
[Überarbeitete Version – zuerst erschienen auf meinem alten Blog – am 19.10.2015]
Wenn ich diese Geschichte erzähle, dann scheint sie wie ein schlechter Hollywood Film oder -viel mehr- eine Schnulze im Vorabendprogramm.
Doch es ist genauso passiert:
Die Geschichte begann damit, dass ich nach Rom flog. Dieses Vorhaben war ausgelöst durch den Romaufenthalt meiner Eltern, den sie bereits weit im Voraus gebucht hatten. Dazu kamen noch andere Faktoren wie mein frisch gekündigter Job, zu viel Umzugsstress in München und das dringende Bedürfnis „mir etwas Gutes tun zu wollen“.
Schnell, schnell mietete ich mir eine Ferienwohnung, denn ihr Hotel war unbezahlbar für mich.
In Rom angekommen, trieben sie mich schon nach wenigen Minuten in den Wahnsinn. Man ging davon aus, wenn die eigens gebuchte Reiseleitung Feierabend hatte, dass das Töchterchen die Aufgabe übernehmen könne. Sie entschieden, was sie gerne sehen wollten und ich durfte es organisieren, so ihre Meinung. Das Hauptargument für dieses Vorhaben war, dass ich Italienisch spreche, sie aber nur gebrochen Englisch. Dass sie die Tage vor meiner Ankunft wunderbar zurecht kamen, ließen sie unerwähnt. Als Aushilfsreiseleiter hatte ich mir den Aufenthalt, der zu meiner Entspannung beitragen sollte, nun wirklich nicht vorgestellt.
Nach einem langen, aber wenig erfüllenden Tag mit meinen „alten Herrschaften“, endlich in meinem Bett angekommen, packte mich die Langweile. „Na, wollen wir doch mal sehen, ob die beliebte Dating App mit dem Wischmechanismus hier auch funktioniert.“ dachte ich.
Und was soll ich sagen? Sie funktionierte und verschaffte mir viele, sogenannte Matches. Ich schrieb mit einigen, potenziellen Anwärtern, unter anderem mit einem Amerikaner. Er nutzte seine Zeit ausschließlich dafür sich zu beschweren, dass er in Rom keinen Anschluss findet. Ich ging davon aus, dass er Italienisch sprach, und bedauerte das sehr. Nun, es stellte sich heraus, dass der junge Mann nicht einmal interessiert war, die Sprache zu lernen. Es sei sinnlos, denn man komme wunderbar mit Englisch zurecht, erklärte er mir. „Aha.“ war meine knappe Antwort.
Das hielt ihn nicht davon ab, ständig nach einem Treffen zu drängen. Je mehr man mich jedoch drängt, desto rarer mache ich mich. So auch in diesem Fall. Ich löste das Match auf.
Ich wischte weiter. Der Abend war noch jung. Viele Männer mit dunklen Haaren, dunklen Augen und aufgeknöpftem, weißen Leinenhemden. Je mehr Bilder ich von engen Badehosen und Brusthaaren, die durchs Hemd lugten, sah, desto desillusionierter wurde ich. Hach!
Gibt es denn nicht einen Mann in dieser ganzen Stadt, der sich von der Maße abhebt?
Da sah ich IHN. Ein Bild von einem Mann. Er schien ein römischer Gott zu sein – in Stein gemeißelt. Azurblaue Augen, dunkler Teint, schwarze Haare.
Machte ich mich sonst eher rar Männer anzuschreiben, hatte ich hier den unbedingten Wunsch, diesem römischen Davide einen Text zu senden.
Doch er kam mir zuvor: „Oh my god, are you real?“ schrieb er. Ich musste lachen. Es wäre auch in diesem Moment egal gewesen, was er geschrieben hätte. Von mir aus hätte er meinen Steuerbeleg von 2014 zusammen mit „freundlichen Grüßen“ schicken können, ich war Feuer und Flamme!
Unser Gespräch nahm schnell Fahrt auf. Ich wollte diesen Mann treffen! Jedoch drängte die Zeit. Der darauffolgende Tag sollte vorerst mein letzter in Rom gewesen sein. Das teilte ich ihm mit. Er schien bereits offline – es war spät und unter der Woche. Also legte ich mich wenig später schlafen.
Am nächsten Tag, mein morgendlicher Blick wanderte auf’s Telefon, ploppte eine Nachricht von ihm auf: „Bevor ich mich auch schlafen lege, wollte ich dir nur sagen, dass du eine der schönsten Frauen bist, die ich je gesehen habe. Deswegen hoffe ich wirklich sehr, dass ich dich morgen Abend, an deinem letzten Abend in Rom, treffen kann. Wenn du dich nicht umentscheidest – bis morgen Abend. 😉 Hier ist meine Nummer +39…. Es war mir ein Vergnügen, dich kennengelernt zu haben. Buona notte principessa.“ [Gute Nacht, Prinzessin]
Oh wow! Ich schmolz dahin. „Principessa…“ hallte es in meinem Kopf nach.
Allerdings warnte mich mein Verstand! Der gemeine Italiener tippt schnell eine romantische Nachricht, wenn er auf ein flottes Stelldichein hofft. Aber bei diesem Mann wäre ich auch mit eben diesem zufrieden gewesen. Ich MUSSTE ihn treffen!
Nach einem von touristischen Attraktionen geprägten Vormittag, zog sich der Nachmittag wie Kaugummi. Am Abend luden meine Eltern zum Essen ein. Ich machte mit dem Römer „21 Uhr – an der Piazza Trilussa“ aus, wusste ich doch, dass meine Eltern bis dahin längst fertig gespeist haben.
Aber nicht an diesem Abend! Es war wie verhext und die Zeit lief ab. Dazu sagen muss man, dass es eine Zeit mit sehr kostspieligen Roamingverträgen war. Man konnte nicht einfach eine Nachricht schreiben, denn diese kostete ein halbes Vermögen. Ich machte Tempo, meine Eltern wunderten sich sehr, doch ich ließ sowohl das Dessert als auch den Kaffee danach aus. „Hast du noch einen Termin oder warum drängst du so?“ fragten meine Eltern. Wir lachten alle drei – ich ein bisschen weniger, da ich WIRKLICH einen Termin hatte. Ich schob die Müdigkeit vor und verabschiedete mich um 20:54 Uhr von ihnen. Da wir getrennte Flüge hatten, versprach ich ihnen, dass wir uns am Abflugtag (also der darauffolgende) noch einmal sehen. Eine schnelle Umarmung später, rannte ich durch die Gassen Trasteveres. SO konnte ich unmöglich diesen Adonis treffen. Ich zog mich in wenigen Sekunden um, frischte mein Makeup (so viel Zeit musste sein!) auf und ging im Stechschritt zur Piazza Trilussa.
Angekommen auf der Piazza setzte ich mich auf die Stufen, richtete meinen Blick auf und sah ihn. Wow! Was für ein Mann!
Ich erhob mich, ging auf ihn zu und stammelte ein „Ciao…!“. Unweigerlich musste ich grinsen. Er grinste zurück, begrüßte mich charmant und fragte, ob es für mich okay sei, essen zu gehen. Er komme gerade von der Arbeit.
Ich, die ich gerade mit meinen Eltern gegessen habe, nickte nur, obgleich mein Magen schon sehr voll war. Nach dem leichten Essen, frittierter Fisch, gingen wir noch Eis essen. Es regnete und wir stellten uns unter das Vordach eines Palazzos um uns vor dem warmen Herbstregen zu schützen. Er drehte sich zu mir, zog mich an sich und küsste mich. Und was das für ein Kuss war! Er war voller Passion, Gefühl und Verbundenheit. Samtig, weich, einfach unglaublich.
Auch wenn ich hoffte, dass der Moment nie enden sollte, so tat er es doch. Es hörte auf zu regnen. Wir beschlossen in eine kleine Bar zu gehen, Händchen haltend wie zwei frisch verliebte Teenager.
Nach dem Baraufenthalt fragte er mich, ob ich bei ihm übernachten wolle. Oh ja! Das wollte ich.
Gesagt, getan. Am nächsten Morgen guckten mich zwei große, blaue Augen traurig an: „Warum musst du heute heimfliegen?“ fragte er sichtlich mitgenommen. Ich überlegte. Vielleicht war nun der Zeitpunkt gekommen, an dem ich etwas wagen sollte? Was habe ich schon zu verlieren?
„Na ja, was heißt müssen?“ erwiderte ich keck. „Du sagtest doch, dass dein Flug heute geht.“ wiederholte er. „Ich nehme einfach einen anderen.“ gab ich cool zurück, während ich innerlich so gar nicht cool war. „Das einzige Problem ist: Ich habe keinen Schlafplatz. Heute muss ich aus der Ferienwohnung ausziehen.“
Er lächelte und bot mir an, bei ihm zu schlafen. „Solange du willst!“ fügte er noch an. Ich war mutig und nahm das Angebot an.
„Doch einmal muss ich noch zurück. Mein Koffer ist noch in der Ferienwohnung. Außerdem wollte ich mich noch von meinen Eltern verabschieden.“ erklärte ich ihm.
„Aber klar doch. Und danach gehen wir frühstücken! Ich habe einen riesen Hunger. Und ich kenne das perfekte Café!“ willigte er überschwänglich ein.
Auf dem Weg nach Trastevere schrieb ich meinen Eltern eine SMS, dass ich verschlafen hätte und sofort zum Flughafen fahre. Nichts davon war wahr. Dennoch drehte ich mich ständig um, da meine Eltern erst nachmittags flogen und mir am Vorabend erzählten, dass sie noch einen ausführlichen Spaziergang durch Trastevere machen wollten.
Puh – es ging nochmal gut! Keine Spur von meinen Eltern.
Der Römer nahm meinen Koffer, der auf den Pflastersteinen Trasteveres hin- und hertanzte. Wir schlenderten nach Hause, Händchen haltend. Die Sonne tauchte die Straßen in ein magisches Licht. An der Piazza küsste ich ihn und wir lächelten uns an.
Als wir bei ihm daheim angekommen waren,…. (Teil 2)