A wie Rind, B wie Haus

Die verborgene Schönheit eines Studienmoduls entdeckte ich in der Vergangenheit recht schnell. Irgendetwas Interessantes wurde einem immer geboten. Beim Thema Typografie ist die Schönheit sehr schwer zugänglich, so dass selbst der zweite und dritte Blick nicht genügen. Mittlerweile bin ich bei Lektion 3 (von 6) angekommen und ich weiß nun, was Ligaturen sind. Es sind Buchstabenkombinationen von mindestens zwei Zeichen. Dies kann ein fi (typografische Ligatur) oder eine Tonligatur wie Æ sein. Das „&“-Zeichen ist zum Beispiel eine Wortligatur.

Generell muss ich sagen, dass dieses Wissen zu den Dingen zählt, auf die ich gut und gerne verzichten hätte können. Ich lebte 31 Jahre sehr gut ohne dieses Wissen über Ligaturen und kann mir durchaus vorstellen, dass ich weitere 31 Jahre sehr gut ohne gelebt hätte. Aber nun weiß ich es und teile es mit Ihnen, denn geteiltes Leid, ist halbes Leid.

Das einzig spannende, das ich lernte, war, dass sich der Buchstabe A vom phönizischen Alef = Rind ableitete. Man stilisierte also ein Rind. Aus Alef (=Aleph) wurde im griechischen Alpha. Der Rinderkopf wurde um 90 Grad gedreht. Das „A“ entstand, das die Römer geschickt von den Griechen abkupferten.

Sei sehen das Rind doch auch, oder?

Dasselbe Spiel passierte mit dem griechischen Buchstaben Beta. Im phönizischen als „Beth“ (= Haus) erschaffen. Man versuchte also mehr schlecht als recht ein Haus zu malen. Zugegeben, das Haus hatte etwas Schieflage und eine Wand fehlte. Zum Vergleich habe ich Ihnen das „Haus vom Nikolaus“ gemalt. Ein Spiel, das wir in der Grundschule spielten. Man darf dazu den Stift nicht absetzen, sondern muss das „Haus vom Nikolaus“ in einem Rutsch zeichnen. Wie Sie sehen, ist es mir auf Anhieb nicht gelungen.

Falls Sie wissen wollen, warum Gamma einen Kamelrücken darstellt, dann schauen Sie sich gerne diese Liste an und lassen Sie sich verzaubern von der phönizischen Schrift, die wiederum nach Griechenland transportiert wurde, weil die Phönizier fleißige Händler waren und auch dort Handel betrieben.

Nachtrag: Wer bei wunderbaren Gerda schmökern möchte, um die Raffinesse der griechischen Buchstaben zu entdecken, dem sei ihr Alphabet sehr ans Herz gelegt: Starten Sie am besten mit A wie Alpha (Alpeh), um dann gleich zum B – Beta – Beth zu finden – und eh Sie sich versehen, sind Sie tief drin im Buchstaben-Dschungel und können auf dem nächsten Treffen unter Freund:innen richtig auftrumpfen. 🙂

Ich stürze mich derweil in Lektion 3 „Schriftklassifikation“ und bin gespannt, was ich Ihnen darüber berichten kann.

Haben Sie einen guten Start ins Wochenende!

Ihr/e Hausarzt/-ärztin schreibt nicht hieroglyphisch

Nun habe ich das Thema unitechnisch so lange aufgeschoben, dass ich es jetzt wohl oder übel bearbeiten muss: Typografie – Schrift entdecken.

Mein erster Impuls als Gewohnheitstier war natürlich, dass ich gar nichts entdecken möchte, da nicht jede Entdeckung unbedingt positiv ist. Zu oft, vielleicht kennen Sie das, entdeckte ich etwas negatives, weswegen ich gut und gerne auf neue Entdeckungen verzichten kann. Doch leider, leider hilft das ganze Jammern und Lamentieren nichts – diese Schriften möchten von mir entdeckt werden, sagt die Universität.

Und dabei ist mir etwas ganz erstaunliches eingefallen. Mein Kopf neigt (gerade bei diesen heißen Temperaturen) gerne dazu, abzuschweifen und sich selbstständig zu machen, während ich versuche, ihn zu knebeln und Wissen in ihn zu zwängen. Es ging in meinem Skript-Text altägyptische Hieroglyphen, bei denen mir zuerst die Schrift meines Hausarztes in den Sinn kam, wenn er irgendetwas aufschreibt. Vermutlich haben Medizinstudent*innen im Laufe ihrer Universitätskarriere das Modul „Altägyptische Hieroglyphen – Rezepte und Botschaften richtig schreiben mit der Hand“, das eben so beliebt ist wie mein Typografie-Modul. Doch dort lernen sie nicht hieroglyphisch, wie es vom gemeinen Fußvolk gerne angenommen wird, sondern meines Erachtens demotisch.

Denn, und hier kommen wir zum springenden Punkt, es gibt drei verschiedene Hieroglyphen-Stile.

Da wäre der hieroglyphische Stil mit Abbildungen von Pharaonen, Adlern, Sphinx und Co. Er war der erste Stil, der sich entwickelte. Die Anfänge können auf ca. 2900/2800 v. Chr. datiert werden. Um ca. 500 – 100 v. Chr. verschwand die Hieroglyphenmalerei.

Dann gibt es den hieratischen Stil, der sich parallel zum hieroglyphischen Stil ab ca. 1900 v. Chr. entwickelte und als „starrer, monumentaler Repräsentationsstil“ bezeichnet werden kann. Um 400 v. Chr. entwickelte sich der demotische Stil, die Alltagsschrift, welche bis 100 v. Chr. benutzt wurde. (Quelle: Brockhaus 1992, S. 65)

Da ich mir geschriebene Jahreszahlen schlecht vorstellen kann, dachte ich mir, ich bastle uns einen Zeitstrahl.

Aber wie sehen sie aus, diese hieroglyphischen, hieratischen und demotischen Stile? Sehr schön fand ich diese Grafik, in der der Unterschied gut zu erkennen ist. Wenn Sie sich diese genau anschauen, werden Sie merken: Ihr Hausarzt/-ärztin schreibt gar nicht hieroglyphisch, sondern eher demotisch. Manche sicher auch hieratisch, aber hieroglyphisch, nein, so schreibt wirklich kein Arzt/keine Ärztin.

Falls Sie zu diesem Thema etwas ergänzen wollen, weil Sie es ganz genau wissen, zögern Sie nicht und klären Sie mich auf. 🙂 Wie immer bin ich um jeden Impuls dankbar.

Das Beitragsbild zeigt übrigens die gut leserliche „römische“ Schrift. Mein Gatte wünschte mir viel Glück für die Prüfung letzte Woche.