Kindermund #3

Momentan wird an der Frankfurter S-Bahn-Stammstrecke gebaut. Natürlich geschieht dies in den letzten Wochen, die wir das Kind noch auf die andere Seite der Stadt, zur Kita, bringen dürfen und hört auf, wenn wir beim neuen Kindergarten in unserem Viertel (Bericht steht noch aus) anfangen dürfen.

So kommt es, dass wir nicht die durchgehende S-Bahn nehmen können, die uns ein paar hundert Meter von der aktuellen Kita rauslässt, sondern auf Straßenbahn, S-Bahn und U-Bahn angewiesen sind.

Der Römer bevorzugt die Straßenbahn, die direkt vor der Kita hält, aber einmal durchs Bahnhofsviertel gondelt und zum Teil wunderliche Gestalten ein- und auslädt. Signorino und ich mögen lieber die Kombination aus S- und U-Bahn, bei der wir am Hauptbahnhof umsteigen, um dann noch ein paar Meter zur Kita zu rollern.

Heute, wir stiegen gerade am Frankfurter Hauptbahnhof um, roch es im Zwischengeschoss beißend nach Urin. Ich verzog die Nase und eilte mit Kind in Richtung U-Bahn.

Signorino verzog nicht die Nase, stattdessen guckte er sich immer wieder um und schien nachzudenken. Als wir auf der Rolltreppe Richtung U-Bahn-Steig waren, hatte er sein Urteil gefällt: “Oh. Da hat jemand eine volle Pipi-Windel.” Ja, auch so kann man es ausdrücken. Jemand hatte eine sehr volle Pipi-Windel.

Ein Stück Rhabarberkuchen vor dem Frankfurter Römer: Aussicht und Duft wären mir deutlich lieber gewesen.

Die Weiterfahrt verlief, zum Glück, ohne Pipi-Windel-Geruch.

Kindermund – Glückchen

Unser dreijähriger Signorino bereitet uns, neben der aktuellen Problematik, auch viele tolle Momente. Seit er sprechen kann, ist es wunderbar, welche Wortkompositionen er erschafft. Doch schauen Sie selbst:

Der Römer erwärmt Milch für das Kind, gibt Cornflakes hinein und bringt sie zum Esstisch. Das Kind guckt pikiert. Seeehr pikiert. Nein, Signorino hatte sich anscheinend etwas anderes unter Frühstück vorgestellt.

Energisch schüttelt er den Kopf und sagt laut protestierend: „Nein, ohne Glückchen! Nur Milch! Keine Glückchen!“

Es dauerte etwas bis wir verstanden, dass er mit Glückchen Klümpchen meinte und sich damit auf die Cornflakes bezog.

Ich hoffe, Sie haben einen guten Start in diese Woche – mit dem ein oder anderen Glückchen (und nicht Klümpchen)!

Ich war am Wochenende in Ruhpolding. Das war nicht nur ein Glückchen, sondern ein riesen Glück!

Kitafrust Deluxe

Es ist momentan so furchtbar anstrengend, dass ich schreien möchte. Dabei ist die Kita überhaupt keine Hilfe, sondern nur Hindernis.

Es fing damit an, dass wir von allen Seiten gehört haben, dass „jetzt aber wirklich der Schnuller“ abgewöhnt werden muss. Das Kind sei schließlich schon drei Jahre alt. Also kümmerte ich mich in den Weihnachtsferien darum. Der gummiartige Freund ist jetzt endgültig Geschichte. Was uns aber vorher niemand sagte, ist, dass die Schnullerabgewöhnung einige Nebenwirkungen mit sich bringt. Dabei spreche ich nicht von den ersten Wochen, die von der Kinderärztin als „ein paar schwierige Tage“ abgetan wurden, sondern vom ganzen Gesamtkonzept. Das Kind findet, wie sollte es anders sein, nicht mehr so einfach in den Schlaf. Das ist absolut nachvollziehbar. Ich würde vermutlich auch nicht in den Schlaf finden, wenn man mir mein Suchtmittel wegnehmen würde. Dazu kommt, dass das Kind im Team „Eule“ ist. Auch das ist wunderbar und vertretbar, denn wir sind auch im Team „Eule“. Nur das gesamte Konstrukt aus Kita und Arbeit ist leider im Team „Lerche“. Und da fängt die Krux an:

Ein Wochentag zwischen Montag und Freitag beginnt damit, dass wir das Kind um kurz vor 8 Uhr wecken, während wir um kurz vor 7 Uhr aus dem Bett kriechen. Der Römer manchmal eher, je nach Schichtzuteilung. Dann bringen wir ihn in die Kita, wo er Mittagsschlaf hält. Um überhaupt einzuschlafen braucht er meist 45 Minuten. Um 14:50 Uhr hole ich ihn ab und dann ist er wach. Bis 23:50 Uhr. Letzte Woche auch ein paar Mal bis 00:10 Uhr. Als uns das Problem bewusst wurde, und das wurde es recht schnell, sprach ich mit den Erzieherinnen. Ich fragte höflich an, ob es möglich wäre, auf den Mittagsschlaf zu verzichten. Ich äußerte mein Verständnis, dass er der Älteste in der Kinderkrippe sei und die anderen Kinder sicher noch einen Mittagsschlaf benötigen würden, aber er, mit drei Jahren, braucht schon seit einem Jahr keinen Mittagsschlaf mehr. An den Augen der Erzieherin erkannte ich bereits, dass sie das für völlig absurd hielt. Also konfrontierte ich sie damit, dass das Kind um Mitternacht schlafen ginge und das „echt anstrengend für uns sei“. Das verstehe sie, sagte sie, aber powern Sie das Kind auch genügend aus? Nun guckte ich sie verständnislos an. Ja, das tue ich, antwortete ich knapp. „Wissen Sie, ich bin oft mit meiner Tochter, als sie noch klein war, um 19 Uhr, nach dem Abendessen, nochmal vor die Türe, um auf den Spielplatz zu gehen. Dann war sie so ausgepowert, dass sie um 21 Uhr schlief.“, unterrichtete sie mich von ihrer Methode. Ich nickte und dachte an Temperaturen um den Gefrierpunkt, an dem ich das Kind um 20 Uhr einpacken und zum stockdunklen Spielplatz bringen würde. „Ja, momentan ist vielleicht auch die falsche Jahreszeit für eine derartige Aktion.“, murmelte ich, um dann etwas lauter zu sagen, dass ich das Kind dennoch, auch im Hellen, genug auspowern würde. „Jetzt beobachten Sie die Situation nochmal und dann gucken wir weiter.“, war ihr Resümee des ersten Gesprächs mit ihr über den Mittagsschlaf. Es sollten viele, weitere Gespräche folgen. Ebenso gut hätte ich mich jedoch auch mit einer Betonmauer oder einer Schneeflocke darüber austauschen können. Der Effekt wäre der gleiche gewesen.

Letzte Woche, meine Stimmung kippt mittlerweile zunehmend, wendete ich mich in der Blüte meiner Verzweiflung das drölfzigste Mal an sie und ihre Kollegin: „Ich sag’s Ihnen jetzt ganz ehrlich: Ich bin ausgebrannt. Ich kann nicht mehr. Ich stehe um kurz vor 7 Uhr auf und gehe um Mitternacht ins Bett. Weder mein Mann, noch ich, haben Zeit für uns, geschweige denn als Paar. Wir sind Zombies! Es bleibt keine einzige Minute am Tag für uns. Ich falle um 00:15 Uhr ins Bett und bin am Ende, obwohl ich gerne schon um 22 Uhr schlafen würde. Das mache ich so von Montag bis Freitag. Ich kann nicht mehr.“ Viel Nicken auf der Erzieherinnenseite. Ja, das könne man verstehen. Das hört sich wirklich anstrengend an. Man könne mir anbieten das Kind nach einer halben Stunde zu wecken. Aber, dieser Satz stand zwischen den Zeilen, kein Mittagsschlaf sei definitiv keine Option.

Am nächsten Tag weckte man das Kind nach einer halben Stunde. Die Erzieherinnen wirkten ziemlich genervt als ich das Kind abholte. Denn, so wie ich mein Kind kenne, gab es einen riesigen Schreianfall, wenn es geweckt wird. Deswegen lassen wir es gar nicht erst schlafen – und er geht abends (mal mehr, mal weniger vergnügt) um 21 Uhr ins Bett. Die Dunkelhaarige der beiden Erzieherinnen teilte mir nüchtern mit, dass sie das „jetzt mal ausprobiert haben“, aber es eine reine Katastrophe war. In ihren Augen sah ich, dass sie das genau ein einziges Mal gemacht hat, aber nie wieder machen wird. Das Kind schlief an diesem Tag trotzdem erst um 23:50 Uhr ein.

Die nächsten Tage wurde uns erzählt, dass das Kind „als allererster, vor allen anderen“ geweckt wurde. Gelogen war das sicher nicht. In einer langen Reihe von Kindern, die schlafen, wird er halt als erstes Kind geweckt. Er ging weiterhin um Mitternacht ins Bett.

Zwei rennende Giraffen im kleinen Gehege im Frankfurter Zoo. Ein Sinnbild für den Römer und mich.

Am vergangenen Donnerstag hatten wir einen Arzttermin. Ich ließ ihn von der Kita daheim, da der Termin so lag, dass es keinen Sinn machte, ihn hinzuschicken. Als es darum ging, dass wir jetzt losmüssten, rastete das Kind so aus wie ein durchschnittlicher Dreijähriger, der lieber Lego spielen will als zum Arzt rollern, eben ausrastet. Anstatt über das Verhalten hinwegzusehen, weiterzumachen, ihn anzuziehen, was man als Elter eben macht, brach ich zusammen. Ich heulte Rotz und Wasser und konnte nicht mehr aufhören. In zwölf Minuten mussten wir beim Kinderarzt sein, das Kind tobte, ich heulte und saß wie ein zusammengekauertes Häufchen Elend in der Kinderzimmerecke. Verheult rief ich Turtle drei Mal an, ob sie sich bitte beim Kinderarzt als ich ausgeben und den Termin absagen könne. Das tat sie auch – und stand 20 Minuten später vor der Tür, um die allgemeine Laune zu heben.

Verstehen Sie mich richtig: Ich verbringe gerne Zeit mit meinem Kind. Aber ich bin ein Mensch, keine Maschine. Und als solcher brauche ich ab und an Zeit durchzuatmen. Wenn das Kind um Mitternacht ins Bett geht – und das von Montag bis Freitag – krieche ich auf dem Zahnfleisch. Wenn dann so kluge Elternsprüche kommen, dass man ja schon mal schlafen gehen könne oder das Kind heulend im Zimmer lassen solle bis es schläft, dann möchte ich mich übergeben. Dazu wird in der Arbeit gefordert, dass wir als Arbeitnehmer funktionieren und eine dementsprechende Leistung bringen. Ich merke aber, wie es mir zusehends schwerer fällt, mein altes Leistungsniveau aufrecht zu erhalten. Mein Studium liegt vollkommen brach, weil ich keine einzige Sekunde dafür Zeit habe. Wir sind nur noch Eltern und Arbeitnehmer. Kein Individuum und auch kein Paar. Ein Kindergartenplatz ist nicht in Sicht*. Mir steht es echt hier [zeigt mit der flachen, ausgestrecken Hand auf den Haaransatz].

Die Lösung wäre so einfach, aber die entsprechenden Personen stellen sich quer. Ich habe durchaus Verständnis, dass die Erzieherinnen in dieser Zeit Mittagspause machen, etwas dokumentieren oder einen Moment zum Durchatmen brauchen. Aber ich hätte auch gerne einen einzigen Moment am Tag, an dem ich durchatmen kann.

*Die Kita-Erzieherinnen dazu: „Dann müssen Sie den einklagen!“ Ich: „Die Kita-Leitung meinte, ich sollte den Februar noch abwarten, denn dann werden die Kindergartenplätze verteilt.“ Erzieherinnen: „Ja, das stimmt. Warten Sie ab.“ Ich: „Notfalls muss ich den Platz halt dann eben einklagen.“ Erzieherinnen: „Dann kriegen Sie aber irgendwo in Frankfurt einen Platz. Also iiiirgendwo. Und einen Anspruch auf einen Vollzeitplatz haben Sie auch nicht. Wenn’s blöd läuft, fahren Sie das Kind dreißig Minuten oneway durch die Gegend und dürfen es um 12:30 Uhr wieder abholen.“ Ich: „Na, dann müsste es immerhin keinen Mittagsschlaf machen.“ Stille.

Weihnachtsidylle

Dreijährige verfügen über eine ganz besondere Eigenschaft: sie verweigern sich jeglicher Logik und handeln meist vollkommen unvorhersehbar. Jede Software der künstlichen Intelligenz würde an dieser Personengruppe verzweifeln. Unzählige Vorhersagen pro Sekunde – und keine würde auf Signorino zutreffen. Willkommen im Leben mit einem Dreijährigen.

Quelle: Peng Streetart

Am ersten Weihnachtsfeiertag spazierten wir durch den großen Park am Ende unseres Wohnviertels. Als Signorino aus dem Kinderwagen entlassen werden wollte, wir den Reißverschluss des warmen Sitzsackes öffneten und ihn auf den geteerten Spazierweg hoben, stellte er empört fest: „Es ist eiskalt!!“ Dies mag auch daran liegen, dass er unbedingt die „weißen (Turn-)Schuhe“ anziehen wollte. Nach dieser frostigen Feststellung machte er gleich noch eine weitere: „Oh! Überall Garten!“ und peste über das matschig-braune Grün. Ich klammerte mich am Kinderwagen fest. Keine zehn Pferde würden mich in und auf diese Matschfläche bringen. Entschuldigend guckte ich den Gatten an, der zweifelnd seine ebenfalls weißen Turnschuhe betrachtete. Das Kind jagte derweil über die Wiese, immer wieder „Garten! Garten!“ schreiend. Als er über eine Wurzel fiel, eilte der Römer mit seinen hellen Ledersneakern zum Kinde. „Alles gut, Signorino!“, rief ich aufmunternd vom beinahe trockenen Teerweg und fuhr den Kinderwagen immer auf Höhe des Vater-Sohn-Gespanns entlang. Nach zehn Minuten, wir überquerten in der Zwischenzeit eine Straße, kamen wir im zweiten Teil des Parkes an. Dort standen vermehrt Bäume, die alle betrachtet, betatscht und umarmt werden mussten. „Oh! Großer Baum.“, machte uns Signorino auf die Höhe der Bäume aufmerksam. Ich nickte und tätschelte abwechselnd Baumrinde und blonde Kinderhaare. „Sehr gut, Mama.“, lobte mich das Kind als ich den Baum zum wiederholten Male tätschelte. Immerhin erkannte einer in dieser Familie meine Talente.

„Noch mehr Garten!“, brüllte das Kind nach diesem kurzen Lob und flitzte vom Teerweg zur Matschwiese. Ich rannte hinterher. Auf einer Anhöhe angekommen, fragte das Kind: „Oh! Was ist das denn?“ Dabei zeigte er auf eine spiegelglatte Fläche. „Eine riiiesige Pfütze!“, gab sich das Kind selbstbewusst eine Antwort. „Signorino, das ist ein See.“, sprach ich fachmännisch, doch das Kind schnappte sich bereits meine Hand und wir rannten Richtung See.

Generell, das muss ich an dieser Stelle anmerken, gibt es beim Kind nur wenige Mobilitätsstufen: Rennen, in Zeitlupe schlürfen, lustloses vor sich hinstolpern (wenn man morgens zur Kita muss) oder „Mama, tragen!“, wobei das vielmehr meine Mobilitätsstufe ist, wenn ich ein 16 Kilogramm schweres Kind durch Frankfurt schleppe.

Wir rannten also zum Gewässer. Der Römer, der zuvor seine Schuhe mit etlichen Feuchttüchern gereinigt hatte, war diesmal in der komfortablen Position den trockenen Teerweg zum See nehmen zu können. Dabei betrachtete er sehr zufrieden die Landschaft. „Mama, können wir baden?“, fragte das Kind und es war eine rein rhetorische Frage, denn er stapfte bereits selbstbewusst zum Ufer. „Äääh…nein!“, antwortete ich sehr irritiert. Das Kind drehte sich nicht eine Sekunde zu mir um, sondern rief stattdessen sehr überzeugend: „Okay – baden!“. Ich flitzte hinter dem laufenden Meter hinterher und krallte mir seine Kapuze – sicherheitshalber. „Mama, baden!“, manifestierte Signorino noch einmal seinen Wunsch sich in die kalten Fluten stürzen zu wollen. „Nein, das machen wir nicht.“, sprach ich vehement und hob ihn sicherheitshalber hoch.

Das Kind rastete filmreif aus. Er wurde knallrot, trat um sich und insistierte, dass er jetzt aber im Brackwasser dieses Frankfurter Sees baden wolle. Der Mann kam schlendernd bei uns an und sprach sehr verständnisvoll: „Che c’è, amore mio? [Was ist los, mein Schatz?]“. „BADEN!!!!“, brüllte unser Sprössling und wütete weiter auf meinem Arm. „Scusa? (Wie bitte?]“, hinterfragte der Römer seinen Wunsch und hoffte insgeheim auf ein deutsch-italienisches Verständigungsproblem. Doch es war keines.

Verständnislos guckten der Römer und ich uns an. Nicht nur, weil der Wunsch an diesem Tag, in dieser Jahreszeit, ein Wunsch bleiben würde. Nein, auch weil wir das Kind seit zwei Jahren nur unter heftigstem Gebrüll in der heimischen, wohltemperierten Badewanne waschen können. Mit jeglichen Tricks versuchen wir es dem Kind so angenehm wie möglich zu gestalten, aber es ist jedes Mal aufs Neue ein Drama in drei Akten. „Forse la temperatura dell’acqua non era giusta. [Vielleicht war die Wassertemperatur nicht richtig.]“, bemerkte der Gatte augenzwinkernd und blickte auf das eiskalte Seewasser. Ich guckte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen und einem immer noch brüllendem Kind auf meinem Arm an. „Gehen wir.“, seufzte ich und wir traten den Rückzug an.

Als wir uns langsam vom See entfernten, unterbrach Signorino seinen Wutanfall für eine Frage: „Oh! Was ist das?“, wollte er wissen und zeigte auf eine Mischung aus Ratte und Hund. „Ein Nutria.“, klärte ich ihn auf. „Ein Nutella!“, wiederholte Signorino freudig. „Nu-tri-a.“, versuchte ich es etwas deutlicher auszusprechen. „Nu-tel-la.“, versuchte es Signorino noch einmal. „Ok. Nutella.“, gab ich nach. Wir beobachteten das Nutella eine ganze Weile bis es dem Römer zu kalt wurde. „Ragazzi, andiamo? [Leute, gehen wir?]“, sprach der Gatte und rieb sich die Handflächen aneinander. Ich nickte und schnappte mir Signorinos Hand, die ich leicht zog. „Tschüss, Nutella! Schlaf gut!“, rief der Dreijährige dem Nutria zu. Es drehte sich etwas irritiert um und wackelte Richtung Ufer. „Nutella geht baden.“, stellte das Kind nun fest. Wir setzten Signorino in den Kinderwagen, schlossen den Fußsack und ließen ihn ein letztes Mal winken, ehe er auf die Idee käme, dass er auch gerne mit dem Nutria baden gehen würde. „Ciaoi, Nutella!!! Bis später.“, rief Signorino noch einmal Richtung Frankfurter Nutria.

Frankfurter Nutria

Daheim angekommen bereiteten wir alles für die Signorino’sche Badewanne vor. Als hätten wir es gewusst, brüllte das Kind wie am Spieß. Er? Baden? Seine Eltern mussten verrückt sein! Ein Signorino geht nicht baden.

Der Römer und ich blickten uns resigniert an. „È così. [So ist es halt.]“, sprach der Gatte, zuckte mit den Schultern und schnappte sich Signorino. Dann badeten wir Signorino unter lautem Geschrei.

Kindermund #2

Signorino ist immer noch angeschlagen, kommt aber langsam wieder zu Kräften. Gestern aß er bereits ein ganzes Pain au chocolat, das ihm der Römer mitbrachte, nachdem er tagelang keinen richtigen Hunger hatte.

Das ganze Kind ist danach voller Brösel und ich frage: „Und, Signorino, hat’s dir geschmeckt?“

Signorino: „Ja, bin papa-satt!“

Ich: „Papa-satt? Na, dann bist du ja richtig, richtig satt. In so einen Papa geht ja viel mehr rein als in einen Signorino.😉”

Signorino: “JA! Papa-satt.”

Von Pain au chocolat wird selbst der Papa papasatt.

SALAT!

Heute Morgen rief der Sohn nach uns, um uns mitzuteilen, dass er soeben erwacht sei. Ich, die bereits vor ihm wach war und meinen Espresso ganz in Ruhe genießen wollte, stürzte den Espresso eilig herunter, als würde es sich um Schnaps handeln und nicht um heißen Espresso. Dann eilte ich zum krakeelenden Kind.

Signorino war sehr erfreut, dass ich in sein Zimmer kam und nicht wie sonst üblich der Mann. Wir kuschelten ausgiebig und ich stellte ihm meine beliebte Frage nach seinem Vornamen*:

„Signorino, wie heißt du?“, wollte ich also von ihm wissen.

Es muss wohl an der selten dämlichen Fragestellung gelegen haben, in der ich bereits seinen Vornamen nannte, dass er mir eine doch sehr kecke Antwort gab.

„SALAT!!!“, antwortete das Kind frech.

Ja, nun. Was frag ich auch so dumm?

Salat mit Geburtstagsdeko

P.S.: Für uns geht es morgen nach Bayern und nach einem einwöchigen Stop ins Land der Adlersöhne. Wünschen Sie mir Glück, gute Nerven und den Mut, über mich selbst zu lachen.

*Tatsächlich befrage ich ihn oft nach seinem Namen, weil ich eine unbegründete Angst habe, wir könnten das Kind irgendwann in einer überfüllten Fußgängerzone verlieren und er würde nicht einmal seinen Namen nennen können. Selbiges ist mir als Kind passiert – irgendwo an der Nordseeküste. Als ich wieder gefunden wurde, kaufte man mir einen rot-weißen Stofftierwattwurm, den ich sehr gerne mochte.

Verwechslung mit Nahverkehrszügen

Am Vorabend

Ich liege neben Signorino im Bett. Wie immer versucht das Kind noch etwas Wach-Zeit herauszupressen. Er fängt also an, all die Kinder aufzuzählen, die mit ihm in der Kita-Gruppe sind.

Signorino: “Ein Henry, eine Camille, eine Emilia, ein Bao, ein S-Bahn….”

Ich: “Die S-Bahn geht aber nicht mit dir in die Kita. Mit der S-Bahn fahren wir zur Kita.”

Das Kind protestiert heftig. Natürlich gehe auch “S-Bahn” mit ihm in die Kita. Ich blicke auf die Uhr an meinem Handgelenk. 22 Uhr. Müde vom Tag knicke ich ein. Ja, aber natürlich. Wie konnte ich das nur vergessen? Auch S-Bahn gehe in Signorinos Kindergartengruppe.

Signorino wiederholt noch zwei Mal bekräftigend das Wort „S-Bahn“. Nach weiteren zehn Minuten begibt er sich, müde vom Tag, langsam ins Land der Träume.

Auf dem Weg zur Kita – mit der S-Bahn

Am nächsten Tag

Wir sind gerade an der Gruppen-Garderobe der Kita angekommen. Signorino sitzt auf dem niedrigen Bänkchen unter der bunt bemalten Kinder-Garderobe. Ich ziehe ihm die weißen Straßenschuhe aus und tausche sie gegen ein Paar dunkelblaue Hausschuhe.

Aufgeregt ruft das Kind „Da! S-Bahn!” und zeigt zur Eingangstür unserer Kita-Etage.

Ich drehe mich zur Eingangstür um, doch glaube nicht ernsthaft, dort eine S-Bahn zu erspähen. Und genau so ist es: Dort läuft gerade Signorinos Kita-Kollege Jesper samt Mutter ein. Hand in Hand steuern sie auf die Gruppen-Garderobe zu, bei der Signorino gerade die Schuhe von mir gewechselt bekommt. Ich schließe noch schnell den Klettverschluss der Hausschuhe, um Signorino postwendend zu antworten:

Ich: “Nein, Schatz, das ist doch Jesper und seine Mama. [Es rattert in meinem Kopf. Der Groschen fällt. Kann das Missverständnis tatsächlich an einem Aussprache-Fehler gelegen haben? Ich fange an zu lachen] Ach, Jesper meintest du!!! Nicht S-Bahn.”

Signorino, etwas trotzig: “Ja, ‘esban!”

Haarfarbe Gut

Gestern Nachmittag versuchte ich mit Signorino seine Haarfarbe zu üben. Mehrmals wiederholte ich, dass er blond sei. Er vernahm es und sprach fleißig “brond” nach, denn schließlich kann er jetzt den Buchstaben “R” aussprechen und benutzt ihn auch gleich noch als “L”-Ersatz.

Abends, als der Römer nach Hause kam, fragte ich Signorino:

“Signorino, welche Haarfarbe hast du?”

Signorino dachte angestrengt nach. Wie war doch gleich nochmal dieses Wort für seine Haarfarbe? Ich half etwas auf die Sprünge: “B….l….”

“GUT!!!!”, schrie das Kind freudestrahelnd.

Haarfarbe “Gut” – immerhin ist das Kind mit seiner Haarfarbe zufrieden.

Haarfarbe Gut – darauf ein High-Five!

Ketchup im Zoo

Es ist Samstagnachmittag. Ein kleiner Haufen Kind liegt auf dem Sofa. Er ist in den ersten zehn Minuten seiner Zeichentrickserie eingeschlafen.

Vollkommen erschöpft fielen ihm die Augen zu. Ich kann ihn verstehen, denn es war wirklich aufregend im Zoo. Jetzt, mit 2,5 Jahren interessiert er sich für Gi-affe, Pinnuin und Zeb-a. Zugegeben, einen Kollateralschaden musste eine arme, zufällig vorbei flanierende Ziege verbuchen, was mir wiederum sehr Leid tat.

Als es passiert war, starrten die Ziege und ich uns entsetzt, um Fassung ringend, an. Hätte die Ziege sprechen können, sie hätte mit aufgeregt-zittriger Stimme “Das hat er nicht wirklich getan?!” gefiepst. Aber ja, mein Ableger hat das wirklich getan und der armen, zutraulichen Ziege kräftig in die kalt-feuchte Nase gekniffen. Und ja, das hätten wir beide nicht erwartet und es tat mir furchtbar Leid für die Ziege. Entschuldigend wollte ich sie am Bauch tätscheln, doch sie trabte beleidigt davon. Vermutlich brachte sie sich in Sicherheit vor dem neugierig kneifenden Menschenkind. Wer weiß auf welche Ideen Signorino noch gekommen wäre, wäre die Ziege stehen geblieben?

Zuvor, sonst hätte ich den Sohn gar nicht auf die Ziege losgelassen, tätschelte er eifrig andere Ziegen und machte „Wau!Wau!“. „Nein, nein.“, erklärten wir Eltern geduldig. „Das ist kein Hund. Das ist eine Ziege.“ Der Nachwuchs blieb beim „Wau!Wau!“, um schlussendlich das Tier mit “Ciao Ciao, Ziege!“ zu verabschieden. Irgendetwas blieb also doch hängen. Doch im Albanien-Urlaub vertiefen wir das Ziegen-Wissen noch etwas. Unser Lernziel wäre, dass der Nachwuchs weiß, dass es sehr untypisch für Ziegen ist, “Wau!Wau!” zu machen, sofern sie nicht von Hunden sozialisiert worden sind. Und selbst dann wäre es vermutlich eine erstaunliche Leistung seitens der Ziege.

Sehr gut haben uns übrigens die Seehunde gefallen, die der Römer und ich einstimmig für „foche”, oder auf Deutsch, „Robben“ hielten. Eifrig begann ich daheim den Unterschied zwischen Seehunden und Robben zu recherchieren und hörte bereits beim ersten Satz wieder auf „Alle Seehunde sind Robben, aber nicht alle Robben sind Seehunde.“ Puh! Das wirkte wie der Anfang einer Sachaufgabe. Ich beschloss, dass diese Wissenslücke ruhig ungestopft bleiben könne und tat es mit einem “Man muss auch nicht alles wissen!” ab. Für Signorino gab es nur eine Definition für dieses unter Wasser verkehrende Tier: Fiiiiesch (mit langem I). Auch nach mehrmaligem Erklären bzw. zweisprachig auf ihn einreden (Foche! Robbe! Sono foche, amore mio! Das ist eine Robbe, mein Schatz! Vedi?! Foche!), blieb er dabei: Es war ein Fiiiesch!

Ein Fiiiesch lt. Signorino. Im Video: Signorino erklärt etwas in seiner eigenen Sprache. 😄

Wir guckten noch bei den Okapis vorbei, bei einem Nilpferd, das Signorino als Stein bezeichnete und man ihm recht geben musste, denn das Tier lag mit dem Rücke zu uns vorm Wasserloch und bei aller Liebe: Es sah aus wie ein nasser Stein mit winzigen Stein-Ohren, die sich ab und an bewegten.

Die Erdmännchen verpassten wir diesmal, aber dafür guckten wir noch bei Gi-affe (das Kind kann kein R aussprechen) und Zeb-a (das R-Problem, wie gesagt) vorbei. Danach stärkten wir uns in der prallen Sonne mit den gesunden Klassikern der regionalen Küche: Chicken Nuggets und Pommes. So großzügig der Gatte auch beim Verteilen der Portionen war, so sparsam war er beim Ketchup. Einen Fingerhut voll Ketchup pumpte er aus einem großen Spender auf jede Portion Pommes und balancierte damit zu unserem Tisch. Daran erkennt man sie wohl, die kulturellen Unterschiede. Meine Pommes tragen normalerweise eine ordentliche Portion Ketchup auf dem Pommeshaupt. So viel, dass die direkt darunter verschütteten Pommes gar nicht mehr vor der Ketchup-Lawine zu retten sind und falls doch, nur mit einem Piekser gegessen werden können. Die römische Ketchup-Ration ist ein fingernagelgroßer Klecks, der einen irritiert fragen lässt, ob das Ketchup im Spender leer war. „Ma che! Era pieno! [Ach was! Es war voll!]“, sprach der Gatte und kaute auf einer nackten Pommes herum. Kurz überlegte ich, ob ich nochmal zur Ketchupquelle gehen sollte, aber ich arrangierte mich mit der verschwindend geringen Menge. Sparsam teilte ich sie mir ein, so dass ich fast ein Drittel der Pommes mit leicht benetzter Ketchup-Schicht essen konnte.

Dem Sohn war dieser Umstand schlichtweg egal. So gerne er ungesunde Lebensmittel wie Süßigkeiten und Eis in rauen Mengen isst, so sehr widert ihn Fruchtsaft und Ketchup an. Ein gesunder Ausgleich, wenn Sie so wollen, oder einfach nur sein römisch-albanisches Erbgut, das keinen Bedarf für Ketchup (und Fruchtsäfte) sieht. So aß er viele, nackte Pommes und probierte die Chicken Nuggets, die er „Bäh!“ fand. Obwohl wir neben dem Eisstand saßen, fragte er dennoch kein einziges Mal “…oder Eis?”, was wir durchaus als Erfolg verbuchten.

Satt und glücklich guckten wir noch zum Bären. Neben dem Gehege stand eine lebensgroß nachgebildete Figur aus Plastik, mit der man sich fotografieren lassen konnte. Fälschlicherweise hielt ich diese freundliche Bärenfigur für einen Waschbären und habe nun, auch nach den irritierenden Blicken des Römers, den Beweis dafür, meine Sehstärke nächste Woche überprüfen zu lassen.

Ein echter Bär im Gehege. Und ganz sicher kein Waschbär. 😉

Es war ein sehr schöner Tag mit all dem Frankfurter Getier. Doch das Spannendste war für Signorino die Straßenbahn, die am Zoo vorbeifuhr. Würde das arme Kind nie Straßenbahn fahren dürfen, ich würde es verstehen. Aber wir fahren mindestens drei Mal die Woche Straßenbahn und drei Mal die Woche S-Bahn. Man möchte meinen, irgendwann wäre das Kind gesättigt vor lauter Straßenbahnfahrten. Aber dem war nicht so!

Zum Abschluss fuhren wir noch zwei Stationen mit der Straßenbahn und das war definitiv das Highlight des heutigen Tages für das Kind.

Haben Sie ein tierisch-feines Wochenende mit hoffentlich genug Ketchup zu Ihren Pommes!

Oder Joghurt?!

Signorino verfügt mittlerweile über drei Möglichkeiten, uns mitzuteilen, dass ihm etwas schmeckt oder eben auch nicht.

„Mmh! Lecker.“ wird meist für allerhand Süßkram oder Pizza benutzt. Es bedeutet absolute Zustimmung und 10 von 10 Punkten.

„Bäh!“ benutzt er, Sie ahnen es, für Dinge, die definitiv nicht seinen Geschmack treffen.

„…oder Joghurt?!?“ ist eine höfliche Rückfrage, ob er nicht lieber statt der angebotenen Speise einen Joghurt essen könne. Es widert ihn nicht dermaßen an wie eine „Bäh-Speise“, dennoch würde er bevorzugen, nicht weiter essen zu müssen.

Bakllava und caffé waren „Mmh! Lecker!“

So, morgen schreibe ich die Prüfung (danke für all die gedrückten Daumen!) und dann bin ich gewohnt wieder für Sie da.😉