Zwischen Witching Hour und Spielplatz: Warum wir ab 16 Uhr scheitern

Zwei Kinder, zwei Rhythmen – und keiner passt

„Und? Habt ihr euch schon eingegroovt?“, fragt eine gute Bekannte mit einem Lächeln, das vermutlich auch schon drei durchwachte Nächte überstanden hat. Sie hat zwei Söhne und mir soeben zu Bianco gratuliert. Ich nicke – halb ehrlich, halb ironisch. Denn ja, irgendwie sind wir eingegroovt und haben einen Rhythmus.

Nur leider nicht denselben.

Baby Bianco will ab 16 Uhr schlafen. Signorino will um diese Zeit erst richtig loslegen. Das Ergebnis ist dann ein Abend wie ein Drahtseilakt zwischen Babygeschrei, Spielplatzrückkehr, Abendessen im Schichtbetrieb und der Hoffnung auf ein paar ruhige Minuten als Paar.

Doch fangen wir von vorne an: Langjährige Leser:innen wissen, wir sind ein reiner Eulen-Haushalt. An normalen Tagen gehen wir Erwachsenen nicht vor Mitternacht ins Bett und Signorino streicht die Segel mit viel Glück vor 21:30 Uhr.

Er ist als Eule geboren und tut sich schwer, morgens aus den Federn zu kommen.

Anders als Bianco. Er steht morgens um 06:20 Uhr auf – bestens gelaunt. Nur mit viel Mühe lässt er sich nochmal zu einem Schläfchen vor 9 Uhr überreden. Und wer morgens Früh aus den Federn hüpft, der ist dementsprechend ab 16 Uhr bereit für den wohlverdienten Nachtschlaf.

Absolut verständlich! Nur leider passt der Wunsch nicht in unserem Tagesablauf und noch weniger zu unserer Wohnsituation.

Denn Signorino geht aktuell bis 15 Uhr in den Kindergarten. Dann holen wir ihn ab, er isst daheim seine merenda (Nachmittagssnack), ruht sich kurz aus und gegen 16 Uhr findet man ihn (und uns) auf dem Spielplatz.

Gleich um 15 Uhr, nach dem Kindergarten, auf den Spielplatz zu gehen, macht keinen Sinn. Schließlich sind seine Kindergartenfreunde nicht vor 16 Uhr auf eben diesem anzutreffen. Wer könne es also Signorino verdenken, dass er nicht direkt nach dem Kindergarten auf den Spielplatz will?

Vielleicht schläft er ja ein

So gehen wir meist gegen 16 Uhr von Zuhause los. Ich nehme Bianco in der Trage mit. Dieser äußert bereits lautstark, dass jeglicher Ausgang um diese nachtschlafende Zeit (16 Uhr!!!) eine absolute Zumutung für ihn ist. Doch ich bin unbelehrbar und hoffnungsvoll zugleich. Und so versuche ich es jeden Tag aufs Neue wieder. Vielleicht schläft der Neugeborene in der Trage ein? Vielleicht ändert er nochmal seinen Tag- und Nachtrhythmus? Wer weiß?

Bianco weiß! Und zwar, dass er garantiert nicht in dieser Trage um diese Zeit einschlafen wird. Mit einem kreischenden Bündel Mensch gehen wir Richtung Spielplatz. Dort hüpfe, schuckle oder schwinge ich mit dem brüllenden Baby von Bein zu Bein. Ich bin ein Mensch gewordenes Metronom mit einem müden, schreienden Baby vor der Brust.

Nach zehn Minuten habe ich den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und akzeptiere ihn: Bianco will nach Hause. Also trete ich den Heimweg alleine an. Signorino will noch spielen und der Römer streckt die Nase in die Abendsonne.

Daheim angekommen schläft Bianco dann nach dreißig Minuten Schreien für ein kurzes Nickerchen ein. Nur, um dann irritiert und genervt, wieder aufzuwachen. Seine Gefühle äußert er natürlich mit Schreien. Wie auch sonst?

Manche nennen diese Zeit Schreistunde. Andere betiteln sie etwas moderner mit „Witching Hour(s)“. Ich nenne es: „Eigentlich müsste das Kind ab 16 Uhr im Bett liegen und tief und fest schlummern. Aber integrieren Sie das mal in Ihren Alltag!“

Gegen 18 Uhr kehren der Römer und Signorino vom Spielplatz zurück. Ausgepowert und gut gelaunt.

Bianco schreit dann noch mehr, weil er längst schlafen sollte und jeder schleichende Gedanke für ihn bereits zu laut ist. Wir schalten also den Turbo in der Abendroutine ein. Der Römer kocht und ich verschwinde mit Bianco im Schlafzimmer, um ihn mit viel „Sch-Sch-Sch-ja-ich-weiß-alles-gut-ja-ich-verstehe-sch-sch-sch“ herunter zu regulieren.

Dinner for One

Das Essen ist meist gegen 18:30 Uhr fertig. Das ist insofern erstaunlich, weil in diesem Haushalt bislang niemand vor 19:30/20:00 Uhr zu Abend gegessen hat. Aber besondere Neugeborene erfordern eben besondere Maßnahmen und alle Familienmitglieder müssen mitziehen.

Wir essen dann in Schichten: Erst der Römer und Signorino. Dann schickt mir Erstgenannter eine Nachricht aufs Handy, dass wir den Schichtwechsel vollziehen können. Der Römer kommt ins Zimmer, wir übergeben den schlafenden Bianco und das Baby merkt natürlich: „Hier ist etwas anders! Wo geht denn Mama hin? Und warum kommt Papa jetzt? Was soll das denn nun wieder?“

Also schreit Bianco wieder. So lange bis ich zu Ende gegessen habe.

Schließlich übergeben wir wieder das Baby und ich stille es in den Schlaf.

Gegen 19:40 Uhr gehen der Römer und Signorino ins Bett. Das ist gut, denn wir haben beinahe überall Regipswände, die so schalldurchlässig wie Seidenpapier sind.

Signorino beschwert sich dann meist lautstark, warum er jetzt schon ins Bett müsse. Es wäre noch viel zu früh. Außerdem ist es noch hell draußen!

Doch Bianco wünscht sich zum Schlafen Stille. Absolute Stille. Sie können sich ausmalen, wie still es mit einem aufgeweckten Fünfjährigen mit blühender Fantasie ist, der noch nicht ins Bett will.

Irgendwie klappt es aber dann doch und alle Kinder sind in ihren Mitschlafgelegenheiten verstaut.

Gegen 21 Uhr husche ich kurz aus dem Zimmer, um mich zu waschen, mir den Schlafanzug anzuziehen und mich bettfertig zu machen. Und noch vor 22 Uhr lösche ich das Nachtlicht.

Und so kämpfen wir uns durch die zweite Tageshälfte. Eine richtig gute Lösung haben wir noch nicht gefunden. Wir hoffen einfach, dass Bianco langfristig eine Eule oder eine gemäßigte Lärche wird. Andere Ideen haben wir nicht.

Außer wir ziehen nach Schloss Versailles. Somit könnte Bianco im Westflügel zur Ruhe kommen, während Signorino im Ostflügel ungestört spielen kann.

Ja, das wäre doch was!

12 Kommentare

  1. Schloß und vielleicht noch zahllose Dienstboten, Kindermädchen, Au – Pairs, Nannys (wie etwa die sehr beruhigende bei Peter Pan) ist doch eine simple und naheliegende Lösung, die insbesondere gewisse Vorzeige – Leistungsfrauen Europas gerne vorzeigen. Warum also nicht?
    Wir hatten mit zwei Kindern (die so nicht gleich erwartet gewesen waren. Mit einem hätten wir das vielleicht…) damals a) einen Kleinwagen (Fiat Uno, Gruß an den Römer) – 2 Kindersitze gehn rein, aber natürlich kein Zwillings – Kinderwagenungetüm dazu! b) eine 2 – Zimmer – Kellerwohnung. Mit zum Glück großer Küche, die nun auch noch Wohnraum war. Denn ein Zimmer war ja nun mal komplett Kinderzimmer. Auch wenn nicht immer klar war, wer wo schläft… Oder überhaupt! Einer schreit immer, so zumindest die Erinnerung.
    Dann immerhin ein Häuschen. 3- Zimmer – Reihenhäuschen, treppauf, treppab – Man hörte die Klospülung noch vom letzten Haus in der Reihe! Wenig Chancen, baulich was zu ändern, war ja Miete. Und auf einmal waren es drei..- Wieso kommt mir das Haus jetzt so leer vor?

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    • Das wäre ja generell die Lösung: Eine Armada an Angestellten, die die Kinder schon irgendwie groß ziehen. Der Vorteil wäre auch: Sind sie unzufrieden mit der Kindheit, waren die Angestellten Schuld. 😄
      Mangels Geld und Möglichkeiten erziehen wie unseren Nachwuchs selbst und nehmen in 20 Jahren jegliche Kritik der jungen Männer gerne an. 😄
      Und es ging! Bei uns ist es jammern auf hohem Niveau: Kleine Wohnung, Regipswände, aber zum Glück genug Zeit für die Kinder. Zeit, sich aufzuteilen. Zeit, auf den Spielplatz zu gehen. Das ist ein unheimliches Privileg. Dann lieber weniger Platz, aber mehr Kapazitäten, rauszugehen und was zu erleben.
      Irgendwann ist der Wohnraum leer und still – bis die Enkel kommen. 😉

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  2. Liebe Eva, könnt ihr dem nicht aus dem Weg gehen, in dem gleich von Anfang an nur ein Elternteil zum Spielplatz mitgeht- und der/die andere das Baby beim Schlafen begleitet?
    Es geht da doch sicher nur um höchstens zwei Stunden, in denen Kind1 ungestört spielen und Kind2 ungestört schlafen kann.
    ?
    LG Bea 🙂

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    • Liebe Bea,
      so machen wir’s jetzt oft. Der Elternteil, der um 17 Uhr im abgedunkelt Raum sitzen muss, ist natürlich etwas unzufrieden, denn das ist blöderweise die Milchmaschine – also ich. 😄 Deswegen bin ich auch so beratungsresistent und versuche es immer wieder, ob Bianco nicht doch in der Trage einschläft.
      Aber die Monate verfliegen – es wird langsam besser. Man gewöhnt sich an (fast) alles. 😉
      Ein schönes Restwochenende, liebe Bea und liebe Grüße, Eva

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      • Ich glaube, das Problem ist der Faktor Mensch – wie so oft: Ich bin spätnachmittags kaum müde (aber frag mich mal früh morgens 😄) und kann nicht schlafen. Milch abpumpen klappt bei mir nur, während Bianco auf der anderen Seite trinkt. Aber der schläft ja dann – und zwar auf mir drauf (und bitte nicht bewegen!). Aber ich komme dazu, sehr viele Texte für den Blog zu schreiben. Das ist doch auch was. 😄 Wie sagt man so schön: “There’s always a silver lining!”😄

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  3. Ja, so vergehen die Stunden, Tage, Wochen …
    Deine Schilderung weckt Erinnerungen
    Liebe Eva , mit einwenigWehmut, Schmunzeln lese ich und kann Dich vielleicht einwenig trösten
    Sooo schnell vergeht die Zeit und Du hast den Stress vergessen
    Gerne erinnerst Du Dich dann an diese intensive
    Innige Zeit der kleinen Familie.
    Der Sommer kommt und wieder wird vieles leichter.
    Dein Römer unterstützt selbstverständlich
    Das ist schon eine wertvolle Tatsache
    um die manche Dich beneiden
    Lg
    Meggie

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    • So ist es, liebe Meggie. Die Tage sind lang, doch die Jahre kurz. Ich sehe es an Signorino: Fünf Jahre sind vergangen wie ein Wimpernschlag.
      Und doch vergisst man es. Umso besser, daran erinnert zu werden. 😉
      Im Gefecht sieht vieles wilder aus als es in Wahrheit ist.
      Ich danke dir für deine einfühlsame Erinnerung und sende dir liebe Grüße, Eva

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  4. ich muss grad an eine hiesige Bekannte denken, die mit über 40 und als erfolgreiche Architektin endlich ihren Kinderwunsch erfüllen konnte. Glückstrahlend und sehr erschöpft zeigte sie mir ihre Zwillige in der Zwillingskutsche: zwei prächtige Knaben, zweieiig. Die beiden sind in ihrem Rhythmus total verschieden, seufzte sie. Und man sah es den Kleinen an: ein leicht verpennter Phlegmatiker und ein quirliger Sanguiniker teilten sich die Karre. Ich tippe auf Eule und Lärche.

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    • Daran habe ich gar nicht gedacht, dass das bei Zwillingen ja durchaus möglich ist. Man denkt immer, die beiden müssen einen Rhythmus haben, teilten sie sich doch zumindest die Gebärmutter, hörten den gleichen Herzschlag und die gleichen Geräusche. Hach! Da haben wir es ja noch ganz gut getroffen. Danke fürs Teilen dieser Geschichte, liebe Gerda! 😃

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