Sie haben Teil 1 und Teil 2 verpasst?
Samstag, 20.08.2022
Das Kind ist immer noch krank. Das Fieber ist leider nicht verpufft, sondern klebt an dem kranken Kind wie Pech. Es ist nicht so hoch, um panisch ins Kreiskrankenhaus zu fahren, aber doch so hoch, um den Flug für heute Abend auf Morgen umzubuchen. Dazu sitzen wir in Bayern fest und können nicht vor und nicht zurück. Die Nerven liegen blank, es knarzt nicht nur im Gebälk zwischen dem Römer und mir, nein, das ganze Gebälk knackt und kracht lautstark. Seit drei Jahren war keiner mehr von uns in einem richtigen Urlaub, was durchaus auch als Luxusproblem zu werten ist. Es gibt deutlich Schlimmeres in der Welt, aber jetzt gerade im Souterrain-Gästezimmer fühlt es sich furchtbar schlimm an. Dazu klammern wir uns seit Dezember letzten Jahres an diesen Urlaub wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. All die Arbeitsbelastung, das Studium, die Demenz meines Vaters, die schwachen Nieren des römischen Vaters, dazu die Lieblingstante des Römers, die verstorben ist und in den ersten beiden Signorino-Lebensjahren einen Schrei-Signorino, der nicht müde zu bekommen ist, ließen uns wenig Zeit für Mußestunden. Gelinde gesagt gingen wir vor dem Urlaub auf dem Zahnfleisch und hatten alle Hoffnungen auf diese Tage am Meer gesetzt, die letztendlich nicht angetreten werden können.

Schweren Herzens stornieren wir alle Bestandteile der Reise. Das Kind will nur noch im Keller respektive Gästezimmer sitzen und weder ins ebenerdig gelegene Wohnzimmer, noch in ein anderes Zimmer im Haus seiner Oma. Signorino schreit lange und ausdauernd, findet alles blöd, weint viel und hängt wie ein lauwarmer Schluck Wasser im Bett. Am Ende essen meine Mutter, bei der wir zu Gast sind, und ich im Keller Pizza. Auf die Bettkante gequetscht sitzen wir da und kauen stumm vor uns hin, während das Kind sich endlich beruhigt und erschöpft einschläft. Vier Stunden ist er im Reich der Träume, dann ist das Fieber Geschichte. Trotz eingeschaltetem Babyphone kontrollierte ich stündlich, ob alles okay ist, denn vierstündige Mittagsschläfchen sind wir definitiv nicht mehr gewohnt. Als Signorino seine Augen aufschlägt, ist er quietschvergnügt. All die Tage zuvor scheinen vergessen zu sein.
Am Ende liegen noch eineinhalb Wochen Freizeit vor uns, die gefüllt werden möchten.
Wir starten langsam und beschließen am nächsten Tag heimzufahren. Signorino ist zwar symptomfrei, aber ab und an knatschig. Vermutlich war die letzte Woche schlichtweg zu viel für ihn. Als wir am Frankfurter Hauptbahnhof stehen und auf unsere S-Bahn warten, ist das Kind so quengelig, dass wir ihm einen Schokoriegel geben. Die Mutter vor uns mit den zwei blond bezopften Mädchen im Kindergarten wirft uns einen Blick zu, der Stahl schneiden könnte. Es scheint in diesem Moment, als bestünde das größte Problem des Frankfurter Hauptbahnhofes darin, dass ich Schokolade an einen Minderjährigen aushändige. Ein Glück fahren wir mit der gleichen S-Bahn und so kann uns die andere Erziehungsberechtigte der beiden Mädchen noch ein wenig weiter anstarren, während Signorino seinen Nachmittagssnack mit „Mmhh! Lecker! kommentiert.
Daheim angekommen, stelle ich fest, dass unsere Kreditkarte eine Reiserücktrittsversicherung beinhaltet und so rufen wir am Montagmorgen beim Kinderarzt an. Er könne für Samstag, den Tag, an dem wir storniert haben, keine Bescheinigung ausstellen. Wir hätten zum ärztlichen Notdienst gehen müssen, wenn wir für diesen Tag eine Bescheinigung gebraucht hätten. Unsere Kinderärztin könne uns nur eine Bescheinigung für Montag ausstellen und darauf schreiben, dass Signorino seit Sonntag an Fieber litt. Ich schreibe die Stornokosten bereits gedanklich ab.
Bei aller Liebe, aber 40 Minuten ins nächste Kreiskrankenhaus zu fahren, um dort drei Stunden mit fieberndem Kind zu warten, mache ich nicht. Dem Kind wäre damit nicht geholfen gewesen und bei uns lagen die Nerven eh schon blank. Zum Glück konnten wir den Mietwagen und die Flüge kostenlos stornieren, wodurch es im Geldbeutel zwar ordentlich weh tut, aber wir nicht dazu gezwungen sind, über einen Banküberfall nachzudenken.
Nachdem dieser Punkt semizufriedenstellend geklärt wurde, herrscht daheim erst einmal Ratlosigkeit. Alle sind gesund, alle sind genesen und irgendwo möchten wir dann doch hin. Nein, im August in Frankfurt zu sitzen stellt keine wirkliche Option dar. Schnell bestätigt sich meine Annahme: Überall am Meer ist es unbezahlbar. Wir wissen nicht was wir tun sollen und entscheiden uns kurzerhand für die Nebensaison in Italiens Hauptstadt Rom. Die Ferienwohnungen werden einem im August förmlich nachgeworfen, wobei sich die Touristenanzahl gleichzeitig in Grenzen hält. Dazu werte ich es als Vorteil, dass wir die Stadt so gut kennen, dass wir nicht lange nach Restaurants und Cafés suchen und auch nicht auf Teufel komm raus Fotos vor dem Kolosseum schießen müssen. Alle bekannten Sehenswürdigkeiten haben wir bereits Jahre oder Jahrzehnte vor Signorinos Geburt abgedeckt.
Wir klicken auf „Buchung bestätigen“. Ha! Was soll bei unserer Reiseplanung jetzt noch schief gehen? 😉