Schwesterliches Orchideen-Debakel

Der schwesterliche Haussegen hing schief. Natürlich nicht richtig schief, dafür haben meine Schwester Turtle und ich in der Vergangenheit schon zu viele Kämpfe ausgefochten. Eher so schief, wie ein ovaler Türkranz, der wegen einer einseitig angebrachten Dekoration einen Ticken zu weit in die eine Richtung hängt. Gerade so wenig, dass man es erst auf den zweiten Blick bemerkt, aber doch so viel, dass es bei jedem weiteren Türöffnen zu einem latenten Störgefühl führt.

Sie erinnern sich an meinen Beitrag zur Anti-Faltencreme, die Falten auslöste? Nun, bei meinen Beiträgen greife ich immer auf eigene Bilder zurück, um keine Urheberrechtsverletzungen zu provozieren.

Manchmal, ganz selten, greife ich auch auf Bilder zurück, die mir von Familie und Freunden zugeschickt wurden. Diese Fotos fallen natürlich auch unter die Kategorie Urheberrecht, deswegen frage ich vorher beim Eigentümer nach, ob ich sie auf meinem Blog verwenden darf.

Nur bei Turtle, der Fotografin des schrumpeligen Orchideenbildes, habe ich es schlichtweg vergessen. Eben genauso wie damals, als man vergessen hatte, die große Schwester vorher um Erlaubnis zu fragen, wenn man seine ersten, wackeligen Make-Up-Versuche mit ihrem Lidschatten machte. Das passiert schon mal unter Schwestern und endete meist in einem riesengroßen Zwist und viel Geschrei im Treppenhaus unseres Elternhauses.

Als ich ein Bild zum Thema Falten und faltiger Haut suchte, bediente ich mich meines Fotoarchivs. Aber was nimmt man für ein Titelbild bei diesem Thema? Ich suchte und suchte, minutenlang, und wurde immer ungeduldiger. Bis mir die leidvolle, ausgezerrte Orchidee begegnete. Ich nahm das Bild und lud es hoch. Ungefragt.

Und meine Schwester, im benachbarten Frankfurter Stadtteil, nahm ihr Smartphone in die Hand und las meinen Blogbeitrag. Sofort erkannte sie ihren Schützling, die leidende Orchidee, im Titelbild wieder.

Die Geschichte hinter dieser Orchidee geht nämlich so: Meine Schwester Turtle rettete diese Pflanze im Büro vor dem Ertrinken. Frustriert ob des vielen Wassers, zog sich die Pflanze zurück und schrumpelte so vor sich hin, während ihre Besitzerin (eine Kollegin von Turtle) sie mit immer mehr Wasser zum Trinken bewegen wollte. Irgendwann bemerkte Turtle die Notlage, in der die Orchidee steckte, und griff beherzt zu. Das arme Ding wurde noch am selben Tag in Turtles Wohnung transportiert. Sie legte die Pflanze trocken und topfte sie um. Dann schickte sie mir ein Bild von der Pflanze in Not. Nach einigen Tagen lieferte sie die Orchidee wieder im Büro ab. Weit weg von der Kollegin, die die Tropenpflanze beinahe auf dem Gewissen gehabt hätte, platzierte sie die Pflanze in ihrem Büro. Die Orchidee hingegen erholte sich ganz wunderbar, begann wieder zu trinken (in Maßen) und freute sich über ihr zweites Leben.

Sie können sich vorstellen, mit welchem Gefühl Turtle dieses Bild ihres Schützlings erspähte. Sie fühlte sich in ihrer Orchideen-Retter-Ehre gekränkt. Zurecht!

Sehr subtil drückte sie das aus, aber die Botschaft kam dennoch bei mir an. Natürlich reagierte ich sofort und bot ihr eine Klarstellung auf meinem Blog an. Man will sich ja nicht beim nächsten Familienessen aus dem Weg gehen, nur weil die kleine Schwester ein Bild vom schlechtesten Moment der Büro-Orchidee der großen Schwester auf ihrem Blog veröffentlichte.

Soweit käme es noch! Und wie würde man das wohl seiner Familie erklären? „Wir reden nicht mehr miteinander wegen eines Orchideen-Fauxpas!“ Vermutlich gab es in der Geschichte der Familienstreitigkeiten banalere Gründe für einen jahrelangen Zwist. Dennoch muss ich gestehen, dass ich weder einen banalen, noch einen komplexen Grund finden möchte, meiner Schwester Turtle aus dem Weg zu gehen.

So versprach mir Turtle unterdessen, dass sie ein Bild nachliefern würde vom aktuellen Wohlbefinden der Büro-Orchidee. Und das tat sie auch:

Wie Sie sehen, geht es der Orchidee bestens. Sie wird gehegt und gepflegt, und hat nochmal die Kurve gekriegt. Auch, und besonders, dank des beherzten Eingreifens meiner großen Schwester. Also nichts mit Schrumpel-Orchidee. Ganz im Gegenteil!

Deswegen, und das wollte ich klarstellen, werde ich es zukünftig unterlassen, Bilder von schwesterlichen Büro-Orchideen in einer Notlage zu veröffentlichen. Auch, um des lieben Familienfriedens Willen.

Versprochen Turtle!

20 Kommentare

  1. Liebe Eva, das ist ein tolles Beispiel dafür, einen wahren Blumenfreund zu erkennen.
    Ich? Falle da nämlich gänzlich raus, denn ich sehe nicht mal einen Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Foto, was jetzt das Aussehen der Pflanze anbelangt. Und das ist nicht mal durch die Blume gesagt. 😉)))
    Ginge es jetzt also nur um Pflanzenliebe, wäre mir das genauso passiert, wie dir. Ich habe nämlich keine (er-)innerliche oder persönliche Beziehung zu meinen Pflanzen.
    Mir wäre es aber denoch nicht passiert, weil mein Hobby die Fotografie ist und das Urheberrecht da eine absolute Wichtigkeit darstellt. Wäre das nicht der Fall, hätte ich bei einem schnöden Blumentopf wohl an alles gedacht, nur nicht daran, ein Copyright drunter zu schreiben. 🙂
    Jetzt scheint aber das Debakel wieder ausgemerzt zu sein, oder?
    Gut so und lasst es euch weiterhin gut gehen. LG Bea

    Gefällt 1 Person

    • Liebe Bea,
      ich musste bei deinem Kommentar sehr lachen. 😄 Ja, entweder man ist ein Pflanzenfreund oder man ist keiner. Bei mir musste diese Freundschaft erst mit den Jahren freigelegt werden. 😄 Vielleicht schlummert bei dir auch noch der grüne Daumen und wartet nur darauf, aufzuwachen? 😄
      Und mit dem Urheberrecht hast du absolut recht! Dein Hobby ist sicher eine gute Schule gewesen (und deine Fotos sind eine Augenweide!). Ich werde mich von nun auch streng daran halten und brav vorher fragen.
      Hab einen entspannten Sonntag und liebe Grüße, Eva

      Gefällt 1 Person

  2. Immer ist es die Kleine, die trickst und der Großen etwas streitig machen will. Das war bei meinen Schwestern so, das sehe ich bei meinen Töchtern. Schön, dass du hier zeigst, dass es immer eine friedliche Lösung gibt. 😄

    Gefällt 1 Person

    • Da sagst du was, liebe Anke! 😄 Genau so ist es doch? Ich erinnere mich, dass auch du die kleine Schwester bist, richtig? Man hat es nicht einfach. 😄
      Hab einen entspannten Sonntag und liebe Grüße, Eva

      Gefällt 1 Person

  3. Also ich lese hier seit einiger Zeit still mit und bin angesichts des aktuellen Beitrags doch etwas neidisch geworden. Ich habe zwei Schwestern im (anscheinend) ausweglosen Dauerkonflikt, bemühe mich um BRIDGING – mit nur mäßigem, wenn überhaupt punktuellem Erfolg. Daher: Kompliment an beide Beteiligten für die vorbildliche Problemlösung, und herzliche Grüße mit einem Zitat des guten alten Bert Brecht: „Und so verging meine Zeit, die auf Erden mir gegeben war“ (aus AN DIE NACHGEBORENEN)

    Gefällt 1 Person

    • Vielen, herzlichen Dank und wie schön, dass Sie mitlesen! Das freut mich immer sehr, zu erfahren, wer hier auf diesem kleinen Blog ab und an zu Gast ist.

      Das scheint ein mühsames, kräftezehrendes Unterfangen zu sein, wie es sich liest. Ich drücke alle Daumen, dass beide Schwestern den Wert dieser Brücke, die Sie für sie bauen, erkennen und darüber gehen. Oft denke ich mir, vielleicht kann man sich genau solche Dauerkonflikte zwischen Geschwistern leisten, gerade weil man verwandt ist und eine Kindheit miteinander teilte. Welcher Freund würde solche Konflikte mitmachen und würde sich dann noch um einen bemühen?

      Und ich danke herzlich für das treffende Zitat von Brecht!
      Starten Sie gut in die Woche und herzliche Grüße, Eva

      Like

  4. Ich finde es schön, dass ihr beide auch über vermeintlich kleine Angelegenheiten sprecht. Viel besser als wenn sich alles aufstaut und man irgendwann den Kontakt abbricht, oder nur noch ungern miteinander redet. Liebe Grüße

    Gefällt 1 Person

    • Danke dir, liebe Sonja. 😃 Wir sind gebrandmarkte Kinder: Die Generation vor uns war mit allen vorhandenen Geschwistern zerstritten, die es gab und gibt. Vermutlich sind wir deswegen etwas empfindlicher, wenn es um Streitigkeiten mit dem weit gefassten Thema „verletzter Stolz“ geht. 😄
      Hab‘s fein und viele, liebe Grüße, Eva

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar