Ach Antonio!

Der Römer schreibt ungern seine Deutschprüfung in Deutschland.

„Zu schwer.“ sagt er und weicht auf seine liebste italienische Stadt aus. Dort sei es um ein Vielfaches einfacher. Ich bezweifle das zwar, aber wenn er sich dort sicherer fühlt, dann soll er sie dort schreiben.

Der Sohn seiner Schwester, Antonio, wohnt dort. Zur Prüfungsanmeldung läuft es meist so, dass der Römer eine Email mit der Anmeldung hinschickt und Tonio, wie wir ihn nennen, dort vorbeigeht und zahlt. Das klappte bis jetzt in zwei von zwei Fällen ganz wunderbar. 100% Erfolgsquote sozusagen.

Doch sollte es nicht so bleiben.

Für Juli bereiten wir uns seit Wochen auf die „alte“ Deutschprüfung vor. Seit 01.01. gibt es zwar auch eine neue Version, diese ist allerdings noch nicht in allen Prüfungszentren weltweit angekommen. Final wird am 01.08. in allen Prüfungszentren auf das neue Modell umgestellt.

Tonio hatte sechs Wochen Zeit die Prüfungsgebühr persönlich vorbeizubringen und ihn somit für die Prüfung einzuschreiben. Aber er war beschäftigt mit „la ragazza“ [seiner Freundin], cenare con gli amici [essen gehen mit Freunden], lavorare [arbeiten] und andare al mare perché fa caldo [ans Meer fahren, weil es heiß ist]. So verging Woche um Woche. Ach das Drohen seines Onkels half nicht, denn er war molto impegnato [sehr beschäftigt].

Mein Verweis, dass die Plätze nicht unbegrenzt verfügbar sind, wurde von beiden abgeschmettert. „Ma cheeee… [Aber was] Natürlich. Das ist das geringste Problem. Es gibt immer freie Plätze.“

Heute war der letzte Tag an dem man sich einschreiben konnte. Ich würde es gerne so ausdrücken: Tonio war da. Der Termin stand. Es gibt nun allerdings keine Plätze mehr. Erst Ende August. Für eine völlig neue Prüfung. (Ich sparte mir mein: „Ich hab’s euch ja gesagt!“ Was hätte es auch geholfen?)

Wir haben also wochenlang umsonst gelernt, denn wir bereiteten uns auf das alte Modell vor. Die Prüfung im August wird aber definitiv im neuen Modell gehalten. Aber es ist wie es ist. Der Römer schrieb wutentbrannt: „Ich möchte meine Familie wechseln!! Warum tut er mir das an?! Ich bin sein Onkel. Und nun lässt er mich so im Stich und will mich am letzten Tag anmelden WOBEI ich ihm noch gesagt habe, dass es keine Plätze mehr geben wird.“

Ich lies den letzten Satz so stehen. Einen verärgerten Römer begegnet man besser nicht mit deutscher Pingeligkeit und verweist darauf, dass ICH die beiden darauf aufmerksam gemacht habe. Und ausgelacht wurde.

Am nächsten Tag rief Tonio kleinlaut an: „Ho trovato un altro posto dove puoi fare l’esame. [Ich habe einen anderen Ort gefunden, wo du die Prüfung ablegen kannst] Er ist nur 550km von Rom entfernt. Ich würde heute Mittag losfahren und dich anmelden, wenn du mir das ok gibst.“

Da war aber jemand sichtlich zerknirscht, wenn er anbietet 550km oneway zu fahren, nur um seinen Onkel anzumelden.

„No, no, tranquillo.“ beruhigte ihn der Römer. „Das neue Modell gefällt mir eh viel besser. Die Aufgaben, die ich gar nicht kann, kommen darin nämlich nicht vor.“

„Vedi, c’é sempre un lato positivo!“ antwortete Tonio. [Siehst du, es gibt immer auch eine positive Seite!]

Blick vom botanischen Garten Roms auf die Stadt

Kurzer Zwischenstand

Verzeihen Sie, liebes Publikum, aber wir sind gerade im Endspurt zur -hoffentlich erfolgreichen – Deutschprüfung für den Römer. Gerade kämpfen wir uns durch Leseverstehen. Nächste Woche wird es noch etwas heftiger. Hörverstehen steht auf dem Stundenplan. Aber nachdem der Römer mir die komplette letzte Woche versicherte, dass er keine Lust mehr hat und meine Muttersprache eine dämliche sei, sind wir nun mittlerweile auf dem Stand, dass er Fortschritte macht. Er wird besser und man sieht Erfolge.

Am Dienstag schaffte er von Übung 1 nur 1/5 Punkten. Heute waren wir bei 4/5 und er findet langsam seine Motivation wieder. Unser Ziel ist pro Aufgabenteil mind. 15 Punkte (á 2-4 Aufgaben) – damit hätte er bestanden. 25 Punkte kann man maximal erreichen.

So üben wir also jeden Tag die selbe Aufgabenstruktur mit immer wechselnden Inhalten.

Warum erzähle ich das nun? Nun ja, ich wollte nur berichten, dass ich „mein Tagebuch“ nicht vergessen habe. Ganz im Gegenteil. Ich bin nur etwas eingespannt.

Sobald wir aber dieses Kapitel abgeschlossen haben, bin ich wieder frisch und locker zurück. Vielleicht auch schon eher.

Bis dahin!

Im Selbststudium zur Deutschlehrerin

Ich werde Deutschlehrerin. Mit dem Hintergrund, dass ich mein Leben lang im Tourismus tätig war, hört sich das erst einmal abstrus an.

Der Römer kam nach Hause, zwar mit Cannoli, aber sichtlich geknickt. „Gesprochen hab ich gut.“ versuchte er sich ein mühsames Lächeln abzuringen. „Aber der schriftliche Teil war nicht gut. Ich bin mir sicher, ich habe nicht bestanden. Ich werde nie bestehen! Ich bin kein Deutscher und ich werde auch kein Deutscher.“ führte er trotzig aus.

Ich dachte an seine Vorbereitung, die wie sein Charakter war: unstrukturiert, keine Ziele definierend und einfach mal drauf los gelernt. Die Taktik mag in vielen Bereichen funktionieren, aber im Bereich der Deutschen Sprache geht sie leider nicht auf. So war es keine allzu große Überraschung, dass der Römer beim ersten Anlauf nicht bestanden hat. Aber noch einen Anlauf wollte ich nicht riskieren. Ich muss die Zügel nun selber in die Hand nehmen.

Nun lese ich mich seit Tagen in die Prüfungsrichtlinien, Tipps, Tricks und Hinweise ein. Erstelle Arbeitsblätter, suche Übungen im Internet, teste sie selber und merke erst wie dämlich und schwierig die Aufgaben sind.

Meine selbst gestalteten Arbeitsblätter

Da gibt es diese eine Aufgabe, die wahrlich schwierig ist: Ein Lückentext. Egal in welcher Sprache, ich verabscheue Lückentexte. Also quälte ich mich durch diesen Lückentext – den Lösungsschlüssel neben mir. Meine Erfolgsquote lag beim ersten Test bei 90%. Gar nicht so schlecht. Aber man sollte bedenken, dass das meine Muttersprache ist. Ich spreche seit nun fast 30 Jahren keine andere Sprache, lernte und studierte auf Deutsch, belegte den Deutschleistungskurs und trotzdem musste ich darüber nachdenken, welche Präposition nun passt. Jetzt stellen wir uns einen Ausländer vor, der nun alles daran setzt Deutsch zu lernen und mit unsäglichen Lückentexten gequält wird.

Aber ich gebe nicht auf. Ich bringe uns durch diesen Deutschtest – da bin ich mir sicher. Auch wenn ich meine komplette Freizeit dafür investiere.

Heute sprach der Römer über ein temporäres Jobangebot für einen Sportverein in Rom. Es wäre ein Engagement für den Monat August. Da wir dort eigentlich unseren Jahresurlaub geplant hatten, hatte ich natürlich Einwände. „Ma mi sento inutile!“ [Ich fühle mich nutzlos] gab der Römer zu. „Ich arbeite in der Pizzeria und mache die Kasse und bediene die Leute. Aber das, was ich studiert habe, kann ich seit zwei Jahren nicht mehr anwenden, weil die Sprache fehlt. Ich fühle mich einfach wie ein Nichtsnutz. Deswegen habe ich das als Lichtblick gesehen.“ Auch wenn ich nicht begeistert bin, wenn dafür unser Jahresurlaub leiden muss, so verstehe ich doch seine Intention.

Wie dem auch sei, ich vertiefe mich dann mal wieder in meine Grammatikbücher.

Die Deutschprüfung

Jetzt ist es also soweit. Auf den Moment haben wir zwei Jahre hingearbeitet:

Morgen fliegt der Römer nach Rom und macht seine Deutschprüfung. Warum er sie nicht in Deutschland macht, was viel naheliegender wäre? Vielleicht kann ich es mit einem kleinen Dialog, der vor Monaten stattfand, aufklären:

Der Römer beim Verben lernen in der Bibliothek

Amore, die Schule hat mir diesen Anmeldebogen zur Deutschprüfung mitgegeben. Im März wäre diese Prüfung. Aber ich glaube, dass ich im März noch nicht bereit bin. Ich brauche noch ein Monat mehr. Im April – da bin ich aber sowas von bereit.“ versucht der Römer mich zu überzeugen.

„Na gut, dann machst du sie halt im April. Der eine Monat hin oder her – das ist ja kein Problem. Und wo in unserer Stadt findet die Prüfung statt?“ fragte ich interessiert.

Ah… giusto! [richtig] Darüber wollte ich mit dir reden. In Rom findet die Deutschprüfung für mich statt!“ antwortete er mit einem gewinnenden Grinsen.

„In Rom?!?!? Warum das denn?“ Mir fiel alles aus dem Gesicht.

Allora, è così: [Also, es ist so] Ich habe mir überlegt, dass ich die Prüfung natüüürlich in unserer Stadt machen könnte, ABER die Prüfer sind ja alle Deutsch. Aber in Rom sind die Prüfer nicht alle aus Deutschland, sondern Italiener, die gut Deutsch sprechen. Genau wie ich! Deswegen sollte es da doch viel einfacher sein.“ versuchte er mich zu überzeugen.

„Hm… lass mich das noch einmal zusammen fassen. Punkt Nummer eins: Du bräuchtest also ein Flugticket um nach Rom zu fliegen, anstatt einfach mit dem Fahrrad zur Prüfung zu fahren? Punkt Nummer zwei: Dazu möchtest du die DEUTSCH-Prüfung – und hier betone ich das Wort DEUTSCH – in Italien machen, weil es da einfacher ist, obwohl die Prüfung weltweit genormt ist – italienische Prüfer hin oder her. Ich verstehe.“ fasste ich unverständnisvoll zusammen.

Si, è cosi! [Ja, so ist es] Die Signora vom Institut hat mir auch schon geschrieben – sie freuen sich sehr mich Anfang April bei der Prüfung zu begrüßen.“ erwiderte er ganz selbstbewusst.

„Bitte was?! Du bist schon angemeldet?! Du führst hier dieses Drama auf mit dem Anmeldebogen deiner Schule, nur um mir am Ende zu sagen, dass du schon längst im April in Rom angemeldet bist?“ Meine Stimme überschlug sich förmlich und mir platzte der Kragen.

Der Römer fühlte sich einen Moment ertappt. Dann sah er seine Chance und fing ganz charmant an: „Aber Amoooore! Ich mach‘ das doch nur zu deinem Schutz. Du musst dich nicht stressen, ich habe ein besseres Gefühl und somit bestehe ich doch auf alle Fälle. Ganz sicher. Das ist doch eine ganz einfache Geschichte in Rom. Heimspiel sozusagen. Und – es ist alles schon geregelt. Du sagst doch immer, ich soll mich um mehr Sachen kümmern. Ecco! [Schau] Ich habe mich darum gekümmert und schon ist es dir wieder nicht recht. Was willst du eigentlich?!“ Der Römer zuckte mit den Achseln und klappte seine Unterlippe um.

„Mo-moment mal! Bitte verdrehe nicht die Tatsachen. Ich wollte, dass du mehr Sachen übernimmst – ja. Aber denk‘ doch bitte ab und zu rational!“ bemerkte ich aufgebracht.

Aooooo! [Römischer Ausruf] Aber das ist rational. Ich habe mich selbstständig zur Deutschprüfung angemeldet, schlafe bei Giovanni und zufällig ist am letzten Tag der Prüfung auch noch der Geburtstag von Paolo. Io prendo due piccioni con una fava. [Ich schlage zwei Fliegen mit einer Klappe] Taaaaack!“ versuchte er mich zu überzeugen.

„Mach einfach was du willst, aber versuche die Prüfung zu bestehen. Und egal was ist: Wenn du nicht mindestens fünf Cannoli (zwei mit Ricotta, zwei mit Mandeln und eins mit Pistazie) bei meiner sizilianischen Lieblingsbäckerei mitnimmst, dann brauchst du gar nicht zurückzukommen.“ knurrte ich.

„Aber die Cannoli muss man vorbestellen!“ versuchte sich der Römer aufzuregen.

„Ja, du bist doch jetzt so gut im selbstständig Organisieren. Dann sollte das doch ein Leichtes sein!“ grinste ich nun siegessicher an. „Allora, in bocca al lupo!“ [Na dann viel Glück]

„Crepi il lupo.“ antwortete der Römer zerknirscht und griff zum Telefon um meine Cannoli vorzubestellen.