Si, si, certo!

Keine Sorge, wir sind schon mit einem überfordert. Ein Zweites würde uns in den Ruin stürzen! 😄

Je höher man fliegt, desto härter ist der Boden der Tatsachen, auf dem man früher oder später unsanft landet.

Und was sind wir hoch geflogen als wir vom Kinderkriegen geträumt haben! Sicher über 30.000 Fuß, denn das würde unsere fantasievollen Ideen unter offensichtlich akutem Sauerstoffmangel erklären.

Hatten wir während meiner Schwangerschaft noch den festen Wunsch mit einem 6 Wochen alten Baby nach Florenz zu fliegen (Stichwort: saldi oder Winterschlussverkauf), so knallten wir mit voller Wucht in das, was Alltag mit Baby bedeutete.

Vor ein paar Wochen war eine Freundin samt Mann zu Besuch. Sie kamen von außerhalb, deswegen buchten sie sich für ein paar Tage in einem Wellnesshotel unserer Stadt ein.

Wir trafen uns in diesen Tagen oft und plauderten über die wenigen Themen, die uns nach Jahren des losen Kontakts noch übrig geblieben waren.

Sie, die gerade mit dem ersten Kind schwanger ist, erzählte uns von den aberwitzigsten Plänen. Ihr Mann nickte stets bekräftigend. Am Anfang ließen wir sie gewähren, verkniffen uns das Lachen und das Berichten über die Realität. Wir nickten und lächelten. Platzierten begeisterte „Wows“, „Aahs“ und „Ohs“.

Als wir erzählten, dass Signorino durchschläft, aber nur, wenn er zwischen uns liegt und jeder ihm sein Händchen hält (und das bitteschön die ganze Nacht), lachten sie laut. „Wie soll man denn da schlafen können, wenn du die ganze Nacht sein Händchen halten musst? Ich könnte das gar nicht!“ sagte sie und er lachte.

Der Römer wollte gerade ansetzen und von Nächten erzählen, in denen man gar nicht schläft – oder jede Stunde aufgeweckt wird. Er wollte ihnen erzählen, dass wir wahre Glückspilze sind, dass wir die meisten Nächte durchschlafen – auch wenn Signorino spät ins Bett geht. Doch ich gab ihm einen Knuff in die Seite. Ich lächelte ihn an und flüsterte „Sie werden es schon noch früh genug herausfinden.“ als sie davon erzählte, welchen Stillsessel sie gekauft haben und dass sie „windelfrei“ unbedingt ausprobieren wollen.

Sie berichtete von ihrer geplanten Reise nach Nordafrika zu einer arabischen Hochzeit einer Freundin. Ich rechnete nach. „Das Baby wäre dann 4 Monate alt?“ fragte ich interessiert. Sie lächelte und streichelte über ihren Bauch. Der Römer biss sich währenddessen auf die Lippe. Sie fuhr fort und schmückte den Ablauf in den schönsten Farben aus. Das Baby soll für die fünf Tage der Hochzeitsfeierlichkeiten bei Oma bleiben oder aber – noch besser – mitkommen. Es würde zufrieden im Hotelzimmer schlafen, während Mama und Papa (mit Babyphone) im großen Saal zu lauter, arabischer Musik mit 300 anderen Gästen tanzen würden.

Ich sah wie die Augenbrauen des Römers hochschoßen. Gerade wollte ich ihn wieder knuffen, doch es brach schon aus ihm heraus. „Si, si, certo!“ sprach er sehr sarkastisch und übersetzte es auch gleich für unsere Gäste – nur für den Fall, dass sie es nicht eh schon verstanden hätten: „Ja, ja, sicher!“

Ich wollte ihm einen bösen Blick zuwerfen, doch ich musste so lachen, dass es mir nicht gelang. „Nur weil IHR ein anstrengendes Baby habt, heißt das nicht, dass unser Plan nicht klappen wird.“ erklärte die eingeschnappte, werdende Mutter und ihr Mann tat das, was er am besten kann: er nickte eifrig.

Ich lächelte sanft, streichelte ihr über die Schulter und sagte: „Da hast du Recht. Es muss nicht so sein wie bei uns.“ Es beruhigte sie.

Doch der temperamentvolle Römer, müde von dem ganzen, zusammen verbrachten Wochenende, an dem man nur von ihren Vorstellungen als zukünftiges Elternpaar sprach, trat nach: „Mbè…vedrai tu come sarà facile. [Du wirst sehen wie leicht es ist]“ sprach er und übersetzte es diesmal nicht.

Sie guckte mich fragend an. „Er sagt, es wird sicher einfacher als bei uns.“ interpretierte ich sehr großzügig.

„Ah ja! Das glaube ich nämlich auch.“ antwortete sie beruhigt und schob sich ein Stück Erdbeerkuchen in den Mund.

Als das Wochenende vorbei war, saßen der Römer und ich für eine kurze Verschnaufpause am Küchentisch. Endlich machte Signorino ein Mittagsschläfchen. Caffé und pasta alle mandorle (sizilianische Mandelkekse) standen vor uns: „Ich bin froh, dass sie heute abgereist sind. Non lo facevo piú! [Ich hielt es nicht mehr aus] Diese Traumtänzer! Er kauft das halbe, überteuerte Babygeschäft auf. Sachen, die das Kind nie anfassen wird, bevor es nicht mindestens 2 Jahre alt ist. Dazu diese völlig falschen Annahmen. Und dann immer diese Kommentare, dass sich deine Freundin am allerbesten auskennt, weil sie damals als 8-jährige, ihren neu geborenen Bruder zweimal gewickelt hat. È troppo stupida, amica tua! [Deine Freundin ist ganz schön doof]“

Ich rührte gemächlich in meinem Espresso, biss in einen butterweichen Mandelkeks und sprach: „Ach, weißt du, sie wird merken, dass ihre Erfahrung als 8-jährige sie nicht zu einer vollwertigen Mutter gemacht hat und dass sie noch genug lernen muss. Aber warum sollte ich ihr den Augenblick kaputt machen? Sie soll die Schwangerschaft genießen. Die ersten Tage und Wochen mit Baby wird sie ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen holen.“

Der Römer guckte sehr nachdenklich. Irgendetwas brannte ihm noch auf der Seele. „Dimmi!“ [Spuck’s aus!] sagte ich.

„Non lo trovo giusto di non dire niente a loro. [Es ist nicht richtig, ihnen nichts zu sagen] Man kann sie doch wenigstens warnen, dass sie nicht blindlings ins Verderben laufen – come noi. [so wie wir.]“ erklärte er mir.

Ich musste grinsen, weil ich an uns als werdende Eltern dachte.

„Kannst du dich noch an unseren Rom Urlaub erinnern? Wolltest du vom müden und geschafften Marco die Wahrheit hören? Er stand mit uns am Tresen des Baylon Cafès, seine leere Espressotasse lag schlaff in der Hand, und murmelte völlig resigniert „terribilmente difficile“ [schrecklich schwer]. Ich weiß noch, wie wir durch die vicoli [Gässchen] von Trastevere spaziert sind und kichernd sagten: „Ja, vielleicht für ihn. Unser Kind wird ganz anders.“ Wir wollten es nicht wahrhaben. Und das ist auch gut so, denn sonst hätte niemand Kinder.“ fasste ich diese Begegnung für ihn zusammen.

Ah mi ricordo. Già. Marco aveva raggione! [Ah, ich erinnere mich. Stimmt schon. Marco hatte Recht] Ich sollte ihm schreiben, dass er untertrieben hat.“ stimmte der Römer mir zu.

„Siehst du! Und deswegen lächeln wir und sagen nichts über die Schwierigkeiten zu werdenden Eltern. Sie werden es schon noch früh genug herausfinden.“ ergänzte ich meine Geschichte.

„Va bene. [In Ordnung] Ich lächle, winke und wünsche ihnen viel Erfolg.“ lachte der Römer.

Da schrie auch schon Signorino. Er ist erwacht – nach 20 Minuten Mittagsschlaf. Seine Zähnchen kommen.

„Tocca te! [Du bist dran!]“ sagte der Römer. „Ich hatte ihn vorhin schon 3 Stunden schuckelnd auf dem Arm, weil er sich nicht ablegen lässt.“

Ich seufzte. „Showtime!“ Dann gab ich dem Römer einen Kuss und widmete mich Signorino.

„Es ist nur eine Phase!“ rief er mir aufmunternd hinterher.

Si, si, certo!“ antwortete ich.