6 Tage Streik – 5 Arbeitstage (Teil 1)

Tag 1 des Streiks: Training im Aviation Training Center

[Wenn man schon mal das Glück hat, in einer 6-tägigen Streikperiode 4 Anreisen zu haben, dachte ich mir, ich nehme Sie mal mit und zeige Ihnen, wie das alles so ist mit dem Flugbegleiter-Job, dem Streik und was nicht alles. Diesen Monat habe ich meine jährlichen Auffrischungsprüfungen, die wir – gesetzlich vorgeschrieben- absolvieren müssen.]

Mittwoch. 24.01.2024

Ich stelle mir den Wecker auf 05:20 Uhr, damit ich um 06:30 Uhr aus dem Haus gehen kann, um die Straßenbahn un 06:47 Uhr nehmen zu können. Von dort will ich mich mit der S-Bahn oder dem Vlexx-Regionalzug zum Flughafen Frankfurt durchschlagen. Mal gucken, ob das klappt.

Um 08:30 Uhr fängt Teil 1 von 2 meines jährlichen Flugbegleiter-Lizenzerhaltungstermins am Flughafen an.

Deutlich eher aus Frankfurt loszufahren, hat schon etwas skurriles. Normalerweise würde ich hier um 07:20 Uhr aus dem Haus gehen, aber man muss froh sein, dass während des Streiks überhaupt ein Verkehrsmittel fährt.

Turbowaschgang Deluxe im Bad. Deluxe deswegen weil ich im Homeoffice und Alltag keine dekorative Kosmetik benutze. Für meinen großen Auftritt bei der Fluglinie benutze ich etwas Puder, schwarze Farbe für die Augen und Mascara, sowie etwas Rouge. Man hat schließlich eine Berufsehre. Das Frühstück halte ich knapp. Ich habe sicherlich etwas Puffer im „Avation Training Center“ und werde dort ins Café der Fluglinie gehen. Ach ja, und auf die Toiletten im Pilot:innen-Trakt. Durch die niedrige Frauenquote in diesem Trakt sind sie besonders ruhig. 😉

Kurzer Check, ob ich alles dabei habe: Konzernausweis, Firmen-iPad, Taschentücher, Hustenbonbons, Stift, meine dünnes Nervenkostüm. Sieht gut aus!

Angekommen an der Trambahnhaltestelle warten mit mir zwei weitere Personen. Einer davon hat die gelbe Sicherheitsjacke an, die ihn als Loader/Rampagent des Flughafens outet. Die Tram fährt ein. Es ist eine früher und sie ist angenehm leer. Klar, wer ist um 06:42 Uhr schon auf den Beinen an einem Streiktag?

Weiter geht‘s zum Hauptbahnhof. Dort angekommen, bekomme ich sogar die Regionalbahn, die etwas früher losfährt. Am Bahnsteig steht sie zwar noch nicht, aber ich bleibe zuversichtlich, dass das alles klappt wie vorgesehen. Am richtigen Gleis stehe ich schon mal, denn es warten viele Menschen mit Koffern.

Und siehe da, die Bahn fährt pünktlichst ein. Ganz so, als würde sie das immer so machen. Die Menschen mit Koffern, die vorhin noch so zahlreich wirkten, verteilen sich dermaßen gleichmäßig in diesem Zug, dass ich einen Doppelsitz für mich alleine habe. Hach, beinahe lasse ich mich hinreißen, zu denken, ob nicht immer Streik sein könnte. Aber warten wir mal die Rückfahrt heute Nachmittags ab.

Der Zug fährt pünktlichst ab. Da kann ich gleich das große Frühstück im Aviation Trainings Center einnehmen. 😅

Am Flughafen angekommen, könnte ich jetzt den Personalbus suchen. Früher fuhr er von Terminal 1A. Jetzt soll er von 1C fahren. Da ich noch 1:10h habe, beschließe ich, lieber zum ATC* zu gehen. Dort angekommen, gehe ich in die Bartesse, wie unser Café heißt, und gönne mir ein Stück Marmorkuchen und einen Espresso für 2,50€ (-> Gesamtpreis). Die Preise sind hier sehr human.

In der Bartesse, voll mit Flugbegleiter:innen und Pilot:innen, ist es übrigens genau so, wie man sich das so vorstellt. Nüchterne, wortkarge, sehr sachliche Pilot:innen und Flugbegleiter:innen, die einander mit „Huhuuu! Hallo!!! Morgen, meine Süße (Schmatz, schmatz)!“ begrüßen. Ich kenne niemanden, also kann ich niemanden überschwänglich und schon gar nicht mit Schmatz begrüßen. Ja, Mensch, schade. 😉

Heute ist der angenehme Tag des zweitägigen Trainings: VR-Brille, sicherheitsrelevante Dinge und Neuerungen durchquatschen, dann ab zum Hands-On-Raum, bisschen üben, bisschen gucken, bisschen Gruppenarbeit. Und schon ist es 12:15 Uhr und damit Mittagspause, aber es ist so ungeheuerlich voll in der Kantine und im Café, dass ich kurzerhand ein weiteres Stück Kuchen kaufe. Das ist meine Notlösung, denn das Panino ist schon ausverkauft. „Kommen Sie in einer Stunde nochmal.“, sagt die freundliche Dame hinter dem Tresen. Blöd für mich – da habe ich Erste-Hilfe-Kurs. Ich telefoniere mit einem Flugbegleiter-Freund, der gerade Bereitschaftsdienst hat. Danach geht es zum Anschlusskurs: Zuerst der schriftliche Test, dann geht’s ans Wiederbeleben, Blutdruck messen, stabile Seitenlage, Sauerstoffsättigung messen, über den Arztkoffer an Bord reden und Fallbeispiele üben, so etwas eben.

In der kurzen Pause komme ich doch noch zu meinem Panino und es wird mir warm gemacht. Juhuuuu! Eine Kurs-Kollegin setzt sich zu mir. Sie hat vorhin im Kurs erzählt, dass sie 3 Jahre unbezahlten Urlaub hatte und nun wieder zurück ist. Unter anderem hat sie 3 Monate auf einer Alm gelebt, um Käse zu produzieren. Ich erkundige mich, wie das so war. Wir unterhalten uns so angeregt, dass wir 2 Minuten zu spät zum Unterricht kommen und ernten böse Blicke von anderen Teilnehmer:innen. Pünktlichkeit ist in diesem Beruf oberstes Gebot.

So, Theorie und Praxis der Ersten Hilfe bestanden und schon ist es 17 Uhr – Feierabend. Wegen 10 Sekunden verpasse ich den Personal-Bus. Der nächste kommt 6 Minuten später. Es sollte also noch klappen mit der angekündigten Regionalbahn.

Falls Sie sich fragen, wie so ein Aviation Trainings Center von außen aussieht: Dies hier wäre ein Ausschnitt davon.

Der Bus hält planmäßig bei Terminal 1C. Wir fahren vorbei an vielen, vielen Leuten, die viele, viele Taxis nehmen. Zu allem Überfluss ist aktuell auch noch die Messe „Ambiente“ in Frankfurt. Ob ihnen jemand flüstern sollte, dass die Bahn funktioniert – trotz Streik? Aber erst einmal abwarten, ob es wirklich so ist.

Ich husche nach unten zum Regionalbahnhof. Es warten tatsächlich einige Leute dort unten. Aber nur wenige mit Koffern. Die Regionalbahn kommt pünktlich und, ganz anders als normalerweise zu dieser Uhrzeit, ist die die Bahn sehr überschaubar besetzt. An der Tramhaltestelle am Frankfurter Hauptbahnhof stehen zwar ebenfalls ein paar Leute, aber in der Trambahn ist noch gut Platz.

Alles in allem war das ein sehr entspannter Streiktag und ein angenehmer Lizenztag Nr. 1.

Den Abend verbringe ich mit Lernen für Test Nummer 2 am Folgetag.

*Aviation Training Center

12 Kommentare

  1. Der frühe Vogel … pfeift auf den Streik. 👏 Ob es an den folgenden Tagen ebenso gutging? Dein Titel lässt anderes erwarten. Bin gespannt.
    Sehr nett von dir, dass du uns einen Blick hinter die Kulissen deines schönen, verantwortungsvollen Berufes gibst, liebe Eva.
    Hab einen entspannten Samstagabend! Herzliche Grüße, Anke

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