Einfach die Beste

Seit fünf Wochen übernehme ich jede Nachtschicht mit Bianco, während der Gatte bei Signorino schläft, weil er im Dunkeln Angst hat.

Also Signorino. Nicht der Gatte.

Um Mitternacht stille ich Bianco, dann um 2 Uhr und um 03:30 Uhr. Meist schläft er dann nicht mehr von 3:30 bis 5:30 Uhr ein. Bianco ist dann einfach wach.

Also trage ich das Kind viel umher, schuckle, mache dies und das, dass es aufhört zu weinen. Wenn er ganz schlimm weint und brüllt, dann hilft nur der Wickeltisch, auf dem er herrlich entspannt, auch wenn er keine frische Windel braucht. Meist taucht dann der Römer kurz auf, hilft beim Schuckeln, Tragen und Beruhigen, nur um dann ins Bett zu düsen, weil er ja nicht viel machen kann.

Schließlich schläft das Kind gegen 05:30 Uhr ein und meldet sich wieder um 06:30 Uhr, dann um 07:30 Uhr und um 08:20 Uhr ist die Nacht vorbei.

Dementsprechend gerädert stehe ich auf, berichte dem Römer von den Teilen der Nacht, die er verpasst hat und bitte um die Möglichkeit, untertags ein Schläfchen ohne Bianco machen zu können.

Der Vormittag ist dann meist voll mit Erledigungen, die man am besten ohne Signorino macht, der derweil im Kindergarten ist. Dazu will das schöne Wetter für einen entspannten Spaziergang mit Kind in der Trage genutzt werden.

Somit hole ich keinen Schlaf nach und die darauffolgende Nacht läuft wieder so ab, wie oben geschildert.

Also bat ich den Römer am Freitagabend nach fünf Wochen Nachtdienst, dass er bitte eine Nacht übernehmen solle. Und Sie hätten seinen Blick sehen sollen: Eine Nacht auf acht Stunden Nachtschlaf (auf zwei Teile verteilt) verzichten?! Na sicher nicht mit ihm!

Es musste also schnell eine Ausrede her und mit Aussicht auf so viel Schlafmangel wurde er kreativ: Nachtdienst für ihn würde ja nun nicht gehen, weil ich stille. Und ihm würde leider, leider die Brust fehlen, die stillen könne.

“Kein Problem!”, sprach ich. “Ich habe Milch abgepumpt. Das sollte reichen. Oder besser noch: Weck mich einfach. Dann gehe ich nach dem Stillen gleich wieder ins Bett.”

Das wäre ja Quatsch! Dann müsse ich bei jedem Stillen aufstehen, sagte er und ich musste schmunzeln.

Ja, das müsse ich so oder so. Ohne mich geht’s schließlich nicht. Nur ich würde mir das nächtliche Windeln wechseln und stundenlanges in den Schlaf schuckeln sparen.

Langsam gingen dem Mann die Ausreden aus. Aber dann kam er mit einer ganz tollen Idee ums Eck: “Weißt du, du bist einfach die Beste in dem Job! Du hast total viel Erfahrung und ich weiß nicht, ob ich das so gut hinkriege wie du.”

Das war sein voller Ernst. Nüchtern antwortete ich, dass auch ich vor fünf Wochen eine Anfängerin war, aber all die schlaflosen Nächte machten mich zum Vollprofi. Und dieses Gefühl will ich ihm nicht verwehren.

Er schwieg.

Heute Nacht nahm er mir Bianco (frisch gewickelt und gefüttert von mir) von 03:30 Uhr bis zur nächsten Stillpause ab.

Am Morgen verkündete er, dass das doch eine super Nacht für mich war: Ich habe von 21 bis 3:00 Uhr geschlafen und dann nochmal zwei Stunden extra gedöst – ohne Baby. Ich prustete los: “Von was träumst du nachts?”

“Na, das Baby hat sich doch nicht gemeldet.”, protestierte er. “Ja, bei dir! Im Zimmer mit Signorino hat sich das Baby nicht gemeldet. Bei mir hat es sich um 22 Uhr, um 23:30 Uhr, um 1 Uhr und um 3 Uhr gemeldet. Es war eine Nacht wie jede andere auch. Hauptsächlich unerholsam.”, antwortete ich. “Ach…. so oft?”, fragte er verwundert. “In fünf Wochen Nachtdienst sogar noch öfter! Zum Teil alle halbe Stunde.”

Der Mann schwieg wieder. Schön, wenn man in seinem achtstündigen Schönheitsschlaf wenig mitbekommt.

Symbolbild: “Die Beste”, wie sie jede Nacht im Schlafmangel ertrinkt. Künstler: Signorino.

Nachtrag: Mittlerweile ist Bianco 7 Wochen alt. Es hat sich deutlich besser eingegroovt. Um 6 Uhr morgens ist dennoch Schichtwechsel und ich schlafe bei Signorino bis 8:20 Uhr. Zwei erholsame Stunden, ohne dass ich dauernd lausche, ob jemand einen Mucks macht. Der Römer kann eben auch der Beste sein, wenn er möchte. 😉

6 Kommentare

  1. Nachdem meine Nachbarin ihr zweites Kind bekommen hatte, hat sie stets auf die Frage: „Wie geht es dir?“ Mit „Ich bin müde.“ gantwortet.

    Ihr ging es ähnlich wie dir.
    Inzwischen besucht das kleine Mädchen die Grundschule und die Nachtruhe ist schon lange wieder hergestellt.

    Auch bei der verständnisvollen Nachbarin, die manche Nacht mit aus dem Schlaf gerissen wurde.
    Mein Schlafzimmer ist zum Nachbargarten raus und durch selbige wurde der kleine Schreihalts manches mal zu Beruhigung getragen 😉

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    • Das muntert mich auf, liebe Trude. Genau so ist es. Mir geht es auch “müde”. Obwohl – weitaus besser als bei Signorino. Rede ich mir zumindest ein. 😄
      Zum Glück gibt es sie, die verständnisvollen Nachbarinnen und Nachbarn. Das schreiende Kind ist Stress genug. Wenn man dann noch Nachbarn ohne Verständnis hat… na dann, gut Nacht!
      Hab’s fein, liebe Trude und liebe Grüße, Eva

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  2. Liebe Eva, ich fühle mit Dir! Für kluge Ratschläge komme ich nicht in Frage, ich bewundere nicht nur Deine Geduld, Ausdauer, Deinen Langmut und Deine Kraft, sondern noch mehr wie unterhaltsam und Augen zwinkernd Du über Dinge schreiben kannst, wo andere einfach nur kurz vorm Durchdrehen sind!

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    • Danke für deine wunderbaren Worte, liebe Ira! Das freut mich wirklich sehr. Oder wie man sagt: That made my day! ☀️ Hab einen feinen Sonnentag und liebe Grüße aus Hibbdebach

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