Schnuller“ abgewöhnt werden muss. Das Kind sei schließlich schon drei Jahre alt. Also kümmerte ich mich in den Weihnachtsferien darum. Der gummiartige Freund ist jetzt endgültig Geschichte. Was uns aber vorher niemand sagte, ist, dass die Schnullerabgewöhnung einige Nebenwirkungen mit sich bringt. Dabei spreche ich nicht von den ersten Wochen, die von der Kinderärztin als „ein paar schwierige Tage“ abgetan wurden, sondern vom ganzen Gesamtkonzept. Das Kind findet, wie sollte es anders sein, nicht mehr so einfach in den Schlaf. Das ist absolut nachvollziehbar. Ich würde vermutlich auch nicht in den Schlaf finden, wenn man mir mein Suchtmittel wegnehmen würde. Dazu kommt, dass das Kind im Team „Eule“ ist. Auch das ist wunderbar und vertretbar, denn wir sind auch im Team „Eule“. Nur das gesamte Konstrukt aus Kita und Arbeit ist leider im Team „Lerche“. Und da fängt die Krux an:

Ein Wochentag zwischen Montag und Freitag beginnt damit, dass wir das Kind um kurz vor 8 Uhr wecken, während wir um kurz vor 7 Uhr aus dem Bett kriechen. Der Römer manchmal eher, je nach Schichtzuteilung. Dann bringen wir ihn in die Kita, wo er Mittagsschlaf hält. Um überhaupt einzuschlafen braucht er meist 45 Minuten. Um 14:50 Uhr hole ich ihn ab und dann ist er wach. Bis 23:50 Uhr. Letzte Woche auch ein paar Mal bis 00:10 Uhr. Als uns das Problem bewusst wurde, und das wurde es recht schnell, sprach ich mit den Erzieherinnen. Ich fragte höflich an, ob es möglich wäre, auf den Mittagsschlaf zu verzichten. Ich äußerte mein Verständnis, dass er der Älteste in der Kinderkrippe sei und die anderen Kinder sicher noch einen Mittagsschlaf benötigen würden, aber er, mit drei Jahren, braucht schon seit einem Jahr keinen Mittagsschlaf mehr. An den Augen der Erzieherin erkannte ich bereits, dass sie das für völlig absurd hielt. Also konfrontierte ich sie damit, dass das Kind um Mitternacht schlafen ginge und das „echt anstrengend für uns sei“. Das verstehe sie, sagte sie, aber powern Sie das Kind auch genügend aus? Nun guckte ich sie verständnislos an. Ja, das tue ich, antwortete ich knapp. „Wissen Sie, ich bin oft mit meiner Tochter, als sie noch klein war, um 19 Uhr, nach dem Abendessen, nochmal vor die Türe, um auf den Spielplatz zu gehen. Dann war sie so ausgepowert, dass sie um 21 Uhr schlief.“, unterrichtete sie mich von ihrer Methode. Ich nickte und dachte an Temperaturen um den Gefrierpunkt, an dem ich das Kind um 20 Uhr einpacken und zum stockdunklen Spielplatz bringen würde. „Ja, momentan ist vielleicht auch die falsche Jahreszeit für eine derartige Aktion.“, murmelte ich, um dann etwas lauter zu sagen, dass ich das Kind dennoch, auch im Hellen, genug auspowern würde. „Jetzt beobachten Sie die Situation nochmal und dann gucken wir weiter.“, war ihr Resümee des ersten Gesprächs mit ihr über den Mittagsschlaf. Es sollten viele, weitere Gespräche folgen. Ebenso gut hätte ich mich jedoch auch mit einer Betonmauer oder einer Schneeflocke darüber austauschen können. Der Effekt wäre der gleiche gewesen.

Letzte Woche, meine Stimmung kippt mittlerweile zunehmend, wendete ich mich in der Blüte meiner Verzweiflung das drölfzigste Mal an sie und ihre Kollegin: „Ich sag’s Ihnen jetzt ganz ehrlich: Ich bin ausgebrannt. Ich kann nicht mehr. Ich stehe um kurz vor 7 Uhr auf und gehe um Mitternacht ins Bett. Weder mein Mann, noch ich, haben Zeit für uns, geschweige denn als Paar. Wir sind Zombies! Es bleibt keine einzige Minute am Tag für uns. Ich falle um 00:15 Uhr ins Bett und bin am Ende, obwohl ich gerne schon um 22 Uhr schlafen würde. Das mache ich so von Montag bis Freitag. Ich kann nicht mehr.“ Viel Nicken auf der Erzieherinnenseite. Ja, das könne man verstehen. Das hört sich wirklich anstrengend an. Man könne mir anbieten das Kind nach einer halben Stunde zu wecken. Aber, dieser Satz stand zwischen den Zeilen, kein Mittagsschlaf sei definitiv keine Option.

Am nächsten Tag weckte man das Kind nach einer halben Stunde. Die Erzieherinnen wirkten ziemlich genervt als ich das Kind abholte. Denn, so wie ich mein Kind kenne, gab es einen riesigen Schreianfall, wenn es geweckt wird. Deswegen lassen wir es gar nicht erst schlafen – und er geht abends (mal mehr, mal weniger vergnügt) um 21 Uhr ins Bett. Die Dunkelhaarige der beiden Erzieherinnen teilte mir nüchtern mit, dass sie das „jetzt mal ausprobiert haben“, aber es eine reine Katastrophe war. In ihren Augen sah ich, dass sie das genau ein einziges Mal gemacht hat, aber nie wieder machen wird. Das Kind schlief an diesem Tag trotzdem erst um 23:50 Uhr ein.

Die nächsten Tage wurde uns erzählt, dass das Kind „als allererster, vor allen anderen“ geweckt wurde. Gelogen war das sicher nicht. In einer langen Reihe von Kindern, die schlafen, wird er halt als erstes Kind geweckt. Er ging weiterhin um Mitternacht ins Bett.

Zwei rennende Giraffen im kleinen Gehege im Frankfurter Zoo. Ein Sinnbild für den Römer und mich.

Am vergangenen Donnerstag hatten wir einen Arzttermin. Ich ließ ihn von der Kita daheim, da der Termin so lag, dass es keinen Sinn machte, ihn hinzuschicken. Als es darum ging, dass wir jetzt losmüssten, rastete das Kind so aus wie ein durchschnittlicher Dreijähriger, der lieber Lego spielen will als zum Arzt rollern, eben ausrastet. Anstatt über das Verhalten hinwegzusehen, weiterzumachen, ihn anzuziehen, was man als Elter eben macht, brach ich zusammen. Ich heulte Rotz und Wasser und konnte nicht mehr aufhören. In zwölf Minuten mussten wir beim Kinderarzt sein, das Kind tobte, ich heulte und saß wie ein zusammengekauertes Häufchen Elend in der Kinderzimmerecke. Verheult rief ich Turtle drei Mal an, ob sie sich bitte beim Kinderarzt als ich ausgeben und den Termin absagen könne. Das tat sie auch – und stand 20 Minuten später vor der Tür, um die allgemeine Laune zu heben.

Verstehen Sie mich richtig: Ich verbringe gerne Zeit mit meinem Kind. Aber ich bin ein Mensch, keine Maschine. Und als solcher brauche ich ab und an Zeit durchzuatmen. Wenn das Kind um Mitternacht ins Bett geht – und das von Montag bis Freitag – krieche ich auf dem Zahnfleisch. Wenn dann so kluge Elternsprüche kommen, dass man ja schon mal schlafen gehen könne oder das Kind heulend im Zimmer lassen solle bis es schläft, dann möchte ich mich übergeben. Dazu wird in der Arbeit gefordert, dass wir als Arbeitnehmer funktionieren und eine dementsprechende Leistung bringen. Ich merke aber, wie es mir zusehends schwerer fällt, mein altes Leistungsniveau aufrecht zu erhalten. Mein Studium liegt vollkommen brach, weil ich keine einzige Sekunde dafür Zeit habe. Wir sind nur noch Eltern und Arbeitnehmer. Kein Individuum und auch kein Paar. Ein Kindergartenplatz ist nicht in Sicht*. Mir steht es echt hier [zeigt mit der flachen, ausgestrecken Hand auf den Haaransatz].

Die Lösung wäre so einfach, aber die entsprechenden Personen stellen sich quer. Ich habe durchaus Verständnis, dass die Erzieherinnen in dieser Zeit Mittagspause machen, etwas dokumentieren oder einen Moment zum Durchatmen brauchen. Aber ich hätte auch gerne einen einzigen Moment am Tag, an dem ich durchatmen kann.

*Die Kita-Erzieherinnen dazu: „Dann müssen Sie den einklagen!“ Ich: „Die Kita-Leitung meinte, ich sollte den Februar noch abwarten, denn dann werden die Kindergartenplätze verteilt.“ Erzieherinnen: „Ja, das stimmt. Warten Sie ab.“ Ich: „Notfalls muss ich den Platz halt dann eben einklagen.“ Erzieherinnen: „Dann kriegen Sie aber irgendwo in Frankfurt einen Platz. Also iiiirgendwo. Und einen Anspruch auf einen Vollzeitplatz haben Sie auch nicht. Wenn’s blöd läuft, fahren Sie das Kind dreißig Minuten oneway durch die Gegend und dürfen es um 12:30 Uhr wieder abholen.“ Ich: „Na, dann müsste es immerhin keinen Mittagsschlaf machen.“ Stille.

WMDEDGT – Januar 2023

Das neue Jahr ist so taufrisch, die Schutzfolie haftet fast noch daran. Und so fragt Frau Brüllen, wie an jedem Fünften, was wir denn den ganzen Tag über gemacht haben. Sie nennt das WMDEDGT. Na, dann wollen wir mal gucken:

05:54 Uhr Irgendein Gegenstand (vermutlich aus Plastik) ist abgestürzt. Ich überlege, ob ich es geträumt habe oder der Römer es auch gehört hat. Als ich beschließe, weiterzuschlafen, fragt der Römer, woher das Geräusch kam. Leider weiß ich ebenso wenig wie er. Er geht nachsehen und kehrt nach 15 Sekunden, ahnungslos wie zuvor auch, zurück.

07:00 Uhr Der Wecker klingelt. „Ich würde am liebsten liegen bleiben.“, sage ich zum Römer. „Dann mach das doch! Intanto e‘ il tuo giorno libero [Es ist ja dein freier Tag]. Ich rufe bei der Kita an, dass Signorino heute nicht kommt.“, antwortet der Gatte und setzt nach, dass er erst eine Stunde später anfangen muss. Der erste Patient hat abgesagt. Dann dösen wir wieder ein.

09:30 Uhr Der Mann ist unterwegs. Das Kind ruft nach mir. Wir kuscheln im Kinderbett und Signorino tut so als ob auf meiner Stirn Feuerameisen sind. Seine kleinen Finger krabbeln dabei über meinen gesamten Kopf und er kreischt hocherfreut „Ooooh Feuerameisen!“. Scheinbar hektisch wische ich sie weg und Signorino amüsiert sich königlich. Danach gibt’s Frühstück. Das Kind läuft sofort zu seinen magnetischen Bausteinen. Sein Frühstück muss anscheinend auf ihn warten. Ich trinke in Ruhe meinen Tee. Diese freien Mutter-Sohn-Tage genieße ich sehr, was nicht heißt, dass es keine Trotzanfälle oder Unstimmigkeiten gibt. Aber alleine der Zeitdruck, der fehlt, macht es so viel einfacher. Niemand muss pünktlich in Kita oder Arbeit sein, keine Diskussionen über Schuhe, kein morgendliches Theater. Für mich gilt wie immer: Die Mischung macht’s. Ich arbeite gerne, ich bin gerne mit Signorino daheim, aber ich bin froh, dass ich beides machen kann.

11:00 Uhr Signorino möchte „Butter mit Breze“. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Er isst sehr gerne Butter. Nach dreimaliger Ermahnung beißt er schließlich doch noch von der Breze ab und lutscht nicht nur die Butter ab.

12:30 Uhr Die Küche ist komplett geputzt und geschrubbt, da kommt Signorino* an und will Waffeln backen. Waffeln hat er erst gestern mit Papa gemacht. Also machen wir Marmorkuchen. Er hilft ganz toll mit. Ein paar Eierschalen landen im Teig. Ich versuche, sie zu bergen. Jedesmal, wenn ich ein weiteres Stück Eierschale geborgen habe, jubelt das Kind und ruft „Juhuuuu! Noch eine.“. Nur beim Kakao passe ich ganz genau auf. Blöderweise nicht genau genug, denn ich siebe das Kakaopulver über Signorinos Hände, die er unter das Sieb und über den Teig geschmuggelt hat. Danach wasche ich das Kind. Dann geht es weiter. Endlich ist der Teig in der Kuchenform gelandet, ich schiebe die Form in den Ofen, da manifestiert das Kind „Okay. Kuchen essen.“. Auch mehrmalige Erklärungsversuche scheitern, dass der Kuchen erst noch gebacken werden muss. Ein riesengroßer Trotzanfall schmettert durch die Küche. Ich spüle derweil ab und bestücke die Spülmaschine. Danach wische ich die Küche ein zweites Mal. Nach dem Trotzanfall erinnert mich Signorino im 30 Sekundenrhythmus daran, dass er Kuchen essen will.

*Signorino backt für sein Leben gern und spielt es auch mit seinen Bausteinen nach. Dazu steckt er z.B. zwei Bausteine zusammen, schlägt sie an den Rand einer Schüssel und trennt anschließend das „Ei“.

13:00 Uhr Kurze Serienpause. Es wird nur noch alle 5 Minuten nach dem Kuchen gefragt. Ich genieße meinen Kaffee. Mit dem Wäschekorb auf dem Weg ins Schlafzimmer bemerke ich den Gegenstand, der heute Nacht mit einem lauten Knall heruntergefallen ist: Es war das Hygrometer, das bis heute, 05:54 Uhr, am Schrank klebte.

14:00 Uhr Der Kuchen ist endlich fertig. Signorino kann‘s kaum erwarten, so dass ich das Gebäck noch heiß stürze. Leider trägt die linke Ecke Schaden davon. Aber das stört Signorino nicht. Er isst das angedätschte Stück mit großer Leidenschaft, um danach noch ein zweites zu essen.

16:00 Uhr Ich sortiere in Bad und Küche aus, schmeiße weg oder lege alles in einen Karton, der auf die Straße gestellt wird, damit die vorbeigehenden Passanten sich bedienen können. Signorino entdeckt den Karton und sortiert Kuchentransportbox und Spätzlereibe wieder ein. Zum Glück fand er die Onigiri-Form langweilig, sonst müsste ich diese auch noch aus dem Kinderzimmer befreien.

17:10 Uhr Der Römer steht eine Stunde zu früh vor der Türe und hält ein Brot in der Hand. Die letzte Patientin habe abgesagt, deswegen sei er schon da. Er macht sich einen caffè und isst ein Stück Marmorkuchen. Nachdem Signorino drölfzig Mal durch seine Legos gestapft ist, wir ihn drölfzig Mal darauf hingewiesen haben, dass es zu laut ist und er ein weiteres Mal durch die Legos stapft, hat er sich ein Timeout im Zimmer erspielt. Nach zwei Ausbruchsversuchen innerhalb einer Minute, bei denen er wieder in sein Zimmer geschickt wird, bleibt er dort und wird nach 5 Minuten erlöst. Durch Legos stapft er jetzt nicht mehr. Stattdessen räumen wir alle zusammen auf. Dann bestelle ich die Einkäufe. Noch vor 18 Uhr kommen sie an.

18-21 Uhr Kochen, essen, das übliche. Da das Kind heute nicht in der Kita war und keinen Mittagsschlaf machen musste, haben wir die leise Hoffnung, dass er schon vor 22 Uhr schläft. Mit dem unsäglichen Kita-Mittagsschlaf schläft das Kind mittlerweile nicht mehr vor 23:45 Uhr ein. Fragen Sie mal, wie ich mich darauf freue, wenn das Kind eeeendlich einen Kindergartenplatz hat.

22:54 Uhr Nach langem Theater schläft das Kind endlich. Immerhin vor 23 Uhr. Ich packe noch mein Mittagessen für den morgigen Arbeitstag ein und gehe ins Bett.

Let‘s call it a day.