Eine Hand voll Muscheln und Sand

Bei diesem schmuddelig-kalten Wetter ist mir ein Blogbeitrag in die Hände gefallen, den ich im Urlaub am Strand geschrieben habe. Hoffentlich wärmt er genau so wie eine warme Kürbissuppe, die auf dem Herd vor sich hinköchelt oder die Kuscheldecke auf dem Sofa.

Eine Hand voll Muscheln und Sand bedeuten doch überall Glück, oder? Egal in welche Sprache. Egal mit welcher Währung gezahlt wird. Egal in welchem Land und an welchem Strand.

Eine Hand voll Muscheln und Sand bedeutet Freiheit, salzige Meerluft. Es bedeutet einen Moment sorglos zu sein. Tief durchzuatmen während die Meeresbrise sanft die sonnengebräunte Haut streichelt. Es bedeutet Familien mit Kühlboxen voller Köstlichkeiten, die liebe- und mühevoll zusammengestellt wurden. Es bedeutet Eis, dass viel zu schnell schmilzt und Geschmackssorten, die oft so künstlich sind, dass man sie nur im Sommer am Strand essen kann. Es bedeutet Fußabdrücke im warmen, hellen Sand. Es bedeutet Wellen, die dich umspielen um dich langsam ins Meer zu ziehen. Lauwarmes, salziges Meerwasser, Luftmatratzen in grellen Farben, windschiefe Sandburgen, morsche, ausgeblichene Holzplanken, über die man bis zum Strand balanciert.

Es bedeutet, Urlaubsbekanntschaften an der immer selben Strandbar zur immer selben Zeit zu treffen. Nur die Haut- und Haarfarbe verändert sich. Während die Haare ausbleichen, das dunkelblonde Kleinkind nun fast hellblond ist, wird die Haut dunkler. Bei manchen erst rot – und das in allen Schattierungen, bei anderen ein hübsches braun, dass so wunderbar zum weiten, weißen Leinenkleid passt. Es bedeutet Kaffeeduft und eine große Flasche Wasser, an der die Wassertropfen abperlen und sich ihren Weg bahnen um eine hübsche, kleine Pfütze auf dem Holztisch zu bilden.

Eine Hand voller Muscheln und Sand bedeutet auch Wassermelonenkerne-Weitspucken. Die riesigen, süßen Wassermelonen des Südens mit ihren Rabenschwarzen Kernen. Es bedeutet Schwimmsachen, die im Wind in wenigen Minuten wie von Zauberhand trocknen. Es bedeutet Gummikrokodile, die mit voller Lebenslust von jungen Abenteurern gekapert werden, nur dass sie sie dann wieder ins Meer plumsen lassen, wenn sie nicht aufpassen. Es bedeutet pappsüße Granita, abends, auf warmen Steinstufen zu schlürfen oder zu löffeln.

Es bedeutet fangfrischer Fisch, der wunderbar nach Salz und Meer riecht, gebraten mit ein wenig Olivenöl und Rosmarin auf dem Grill. Beträufelt mit frischer, sonnengelber Zitrone aus Nachbars Garten. Es bedeutet Gemüse aus dem Garten. Gurken, so aromatisch, dass man sich schwört, nie nie nie wieder ihre traurigen Artgenossen in Plastikfolie eingeschweißt im Supermarkt zu kaufen. Es bedeutet warme Nächte, die nur durch den Ventilator und das dünne Betttuch erträglich werden.

Und am Ende des Urlaubs bedeutet es, immer nochmal ein paar Sandkörner im schon ausgepackten Koffer zu finden. Vielleicht auch eine kleine Muschel, die sich keck reingeschmuggelt hat.

Eine Hand voll Muscheln und Sand sind vielleicht die Währung des wahren Glücks auf dieser Erde.

Gjiri i lalzit – verursacht einen Knoten in der Zunge beim Aussprechen, ist dafür aber tausendmal schöner als die Aussprache. Versprochen.

Autofahren in Albanien

Autofahren in Albanien

Vorab die gute Nachricht: Sollten Sie, liebe Leser, das Fahren eines Kraftfahrzeugs nicht so gut beherrschen wie sie es gerne würden, dann machen Sie sich keine Sorgen. Man wird es Ihnen nicht übel nehmen. Sollte die letzte Fahrt schon etwas länger her sein: Keine Panik! Sie befinden sich in bester Gesellschaft.

Im Buch „Lügen auf Albanisch“ von Francine Prose (muss ich das jetzt mit *Werbung kennzeichnen?! 😄) beschreibt die Protagonistin Lula wie und warum ihre Landsmänner so Auto fahren wie sie es eben tun: Unter Enver Hoxha gab es keine Privatautos, nur „Parteibonzen“ sei es erlaubt gewesen, Auto zu fahren. Nachdem das Land geöffnet wurde, stürzten sich alle gierigst darauf, auch ein Auto zu besitzen. „Erst einmal besitzen – das Fahren kommt von allein.“ so dachte und denkt man – bis heute. Das Problem ist: alle fahren als hätten sie den Führerschein erst seit fünf Minuten.

Ich lasse Sie gerne an einigen Beispielen teilhaben:

Der Blinker wird grundsätzlich nicht benutzt. Das ist etwas für Ausländer. Man wird schon am Bremsverhalten merken, dass das Auto vor einem einscheren möchte. Ausgleichend dafür wird gerne die Warnblinkanlage benutzt. Leidenschaftlich und oft – meist ohne ersichtlichen Grund. Man fährt einfach gerne mit dieser Disko ähnlichen Lichtinstallation durch die Dörfer. Dazu kommt: Das Fernlicht ist meistens an. Komme was da wolle. Man möchte auch was sehen.

Einzige Ausnahme: Wenn man die Lichthupe benutzen muss. Dann setzt man das Fernlicht für ein paar Bruchteile von Sekunden aus. Man verdeutlicht gerne, dass man als größeres Auto das Vorrecht auf der linken Spur hat und ein Kleinwagen da nun wirklich nichts zu suchen hat.

Hindernisse gibt es auch unzählige: Die reichen vom betrunkenen Großvater auf dem Rad (mit einem sehr großen und fantasievollen Wendekreis) über streunende Hunde, die das Prinzip Auto noch nicht verstanden haben und keinen Zentimeter von der Straße weichen, bis hin zu Schlaglöchern, so groß wie bayerische Seenlandschaften, die aus dem nichts auftauchen. Rechnen Sie immer mit allem.

Dazu gibt es noch die Bonusversion, die aus albanischen Hochzeiten (meistens Donnerstags oder Sonntags), waghalsigen Überholmanövern, plötzlich bremsenden und anhaltenden Autos auf der rechten Spur der Autobahn, Obst, das von den Obstständen in die Straße kullert, Esel- und Pferdekarren (ja, ich dachte auch, es ist ein Klischee – aber fahren Sie mal auf ruraleren Straßen), Müttchen, die in Trauben auf der Autobahn spazierengehen,… usw. besteht.

Es gibt keinen – und zwar wirklich keinen Spezialeffekt – den es nicht gibt. Seien Sie auf alles gefasst. Wirklich auf alles! Aus dem nichts.

Vielleicht können Sie nicht wirklich gut Auto fahren. Das sollte, wie eingangs erwähnt, kein großes Problem sein. Aber Sie sollten eine schnelle und ungetrübte Reaktionsfähigkeit haben. Seien Sie auf alles vorbereitet und schonen Sie Ihre Stimme. Sie werden die Fahrweise der Albaner nicht ändern. Die Albaner werden aber wiederum Ihre Fahrweise ändern. Man wird nachlässiger, mutiger, man wendet, wo es gerade passt oder man zieht in letzter Sekunde raus, weil ein Auto auf der rechten Spur plötzlich auf der Autobahn parken muss (ohne Warnblinkanlage – das wäre ja pure Übertreibung). Letzteres empfehle ich Ihnen nicht, wenn Sie den Kleinwagen haben und das Auto, das hinter Ihnen bremsen muss ein teurer SUV ist. Aber es ging ja nochmal gut. Stichwort: Reaktionsfähigkeit.

Noch ein Tipp: Die besten Restaurants finden Sie in den entlegensten Gegenden. Wundern Sie sich nicht, wenn plötzlich die Straße aufhört und nur noch eine bergige Schotterstraße den kläglichen Weg weißt. Sie werden belohnt – hier zum Beispiel:

(Verzeihen Sie mir meine kläglichen Fotokünste – ich war mit Essen und Genießen beschäftigt)

Das Restaurant ist – wie sollte es auch anders sein – auf Fisch spezialisiert. Etwas unterhalb gibt es eine kleine Badebucht mit Liegen. Ach, und wenn Sie genervt sind von den zwei kleinen Kätzchen, die auf der Terrasse rumschleichen und um ein Stück Fisch miauen: Geben Sie nach! Danach beruhigen Sie sich. Glauben Sie mir, eine andere Möglichkeit haben Sie nicht. Auch nicht beim Autofahren.