Notbetreuung im Büro

Notbetreuung ist mein Unwort der letzten Jahre.

Wenn ich morgens um 08:20 Uhr den Anruf des Kindergartens sehe, brauche ich gar nicht ans Telefon zu gehen. Ich kann‘s mir bereits denken: Notbetreuung!

Könnten Sie Ihr Kind vielleicht ausnahmsweise heute daheim lassen? Wir haben heute nur zwei angeschlagene Erzieher:innen vor Ort. Auf drei volle Kindergartengruppen. Aber kommen Sie heute Abend trotzdem gerne zum Laternenumzug um 17 Uhr vorbei!

Heute ist‘s natürlich besonders blöd, denn ich muss physisch im Büro anwesend sein.

Elektrogeräteprüfung.

Auch die im Homeoffice Arbeitenden müssen demnach ihre Geräte vor Ort prüfen lassen. Der Römer schlägt vor, dass er daheim bleibt, was wiederum unzählige, verschobene Patiententermine nach sich ziehen würde. Na ja, und eine Stange Geld, die am Ende des Monats fehlt.

Also nehme ich Signorino kurzerhand mit zur Elektrogeräteprüfung.

Wir nutzen S- und U-Bahn, auch wenn die S-Bahn zu meiner Arbeitsstelle durchfahren würde. Aber die U-Bahn ist schön leer um diese Zeit und hält noch ein paar Schritte näher an meiner Arbeit. Dann gehen wir Richtung Büro. Meine Kollegin seufzt bereits: Die Ärmste war um 07:30 Uhr vor Ort. Extra früh ist sie losgefahren, um dem Stadtverkehr zu entgehen, denn schließlich hieß es, der Elektriker würde um 8 Uhr da sein.

Um 9 Uhr war er immer noch nicht da. Um 09:30 Uhr waren wir vor Ort. Um 10:00 Uhr aß Signorino eine Hand voll Schokobons und guckte eine Dinosendung auf dem mitgebrachten Tablet. Um 10:30 Uhr klingelte der Elektriker endlich an der Bürotür.

Von Karlsruhe hätte es heute eeewig gedauert nach Frankfurt, sagte er. Vielleicht hat er auch einfach nur verschlafen? Wer weiß!

Meine Kollegin war purer Zucker und zog uns vor, während Signorino sich die Ming-Vase des kunstverliebten Büro-Vermieters näher anguckte. Kurz ging mir die Pumpe und ich überschlug, wie viel die Haftpflichtversicherung wohl zahlen würde im Schadensfall, aber er ließ zum Glück sofort davon ab als ich panisch angeschossen kam.

Eine weitere Hand Schokobons wanderte in Signorinos Magen. Er mampfte glückselig und beschädigte die Winke-Arm-Katze, die im Büro-Bücherregal stand. Ich steckte sie irgendwie wieder zusammen. Sie hielt, nur berühren darf man sie nicht mehr, denn sonst fällt der Arm ab.

Irgendwann waren dann alle meine Kabel geprüft. Wir konnten gehen! Ein fester Drücker an meine Kollegin und Signorino forderte das Spielzeug, das ich ihm versprochen hatte, ein. Ein Signorino vergisst nicht!

Er hatte es sich verdient und so durfte er sich eine günstige Bohrmaschine im Ramschladen aussuchen. Eine Packung mit Minitafel-Schokolade warf ich auch noch in den Einkaufskorb. „Mama, was ist das denn?“, fragte der Nachwuchs irritiert und zeigte auf meine Beute. „Schokolädchen!“, antwortete ich. „Die brauchen wir nicht. Stell sie wieder zurück!“, antwortete der Nachwuchs streng und schlug mich mit meinen eigenen Waffen. Ich bestand darauf, dass wir sie dennoch kaufen. Schließlich durfte ich sie erwerben, aber auf die Zeit als hilfsbedürftige Rentnerin freue ich mich nicht. Wenn Signorino jetzt schon so streng ist, wer weiß, wie das wird, wenn ich an der 100 kratze?

Daheim angekommen aßen wir zu Mittag und der vormals so strenge Nachwuchs wollte danach auch ein Schokolädchen als Nachtisch. Zum Glück durfte ich sie kaufen! 😉

Den Laternenumzug des Kindergartens ließen wir abends ausfallen. Es regnete Bindfäden. Da Signorino das Thema „Laternenumzug“ zwar ganz nett findet, aber keinen gesteigerten Wert darauf legt, blieben wir mit Tee und Keksen daheim vor dem Fernseher.

Der Tag war anstrengend genug.

Gefragt nach dem schönsten Moment des Tages, gab Signorino eine eindeutige Antwort: Schokobons im Büro.

Nachtrag: Der Laternenumzug sollte eigentlich schon letzte Woche stattgefunden haben, aber wegen (Achtung!) Notbetreuung wurde er auf diese Woche verschoben. Ja nun!

18 Kommentare

  1. Oh-oooh – Notbetreuung. Und wer darf daran teilnehmen? Ich meine, du hättest ja eigentlich alles recht der Welt gehabt, ihn zu schicken. Manmanman … :-/ Aber ihr habt den Tag dann dennoch gestemmt bekommen, auch wenn das sicher eine hohe Anforderung war. Warum gibt es in der Kita denn keine Springerkräfte, die dann einspringen? LG Bea

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    • Oder ist bei euch auch, so wie bei uns die Life-Life-Balance ausgebrochen, wo gerade die jungen Mitarbeiter bei einem kleinen Hüsterchen bereits eine mehrwöchig anhaltende AU vorlegen?
      Wirklich dramatisch, was da gerade abgeht. :-/

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    • Das ist eine sehr gute Frage, liebe Bea! Es ist die städtische Kita, die eh schon im Normalbetrieb „auf Kante“ genäht ist. Wenn dann die Seuche die Runde macht, fallen die Mitarbeiter:innen um wie die Kegel.

      Du hast vollkommen recht: Ich hätte ihn schicken können. Aber ich weiß natürlich, dass ich eines von den wilderen Kindern habe (das auch ab und zu türmt oder mal eben alleine in die Turnhalle trabt, gleichzeitig aber noch nicht alle Synapsen so sortiert hat, dass er verstanden hat, dass das absolut nicht geht) und so hatte ich kein gutes Gefühl, wenn zwei Erzieherinnen auf drei Kindergartengruppen kommen. Die Aufsichtspflicht kann man dann vermutlich nicht mehr bewerkstelligen. Deswegen durfte er ins Büro und lernte die Kolleg:innen und Büro-Süßigkeiten kennen. 😄
      Liebe Grüße und hoffentlich ist‘s bei euch entspannter und ohne Seuchen, Eva

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      • Bei uns? Sind es definitiv die Joungsters, die ständig wegen irgendwelcher Zipperlein fehlen, also das Kollegium betreffend. Noch? Haben wir es aber gut im Griff, alle(s) so zu betreuen, dass es ohne Notgruppen klappt.
        Aber es ist, wie es ist – dramatisch. Denn heutzutage arbeiten ja meist beide Elternteile, um ihr Leben finanzieren zu können und haben deshalb Anspruch auf diese Notbetreuungen. Von daher Hut ab, das du/ihr das im Ernstfall stemmen könnt/konntet.
        Ich persönlich habe da ganz andere Schwierigkeiten. Nämlich die, IMMER die Last der Newbies noch zusätzlich mitzutragen, damit eben KEINE Notbetreuung anfällt. Und das ist mitunter echt heftig! :-/
        Anyway, wir kommen vom Thema ab – schön, dass es bei euch (wenn auch anstrengend) – geklappt hat! 🙂 LG Bea

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      • Oh Mann, ihr tut mir echt Leid! D.h. es gibt nur Ausbaden und (mal wieder) Abfedern oder irgendwann so frustriert von der Situation zu sein, dass man selber zur AU greift. Pass nur auf dich auf, dass du mit der regelmäßigen Doppel- und Dreifachbelastung nicht ausbrennst. 🙁
        Halt die Ohren steif, liebe Bea, und danke, dass du so einen wichtigen Job machst und nicht bei jeder verlorenen Wimper (so scheint es mir oft in unserem Kindergarten) krank bist! Hab‘ ein feines, erholsames, ja, sogar vielleicht winterweißes Wochenende! ❄️⛄️ Liebe Grüße, Eva

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      • Danke für deinen Zuspruch und den guten Ratschlag, liebe Eva. Ich werde mich daran halten und so gut es geht, auf mich aufpassen. 🙂
        Dir und deiner kleinen Familie wünsche ich auch ein entspanntes und kuscheliges Wochenende, genießt es! Ehe man sich versieht, ist nämlich schon wieder Montag! 😉
        Viele Grüße Bea 🙋🏻‍♀️

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  2. Ich habe schon auch den Eindruck, das manch einer (und nicht nur im Bereich Kinderbetreuung!) wegen jedem Wehwechen gleich mindestens ne Woche weg ist. Ich finde, es wird einem aber auch von den Ärzten so leicht gemacht. Ich wurde neulich gefragt, ob ich dann gleich die ganze Woche zu Hause bleiben WILL. Ich hab dann selbst gesagt, dass ich lieber erst nur zwei Tage daheim bleibe und mich gegebenenfalls nochmal melde.
    Ich habe den Eindruck, dass das früher nicht so war!
    Und viele nehmen das halt einfach so mit.

    Im Kindernbetreuungsbereich kommen mMn noch zwei Sachen dazu. Einerseits sind ja wirklich immer sehr viele kranke Kinder da, teilweise mit Ibuprofen gepimpt. Wenn man da über Stunden im gleichen Raum ist, muss man sich nicht wundern, dass sich auch das Personal ansteckt.
    Und zweitens) Lange AUs sind vielleicht auch insbesondere in diesem Bereich verführerisch, da man quasi keine auflaufende Arbeit hat. Die Betreuung geht ja weiter. Im Büro bleibt halt viel liegen und da geht man vielleicht einfach auch schneller wieder arbeiten, weil man sonst nie mehr hinterher kommt.

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    • Absolut! Mir scheint es auch mehr geworden zu sein. Früher wurden einem 2-3 Tage ausgestellt und dann durfte man nochmal antreten, falls es doch noch nicht besser geworden ist.

      Genau, Ibuprofen-Doper kennen wir auch. Und dann ist natürlich die ganze Gruppe krank. Es geht gar nicht anders. Ich finde es ehrlich gesagt bescheiden! Ein krankes Kind – so blöd und unpassend es oft ist – gehört zu Hause betreut. Ja, ist blöd, aber dafür gibt‘s doch die Kindkrank-Tage!
      Im Fliegerbereich zB überlegt man sich zwei Mal, ob man krank ist, denn dann ist man Freiwild und der ganze Dienstplan gerät durcheinander.
      Hach! Ein schwieriges Thema!
      Liebe Grüße, Eva

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  3. Wirklich ein Unwort. Man sollte für Eltern, die in diesen Fällen spontan umdisponieren, eine Art Bonuspunktsystem einführen. Also eine Belohnung. Wie wäre es mit zehn Punkte = eine vollbetreute Pygiamaparty für die Sprösslinge im Kindergarten? 😉

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    • Dieses Angebot klingt fantastisch! Ich werde es definitiv beim nächsten Elternabend vorstellen, liebe Anke! 😉😄 Jetzt würde mich interessieren wie die Kind-Krank-Tage in Italien organisiert sind: Stellt der Kinderarzt eine Bescheinigung aus mit der man zwar eine Lohnkürzung hat, aber 65% seines Tageslohnes von der Krankenkasse zurück bekommt wie in Deutschland? Oder sind Kind-Krank-Tage in Italien ein reines Privatvergnügen?

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      • Liebe Eva, leider kann ich zu deiner Frage nichts Definitives sagen. Wir arbeiten in der Schweiz, und auch die meisten Bekannten. Da ist Kind-Krank reines Privatvergnügen. Es gibt aber schon Regelungen, sobald es um schwere oder chronische Krankheiten geht.
        Für Italien fand ich auf einer staatlichen Seite nur etwas zur Anzahl der Tage, die man freinehmen darf. Für ein Kind im Alter bis zu drei Jahren alle nötigen Tage, im Alter von drei bis acht Jahren max. 5 Tage pro Jahr. Alles unbezahlt.
        Ich denke, die Deutschen haben es im Vergleich schon oft noch besser, auch wenn es ihnen selbst nicht so scheint.
        Sollte ich doch noch nähere Auskunft erhalten von italienischen Arbeitnehmer*innen, melde ich mich zurück. Liebe Grüße!

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      • Liebe Anke,
        danke für deine super interessanten Schilderungen. In Deutschland ist man finanziell sehr verwöhnt, was die Kind-Krank-Tage angeht. Wenn man über den Tellerrand hinausblickt und eben auch (wie z. B. von dir) mitbekommt, wie es im nahen Ausland gehandhabt wird, wird man sehr, sehr still beim Rummotzen und -mosern.
        Hab einen schönen und vor allem gesunden Start in den ersten Dezember-Montag! Liebe Grüße, Eva

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      • Gern, liebe Eva und danke gleichfalls! Ich habe schon gesehen, dass es bei euch wichtelt. Später schaue ich mir das genauer an. 😊🙋‍♀️

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