Zusammengestöpseltes – Samstag

[Zusammengestöpseltes vom gestrigen Samstag]

Zum vierzigsten Mal an diesem Vormittag singt Anna Caterina Antonacci im Royal Opera House „Habanera – L‘amour est un oiseau rebelle“. Natürlich tut sie dies nur in unserem Fernseher im heimischen Wohnzimmer, denn sonst wäre die Oper Carmen furchtbar langweilig, wenn sich die immer gleiche Szene wieder und wieder genau so abspielen würde.

Doch würde es nach mir gehen, wäre auch eine gewisse Variation der Lieder wünschenswert. Aber es geht nicht nach mir. Das Kind bestimmt die Musikauswahl und darf es das nicht, heult es so lange und intensiv, dass sie von der elterlichen Musikauswahl eh nichts mitbekommen würden. Nachdem wir seit Monaten die Kinderliederklassiker der Blondgelockten und ihres Mannes hören, versuche ich vereinzelt ein paar andere Musikeinflüsse in die Kinderlieder-Monotonie zu streuen. Heute gelang es und so hören wir eben zum zigsten Mal, wie die Antonacci den rebellischen Vogel namens Liebe die Sprunghaftigkeit in die Schuhe schieben will.

Aber beschweren möchte ich mich nicht. Am gestrigen Freitag hörten wir in Endlosschleife „Bella Ciao“. Auch das Kind kann schon mitsingen, nennt den armen Partisanen aber immer „parmigiano“, Parmesan. Und wenn der Parmesan sich von seiner Schönen verabschiedet, um ihr mit auf dem Weg zu geben, ihn doch bitte auf dem Berg unter dem Schatten einer Blume zu beerdigen, und dabei unser Nachwuchs auf- und abhüpft, erscheint mir die Szene doch etwas abstrus. Es ist sicher nicht Signorinos Schuld, dass die Bedeutung des Liedtextes von der feierwütigen Gesellschaft in den Hintergrund gedrängt wurde. Aber es ist seltsam mitanzusehen, wie die Privilegierteren dieser Welt diese Melodie in den Diskotheken, Bars und Clubs mitsummen.

Dann lieber Signora Antonacci, die die Flüchtigkeit der Liebe besingt.

Wie flüchtig der Liebste sein kann, möchte ich Ihnen hier erklären: Mein Mann weilt alleine (hoffentlich!) im klimatisierten Hotel in Tirana. Wie das kam? Er fantasierte mir vor einigen Wochen zusammen, dass er so gerne verreisen würde. Wie zu unseren besten Zeiten als Paar ohne Kind, nur mit Handgepäck, in ein Flugzeug einsteigen und ab nach Rom. Natürlich nur ein Wochenende. Dort würde er dann am Samstag nach Ostia fahren und abends Freunde treffen und essen gehen, dazu noch dies und das, bis er dann Sonntagnachmittag gut erholt in Frankfurt einschweben würde und gewappnet wäre für den weiteren Verlauf dieses Jahres 2022. Als fürsorgliche Ehefrau bot ich ihm an, seine Idee in die Tat umzusetzen und dies als Geburtstagsgeschenk seines Vierzigsten zu verbuchen. Nun ist dieser Vierzigste zwar einige Jahre her, aber durch Kind und Corona waren ihm die Hände gebunden.

Der Römer ist außer Haus!

Als der Plan konkreter wurde, schwenkte er doch auf Tirana um. So stand er gestern zwei Stunden am Frankfurter Flughafen bei der Sicherheitskontrolle B und wartete darauf, abgetastet und kontrolliert zu werden. Der Flug hob mit einer Stunde Verspätung ab, was momentan durchaus als pünktlich zu werten ist. Und was er dann nicht alles vor Ort erlebt hat. Als er mir abends noch ein Video schickte, wie er(!) das neue Vehikel seines Bruders durch die staubigen Gassen Kamez steuerte, dachte ich wieder daran, wie viel Gottvertrauen diese Albaner haben. Da lässt man jemanden ans Steuer seines neuen SUVs Stuttgarter Herkunft und dies geschieht selbstverständlich im Dämmerlicht der steinigen und staubigen Straßen, die noch dazu kaum bis gar nicht beleuchtet sind. Natürlich besitzt dieser Jemand, der Römer, einen albanischen Führerschein, den er vor 24 Jahren erwarb (fragen Sie nicht wie!), seitdem aber auch nur drei Mal fuhr. Ja, richtig gelesen, drei Mal. Anscheinend passierte nichts bei dieser flotten Fahrstunde in Kamez und Automatik sei „ganz einfach“ zu fahren, tönte der Römer, aber mir wurde ganz anders.

Generell bleibt noch zu sagen, dass die Zeit mit Signorino alleine sehr gut machbar war. Sogar so gut, dass ich regelrecht entspannt bin. Ich ließ aber auch Fünfe gerade sein. Beispielsweise stellte sich das Kind als Mittagessen Salzstangen und danach ein „blaue Eis“ (er meinte die Verpackung) vor. Wir diskutierten. Dazu muss ich sagen, dass Signorino generell ein sehr schwieriger Esser ist. Ich versuchte ihn also davon zu überzeugen, dass mein eben gekochter Couscous-Matsch mit Gemüse nichts anderes sei, als ein sehr kleiner Reis, aber er antwortete mir mit „Bäh“. Partout wich er nicht von eben dieser Meinung ab. Wir klapperten die üblichen Verdächtigen der Signorino’schen Nahrungskette ab: Joghurt – Bäh. Blaubeeren – Bäh. Butterbrot – Bäh. Wassermelone – ok. Hatten wir aber nicht daheim. Am Ende fragte ich mich, wozu ich mich überhaupt stressen soll. Wenn das jetzt gerade der dringende, kindliche Wunsch ist und die Ernährung am Ende des Tages ungefähr passt, dann bitte: „Lass dir deine Salzstangen und dein Schokoeis schmecken, lieber Signorino.“ Ich gab mein Okay und sah das Kind selten sooo glücklich beim Essen. Abends ließ er sich wieder auf meine normale Küche ein. Oder, um es mit den Worten der Habanera, dargeboten von Signora Antonacci zu sagen: Das Essverhalten des Kindes ist eben auch ein rebellischer Vogel.