Ach, was war das für eine herrliche Weihnachtszeit! Es war ganz anders als das klassische Weihnachtsfest, das ich aus meiner Kindheit kenne: Es gab keinen Tannenbaum, kein Kerzenlicht und auch nur wenige Geschenke. Gleichzeitig war aber auch niemand gestresst. Ich erzähl Ihnen mal wie es dazu kam und wie wir Weihnachten und die dazu gehörige Adventszeit begangen haben:
Vorgeschichte
Es muss 2016 angefangen haben, als ich als dienstjunge Flugbegleiterin ohne Kinder grundsätzlich an Weihnachten durch die Welt geschickt wurde. Ab und an bekam ich es noch hin, zumindest in Europa zu bleiben und erst am 25.12. morgens aufzubrechen, aber es geschah auch, dass ich Bereitschaftsdienst kurz vor Weihnachten hatte und angerufen wurde, dass ich am 23.12. nach Japan fliegen musste durfte. Weihnachten und das Weihnachtsessen beging ich gemeinsam mit meiner Flugcrew, die ich erst wenige Stunden zuvor kennengelernt hatte. Es waren nette Stunden und Tage, in denen wir Weihnachten im Hotelrestaurant feierten, Fahrrad durch Nagoya fuhren und bei milden Temperaturen das Nagoya Castle besichtigten. Ich merkte, dass Weihnachten auch ganz anders gefeiert werde kann und der Gedanke gefiel mir.
Dann kam Signorino in unser Leben und ich erinnere mich wie heute, dass ich dachte, jetzt muss ich den ganz großen Eventcharakter-Koffer für Weihnachten öffnen. Alles muss noch glänzender, noch weihnachtlicher als in meiner Kindheit sein. Doch Signorino hatte andere Pläne mit uns: Er schrie so furchtbar viel, schlief so schrecklich wenig und jede neue Situation (und sei es nur ein Spaziergang) machte die eh schon kritische Situation noch viel unerträglicher, so dass jeglicher Weihnachtszauber in den ersten beiden Lebensjahren Signorinos ausfiel. Im dritten Lebensjahr versuchte ich es dann mit selbstgebastelten Adventskalendern und merkte schnell, dass ich dafür gar keine Energie mehr übrig hatte. Ich stampfte die Idee der nostalgischen Weihnacht mit kerzengeschmückten Weihnachtsbaum und schön geschmückter Wohnung noch in den ersten Dezembertagen des Jahres 2022 ein.
Das konnte ich auch, denn der Römer hatte keinerlei Vorgaben für Weihnachten. Als Moslem war ihm das Fest komplett egal. Er machte gerne mit, er half auch bei der Umsetzung meiner Ideen, aber planen oder eine Idee einbringen wollte er nicht. Das war mein Glück, denn ich konnte bewusst Weihnachten so gestalten wie ich es mir wünschte – ohne die Kindheitserinnerungen meines Partners zu zerstören. Wie auch? Es gab ja keine.
Schlussendlich überlegte ich mir, was mir wichtig war: Zeit mit meinen Lieben, gelebte Gemütlichkeit und gutes Essen. Alles andere war für mich nicht zwingend notwendig.
Der Weihnachtsbaum
Und so konstruierten Signorino und ich den Weihnachtsbaum aus Washi-Band an unserer Wohnzimmertür. Ich druckte Weihnachtskugeln und Dinosaurier aus und Signorino bemalte sie halbherzig. Er ist kein großer Maler. An Weihnachten selbst bemalten Tante Turtle und ich zusammen mit Signorino noch einen weihnachtlich-bunten Brachiosaurus und einen Allosaurus. Dann schnitt ich die Kugeln und Dinos aus und zusammen klebten wir sie an den Baum.
Der Adventskalender
Für einen selbstgebastelten Adventskalender oder einen Weihnachtswichtel hatte ich keine Zeit. Es war mir auch vollkommen unwichtig. Wichtig war, mir Zeit für mein Kind zu nehmen und nicht gestresst darauf zu warten, dass die Vorweihnachtszeit und die Feiertage endlich vorbei sein mögen und der Weihnachtsstress endlich nachlassen würde.
Am 05.12. kaufte ich Signorino einen deutlich reduzierten Adventskalender aus Schokolade. Ich hatte es vorher schlichtweg nicht geschafft. Es war auch nicht schlimm, denn meine Schwestern und meine Mama schickten uns jeweils einen Adventskalender. Wir waren also bestens ausgestattet.
Das Kind war im siebten Himmel. Nicht nur wegen der 3 Adventskalender von der Verwandtschaft, sondern auch weil er am 05. fünf Türchen öffnen und naschen durfte. Dennoch: Das Unverständnis war am 06. und auch noch am 07. Dezember groß. Warum kann man nicht jeden Tag 5 Türchen öffnen? 😉
Die Vorweihnachtszeit
Weil Signorino gerne backt, buken wir im Dezember blaue Plätzchen. Wir verzierten sie und ich renovierte danach die Küche. Auch blaue Pfannkuchen buken wir, denn Signorinos natürlicher Lebensraum ist die Küche. Das merkt man – er ist sehr geschickt. Warum Sie blau sind, wollen Sie wissen? Ich hatte Lebensmittelfarbe für Signorinos Geburtstagskuchen gekauft und wollte sie vorher testen. Deswegen wurde alles kurzerhand blau eingefärbt – inklusive des Teiges für die Tomate-Mozzarella-Quiche, was für irritierte Blicke seitens des Römers sorgte.
Die Geschenke & der Dresscode
Geschenke gibt es bei uns traditionell wenige. Zwei, drei kleine Aufmerksamkeiten – das war‘s. Vielleicht ist es vermessen, aber ich will Signorino vermitteln, dass es an Weihnachten nicht um Konsum, sondern um eine schöne Zeit mit seinen Lieben geht. Unser diesjähriges Weihnachten steht unter dem Motto “T’n’T” – Tuta & Tiramisù, also Jogginganzug und Tiramisù. Jeder soll sich wohlfühlen und nicht unter kneifenden Strumpfhosen oder zu engen Anzughosen leiden. Dennoch ist es niemanden verboten, im Glitzerkleid oder in giacca e cravatta (Anzug und Krawatte) an unserem Weihnachtsfest teilzunehmen.
Das Weihnachtsmenü
Zu Weihnachten überlegten der Römer und ich uns kurz vor Weihnachten ein Menü:
Focaccia mit Kartoffeln und Provolone, einer roten Pizza und einer Foccacia mit mit Oliven und Tomanten – dazu alkoholfreien, hellen Sekt von La Vialla
Anmerkung für mich selbst: War richtig klasse! Unbedingt wieder im nächsten Jahr – oder wahlweise den Römer davon überzeugen, eine Pizzeria al taglio in Frankfurt zu eröffnen
Vegetarische Gemüse-Pilz-Bourguignon mit Kartoffelstampf von Herrn Grün (da unser Gast Turtle Vegetarierin ist)
Anmerkung für mich selbst: War ok, aber der Römer besteht darauf, dass er nächstes Jahr lieber selber den Hauptgang auswählt und kocht
Tiramisu (nur echt nach dem Rezept von Gaillo Zafferano, bei dem ich jedesmal die Bedeutung von tuorli, also Eigelb, und albumi, Eiweiß, googeln muss)
Anmerkung für mich selbst: Genau so machen. Löffelbiscuit nur ein Mal auf jeder Seite eintunken, nicht 2x und genau ans Rezept halten – bloß keine künstlerische Freiheit!
Der Weihnachtseinkauf & die Vorbereitung auf Weihnachten
Am Donnerstagmorgen vor Weihnachten gingen der Römer und ich einkaufen und danach ins Frankfurter Städel*-Museum. Zu Mittag aßen wir nebenan im Liebighaus-Café*, übrigens ein absoluter Geheimtipp von Turtle. Kunst macht eben hungrig und zufrieden. Und: Wir hatten endlich Paarzeit. Am Nebentisch im Liebighaus-Café saß ein ca. 50-jähriges Paar. Sie flüsterte ihrem Ehemann zu: „Siehst du, Michael, so stelle ich mir eine besinnliche Adventszeit vor.“ Er nickte zustimmend und ich unmerklich auch.
Das Resümee
Dennoch mag ich die klassische Weihnachtszeit. Ich schaue mir gerne Weihnachtsdeko an. Ich mag geschmückte Tannenbäume, Weihnachtsmusik, Plätzchen und Weihnachtsdeko. Nur kümmern mag ich mich nicht darum. Lieber profitiere ich von den günstigen Gegebenheiten: Reisen sind in der Vorweihnachtszeit sehr günstig und Museen sind unter der Woche wenig besucht. 😉
In diesem Sinne: Egal, wo Sie sind und wie Sie Weihnachten verbringen, haben Sie schöne Feiertage. Genau so, wie SIE das wollen und für richtig halten.
P.S.: Die Spülmaschine läuft in diesen Tagen trotzdem nonstop, aber davon erzähle ich Ihnen morgen.
*Werbung, unbezahlt und unbeauftragt
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