Gemischtes aus der Fliegerei

Der Römer wollte am kommenden Wochenende nach Rom fliegen. Ich sagte ihm bereits bei Buchung, dass es sehr wahrscheinlich sein wird, dass gestreikt wird. Entweder streikt der Boden oder das fliegende Personal, denn die Streikabstimmung der letzten Gruppe endet am 06.03.2024. Man braucht kein Hellseher sein, um zu wissen, dass natürlich gestreikt wird. Das Angebot des Arbeitgebers ist ein Schlag ins Gesicht und entbehrt jeglicher Wertschätzung. Besonders, weil am Boden und im Flugzeug all das abgefangen wird, was vorher schief lief und das ist aktuell einiges.


Nichts geht mehr an diesem Donnerstag und Freitag. Und, damit das Verkehrschaos perfekt ist, geht auch bei der Bahn nichts mehr: 35h Streik für eine 35h Woche.

Ich bat den Römer, zu gucken, wie lange er das Hotel in Rom noch kostenlos stornieren kann. Er will nicht so recht nachschauen, denn er will unbedingt fliegen. Das kann ich durchaus verstehen. Aber was will man machen? Arbeitskämpfe sind Arbeitskämpfe.


Am Wochenende war ich fliegen. Ein bisschen besorgt war ich wegen meines Ohres, aber es ging alles gut. Auch dank meines Nasensprays. Der Druckausgleich klappte 1a.

Es war ein langer Tag: Ich bin um 03:30 Uhr aufgestanden. Um 05:55 Uhr war Briefing. Um 07:20 Uhr ging es nach Zürich. Um 10:15 Uhr waren wir wieder zurück in Frankfurt, nur um dann 1:40h Transit in Frankfurt zu haben.

Rechts im Bild: Ein sogenannter Jumpseat.
Also ein Flugbegleiter-Sitz. Links sind zwei Schränke, um unser Gepäck zu verstauen. Gegenüber wird gerade ein Langstreckenflugzeug beladen.

Bezahlt wird man dafür nicht, denn es zählen nur Flugstunden. Das bedeutet, sobald das Flugzeug sich bewegt. Dann ging es nach Berlin. Unsere Maschine, die wir nach Berlin gebracht haben, flog mit einer anderen Crew nach Hause und wir warteten 1:40h in Berlin am Boden.

Wir warteten vor dem Gate am BER-Flughafen. Das war mein erstes Mal dort. Ich bin immer nur nach Tegel geflogen.

Dann flogen wir mit einem andere Flugzeug heim. Ich traf eine Kollegin (als Fluggast), mit der ich im Oktober einen Umlauf über München flog. Das hat mich sehr gefreut. Sie hatte ihre erwachsene Tochter im Schlepptau. Sie ist gerade fertig geworden mit ihrer Ausbildung zur Erzieherin und liebt ihren Job. Purer Zucker, dieses Mutter-Tochter-Gespann! Um 15:55 Uhr waren wir wieder in Frankfurt. Ich zog mich schnell in der Umkleide um und warf mich in meine Privatklamotten.

Feierabend bei Kaiser-Wetter. Die Maschine rechts kriegt gerade Catering.

Um 17:00 Uhr war ich dann daheim. Effektiv bezahlt werden von meiner Fluggesellschaft für diesen Tag 4 Stunden. Das ist keine Ausnahme, sondern in der Flugpraxis Usus. Falls Sie sich also fragen, warum Flugbegleiter bei Vollzeit “nur” 70h im Monat fliegen, das ist die Antwort. Ein 10 Stunden Tag generiert manchmal eben nur 4 effektive Flugstunden. Deswegen ist die Kurzstrecke auch so unbeliebt: Man sitzt den ganzen Tag im Flugzeug, generiert aber keine Flugstunden und eine Pause hat man meistens auch nicht. In der Fliegerei greift das Gesetz nicht, dass man nach 6 Stunden Arbeit mindestens 30 Minuten Pause haben muss. Oft hat man 12 Stunden Tage und zwei Mal in ein Brötchen gebissen, weil man nur der Verspätung hinterher jagt.

Dennoch, und dabei bleibe ich, ist es für mich der schönste und beste Job der Welt. Mir geht es bei meinem Beruf viel um den Sinn. Und was gibt es schöneres als Menschen miteinander zu verbinden, sie dort hinzubringen, wo sie hinwollen und sie nach einiger Zeit wieder abzuholen und nach Hause zu fliegen?

Auch, wenn ich den Römer dieses Wochenende nicht “nach Hause” bringen kann, es wird an einem anderen Wochenende für ihn klappen.

Es wird ein andermal mit der ewigen Stadt klappen.

Starten Sie gut in diese Woche – trotz all den Streiks!

17 Antworten zu „Gemischtes aus der Fliegerei”.

  1. Avatar von Ira Moritz

    Liebe Eva, puh, das ist echt krass, 10 Stunden und mehr unterwegs sein und dann nur ca. 4 Stunden dafür bezahlt zu werden, ist ungerecht! Ich kenne viele Büro-Nomaden, die dann definitiv sehr schlecht gelaunt wären…… Ihr bleibt dabei erstaunlich gut gelaunt, das muss man auch mal sagen!

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    1. Avatar von Eva Farniente

      Liebe Ira,
      du hast vollkommen recht. Zum Glück ist nicht jeder Tag so und für mich persönlich “lohnt” sich das Gehalt und seine Vorteile immer noch. Aber an manchen Tagen greift man sich schon an den Kopf. 😄Danke dir und ganz liebe Grüße, Eva

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  2. Avatar von Trude

    Das ist ja eine unglaubliche Praxis. Das ist noch unverschämten als im Einzelhandel, wo Laden richten und aufräumen, sowie Kasse Anfahren und Abrechnen oft nicht zur Arbeitszeit zählen.

    Das solltet ihr öffentlicher machen und auch hier eine Verbesserung im Tarifvertrag fordern.

    Ich hatte heute stundenlangen Systemausfall. Weil ich im Homeoffice war habe ich mich mit Hausarbeit beschäftigt und die Zeit mit meinem frühen Arbeitsbeginn verrechnet. Wäre ich im Büro gewesen hätte ich Geld fürs Nixtun bekommen 🤷‍♀️

    😘😎

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    1. Avatar von Eva Farniente

      Ich meine, in Kanada wurde dies bereits öffentlich vorgetragen, liebe Trude. Man akzeptiert es einfach, weil das Gehalt „okayish“ ist. Genau wie im Einzelhandel, in der Gastro und in einigen, anderen Branchen.

      Oh je, du Arme. Aber klar, zumindest vor Ort wäre es bezahlt gewesen und daheim konntest du produktiv sein. Im Flugzeug wartend wird es ein bisschen schwierig mit produktiv sein. 😄
      Hab‘s fein, liebe Trude und hoffentlich funktionieren alle Systeme morgen so wie sie sollen! Liebe Grüße, Eva

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  3. Avatar von coffeenewstom

    Es ist leider mit vielen Berufen so, dass die mitunter nicht fair entlohnt werden. Geht mir zur Zeit mit meinem Brotberuf genau so.

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    1. Avatar von Eva Farniente

      Das glaube ich dir aufs Wort und wird bei dir genau das gleiche in grün sein, lieber Tom. Ich hoffe, auch wenn die Tage lang sind, dass es sich dennoch lohnt. Liebe Grüße, Eva

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      1. Avatar von coffeenewstom

        Grüße zurück 😊

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  4. Avatar von Mindsplint

    Liebe Eva, um das alles zu verstehen wäre es sicher interessant zu wissen, was für einen Stundenlohn ihr denn bekommt. Oder anders: Ist der Stundenlohn samt Spesen hoch genug, um das alles in Kauf zu nehmen? Denn sonst würde das ja keiner machen, oder? Und das ’nach Hause bringen‘ der Passagiere allein ist es doch sicherlich nicht. 🙂 LG Bea

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    1. Avatar von Mindsplint

      Zur Erklärung, damit das nicht falsch verstanden wird: Auch wenn du die Stunden, die du wartest nicht bezahlt bekommst, kann es ja dennoch sein, dass der Stundenlohn für die ‚geleistete Flugzeit‘ theoretisch hoch genug ist, um das Warten in kauf zu nehmen. 🙂

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    2. Avatar von Eva Farniente

      Liebe Bea,
      das ist eine sehr gute Frage!! 😃Unser Grundgehalt wird nach Tarif bezahlt und wird nach Dienstjahren gesteigert. Ein ganz neuer Flugbegleiter fängt ungefähr bei 2000€ brutto an. Dazu kommt dann noch die Schichtzulage (etwa die Hälfte eines Minijobs, steuerfrei). In diesen 2000€ brutto sind 70 Flugstunden inkludiert. Für jede weitere Überstunde werden 200% vergütet. Das heißt, ab da rechnet sich der Job erst richtig. Wenn du nur Kurzstrecke fliegst und für Arbeitstage von 10-12 Stunden nur 4h angerechnet bekommst, dann hinkt das Grundgehalt etwas, weil du theoretisch viel mehr und viel härter gearbeitet hast, aber es sich nicht auf dem Gehaltszettel ausdrückt.
      Ich denke, die meisten fangen mit Anfang 20 an. In diesem Alter, in dem man oft noch bei den Eltern wohnt, sind 2000€ brutto sicher ein gutes Gehalt. Besonders, weil die Ausbildung nur 3 Monate dauert. Wenn ich da an meine eigene Ausbildung im Büro denke (2,5 Jahre + einen Hungerlohn von 500€ brutto damals/mtl.) wären 2000€ ein Traum gewesen. Dadurch, dass sich das Gehalt stetig steigert, verdient man durchaus ein gutes Gehalt, wenn man seit 10 Jahren dabei ist. Nur die Jahre dorthin sind natürlich nicht die “fetten” Jahre.
      Für mich persönlich lohnt sich das Grundgehalt mittlerweile, gerade, wie du es ansprichst, auch aufgrund der Spesen. Auch in einem Job am Boden muss ich essen und bekomme keinen Cent Spesen. Wenn man etwas klug wirtschaftet und nicht 3x am Tag ins Restaurant rennt, bleibt eine schöne Summe übrig. Dann finde ich die Flexibilität durchaus lohnenswert für mich. Ich arbeite gerne am Wochenende, an Feiertagen, etc. und natürlich sind für einen Reisejunkie wie mich der Vorteil der vergünstigten Mitarbeiter-Tickets unschlagbar. Ich glaube, es kommt ein bisschen auf die Werte an, die einem wichtig sind: Mir ist Abenteuer wichtig, Selbstbestimmung und Freiheit – und, so kontrovers das klingt, das alles habe ich in meinem Job. Kein Tag gleicht dem anderen. Man lernt sehr viele Leute kennen, sehr viele Schicksale, man sieht viel von der Welt. Das macht sicher den Reiz aus, sich stundenlang in einer Metallröhre durch die Welt schießen zu lassen. 😄 Ich hoffe, meine Erklärung bringt etwas Licht ins Dunkel. Ganz liebe Grüße, Eva

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      1. Avatar von Mindsplint

        Danke liebe Eva, für diese so ausführlichen Infos. Und ja, wenn wir mal ehrlich sind, ist der Beruf der Flugbegleiterin sicherlich nicht im Mindestlohnsektor zu finden. Und alle zusätzlichen Vorteile, die dieser Job bietet, machen ihn zudem noch weiter interessant, so dass es sicher auch nicht an Personalmangel liegt, dass ständig gestreikt wird.
        Ich persönlich denke so: Inzwischen drehen sämtliche Gewerkschaften ein wenig hohl und es wird gestreikt um des Streiks Willen…. :-/ Siehe DB, siehe Cockpit, siehe Verdi, siehe ÖPNV,… und dann noch die, die eine 4-Tage Woche wollen.
        Ich frage mich, wo das hinführt!
        Denn die Kosten, die durch die Streiks entstehen, wer zahlt DIE denn?!? Eben! Wir Alle. :-/
        Es ist wie, es ist – wo man hin sieht, ein einziges Drama!
        Ja oder?
        Nachdenkliche Grüße Bea 😘

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      2. Avatar von Eva Farniente

        Das würde ich so nicht sagen, liebe Bea. Es ist ein bisschen komplizierter: In Monaten, in denen du wenig fliegst, (Kind-)krank bist oder Urlaub hast, kannst du mit dem Spesenbestandteil nicht rechnen. Die Schichtzulage wird dann ebenfalls versteuert und dann sieht es bei 2000€ brutto nicht mehr ganz so fluffig aus. Zumal die Mieten im Frankfurter und Münchner Raum irre teuer sind (700€ aufwärts für eine 1-Zimmerwohnung). Selbst wenn du wo anders wohnst, kannst du dann die Kosten für die Bahn dazu rechnen. Dazu kommt der extreme Personalmangel. Im Sommer leistet man Mehrflugstunden ohne Ende, weil sich kein Personal mehr findet. Hier könnte man getrost die Wohnung kündigen, da man nie daheim ist. Jetzt kann man sagen, dass man das ja vorher wusste als man den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Absolut richtig, jedoch kann ein Mitarbeitender ohne Tarifvertrag zu seinem Chef gehen und mehr fordern. Man kann den Arbeitgeber wechseln. Das geht in der Flugbranche nicht. Man braucht also eine Gewerkschaft. In meinem Konzern haben z.B. alle Abteilungen die Inflationsausgleichsprämie bekommen – außer die Flugbegleiter. Mit der Begründung, es wären zu viele (18.000). Das könne man nicht stemmen.
        Cockpit hat 18% mehr Gehalt bekommen, was absolut gerechtfertigt ist. Die Flugbegleiter und den Boden will man mit 3% mehr abspeisen. Das hinkt etwas.
        Und ja, ich kann verstehen, dass ein Streik nervt. Aber ich sehe auch, was die Kolleg:innen jeden Tag leisten und aushalten. Und dafür ist 3% mehr Gehalt ein absoluter Hohn.
        Am Ende des Tages ist es ein Arbeitskampf. Die Forderungen der UFO halte ich persönlich auch nicht für überzogen. Ich kenne aber auch die Hardware dahinter. Oft ist das Problem der schöne Schein von außen und dass die meisten Menschen eben nicht in diesen Branchen arbeiten und einen Einblick haben. So oder so, irgendwann wird man sich einigen: Bei der Bahn, beim Bodenpersonal, bei den Flugbegleitern.
        Bis dahin, hab‘s fein und komm gut durch diese streikigen Wochen! 💛 Liebe Grüße, Eva

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      3. Avatar von Mindsplint

        Puh, danke für die sehr ausführliche Erklärung, die zudem schlüssig klingt und somit nehme ich meine Bedenken zurück und drücke im Gegenzug ganz fest die Daumen!!!
        Herzliche Grüße Bea 😘

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      4. Avatar von Eva Farniente

        Vielen, lieben Dank, liebe Bea. Auch für diese anregende Diskussion. 😃 Herzliche Grüße, Eva

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  5. Avatar von Lopadistory

    Schön, dass Du liebst, was Du tust :-))

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    1. Avatar von Eva Farniente

      Das ist das Wichtigste, oder? Wenn Arbeit Spaß macht. 😃

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      1. Avatar von Lopadistory

        So ist es😊

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Herzlich Willkommen auf meinem Familienblog zwischen den Kulturen! Hier geht es um all die Themen rund um die täglichen Herausforderungen als germano_it_albanische Kleinfamilie mitten in Frankfurt am Main.

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