Am Dienstagmittag klingelte das Abenteuer an unserer Wohnungstür.
Und was hat das Spaß gemacht! Das Schicksal wusste wohl, dass ich es liebe, Dinge zu organisieren, Probleme zu lösen und mich von Herausforderung zu Herausforderung zu hangeln. Vermutlich bin ich deswegen so gerne Flugbegleiterin. Weil immer irgendetwas passiert und man sich partout nicht langweilt. Jeder Flug gleicht eine Überraschungstüte.
Nun ja, momentan bin ich gegroundet, wie es in der Fliegersprache heißt. Doch zurück zum Abenteuer:
Ein junger Elektriker stand vor mir. Er weiß jetzt auch nicht so ganz weiter, sagte er und kratzte sich am Kopf. Ob ich bitte so nett wäre und einen Schlüsseldienst für ihn anrufen könne.
„Alle Türen sind in den zugigen Wohnungen zugeschlagen. Und das, während ich von Wohnung 1 zu Wohnung 2 gehen wollte.“, setzte er nach. Er dachte ja, er habe den richtigen Schlüssel dabei, erzählte er weiter und ich vernahm das giftgrüne Schlüsselband mit den vielen Schlüsseln. Dort war in schwarzer Schrift „Watt Volt ihr?“ aufgedruckt.
Aber er hat leider den falschen Schlüsselbund eingesteckt. Sein Handy sei in der Wohnung. Eigentlich, so sprach er weiter, alles. „Na ja, außer mein Autoschlüssel. Nach Hause komme ich noch!“
„Ja, klar. Kein Problem.“, sprach ich und fragte noch: „Kennen Sie einen Schlüsseldienst hier?“
Nein, leider nicht. Er komme aus Köln.
Also googelte ich. „Festpreis 79€“ stand auf einer Seite. Ich empfand das als einen guten Preis und schlug es dem Elektriker vor.
„Wollen Sie vielleicht dort anrufen?“, bot ich an. „Klar. Gerne!“, gab der junge Mann zurück, der nervös den Schlüsselbund von einer Hand in die andere gleiten ließ. Ich drückte dem jungen Mann mein Handy in die Hand.
Er sprach mit dem Schlüsseldienst und schilderte die Situation. „Sie sind Bewohner?“, fragte der Herr am anderen Ende der Leitung harsch.
„Nein, ich bin Elektriker. Ich mache alle Leitungen neu in den beiden Wohnungen.“, gab der Elektriker an. „Ne! Ne! Ne! Da kann ja jeder kommen! Sie müssen der Hausverwaltung Bescheid geben. Und die beauftragen uns dann. Aber so klappt das nicht! Auf Wiederhören!“, maulte der Herr vom Schlüsseldienst den jungen Mann an.
„Na, der war ja unfreundlich.“, kommentierte ich. Erst dann jagte ich meine Impressionen einen Moment durch meine interne Plausabilitätsprüfung.
Als ich zuvor vom Spaziergang mit Bianco kam, stand die Wohnung, die seit Wochen renoviert wurde, offen. Als der Handwerker in Elektriker-Kluft klingelte, war die Türe zu. Ich konnte es von meiner Wohnungstür aus sehen. Alles schien und klang für mich plausibel.
„Ich rufe mal eben die Hausverwaltung an.“, bot ich an und der Handwerker nickte eifrig.
Er tat mir furchtbar Leid. Ohne Handy, ohne Schlüssel und ohne Portemonnaie in Frankfurt. Autsch!
„Hallo. [Pause. Knacken.] Sie rufen außerhalb unserer Sprachzeiten an. Diese sind…“, erklärte mir der Anrufbeantworter der Hausverwaltung.
„Ah… die Hausverwaltung hat nur vormittags Sprechzeiten. Ab 12 Uhr sind sie nicht mehr erreichbar.“, gab ich an.
„Oh nein! Und jetzt?“, stotterte der junge Mann und wurde sehr blass. „Kein Problem. Wir haben so eine App und normalerweise antwortet die Hausverwaltung innerhalb von Minuten, wenn man einen Schadensfall angibt.“
Ich klickte auf „Störung melden“, „Störung an der Haustüre“ (war geflunkert, aber wir brauchten schnell eine Lösung.. Haustür.. Wohnungstür.. potatoe… potatoe..) und beschrieb im Textfeld die Situation. „So abgeschickt!“, sagte ich.
Der Elektriker seufzte.
„Keine Sorge, die Hausverwaltung meldet sich innerhalb von Minuten.“, beruhigte ich ihn. Und siehe da – zwei Minuten später rief die Hausverwaltungsdame an. Ich erklärte ihr die Situation und auch sie machte eine Plausabilitätsprüfung: „Wie heißt der Mann denn und bei welcher Firma arbeitet er?“
Ich reichte mein Telefon an den niedergeschlagenen, jungen Mann weiter. Er ratterte seine Daten herunter und siehe da, sie waren korrekt. Also kein Betrüger! Puh! Glück gehabt!
Man weiß ja nie.
Frau Dingens von der Hausverwaltung werde sich gleich melden, sagte sie.
Wir warteten wieder zwei Minuten, dann klingelte mein Telefon erneut. „Rufen Sie gerne den Schlüsseldienst Krieg an. Der hat all unsere Schlüsselkarten.“, trug sie mir auf.
Ich googelte die Nummer und rief dort an: „Hallo. [Pause. Knacken.] Schlüsseldienst Krieg hier. Aktuell sind wir im Urlaub. Dieser dauert vom 24.07.2025 bis zum 15.08.2025.“
Jetzt seufzte ich.
Der Handwerker guckte mich gespannt mit großen Augen an. „Die sind im Urlaub.“, erklärte ich.
Der arme Kerl war völlig verzweifelt und kratzte sich abermals am Kopf.
„Haben Sie vielleicht eine Plastikkarte, mit der ich versuchen kann, die Tür zu öffnen? Vielleicht beklmme ich es ja hin?“, fragte er schüchtern. „Klar. Meine alte Payback Karte. Seit Rewe nicht mehr mitmacht, ist die nutzlos.“, lachte ich.
Er nahm sie dankend an und versuchte sich an der Türe. „Ich rufe nochmal die Hausverwaltung an.“, rief ich Richtung zugefallener Haustüre. „Okay!“, antwortete der junge Mann und stemmte die Plastikkarte in den Türschlitz.
„Grüße Sie, Frau Dingens, Eva Farniente nochmal hier. Der Schlüsseldienst Krieg ist leider im Urlaub. Hätten Sie noch eine andere Idee, wo wir anrufen könnten?“, wollte ich von ihr wissen.
Jetzt seufzte sie.
„Ich gucke mal nach und melde mich gleich, ja?.“, versprach sie und legte auf.
Ich gab den aktuellen Stand an den jungen Elektriker weiter, der immer noch an der Tür herumrüttelte.
In dem Moment zerbrach die Paybackkarte. Er guckte mich schockiert an und war den Tränen nahe.
„Keine Sorge. Das regelt sich alles. Ich mache Ihnen erstmal einen Kaffee.“, schlug ich vor.
Heißgetränke beruhigen die Nerven. Seine Augen leuchteten. „Was für einen möchten Sie denn? Schwarzer Kaffee, Espresso, Cappuccino?“, klapperte ich seine Präferenzen ab.
„Ne, ne, schwarz passt. Ich möchte ja nicht unverschämt sein.“, antwortete er schüchtern. „Aber nein! Möchten Sie lieber Cappuccino? Mich stresst das nicht.“, lachte ich. „Oh ja. Cappuccino gerne.“, freute er sich.
Bianco (in der Trage) und ich machten einen Cappuccino und füllten Signorinos Löwenbecher mit Süßkram. Auch Zucker beruhigt die Nerven. Man kennt das ja.
Der junge Mann freute sich riesig. Da klingelte auch schon mein Handy: „Hausverwaltung, Frau Dingens hier. Die Firma Süß kommt in zwanzig Minuten vorbei.“, sprach sie.
Ich bedankte mich und teilte dem Handwerker die guten Nachrichten mit. Er atmete erleichtert auf. Dann trank er seinen Cappuccino in Ruhe auf den Treppenstufen. „Wenn irgendetwas ist, bitte klingeln oder klopfen, okay? Ich mache dem Kleinen mal eben Brei warm.“, wies ich ihn an. Er nickte.
Zwanzig Minuten später klopfte es zaghaft an der Haustüre. Ich öffnete mit einem breiverschmierten Baby in der Hand.
Ein überglücklicher Handwerker stand da. „Die Tür ist offen!!!“, freute er sich. „Ich revanchier‘ mich! Wirklich! Ich bin noch die ganze Woche da.“
Ich musste lachen. „Nein, nein. Das passt doch! Bitte!“
Der Handwerker insistierte. Dann düste er zu der nun offenen Wohnung ab, um weiterzuarbeiten.
Nachmittags klopfte es erneut. Zaghaft.
Ich öffnete. Ein immer noch glücklicher Elektriker stand dort, mit einer Flasche Sekt. „Für Sie! Danke nochmal – für alles.“ Er streckte mir die Flasche Sekt entgegen.
Der Römer war mittlerweile daheim und lugte mit Bianco durch die Flurtüre. „Hallo! Ihre Frau hat mich gerettet. Wirklich, vielen, vielen Dank“, erklärte er meinem Mann. „Ja, das hat sie mir erzählt.“, lachte der Römer.
Der junge Kerl grinste. „Und noch was: Bleiben Sie bitte so wie Sie sind!!“
Dann rauschte er ab.
„Sie aber auch. Und lassen Sie sich nicht stressen! Es gibt für alles eine Lösung,“, rief ich ihm altklug hinterher.
Das war wirklich ein tolles Abenteuer! Genau nach meinem Geschmack. Ich war weder unter-, noch überfordert, wie es oft im Alltag mit meinen Kindern der Fall ist. 😉
Und es war genau mein Kompetenzbereich: Sachen organisieren. Darin bin ich richtig gut.
Wenn Sie sich also aussperren, wissen Sie ja jetzt, wen Sie kontaktieren können.
P.S.: Das Glück war mir hold an diesem Tag und ich fand dieses Schmuckstück am Wegesrand. Es bekommt einen Ehrenplatz in unserer Wohnung.
Vielleicht pinsel ich noch ein „Andrà“ hinzu. „Andrà tutto bene“. Es wird alles gut. Oder doch das Kölsche „Et hätt noch immer jot jejange“?


Du bist ein Schatz!
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Danke dir! 😃 Das Organisieren hat mir richtig Spaß gemacht.
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Du bist ein Schatz!
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Gut gemacht 😀
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😘😃
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Der junge Elektriker wird bestimmt noch in fünfzig Jahren mit seinen Altersgenoss:innen auf einer Parkbank sitzend selig von dir schwärmen. 😀
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Das glaube ich auch
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😄😄 Wie sagt man so schön: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Und ich bin mir sicher: Fortan wird er mehrmals überprüfen, ob er den richtigen Schlüssel in der Hosentasche hat. 😄
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Da wäre ich aber froh, wenn du meine Nachbarin wärst. Der Typ war ja sehr froh. Und nett , das mit dem Sekt 🍾
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Bei uns werden aktuell zwei renovierte Wohnungen frei. 😄 Der arme Kerl hätte alleine auch wirklich keine Chance gehabt: Geldbeutel und Handy waren in der Wohnung. Nur den Autoschlüssel hatte er. Und ich fand das so goldig mit dem Sekt. 😃
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Genau, das mit dem Sekt finde ich auch voll süß
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Kein Wunder: kaum kommt Kaffee ins Spiel wird alles gut! Aber im Ernst jetzt: es gibt Momente, da wünscht man sich so verständnisvolle Mitmenschen wie Du einer bist!
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Ha! Da schreibst du was. Genau so ist‘s. Mit einem Cappuccino in der Hand lösen sich die wildesten Probleme. 😉 Das freut mich Tom!
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Gratuliere.
Das geht weit über das hinaus, was die meisten Menschen machen würden. Da kannst du in mehr als einer Hinsicht stolz sein auf dich.
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Herzlichen Dank, lieber Chris. Der arme Kerl tat mir in seiner misslichen Lage so leid – ich hatte keine andere Wahl.
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Da haben alle Beteiligten das Herz am rechten Fleck 🫶
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Du bist doch Zucker! ❤️
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Bene! Ich weiß jetzt, wo ich mich melde, wenn mal wieder was total verfahren am schieflaufen und umkippen ist! Rechne fest damit!
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Ich kann‘s kaum erwarten! 😄
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