Zwei Abende Bananenkistenschnitzen

Ein Linienflug, Bremen – München*.

Ich bin mal wieder auf Strecke und darf als Flugbegleiterin arbeiten.

Am Eingang des Flugzeuges stehend, begrüße ich, neben der Kabinenchefin, die Fluggäste. Es ist Samstagvormittag und die Passagiere sind ausnahmslos Deutsch sprechend.

Ein Paar steigt ein.

Erst der hochgewachsene, norddeutsche Mann. Ein gepflegter Mitfünfziger. Rot-weißes Karohemd, dunkle Outdoorjacke, Jeans. Vor der Brust trägt er eine Kiste. Mehrere grafisch dargestellte Bananen zieren die Box. Mehr Gepäck hat er nicht dabei.

Flughafen München – wir rollen auf die Startbahn. Ich sitze auf einem Passagiersitz, da ich Feierabend habe.

Hinter ihm steigt seine ebenfalls norddeutsche Frau ein. Zierlich, blonde, kurze Haare, gleichalt, fliederfarbene Bluse, graue Outdoorjacke, dunkle Hose. Sie ist ebenso adrett anzusehen wie ihr Partner. Vor der Brust trägt sie ebenfalls eine Kiste mit Bananenprint. Auch sie hat nicht mehr Handgepäck dabei. Nur diese eine Kiste.

Freundlich begrüßen wir sie. Mit einem ebenso freundlichen „Moin“ grüßen sie zurück. Dann geraten sie außer Sichtweite im immer noch andauernden Einsteigeprozess.

Der Flug nach München verläuft ohne Komplikationen.

Angekommen an der Parkposition des Flugzeuges wird die Treppe herangefahren und die Türe geöffnet. Wir verabschieden uns von den Fluggästen.

Am Schluss einer langen Reihe von Passagieren steigt das Paar mit den Kisten aus. Die Kabinenchefin lässt es sich nicht nehmen und fragt nach: „Entschuldigen Sie, ich habe mich schon beim Einsteigen gefragt, was Sie dabei haben. Haben Sie in Bremen zwei Reiskocher gekauft?“

Der Mann schüttelt empört den Kopf. Die Frau, die hinter ihm geht, lächelt peinlich berührt und wird rot. „Aber nein! Das ist unser Handgepäck!“, protestiert der männliche Fluggast. Die Kabinenchefin guckt etwas ungläubig und blinzelt. „Die Bananenkisten??“, will sie wissen. „Aber natürlich! Ich habe mir die Handgepäcksmaße auf der Homepage Ihrer Airline durchgelesen, bin zum Discounter gefahren, habe vier Bananenkisten abgeholt und sie zwei Abende lang im Keller auf die richtigen Maße zurecht geschnitten und gut zusammengeklebt, damit sie nicht brechen. Das war eine Heidenarbeit!“, erklärt der Reisegast stolz.

„Chapeau! Das war sicher ein riesen Projekt. Aber verzeihen Sie mir die vielleicht naive Frage: Hätte es eine Tüte nicht auch getan?“, will ich von ihm wissen. „Wir haben den Tarif nur mit Handgepäck gebucht. Da will jeder Zentimeter ausgenutzt sein, wenn wir gleich weiter nach Madrid fliegen.“, antwortet der Bremer Fluggast. Die Kabinenchefin und ich nicken zustimmend.

„Na dann, gute Weiterreise! Ihr Abfluggate für Madrid ist übrigens G28.“, informiert die Kabinenchefin das Gespann mit den Bananenkisten.

Später, die Gäste sind ausgestiegen und mit Bussen zum Terminal gebracht worden, erzählt die Kabinenechefin dem Kapitän die Geschichte. Der schüttelt nur lachend den Kopf. „Na, verboten ist es nicht.“, antwortet dieser. „Aber war es wirklich eine Bananenkiste?“, will er wissen. „Nicht eine – zwei! Der Gast hat zwei Abende an seinen Handgepäcksstücken herumgeschnitzt. Überall auf den Kisten waren gelbe Bananen mit blauen Rand abgedruckt. Es war wunderbar kreativ! Sowas habe ich in 10 Jahren noch nie gesehen.“, antworte ich.

„Na, dann gucken wir mal, was die nächsten Gäste so anschleppen.“, gibt der Kapitän zurück.

Außer dem obligatorischen Sombrerohut** hatten sie nichts spektakuläres dabei.

Anflug auf Frankfurt – aus Offenbach kommend, an der Skyline vorbei.

*Falls Sie sich fragen, warum ich auf dieser Strecke arbeite und nicht ab Frankfurt fliege: Ich war ebenso erstaunt wie sie als mir die Crewplanung mitteilte, dass ich eine Mehrtagestour ab München fliegen würde. Ich wurde schlichtweg nach München „entliehen“, da dort akuter Personalmangel herrscht.

**Vor vielen Jahren wies mich ein Kollege darauf hin, dass auf seinen Kurzstrecken-Touren mindestens ein Mal ein Sombrerohut im Gepäckfach auftaucht. Seitdem achte ich darauf und muss sagen: Er hat recht!

12 Kommentare

    • Die Geschichte ist tatsächlich so passiert vor einer guten Woche. 😄Sie hatte nichts dabei – keinen Rucksack, keine Umhängetasche, gar nichts. Nur die Bananenkiste, die ihr Mann konstruiert hat. Ich fand es total spannend wie verschiedene Menschen die Handgepäcksregelung umsetzen. Und, unter uns, war mir die Bananenkiste deutlich lieber als die Schrankkoffer, die so manch US-Amerikaner mit an Bord schleppt und die definitiv nicht Handgepäckskonform sind. 😩
      Viele, liebe Grüße, Eva

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      • Da hast du natürlich recht, Eva – Schrankkoffer haben definitiv nichts mit dem üblichen Handgepäck, geschweige denn mit den Maßen dessen zu tun.
        Spannend, was du alles so erlebst. (((🙈🙊🙉)))
        Ich freue mich schon auf das nächste skurrile Abenteuer.
        Solong… 🤗

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  1. Danke für die Anregung. Ich grübele gerade, wie ich nächstes Wochenende für anderthalb Tage allein reisend mal ausnahmsweise das Aufgabegepäck sparen kann (ich würde den Koffer ausstopfen müssen). Vielleicht funktioniert das auch mit Weinkisten? Pizzakartons sind nicht stabil genug. 😅

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  2. Wizzair hat seine Maße auch wieder verkleinert, kennt aber die Sturheit der albanischen Gäste nicht. Da wird in die Wanderrusacke reingestopft was geht. Ich habe vielleicht zwei Leute gesehen, die sich dran gehalten haben. Aber die Bannanenkisten sind schon eine ganz eigene Geschichte. 😂
    Liebe Grüße
    Sonja

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    • 😄😄 Das wundert mich gar nicht. Und wer verdenkt es den Fluggästen? Gerade dieses Jahr grenzt es an ein Wunder, wenn das Aufgabegepäck ankommt bzw. wenn man nicht 2h auf seinen Koffer warten muss. Und das noch mit Kleinkind im Schlepptau… dann lieber der Wanderrucksack, der alle Maße sprengt. 😄
      Aber die Maßarbeit mit der Bananenkiste bzw. den Bananenkisten – unbezahlbar. Wir guckten ziemlich dämlich aus der Wäsche. Liebe Grüße und einen entspannten Sonntag!

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