Führung im Alten Polizeipräsidium Frankfurt – ein Erfahrungsbericht

Ein Lost Place mitten in Frankfurt

“Auf 12.500 Quadratmeter erstreckt sich das alte Polizeipräsidium in Frankfurt am Main.”, erklärt uns Angelika Angermeier, die uns durch diesen Frankfurter Lost Place führen wird. “So groß sieht das gar nicht aus.”, flüstere ich meiner Schwester Turtle zu. Dass die 12.500 Quadratmeter keine übertriebene Angabe ist, lernen wir recht schnell in 2 Stunden kurzweiliger Führung durch das alte Gebäude an der Friedrich-Ebert-Anlage.

Das Publikum dieser Veranstaltung ist bunt gemischt: Student:innen, Hobby-Fotograf:innen, Renter:innen, Neugierige, Zugezogene und (Ex-)Frankfurter:innen. Sie alle versammeln sich am Eingang des Polizeipräsidiums und geben brav ihr Formular “Verpflichtende Voraussetzungen zur Teilnahme an der
Führung/Workshop im Alten Polizeipräsidium” ab, das man mit der Bestätigungs-E-Mail bekam.

Zuerst bekommen wir Helme ausgehändigt und im ehemaligen Schulungssaal des Polizeipräsidiums werden die mitgebrachten Taschenlampen angeknipst.

Der alte Schulungssaal im alten Polizeipräsidium

Es ist um 12:30 Uhr mittags nicht stockdunkel, aber auch nicht taghell. Von den Wänden blättert die Farbe ab. Am Boden deckt eine Platte ein Loch ab. Einige Fenster sind zugemauert. Mir wird langsam klar, warum in diesem Gebäude eine Folge des beliebten Fernsehformats Tatort gedreht wurde.

Die Perspektive habe ich unbeabsichtigt blöd aufgenommen: Eigentlich und richtigerweise steht hier F#ck Nazis

Frisch ist es hier. Deswegen schlüpfe ich in meine Leichtdaunenjacke, die ich mitgebracht habe. Draußen hat es 27 Grad, aber hier drin ist es doch etwas frostig. Ein Teilnehmer Anfang 20 hat sich keine Jacke mitgebracht und reibt sich frierend die Oberarme.

Unsere Ausflugsleiterin zeigt uns auf ihrem Tablet, welches Bauprojekt hier geplant war, um die Fläche sinnvoll (das sei mal so dahin gestellt) zu nutzen. Luxuswohnungen, Hotels, Kindertagesstätten waren die Idee der Bauherren. Doch die Baugruppe ist mittlerweile insolvent. Und so weiß man nicht, was aus dem alten Gebäude werden soll.

Zwischen Zellen, Graffiti und Geschichte

Wir gehen weiter durch lange Gänge.

Lange Korridore

Durch ehemalige Büros schleichen wir ebenso, wie durch verlassene Treppenhäuser.

Treppenhäuser, die mit ein bisschen Farbe und Fantasie wie neu aussehen würden.

Dann besichtigen wir Zellen und werden unterhaltsam und charmant mit allerhand Informationen über das alte Gebäude informiert. Wissen Sie zum Beispiel, warum das Polizeipräsidium überhaupt umzog? Sicher ahnen Sie es: Aus Platzmangel. Trotz des 60er-Jahre-Baus im Hinterhof reichte der Platz nicht aus und so zog man in die Adickesallee. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist auch hier der Platz mittlerweile etwas limitiert.

Gemütlich ist anders, aber das war auch nicht der Sinn dieser Zelle.

Einige Räume im alten Polizeipräsidium sind zum Teil bemalt. Hier fanden auch Modeschauen statt. Ein skurriles Bühnenbild für eine inszenierte Modeveranstaltung, aber warum nicht?

Wer hier gemalert hat?
Das Foto könnte auch aus einer Kunstausstellung sein.
Mein Lieblingsraum: Die rote Figur mit dem Spruch zum Montag.

In den oberen Stockwerken, ist es wieder so warm, dass ich die Jacke ausziehen kann.

Und wieder lange Flure.

Wir schauen uns das alte Büro des Polizeipräsidenten an, in das im 2. Weltkrieg eine Fliegerbombe stürzte und dann fotografiere ich das legendäre Treppenhaus.

Das Fotomotiv schlechthin: Das imposante Treppenhaus.

KPF prangt dort in schnörkliger Schrift in der Mitte des Geländers. Es steht für “Königliche Polizei Frankfurt”.

Hier mit einem (alkoholhaltigen) Kaltgetränk auf roten Teppichen herunterzuschlendern ist sicher ein Erlebnis.

Gleich gegenüber der Treppe war der Eingang zu einer bekannten Diskothek. Als das Polizeipräsidium auszog, musste man eben andere Geschäftsideen entwickelten. Und so ließ man Feierwütige über rote Teppiche tanzen.

Im Keller des ehemaligen Polizeipräsidiums war übrigens ein Wellnesskeller, den sich die Staatsbediensteten dort einrichteten. Außerdem gab es einen Partykeller, in dem legendäre Partys stattfanden.

Am Ende gucken wir uns den Außenbereich an. Er ist riesig und beherbergte auch eine Tankstelle – natürlich nur für Dienstfahrzeuge.

Bitte volltanken! Aber nur das Dienstauto.

Genau hinter dem Polizeipräsidium residierte übrigens die Rockerbande Bones MC – strategisch perfekt. Vor Anschlägen im Windschatten des Polizeipräsidiums mussten sie sich nicht fürchten, denn schließlich waren viel zu viele Polizisten nebenan.

Im schmucken Innenhof wurden allerhand Sommerfeste gefeiert:

Der Place to be bei Sommerfesten: Der adrette Innenhof.
Was dieses Gesicht im Innenhof schon alles beobachten musste? Der Blick spricht Bände.

Ich mache auch hier allerhand Fotos. Es ist hochinteressant, einen Blick hinter die Fassade werfen zu dürfen.

Die Kirche kommt wohl auch weg.Der Messeturm darf bleiben.
Eine Schule und Tower 185.
Graffiti
Und tschüss! Alles Gute!

Die 2 Stunden vergehen wie im Flug. Um 14:30 Uhr sind wir fertig und wollen noch zum thailändischen Restaurant Toh Thong gehen, das schräg gegenüber ist. Doch leider pausieren sie ab 15 Uhr. Und so gehen wir zu einem anderen thailändischen Restaurant im Bahnhofsviertel.

Es ist ein rundum gelungener, außergewöhnlicher Ausflug im Frankfurt!

Ach ja, und die gute Nachricht ist: Aktuell ist die Polizeipräsidiums-Tour noch bis Ende August 2024 buchbar: Als Fototour oder als normale Führung.

Fazit: Tolle Tour – für mich hätte sie auch gerne doppelt so lange sein können. 😉

Werbung, unbezahlt und unbeauftragt

16 Kommentare

  1. Liebe Eva, schön dass es geklappt hat und danke, dass du uns mit auf die Tour genommen hast. Die Bilder zeugen von vielseitigen und spannenden 2 Stunden zwischen Abriss und Prunk. 🙂
    Würde ich in FFM wohnen, hätte ich diese Tour sicher auch gebucht.
    Schönes Wochenende und viele Grüße Bea

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  2. Tolle Fotos und Eindrücke. Bisher hatte ich noch nicht die Gelegenheit einen lost Place zu besichtigen. Foto strecken. Im Internet schaue ich mir aber immer gerne an und finde den langsamen Verfall immer wieder faszinierend.

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    • Liebe Mitzi, es freut mich sehr, dass ich dich virtuell mitnehmen konnte. Es war schön-skurril und ein bisschen traurig. Man merkt, dass dieser Ort voller Geschichten ist. Hoffentlich wird ihm neues Leben eingehaucht. Hab’s fein und liebe Grüße, Eva

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  3. Sehr schön. Freue mich schon auf meine Fototour. Immerhin habe ich jetzt immerhin wieder eine funktionierende Kamera. Die andere wird noch repariert.
    Sehr schöne Bilder! 🙂

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    • Uns wurde mitgeteilt, dass das wahnsinnige Summen sind, die dafür geplant werden: 800 Millionen sollte die Renovierung des denkmalgeschützten Teils und der Neubau des neuen Teils kosten. Erst hinterher stellte man fest, dass das Fundament auf Sand gebaut wurde und die spätere U5 darunter durchfahren sollte. Und so brauchte man nochmal 400 Millionen. Na ja, und dann ging die Baugruppe pleite.
      Es ist wirklich schade, weil es so ein tolles, einzigartiges Gebäude ist, das langsam verfällt.

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