Passt schon

“Entschuldigung!”, sagt die Frau mit dem gezügelten Tiroler Dialekt, “Fährt der Zug zum Brenner?” Ich denke kurz nach und versuche mir die Stops aus dem Gedächtnis abzurufen. München – Ost, Rosenheim, Kufstein, Endstation Innsbruck. “Ich glaube nicht.”, murmle ich, immer noch nachdenkend, ob sich ein Denkfehler eingeschlichen hat in meiner Fahrtstrecken-Kalkulation. “Aber wir müssen zum Brenner!”, spricht die Frau mit solch quälender Inbrunst als ob ich höchstpersönlich dafür verantwortlich wäre, dass der EuroCity in Innsbruck endet. “Das tut mir Leid!”, antworte ich und muss ein bisschen unter meiner Maske grinsen. Man könnte den Satz auch falsch verstehen. So, als ob es mir Leid tue, dass sie dort hin müsse. Der Brenner ist per se nun wirklich kein schöner Ort. Das reißt der kleine See und das Outlet auch nicht mehr heraus. “Passt schon.”, kommentiert sie gequält und eilt von Dannen. Danach sehe ich sie noch ein paar Mal den Bahnsteig aufgeregt auf- uns ablaufen. Sie wirkt gestresst, was vermutlich nicht dadurch gemindert wird, dass die linke, hintere Rolle ihres Rollkoffers kaputt ist. Wie ein kläffender Hund an der Leine, der ihr aufgeregt hinterher hüpft, wirkt ihr Koffer auf diesem Münchner Bahnsteig.

Gleise – in Frankfurt am Main.

Wenig später denke über ihren letzten Satz nach: “Passt schon.”, sagte sie – beinahe ohne Vorwurf. Ich hätte ein “Danke, trotzdem.” oder “Ok, tschüss.” erwartet. Aber “Passt schon” fand ich interessant. Denn ja, irgendwie ist das eine gute Antwort. Es passt schon, weil am Ende eben immer alles passt. Die Frau wird ihren Zug zum Brenner finden und ich werde 50 Minuten nach unserer Begegnung irgendwo im Voralpenland ausgespuckt werden. Zum Glück nicht am Brenner. Insofern passt das schon alles so wie es ist. Die Dame hat absolut recht gehabt.