Vorläufig endgültig: Die albanische Delegation kommt

Jetzt sind die Würfel also gefallen… beziehungsweise die Flüge gebucht. “Vorläufig endgültig oder endgültig vorläufig.”, würde jetzt mein Vater lachend sagen.

Aber um ihn soll es nicht gehen. Es geht um die albanische Delegation. Schließlich kommt diese, um das neue Familienmitglied Bianco zu begrüßen. Eigentlich.

Bleiben oder fliegen?

Alles fing damit an, dass ich meinem Mann bereits Monate vor der Geburt des jüngsten Sprosses mitteilte, dass ich auf gar keinen Fall mit zwei Kindern in den ersten Monaten reisen werde.

Das ist insofern erstaunlich, weil Signorino mit drei Monaten seinen ersten Flug antrat, um Verwandte zu besuchen. Aber man wird klüger und den Stress möchte ich mir nicht nochmal antun.

Nachdem der Römer mehrmals vorsichtig versuchte, mir doch noch den ein oder anderen Albanien-Besuch mit Baby und Fünfjährigen schmackhaft zu machen, durfte er recht schnell feststellen, dass ich beharrlich blieb: Keine Flüge und Züge in den Monaten nach der Geburt.

Mein Todschlagargument war, dass alle Familienangehörigen des Römers bereits (spät)pubertierende bzw. erwachsene Kinder hatten und durchaus zu uns reisen konnten. In knapp zehn Jahren, die der Römer nun in Frankfurt wohnt, würde ich doch ein einziges Mal verlangen können, dass die albanische Verwandtschaft zu uns komme und nicht umgekehrt.

Delegationsroulette: Wer mitkommen darf und wer nicht

Mein Mann sah es ein. Und: Erstaunlich schnell standen die Mitglieder der Delegation fest:

  • Die römische Mutter, die gerade 80 Jahre alt geworden ist.
  • Der große Bruder des Römers, in der neuen Rolle des Familienoberhauptes, seit sein Vater tot ist.
  • Und – als Sprachrohr – ein Familienmitglied, das passables Englisch sprach. Denn die beiden Erstgenannten sprachen keine lebende Sprache außer Albanisch.

Die Teilnehmer der Reisegruppe waren vorläufig endgültig entschieden.

Reisen ohne Mamma mia!

Ein paar Tage später änderte sich die Besetzung der Delegation wieder: Die römische Mutter wurde ersetzt durch einen weiteren Bruder des Römers, denn “sie wäre alt und gebrechlich und könne nicht weit gehen”. Die Delegation wolle aber etwas von der Stadt sehen, da wäre die Mutter mehr Hindernis als Hilfe.

“Geht’s nicht darum, Bianco kennenzulernen?”, fragte ich den Römer. “Ja, ja, auch!”, sprach er und in mir machten sich erste Zweifel breit, ob hier wirklich alle Bianco kennenlernen wollten oder ob es nur ein Männertrip werden sollte, gut getarnt als Verwandtenbesuch.

Auch meine Argumente, dass es genug Taxis, auch für kurze Strecken, gab, wurden abgeschmettert. Dass meine Schwiegermutter flink wie ein Wiesel und fit wie ein Turnschuh ist, wollte ebenfalls keiner hören.

Denn die gute Frau lebt eine Mischung aus gesundem und reichlichen Sozialleben, Ungeduld und Autofreiheit. All diese Faktoren halten sie fit: Gerne besucht sie Verwandte, die in der nicht ganz so nahen Umgebung wohnen. Sie muss aber jedesmal von jemanden hingefahren bzw. abgeholt werden, da sie keinen Führerschein besitzt. Taxis sind ebenfalls Mangelware und bei ihrer kleinen Rente auch kaum zu bezahlen.

Da es ihr oft zu dämlich ist, auf einen ihrer Söhne zu warten, der sie gnädigst zu einer Cousine, Freundin, Schwester oder Tochter fährt oder von dort abholt, geht sie eben kurzerhand zu Fuß. Das hält fit!

Männerurlaub deluxe

Nach einem weiteren Telefonat meines Gatten mit den albanischen Verwandten wird klar: Es soll eindeutig ein Männertrip werden! Um die Ehefrauen daheim zu beschwichtigen, schiebt man Baby Bianco vor.

Als ich darauf hinweise, möglichst bald eine Unterkunft für die Herren zu buchen, blockt der Römer ab: Die Besetzung der albanischen Delegation stünde noch immer nicht fest.

“Ach, kommt deine Mutter doch mit?”, frage ich nach und denke naiverweise, dass es daran scheitert. Aber nein, sie wäre doch alt und gebrechlich. Man überlege, ob nicht besser der erwachsene Sohn der jüngsten römischen Schwester mitkommen solle. Schließlich wäre er “poliglotta”, mehrsprachig. “Aha.”, spreche ich verwundert.

Scheinbar minütlich – und bei jeder meiner Nachfragen – ändert sich die Besetzung: Mal kommt dieser Sohn mit. Dann melden sich doch zwei Ehefrauen zu Wort, die mit ihren Männern verreisen wollen. Schließlich springt wieder jemand ab, bei dem Gedanken, die Ehefrau mitzunehmen. Blöderweise genau der, der Englisch spricht. Und so werden die Karten durchgehend neu gemischt.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine Slot-Machine in Las Vegas. Drei Felder die in schnellen Abfolgen immer unterschiedliche Bilder zeigen und sich erst langsam auf drei Bilder einpendeln.

Es bleibt bis zum Ende spannend.

Flugbuchung ohne Namen?

“Sollen wir mal Flüge buchen? Es sind nur noch drei Wochen?”, hake ich vorsichtig nach. “Maaa no! Loro si devono decidere ancora! [Aber nein! Sie müssen sich noch entscheiden!]”, bemerkt der Römer. “Aha.”, antworte ich und kann meine Verwunderung mehr schlecht als recht verbergen.

„Nach welchen Regeln läuft dieser Prozess eigentlich ab?”, will ich wissen. “Es sollte möglichst ein Vertreter aus jeder Unterfamilie kommen.”, erklärt der Römer. “Du hast drei Brüder und drei Schwestern: Das heißt, jeweils ein Bruder bzw. eine Schwester oder ein Kind von ihnen sollen nach Deutschland kommen?”, resümiere ich. “So in etwa, ja.”, gibt der Römer zurück.

“So in etwa, ja.” heißt auf gut Deutsch:

  • Möglichst nur männliche Vertreter.
  • Möglichst einer der Englisch spricht, um die Bagage durch die Passkontrolle zu lotsen.
  • Und bitte, gerne, jemand, der sich für einen lustigen Männerausflug eignet und keine Spaßbremse ist.
  • Ach ja, und nicht aus der gleichen Unterfamilie, denn die immer gleichen Gesichter hat man(n) tagtäglich um sich. Das muss ja nicht sein!

Entschieden – vorläufig endgültig

Am Ende fällt die Wahl auf Bruder Ibrahim, der seine Position unverändert halten kann.

Dazu kommt der Mitdreißiger Ismail, der Sohn der ältesten Schwester. Seineszeichens Bauunternehmer, bei dem die Lek- und Euro-Scheinchen gerne locker saßen. Das garantierte eine bequeme und luxuriöse Reise für alle Mitreisenden.

Als dritter im Bunde wurde Flori auserwählt. Er ist Mitte 20, ein umgänglicher Kerl, der in Tirana studiert (auch irgendwas mit Bau – der gemeine Albaner baut eben gerne) und perfekt Englisch spricht. Notfalls auch Deutsch, denn er hatte zwei Jahre Deutsch in der Schule belegt. Er kann sich also verständigen. Ach ja, und er ist der Sohn des zweitältesten Bruders des Römers.

Ich darf somit Flüge für das albanische Dreigestirn buchen. “Dazu brauche ich die Namen, aber genau so wie sie in der maschinenlesbaren Zeile im Reisepass stehen.”, weise ich den Römer an. “Also auch jegliche zweite Vornamen, bitte!”, füge ich an. “Die gibt’s in Albanien nicht! Der Zweitname ist der Name des Vaters, der aber nicht im Pass steht.”, bemerkt der Römer cool. “Warum eigentlich nicht?”, will ich wissen. “Wir sind doch keine Slawen!”, murrt der Römer. “Wir sind Albaner!”

Flink tippe ich die Namen der Reisegruppe ein: Zwei haben meinen Nachnamen – oder vielmehr ich ihren. Einer heißt anders, aber es ist dennoch ein guter Name, um international zu reisen: Die ganzen “Metas” und “Lilas” haben wirklich in der Nachnamen-Lotterie gewonnen.

Es sind einfach auszusprechende Namen mit wenigen Buchstaben. Gut, dass ich bei dieser Verlosung nicht teilgenommen und den schwierigen Nachnamen angenommen habe. Ja nun. Man kann nicht alles haben.

Die Tickets sind nun endlich ausgestellt.

Vorläufig endgültig.

Denn eventuell kommen noch andere Verwandte mit (aber bitte nicht die Ehefrauen, es soll ja ein Männerausflug werden).

Es bleibt also spannend.

21 Kommentare

  1. Klar doch, um das Baby kennezulernen werden die Männer vorgeschickt… Man kann gespannt sein, wie der Ausflug dann aussieht. Und in welcher Zusammensetzung. Ich würde mich jedenfalls scheuen, Signorino und Bianco mit auf den Männerausflug zu schicken. Ich vermute, die Herren haben kein ausgesprochenes Kinderprogramm geplant.

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      • Ich hätte ja einen Anschlag auf die Herren vor, aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Der ältere Deiner Söhne könnte eine Führung durchs Senckenberg machen, garniert mit allerlei lateinischen Namen und kleinen Geschichten um schwarze Raucher, Riesentintenfische, Dinoeier aus der Mongolei…

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      • Aktuell gibt es auch eine tolle Sonderausstellung zu Gehirnen. Das wäre doch auch mal was! Wir haben die Senckenberg-Jahreskarte, was ein Investment für uns, aber sicher ein Verlust fürs Senckenberg ist. Signorino kennt dort jeden Stein – und führt bereitwillig durch die Tiefseewelten. Aber in einem Tempo, dass ich den Herren der Delegation zu Joggingschuhen raten würde. 😉

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  2. Fai molto bene a non viaggiare con 2 bambini, di cui uno così piccolo. Per quanto riguarda i cognomi, anche qui in Finlandia le mogli prendono tradizionalmente il cognome del marito, ma anche qui le cose stanno cambiando. Io invece ho conservato il mio, come facciamo in Italia. Brava la suocera che cammina! Applausi!

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    • Grazie, cara Luisella! L‘hai fatto bene col cognome. Alla fine e‘ la propria identità. Non mi dispiace di aver scelto il cognome di mio marito, ma alla fine mi sento più collegato al „mio“ cognome.

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  3. Andere Länder, andere Sitten, Eva. Ich könnte mir vorstellen, dass das für dich und die Kinder eine schnelle Kennenlernnummer wird. Wobei das ja eh nur einseitig mit dem Kennenlernen von Bianco ist. So jung, wie er ist, wird er sich da NIEMALS später mehr dran erinnern können.
    Von daher sei doch froh, wenn sie Männerausflüge machen, statt dir und dem Baby 24/7 auf der Pelle zu hocken. 😀 LG Bea

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    • Das hoffe ich, liebe Bea. Vor dem großen Abendessen mit allen graut es mir schon etwas, denn ich koche zu selten, aber auch dafür finden wir einen Weg: Der Römer bot sich an, vorzukochen und ich müsse es nur noch erwärmen. Desserts sind dann eher meine Expertise und eher weniger das halbe, gegrillte Lamm. 🤪 Und du hast absolut recht: Bianco wird sich wahrlich nicht daran erinnern. Es geht nur um Fotos für die Daheimgebliebenen in Albanien und einmal kurz das Baby tätscheln. Es sei ihnen gegönnt – in welcher Konstellation auch immer. 😉 Liebe Grüße, Eva

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  4. Ach ja, die alte gebrechliche Mama! Dabei wäre sie die einzige, für die ich mir die Mühe machen würde, die Reise zu buchen. Die polyglotten Herren könnten es gern allein bewerkstelligen. (Aber vermutlich bekommst du einen Rabatt, oder?)

    Mich erinnert das an den Wunsch, meiner 80jährigen Mutter, noch einmal nach Berlin zu meiner Ausstellungseröffnung zu kommen. Ihre beiden Enkel kamen samt Partner per Auto, aber die alte Oma wollten sie nicht mitnehmen. Sie kam aber trotzdem: per Bahn und allein und stand plötzlich unangemeldet im strömenden Regen vor dem großen Schaufenster der Galerie – ich dachte, mich trifft der Schlag!

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    • So sehe ich es auch. Wobei die Herren ins Reisebüro gehen müssten, das natürlich eine Provision nimmt. So haben wir es kurzerhand selbst gebucht – auch um das Reisebudget zu schonen.
      Und 80 Jahre ist doch kein Alter! Meine Schwiegermutter ist fit, rüstig, mal ziept etwas, aber alles in allem ist sie flink wie ein Wiesel und aufgeweckter als manch eines ihrer Kinder oder Enkel!

      Der Knaller! Wenn einem etwas wichtig ist, dann kommt man kurzerhand mit dem Zug, während die Enkel samt Partner motorisiert ankommen. Was für ein schöner Liebesbeweis deiner Mutter! 😃 Sie war sicher der Ehrengast! 😃

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  5. Wenn keine Ehefrauen mitkommen, hast du es echt gut getroffen. Selbige hocken nach meiner Erfahrung den ganzen Urlaub über in deiner Wohnung und wollen von dir bespaßt werden. Wobei natürlich nicht alle Albaner gleich sind. Vielleicht sind die Frauen aus Albanien viel unternehmungslustiger. Mit der Entscheidung nicht in den ersten Monaten zu verreisen, hast du auf jeden Fall alles richtig gemacht.

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