Vater auf dem Spielplatz: Warum alle denken, er sei alleinerziehend

“Haha!”, lacht der Römer. Wie emanzipiert ist Deutschland wirklich?

“Haha!”, lacht der Römer. “Deutschland ist gar nicht so emanzipiert, wie du mir immer weismachen willst.”

Er freut sich diebisch. Ja, fast schon hämisch.

Besonders, weil ich in der Vergangenheit oft auf die sehr eingefahrenen Rollenbilder in Albanien, und manchmal auch in Italien, hingewiesen habe.

Eventuell fiel von meiner Seite auch das Wort “Macho-Land”.

Doch Deutschland kann sich nahtlos einreihen. Ganz sicher!

Beispiele gefällig?

Irritierte Blicke am Montagmorgen: Ein Vater mit Baby in der Trage? Außergewöhnlich!

Es ist Montagmorgen. Ich habe einen Frauenarzttermin zur Nachsorge. Da ich vollstille – das damals zwei Monate alte Kind aber nicht lange ohne Milch aushält – beschließen wir, dass der Römer und Bianco einfach mitkommen nach Frankfurt-Sachsenhausen. Dort geht der Große mit dem Kleinen in der Babytrage rund um den Schweizer Platz spazieren, während ich im Wartezimmer warte. Der Plan geht auf. Alles in allem dauert der Termin 45 Minuten mit Wartezeit.

Danach berichtete mir mein Mann sichtlich amüsiert, dass ihn alle angestarrt hätten.

Montagmorgen, ein Mann mit Babytrage – offenbar ein außergewöhnlicher Anblick.

Ich will ihm nicht so recht glauben. Doch die Vorfälle häufen sich.

Vater auf dem Spielplatz: Der muss doch alleinerziehend sein?

In den ersten beiden Lebensmonaten von Bianco verbrachte der Römer viel Zeit mit Signorino auf dem Spielplatz.

Nur die zwei.

Auch danach pendelte es sich so ein: Die beiden gehen raus und Bianco und ich (zwangsweise!) machen daheim ab 16 Uhr den Tag zur Nacht.

Der Römer fand schnell Anschluss – zwischen all den Kindergartenmüttern.

Und nein, hier muss nicht gegendert werden. Es sind wirklich nur Mütter. Und er.

Neulich unterhielt er sich mit einer Mutter, die ihre eigene Mutter – also die Oma – dabei hatte. Es ging bei den Dreien ums Wohnen, und der Römer erwähnte beiläufig, dass „seine Frau und er“ gerade mit offenen Augen durch die Wohnungsanzeigen blätterten – vielleicht ergibt sich ja etwas Größeres, aber Bezahlbares in Frankfurt.

„Ach, du bist gar nicht alleinerziehend?“, fragte die Mutter des Kindergartenkindes sichtlich irritiert.

„Äh… nein“, antwortete der Römer – ebenso irritiert.

„Aber warum bist dann immer nur DU mit Signorino auf dem Spielplatz?“

„Weil wir ein Neugeborenes daheim haben“, entgegnete mein Gatte.

Wissen Sie, wie oft ich mit Signorino auf dem Spielplatz war? Unzählige Male.

Aber niemand hat je gedacht, ich bin alleinerziehend. Das hätte natürlich trotzdem sein können, aber niemand ging im Vorfeld davon aus, dass es so sein muss, wo ich doch immer alleine auf dem Spielplatz mit Signorino war.

Kindergarten, Klischees und kurzes Gedächtnis: Wie sich Bilder festsetzen

Am Donnerstag holte ich – nach langer Zeit – Signorino vom Kindergarten ab. Der Römer und Bianco warteten draußen, damit nicht alle Kindergartenkinder Bianco antatschen.

Ich ging an zwei Müttern vorbei, die im Eingangsbereich auf einer Bank saßen. “Hast du die schon mal hier gesehen?”, wollte die eine von der anderen wissen.

Die andere schüttelte den Kopf. Als Signorino auf mich zustürmte und wir kurz danach den Kindergarten verließen, hörte ich die andere zischen: “Das muss die Mama sein! Dann ist der Papa von Signorino gar nicht alleinerziehend.”

Abgesehen davon, dass ich es unhöflich finde, über mich zu reden, während ich noch in Hörweite bin, war ich doch sehr erstaunt. Ich brachte Signorino in den letzten zweieinhalb Jahren fast täglich in den Kindergarten oder holte ihn ab.

Manchmal beides.

Aber anscheinend reicht das Gedächtnis mancher Menschen nur von „zwölf bis mittags“, wie man so schön sagt.

Gleichberechtigung in der Familie: Realität statt Rhetorik

Drei Monate übernimmt der Mann den Kita-Bring- und Abholdienst – und zack: Die zweieinhalb Jahre vorher sind aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht.

Wahrscheinlich, weil es immer noch ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass ein Papa täglich das Kind zum Kindergarten bringt und abholt.

Mann, Mann, Mann – oder besser: Frau, Frau, Frau!

Gleichverteilung, wo steckst du?

18 Kommentare

  1. Ja, das denke ich mir auch sehr oft. Insbesondere hier in Bayern, habe ich das Gefühl dass da manchmal nicht so modern gedacht wird.

    Es gibt zum Glück auch viele Gegenbeispiele. Unsere Jüngste geht in einen Waldkindergarten. Hier hatte ich von Beginn an das Gefühl, dass sich die Väter mehr einbringen. Beim Bringen und Abholen der Kinder sind Mütter oft in der Unterzahl.

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    • Ha ha, hier das gleiche:

      Mein Mann schreibt eine Mail an die Ganztagsbetreuung.

      Antwort: Sehr geehrte Frau B., …

      Aber man kann es auch ausnutzen, bei schwer erreichbaren Terminen oder Plätzen ruft bei uns immer der (arme) Mann an.

      Viele Grüße aus NRW, auch nicht besser als Bayern 😉

      Kathrin

      Ps.: Ich lese hier sehr gerne und amüsiere mich!

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      • Liebe Kathrin,

        das ist doch der Klassiker, oder? Wer sonst – außer der Mutter – sollte der Ganztagesbetreuung schreiben? 😉

        Vermutlich haben sie bereits eine voreingestellte Anrede, die selbstverständlich auf “Sehr geehrte Frau…” lautet. 😄

        Wir haben es bei der Kindergartensuche auch so gemacht: Der “arme” Mann rief die Kitas an, um nach einem Platz zu fragen. Es hat geklappt. 😄

        Das freut mich sehr! 😃

        Einen schönen, hoffentlich erholsamen Restfeiertag und liebe Grüße, Eva

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    • Ja, das Gefühl kenne ich nur zu gut!

      Ich finde es super, dass du auch positive Beispiele erlebst. Gerade im Waldkindergarten scheint das ja schon viel normaler zu sein – das macht echt Hoffnung, dass sich langfristig etwas verändert. 😃

      Ich drück uns die Daumen, dass das bei unseren Enkelkindern kein Thema mehr sein wird. 😃

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  2. Puh, dann scheint FFM aber wirklich extrem in der Entwicklung stecken geblieben zu sein. Hier in NRW und speziell in Düsseldorf ist das Verhältnis sehr ausgeglichen. 🙂
    Vielleicht solltet ihr bei der Wohnungssuche D mit einbeziehen, liebe Eva. 😀
    Sonntägliche Montagsgrüße Bea 🤍

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    • Das schlage ich dem Römer mal vor, liebe Bea! 😉 Vielleicht liegt’s auch nur an unserem Viertel und in anderen Teilen Frankfurts ist’s entspannter?
      Auf alle Fälle ist der Römer jetzt kein seltener Anblick mehr. Und vielleicht steigen die Mütter ihren Männern mal auf die Zehen: “Guck, der Vater von Signorino ist immer auf dem Spielplatz. Nimm dir mal ein Beispiel, Ehemann!”
      Danke dir, liebe Bea! Die wünsche ich sir auch! 😄😄

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  3. Du bist wahrscheinlich in der Masse der bringenden und abholenden Mütter untergegangen. Der Römer sticht hervor, weil er (leider) etwas außergewöhnliches ist.

    Mir ging das lange Zeit andersrum genauso:
    In meinem Job war ich die einzige Frau. Mich kannte jeder, meine männlichen Kollegen nicht.
    Und wer mich nicht näher kannte, setze voraus das ich keinen Mann hatte. Bei den vielen Überstunden, die ich machte ….
    Und dann die großen Augen, wenn die Rede auf meinen Mann gekommen ist oder ich mit ihm zu sehen war. Ich hatte einen Mann – eine Frau hätte man mir eher zugetraut …

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    • Das klingt logisch. Stimmt! Ein Chamäleon sozusagen. 😄

      Ach Wahnsinn, liebe Trude! Und das alles nur, weil du in einer typischen Männerdomäne gearbeitet hast? Heutzutage, bei deinen Kolleginnen, ist das aber kein Thema mehr, oder? Vermutlich, weil es so tolle Vorreiterinnen wie dich gab, die den Weg geebnet haben! 😉

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  4. Vielleicht gibt es da auch regionale Unterschiede. Hier ist der Park und die Spielplätze voll von Vätern mit ihren Kids. Ich habe neulich noch zu meinem Sohn gesagt, das ich diesen Wandel schön finde. Allerdings wohne ich auch in einem sehr relaxten Viertel. Da würde keiner auf den Gedanken „der muss alleinerziehend sein“ kommen. Aber vielleicht war es ja gar nicht die Vermutung, sondern ein Wunschgedanke, um ein wenig zu flirten. 😉

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    • Ach spannend, wie unterschiedlich es ist! Und wie schön, dass bei euch der Wandel stattgefunden hat. 😃 Das weckt Hoffnung!
      Haha, daran hab ich noch gar nicht gedacht. Der Mann der Spielplatzmutter ist Neapolitaner – vielleicht hat sie einen bestimmten Typ? 😉
      Liebe Grüße, Eva

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