Donnerstag, 25.08.2022
Auch meinen heutigen Zustand kann man als durchaus unausgeglichen bezeichnen. Alles kommt gleichzeitig zusammen: Die bleierne Müdigkeit, die sich in der vorherigen Woche in Bayern akkumulierte. Das Kind, das ständig ausrastet und vermutlich eben so müde ist wie wir. Das Bett der Ferienwohnung, das bei jedem Zucken quietscht. Das pure Leben, das nachts in der Bar unten an der Straße aus den Gästen und Boxen des Lokals dringt. Die Müllabfuhr, die um 4 Uhr nachts die an Müll erstickende, italienische Hauptstadt von eben diesem befreit. Und: Die Ferienwohnungsnachbarn, die um 7 Uhr morgens mit Koffern rumpelnd aus der Wohnung unter uns ausziehen. Am liebsten würde ich auch meine Koffer packen und heimfahren. Ganz Gentleman und frei nach dem Motto „Happy wife, happy life.“ bietet mir der Gatte um 8 Uhr morgens das nicht quietschende Einzelbett in der Ecke des Zimmers an. Ich schlafe noch einmal eineinhalb Stunden und bin fit. Ein Hoch auf die schnellen und effektiven Regenerierungszyklen meines Körpers, die um einiges kürzer geworden sind seitdem ich Mutter bin.
Morgens holt der Römer Brioche, die sich wirklich als solche bezeichnen dürfen. Innen fluffig, außen süß und knusprig. Ich frage den Römer, wo er diese Croissants gekauft hat und er erzählt mir, dass die Bar „Il Siciliano“* heißt. „Là e‘ un po signorile. Ma hanno dei brioche buoni.“ [Dort ist es ein bisschen vornehmer. Aber sie haben gute Croissants.], erklärt mir mein Gatte und er hat vollkommen recht. Die Croissants sind wirklich richtig, richtig gut.
Noch während des Frühstücks beratschlagen wir uns über die heutige Tagesplanung. Der Römer schlägt das Pantheon vor, das gleichzeitig sein Lieblingsbauwerk in Rom (und weltweit) ist. Mir wird ein bisschen unwohl bei der Aussicht, das Kleinkind bis vors Pantheon zu schleppen und so schlage ich etwas weniger anstrengenderes vor: den botanischen Garten. Der Römer war das letzte Mal 2003 im botanischen Garten in Rom und stimmt meinem Vorschlag zu.
13 Gehminuten später, von denen Signorino 10 Minuten getragen werden wollte, erreichen wir den orto botanico. Selbst im August ist er überraschend ruhig und stellenweise angenehm kühl.
Der botanische Garten in Rom
Details in der Schnellübersicht
Adresse: Largo Cristina di Svezia, 24
Eintritt: 4 Euro. Kinder von 0-5 Jahre umsonst. Das Schmetterlingshaus ist nicht im Eintrittspreis inkludiert und kostet nochmals 4 Euro Eintritt.
Öffnungszeiten: April – Oktober 09:00 – 18:30 Uhr; November – März 09:00 – 17:30 Uhr.
Welche Vorteile bietet diese Sehenswürdigkeit mit Kleinkind?
Es gibt viel zu entdecken und das Kleinkind kann frei herumlaufen. Achtung: Am Hang (steil!) bzw. in den japanischen Gärten ist etwas Vorsicht geboten, da dort Wasser ist.

Es gibt Toiletten in ausreichender Anzahl und Verfügbarkeit, sowie einen Wasserbrunnen (beim Schmetterlingshaus) zum Wasser auffüllen. Dazu stehen viele Sitzbänke zur Verfügung, um zu rasten.
In der Nähe des Eingangs des botanischen Garten gibt es ein kleines Café, das aber unter der Woche (oder im August?) geschlossen hat.

Für Kinderwagen ist der botanische Garten sehr gut geeignet.
Alles in allem ist auch dieser Ausflug in Rom gut mit Kleinkind und Baby machbar.


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Danach greife ich zu meiner bereits erprobten Methode und wir locken das Kind mit einem Eis aus dem Garten. Natürlich muss es Schokoladeneis sein und natürlich muss ein waffelartiger Keks im Eis stecken. Heute und in dieser Ecke Trasteveres haben wir Glück und so finden wir gleich eine Eisdiele. Um das Eis zu essen, setzen wir uns auf die Stufen einer Schule neben der bekannten Apotheke „Farmacia di Santa Maria della Scala“, die schon in manchem Film mitwirken durfte. Das Kind ist begeistert. Nicht etwa, weil wir ihm so beeindruckende Orte zeigen, sondern viel mehr vom Schokoeis. Wie gucken den Touristen und Einheimischen zu, wobei uns Signora Clara darüber unterrichtete, dass Trastevere nur noch das Zuhause von Touristen, nicht aber von alteingesessenen Römer*innen sei. Die meisten seien weggezogen – nach Testaccio oder Monteverde Vecchio. Der Römer unterbricht meine Gedanken an den Austausch mit Signora Clara und fragt mich „Warum tragen Deutsche eigentlich immer Wanderstiefel in Rom?“. Es schlürft ein vermutlich Deutscher Staatsbürger mit kariertem Hemd, kurzer Wanderhose und knöchelhohen Wanderstiefeln vorbei und guckt unter seinem Fischerhut interessiert nach links und rechts. Ich fixiere den Herrn und denke nach. Dabei schöpfe ich aus meinem Erfahrungsschatz, als ich noch für einen Reiseveranstalter Romreisen organisieren durfte. Vorsichtig versuche ich mich an einer Antwort: „Amore, ich kann es mir nur so erklären, dass man hier alles zu Fuß machen muss und die Straßen eben sehr uneben sind. Dort knickt man schnell mal um und wer will schon im nicht deutschsprachigen Ausland im Krankenhaus liegen und tagtäglich mit der Versicherung telefonieren? Rom ist bereits Abenteuer genug, deswegen will man gleich vorab die größten Risiken wie gebrochene Knöchel ausschließen. Ansonsten kann ich dir sagen, dass wir in unseren Reiseunterlagen „festes Schuhwerk wird empfohlen“ geschrieben haben und ja, diese Wanderstiefel sind definitiv als solches zu werten.“ Mein blickt fällt auf meine dünnen Sommersandalen. Auch der Römer muss grinsen. „Aber du hast keine Wanderschuhe oder Wandersandalen an, obwohl du Deutsche bist.“ stellt der Römer belustig fest. „Ich spreche die Sprache und wenn ich umknicke, bleibe ich eben hier und lasse mich im Krankenhaus ganz in Ruhe gesund pflegen. Vielleicht kann ich dann auch endlich diesen Roman beenden, den ich vor Monaten angefangen habe? Ich würde sagen, das ist ein sehr überschaubares Risiko für mich.“ Der Römer wird etwas blass um die Nase, denn er sieht sich vermutlich schon alleine den Laden mit Signorino schmeißen. „Ganz falsch wären aber Wandersandalen nicht für dich. Oder zumindest Turnschuhe…“, antwortet er. „Danke, ich bleibe lieber bei meinen Sommersandalen.“, gebe ich zurück und stibitze mir ein Löffelchen Schokoeis von Signorino.
Auf dem Heimweg, wie sollte es anders sein, gehen wir bei La Renella vorbei und holen Pizza. Wie immer will das Kind nur Pizza Bianca und so toben wir uns bei den anderen Sorten aus. Rom ist mittlerweile backofenheiß und so beeilen wir uns heimzukommen. An einer Straßenecke schaut der Römer den Touristen auf den Teller, die gerade angestrengt ein Foto ihres Essens mit dem Handy machen. „Also hier essen wirklich nur Touristen.“ sagt er etwas zu laut auf Italienisch. Ich frage ihn, woran er das erkennen will. „La pizza sembra immangiabile. [Die Pizza scheint ungenießbar zu sein.] “ Ich gucke nun ebenso interessiert auf den Teller des Touristenpärchens. Irgendwie hat er recht. Die Pizza erinnert eher an amerikanische Fastfoodketten als an Pizza made in Italy. Hauptsache die Gäste sind zufrieden.
Vor der Haustüre treffen wir die Partnerin des Vermieters Gabriele und fragen sie nach dem ausgeschriebenen Bügeleisen. Blöderweise haben wir all unsere Sommersachen ungebügelt in den Koffer geworfen und darauf vertraut, dass die Ferienwohnungsausstattung genau so vorzufinden sei. Sie bringe uns gleich eines, antwortet die freundliche und engagierte Partnerin Gabrieles. 45 Minuten später steht sie mit einem neu gekauften Bügeleisen vor unserer Türe. Wir bedanken uns herzlich und ich freue mich sehr über unseren neuen Mitbewohner: Immerhin kann ich nachts nun die Bügelwäsche erledigen, wenn ich aufgrund des quietschenden Bettes nicht schlafen kann. 😉
Wir essen in der Zwischenzeit, dann legen Signorino und ich uns ins Bett. Der Römer arbeitet für sein Projekt in der oberen Etage der Wohnung. Das Kind schläft 3,5 Stunden, weil es so geschafft ist. Ich begnüge mich mit 1,5 Stunden und tippe dann den Text für mein Reisetagebuch ab.
Abends holen wir wieder etwas bei Restaurantfreund A. und fallen um Mitternacht ins Bett. Reisen ist echt anstrengend.
*Werbung, unbezahlt und unbeauftragt, aus Überzeugung.