Le Big TamTam und das verlorene Kuckucksei

So, da bin ich wieder. Sie werden meine Abwesenheit gar nicht bemerkt haben, denn ich habe fleißig vorproduziert. Nur den Kommentierenden wird vermutlich aufgefallen sein, dass eine Antwort meinerseits auf sich warten ließ.

Aber jetzt bin ich ja wieder da! 3 Tage Kurzstrecke – Frühaufsteher. Gewonnen aus dem Bereitschaftsdienst. Und das Wörtchen Frühaufsteher können Sie ruhig wörtlich nehmen: Um 03:00 Uhr klingelte der Wecker. Ganz so als ob ich eine Lerche wäre. Dabei wurde mir als passionierte Langschläfer-Eule nur das Lerchenkostüm übergestreift.

So werfe ich mir um 04:30 Uhr den Talar um (so nenne ich das unförmige Uniformkleid) und stöckle los zum Bahnhof. Mit mir sind um diese Uhrzeit nur Reisewillige und Flughafenpersonal unterwegs. Die S-Bahn gen Flughafen ist gut besucht.

Am ersten Tag geht es für mich erst nach München (hin und zurück) und dann nach Hamburg, wo wir schließlich aussteigen. Schon auf dem Weg zum Hotel sind allerhand Flower-Power-Anhänger:innen unterwegs. “Ach ja, es ist Schlagermove!”, stöhnt die Kollegin, die jahrelang in Hamburg wohnte. Was das sei, will ich von ihr wissen. Sie erklärt uns Unwissenden das Konzept dahinter. Ich vermute, die Veranstaltung steht nicht auf meiner “Unbedingt machen!”-Liste.

Im Hotel angekommen wechsle ich in Privatklamotten und habe endlich einmal Zeit, Planten un Bloomen zu besuchen.

Planten un Bloomen

Dann geht es für mich an die Binnenalster, ein paar Meter an der alten Post vorbei, unterwegs etwas von Le Big TamTam gelesen (und gelacht), und dann bog ich ab zu einem Salat-Laden. Den gibt es auch in Frankfurt und bei sehr kurzen Aufenthalten in einer anderen Stadt bin ich ein Freund von unkomplizierter Systemgastronomie, die ich schon kenne. An einem Terminal bestelle ich Spargelsalat mit Erdbeeren und Quinoa, der recht hochpreisig ist. Aber ich bin ja nicht zum Vergnügen hier (naja… obwohl, wenn ich so darüber nachdenke, ein bisschen schon) und deswegen bekomme ich Spesen, die mir den Salat zahlen. An Bord isst man oft nur ungesunden Quatsch. Da bin ich froh, etwas gesundes zu erhaschen.

Binnenalster
Alte Post
Le Big TamTam wäre übrigens meine zweite Wahl für einen Blognamen gewesen. 😉

Nur eine Menschenseele ist in dem Laden und diese arbeitet dort. Das bedeutet, dass ich meinen Salat sehr schnell bekomme. Ich esse ihn später im Hotelzimmer. Ein bisschen Dehnen, kurze Sporteinheit und schon heißt es: Gute Nacht um 20 Uhr. Draußen ist es noch hell, aber es hilft ja nichts.

Morgens um 04:30 Uhr werden wir wieder abgeholt. Das bedeutet: Aufstehzeit 03 Uhr. Ein paar torkelnde Schlagermove-Teilnehmer mit Rasta-Perücken und im Hippie-Look kommen uns entgegen. Ich muss schmunzeln. Die Kollegen reden über Nacktschneckenplagen in Baden-Baden und versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Ich stecke mir die Kopfhörer ins Ohr. Um kurz vor 5 Uhr, auf dem Weg nach Hamburg-Fuhlsbüttel, brauche ich nun wirklich keine Nacktschnecken-Gespräche.

An diesem Tag fliegen wir von Hamburg nach Frankfurt und wieder nach Hamburg, um dann wieder nach Frankfurt zu fliegen. Mittlerweile komme ich mir vor wie eine regionale Flugbegleiterin, die nur mitfliegt, weil sie die Hamburger Seele versteht. Schließlich weiß ich jetzt, was der Hamburger Fluggast mag und braucht: Ein freundliches Moin, egal zu welcher Uhrzeit, ein bisschen Platz für sein Gepäck, eine Flasche Wasser, ein Täfelchen Schokolade, ein bisschen Schnack („Sie gucken so glücklich vor diesem Korb voller Schokolade. Greifen Sie ruhig richtig zu!“) und schon sind die Hamburger:innen glücklich, scheint es. Ach ja, und Pünktlichkeit. Da wir der erste Flug sind und die Wetterbedingungen es hergeben, klappt auch das. Also fast: Beim zweiten Hamburg-Rückflug an diesem Tag fand man in Frankfurt ein Loch in einer Landebahn. Die fiel dadurch natürlich weg und so wurden fröhlich Slots, also festgelegte Startzeiten, verteilt. Es zog sich etwas, aber wir holten die Zeit wieder rein.

Falls Sie sich mal gefragt haben, wo die LH001 entlang fliegt, möchte ich hier lösen: Hamburg – Frankfurt, 6 Uhr morgens Abflug. Historisch bedingt macht das natürlich Sinn, diesen Flug 001 zu nennen.

Randnotiz: Die LH2222 fliegt übrigens „to Toulouse“, was für witzige Momente bei der Ansage am Münchner Flughafen führt.

Mittags (der Tag ging ja schon 9 Stunden) fliegen wir dann nach Warschau. Noch beim Boarding denke ich mir, ich bin das vertauschte Kuckucks-Ei und habe endlich meine Familie gefunden: Die weiblichen Fluggäste sehen allesamt aus wie ich.

Das führt zu einigen witzigen Situationen. Man redet nur auf Polnisch mit mir und als ich dann auf Englisch kommuniziere, dass ich leider kein Polnisch sprechen würde, mustert man mich streng. “Tu doch jetzt nicht so!”, denken sich die Passagiere vermutlich.

In Warschau hole ich verpassten Schlaf nach, obwohl in der Stadt der Sommer ausgebrochen ist. Jetzt weiß ich also, wo sich der Sommer versteckt hält.

Am letzten Tag geht es von Warschau zurück und weiter nach Bukarest inklusive Rückflug nach Frankfurt. Diesmal werden wir erst um 05:05 Uhr am Hotel eingesammelt. Beinahe fühlt es sich an wie ausschlafen, aber nur beinahe. 😉

Es sind allesamt relativ ereignislose Flüge und sehr nette Gäste. Um 15:30 Uhr habe ich Feierabend und gehe diesmal in Uniform zum Bahnhof, was ich sonst eher ungerne tue. Prompt spricht mich jemand am Bahnhof an. Und zwar ein Flugbegleiterkollege und gleichzeitig der Ex-Mann meines besten Freundes. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, schätze ihn aber sehr. Er erzählt mir, dass er gerade in Washington war. Die Fahrt zum Hauptbahnhof ist dementsprechend kurzweilig.

Der Umstieg ist etwas länger als gedacht, aufgrund eines Notarzteinsatzes. Daheim angekommen werde ich freudigst begrüßt – und wie immer soll ich das “Kürbiskostüm” alias meine Uniform ausziehen. Darauf besteht Signorino. Bis heute erschließt sich mir nicht, wie er bei der Uniform auf Kürbiskostüm kommt, aber er wird seine Gründe haben. Er nennt es eben so und ich nenne es Talar. Dass die Uniform keine Offenbarung der Modewelt ist, darin sind Signorino und ich uns einig.

Wie immer wird mein Koffer neugierig durchkramt, aber siehe da, es ist kein Geschenk drin. Doch Signorino wird trotzdem fündig. Er staubt einen Schokoriegel aus meiner Notreserve für lange Flugtage ab.

16 Kommentare

  1. LH2222 to Toulouse)))) Ich kann nicht mehr. 😂🤣😂
    Liebe Eva, wer diese Durchsage macht, sollte bestenfalls spaßbefreit sein, oder? Ich? Würde das vor lauter Lachen nicht ansagen können. 🙂
    Schöne Grüße Bea

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    • Absolut, liebe Bea, ich würde auch losprusten. 😄 Wenn man in seinem “Tu-Tu-Tu-Tu-Tu-Tu-lus” drin steckt, muss man vermutlich ganz genau nachzählen: 6 Mal Tu und dann kommt das -lus. 😄 Hab’s fein, liebe Bea und ich hoffe, bei euch regnet es deutlich weniger. Liebe Grüße, Eva

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  2. Ihr Flugbegleiterinnen seit echt nicht zu beneiden. Solche Arbeitszeiten wären ein Graus für mich.

    Auf meinem Rückflug saßen junge Leute mir kleinem Kind hinter mir. Die waren zwar sehr nett, aber die Kleine war den größten Teil des Rückfluges lauthals am weinen und quengeln.
    Und beim Landeanflug mußte die Stewardess (Griechin) dem kaum Englisch sprechenden Paar klar machen, das das Mädchen trotzdem angeschnallt werden mußte, weil es ohne Gurt einfach zu gefährlich ist.

    Ich wünsche dir einen schönen Tag.
    Trude

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    • Jetzt musste ich schmunzeln, liebe Trude. Wo doch deine Arbeitstage sonst immer so früh (um 5 Uhr, richtig?) beginnen. 😄 Ich mache das nur in Ausnahmefällen, aber du machst das ja an fast jedem Werktag.

      Das verstehe ich total und es ist natürlich blöd für alle Beteiligten: Fürs Kind, für die Eltern, für alle Mitreisenden. Wir hatten ja vor einem Jahr eine analoge Situation mit Signorino, der komplett übermüdet war.
      Das mit dem Anschnallgurt kenne ich auch. Und ich verstehe auch die Argumente der Eltern, aber Sicherheit geht vor. Bei manchen Sachen kann man nachlässiger sein, bei sowas leider nicht. Signorino und der Römer haben auf alle Fälle keinen Spaß, wenn sie mit mir reisen. Ich bestehe in meiner Reihe auf absolute Sicherheit. 😄 Anschnallgurt zu jeder Zeit, Sonnenblenden oben bei Start und Landung, die Rückenlehne aufrecht, das Tischchen zurückgeklappt, wissen, wo der nächste Notausgang ist – es muss schrecklich sein, mit mir zu reisen. 😄
      Ich hoffe, der Flug war dennoch ein wenig erholsam für dich, liebe Trude.
      Einen angenehmen Donnerstag und liebe Grüße, Eva

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      • Weil ich ja in (fast) allen Lebenslagen schlafen kann, habe ich es auch auf diesem Flug geschafft 😉

        Das Pärchen hat sich beim aussteigen auch bei mir entschuldigt. Sie hatten genau wie ich eigentlich den Rückflug um 10 Uhr antreten sollen, waren aber auf 8 Uhr umgesetzt worden.
        Und genau war das Problem, das Kind hatte nicht genug Schlaf gehabt, als sie los mußten. Und total überdreht konnte sie im Flugzeug auch nicht schlafen und wäre ohnehin lieber wieder an den Strand gegangen …

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    • Es ist nicht einfach, eine Eule zu sein, wenn die meisten Arbeitszeiten von Lerchen bestimmt sind. 🤪 Zum Glück sind diese Lerchen-Tage bei dir passé und bei mir auch meistens. Hab einen euligen Feiertag und liebe Grüße, Eva 🦉

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