Nun habe ich das Thema unitechnisch so lange aufgeschoben, dass ich es jetzt wohl oder übel bearbeiten muss: Typografie – Schrift entdecken.
Mein erster Impuls als Gewohnheitstier war natürlich, dass ich gar nichts entdecken möchte, da nicht jede Entdeckung unbedingt positiv ist. Zu oft, vielleicht kennen Sie das, entdeckte ich etwas negatives, weswegen ich gut und gerne auf neue Entdeckungen verzichten kann. Doch leider, leider hilft das ganze Jammern und Lamentieren nichts – diese Schriften möchten von mir entdeckt werden, sagt die Universität.
Und dabei ist mir etwas ganz erstaunliches eingefallen. Mein Kopf neigt (gerade bei diesen heißen Temperaturen) gerne dazu, abzuschweifen und sich selbstständig zu machen, während ich versuche, ihn zu knebeln und Wissen in ihn zu zwängen. Es ging in meinem Skript-Text altägyptische Hieroglyphen, bei denen mir zuerst die Schrift meines Hausarztes in den Sinn kam, wenn er irgendetwas aufschreibt. Vermutlich haben Medizinstudent*innen im Laufe ihrer Universitätskarriere das Modul „Altägyptische Hieroglyphen – Rezepte und Botschaften richtig schreiben mit der Hand“, das eben so beliebt ist wie mein Typografie-Modul. Doch dort lernen sie nicht hieroglyphisch, wie es vom gemeinen Fußvolk gerne angenommen wird, sondern meines Erachtens demotisch.
Denn, und hier kommen wir zum springenden Punkt, es gibt drei verschiedene Hieroglyphen-Stile.
Da wäre der hieroglyphische Stil mit Abbildungen von Pharaonen, Adlern, Sphinx und Co. Er war der erste Stil, der sich entwickelte. Die Anfänge können auf ca. 2900/2800 v. Chr. datiert werden. Um ca. 500 – 100 v. Chr. verschwand die Hieroglyphenmalerei.
Dann gibt es den hieratischen Stil, der sich parallel zum hieroglyphischen Stil ab ca. 1900 v. Chr. entwickelte und als „starrer, monumentaler Repräsentationsstil“ bezeichnet werden kann. Um 400 v. Chr. entwickelte sich der demotische Stil, die Alltagsschrift, welche bis 100 v. Chr. benutzt wurde. (Quelle: Brockhaus 1992, S. 65)
Da ich mir geschriebene Jahreszahlen schlecht vorstellen kann, dachte ich mir, ich bastle uns einen Zeitstrahl.
Aber wie sehen sie aus, diese hieroglyphischen, hieratischen und demotischen Stile? Sehr schön fand ich diese Grafik, in der der Unterschied gut zu erkennen ist. Wenn Sie sich diese genau anschauen, werden Sie merken: Ihr Hausarzt/-ärztin schreibt gar nicht hieroglyphisch, sondern eher demotisch. Manche sicher auch hieratisch, aber hieroglyphisch, nein, so schreibt wirklich kein Arzt/keine Ärztin.
Falls Sie zu diesem Thema etwas ergänzen wollen, weil Sie es ganz genau wissen, zögern Sie nicht und klären Sie mich auf. 🙂 Wie immer bin ich um jeden Impuls dankbar.
Das Beitragsbild zeigt übrigens die gut leserliche „römische“ Schrift. Mein Gatte wünschte mir viel Glück für die Prüfung letzte Woche.
Endlich Licht am Ende des Prüfungstunnels. Zumindest für den Moment.
Die Prüfung lief phänomenal. So phänomenal, dass ich in einer halben Stunde – angesetzt waren 90 Minuten – fertig war und die ganze Zeit dachte „Und dafür habe ich monatelang gelernt? Für diese 20 Scherzfragen?“. Nennen Sie es Überheblichkeit, aber tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass die Fragen sehr an der Oberfläche kratzten.
Wie dem auch sei: Lieber so, als eine Prüfung, die mir die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Und sollten Sie Fragen zum Informantenschutz, zur Mediengeschichte, zu einem Treatment oder Abstract haben, melden Sie sich gerne. Auch auf die Frage, warum die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bei Presse- und Rundfunk beinahe nicht greift, kann ich Ihnen antworten. 😉
Und da ich bei jedem Studien-Modul etwas mitnehme, teile ich dieses Zitat mit Ihnen:
In den Nachrichtenmedien wird die Wirklichkeit nicht einfach widergespiegelt, sondern konstruiert.
Beck, K. (2014) Soziologie der Online-Kommunikation. , S. 184ff.. Springer VS, Wiesbaden
Es ist Samstag, 23:30 Uhr. Unser Sohn sollte eigentlich schlafen und würde das auch gerne tun, nur über uns herrscht Partystimmung. Es hört sich an als würden wir unter einer Wild-West-Kneipe leben. Schrille Damen-Jauchzer, Gelächter, Trappeln, Klatschen und lautes Gerede halten unseren Sohn wach.
Irgendwann reißt meinem Gatten der Geduldsfaden und er stapft hoch. Wütend klingelt er, ganze vier Mal. Ich weiß es so genau, da ich das Klingeln in unserer Wohnung hören kann. Unsere Nachbarn und ihre Partytruppe können es nicht hören. Dann pocht er mehrmals laut gegen die Tür. Die Nachbarin schreit „Schahaaaatz! Schahatz!“ durch das Gegröhle und Gestampfe der sich amüsierenden Meute. Bei ihrem Organ höre ich auch das glasklar. Schahaaatz anscheinend auch, denn er öffnet gut gelaunt die Türe, erzählt mir der Römer später.
Unmissverständlich macht mein Gemahl dem Nachbarn klar, dass unser Sohn um 23:30 Uhr gerne schlafen würde.
Dieser antwortet irritiert, mit seinem eigenen einjährigen Nachwuchs auf dem Arm: „Aber wir machen doch gerade eine Party!!!“
Ein bisschen Zoff gabs‘s schon
Ja, und genau das wäre das Problem, antwortet der Römer. „Oh.“, sagt der Familienvater überrascht und fragt sicherheitshalber nochmal beim Römer nach: „Das heißt, wir müssen jetzt leiser sein, oder?“
Der Römer, so wird er es mir später berichten, nickt langsam und mit irritiert zusammengekniffenen Augen. Dann wünscht er den Nachbarn eine geruhsame Nacht und macht auf dem Absatz kehrt.
Als er mir die Geschichte erzählt, pruste ich (leise!) los. Nein, die hellsten Kerzen auf der Torte sind unsere Nachbarn sicher nicht. Aber unterhaltsam sind sie allemal.
Es ist schade, dass wir heutzutage so wenig Briefe schreiben. In einer Zeit, in der wir „mal eben schnell“ eine Nachricht über den Messengerdienst verschicken oder noch flink die E-Mail für den Chef fertig tippen, gehen die mühevoll von Hand geschriebenen Texte, bei denen man jedes Wort sorgsam auswählt, vollkommen unter.
Diese Woche, angetrieben von meiner unbändigen Wut, änderte sich das für mich.
Ich fädelte mein Auto also mühsam in unsere Hofeinfahrt ein (Stichwort: Kamel und Nadelöhr), rangierte, setzte zurück, fluchte, rangierte wieder, quetschte mich nur wenige Zentimeter an dem Objekt meiner Wut vorbei und sah mich vor meinem inneren Auge schon hektisch mit Polizei und Versicherung telefonieren , weil ich schließlich doch an dem unverschämt geparkten Auto mit meinem Gefährt hingen bleiben würde. Letztendlich presste ich mich durch die Einfahrt, fuhr die langgezogene Auffahrt schweißgebadet und etwas zittrig hoch und parkte auf meinem Parkplatz ein. Erleichtert atmete ich zwei, drei Momente tief durch. Die Aufregung war vorbei. Jetzt war genug Platz für meine Wut über diesen Kartoffelkopf über, der seinen Wagen halb in unserer Einfahrt abgestellt hatte. Ich holte einen blassgelben Klebezettel und einen Stift aus der Mittelkonsole des Autos heraus und versuchte dreimal das B von Bitte zu schreiben, doch der Kugelschreiber versagte, während ich beinahe verzagte. Aber Aufgeben war keine Option! Ich hatte eine Mission zu erfüllen.
Rasch kramte ich einen zweiten und kurz danach einen dritten Stift aus meinem Rucksack. Der erste Zettel genügte nun meinen ästhetischen Ansprüchen an eine emotionsgeladene Haftnotiz nicht mehr. Bei aller Wut über den SUV-Fahrer, der so schamlos vor unserer Einfahrt parkte, dass ich nur durch mühsames, zentimetergenaues Rangieren und lautes Fluchen durch unsere Einfahrt passte: Soviel Respekt hatte ich dennoch für diesen unangenehmen Mitmenschen übrig, dass ich darauf bedacht war, meine Briefe ordentlich zu verfassen. Außerdem wollte ich mir nicht die Blöße geben, dass er vielleicht noch erkennen würde, dass ich anfangs noch nicht einmal einen funktionierenden Kugelschreiber bei mir hatte, um diesen Brief an ihn verfassen zu können.
Der dritte Stift und das zweite Post-It später ließ ich meiner Wut freien Lauf. Nach kurzer Zeit hatte ich bereits einen Krampf in der rechten Hand, was auch daran liegen konnte, dass sich mein Schulterbereich, mein Arm und meine Hand vor lauter wütendem Rangieren ganz versteift hatte und ich den Stift nun führte wie andere ein Skalpell.
Schließlich machte ich den letzten Punkt unter das gespiegelte S, so dass es sich als ein Fragezeichen zu erkennen gab. Fertig! Ich grinste. Nimm das, du unverschämter Volvo*-Fahrer! Ich stieg aus, schlug die Autotüre zu, setzte mir den Rucksack auf die immer noch verspannten Schultern, stiefelte durchs Einfahrtstor, guckte mich hektisch um, eilte zum schwarzen Auto, klebte den Zettel auf die Windschutzscheibe des Düsseldorfer Gefährts (In Frankfurt! Na, hören Sie mal, der kann doch Bahn fahren, dann hätten wir dieses Problem gar nicht erst gehabt!) und schlich mich zufrieden durch den Vordereingang wieder ins Haus.
Am Abend, der Düsseldorfer parkte immer noch behäbig vor unserem Tor, unterrichtete ich den Römer über meine Wut und wie es mir gelang, diese zu kanalisieren, damit ich nun mit dieser Situation zufrieden bis zum Rest meines Lebens leben konnte.
Den Teil, dass ich untertags beinahe pathologisch am Fenster klebte, um zu verifizieren, ob der Klebezettel bei mittelstarkem Wind auch wirklich auf der Scheibe haften würde (wäre ja schade darum!) oder aber dieser Parksünder bereits sein Ungetüm wegbewegt hatte, unterschlage ich hier besser.
Durch den Sahara-Sand wurde die Szenerie mit einem beeindruckenden Himmel belohnt. Nicht auf dem Bild: Der Volvo des Grauens.
Der Römer grinste. „Va bene. [In Ordnung.]“, kommentierte er meine Aktion und ließ sich das Auto meines Gegenspielers von mir zeigen. Dabei starrten wir wie die Eulen aus dem Küchenfenster auf die dunkle Straße. „Ah, die schwarze Volvo.“, sagte der Römer.
Dass es „der Volvo/BMW/xy*“ heißt, versuche ich ihm übrigens seit 2016 zu erklären. Aber im Italienischen heißt es nunmal „la Volvo/BMW/xy“. Und im Zuge meines aufkeimenden Feminismus fand ich, dass es viel mehr weibliche Nomen geben sollte. Gerade Automarken, die gerne als Sinnbild der Männlichkeit vermarktet werden, verdienen doch wirklich einen weiblichen Artikel.
Wenig später kochte der Römer für uns. Aus der Küche rufend, informierte mich mein Gatte, dass mein Brieffreund dabei war, von Dannen zu ziehen. „Er ist eingestiegen. Aber er fährt nicht los.“, hielt mich der Römer auf dem Laufenden. Beide glotzten wir wieder herunter zu der schwarzen Riesenkarosse. Einen Fahrer konnte man nicht erkennen. Dafür war es zu dunkel. Nur die Scheinwerfer leuchteten im Dunkeln stumm vor sich hin. Bei gekipptem Küchenfenster konnte man bereits den Motor laufen.
„Der ärgert sich sicherlich über meine Nachricht.“, grinste ich selig nach unten. Der Römer schüttelte beinahe unmerklich den Kopf und legte seinen Arm um meine Schultern. Nach quälend langen fünf Minuten fuhr der Parksünder weg. Er musste wohl erst den ersten Gang seines fahrbaren Monstrums finden. Doch ich hatte meinen Standpunkt klargemacht. Die Geschichte war für mich abgeschlossen.
Am nächsten Tag, ich fuhr unseren Nachwuchs in die Kita und kam nach 30 Minuten wieder zurück, sah ich bei der Einfahrt durchs Tor, dass dort der gelbe Zettel klebte. Mein gelber Zettel! „Den hätte er wenigstens entsorgen können. Pff!“, dachte ich, stellte das Auto ab und ging zurück Richtung Tor. Doch eine ältere Dame mit fröhlich gemustertem Einkaufstrolley, der nun stramm neben ihr stand, las neugierig den Zettel. Natürlich wollte ich mich nicht als Autorin dieses literarischen Meisterwerkes outen und so tat ich so, als würde ich nur eben den vorderen Eingang benutzen wollen.
Ich kontrollierte zur Tarnung unseren Briefkasten und sah wie die Dame leise in sich hineinlachend und kopfschüttelnd an unserem Haus vorbeischlürfte. Pfeilschnell wie ein Gepard eilte ich wieder aus dem Haus, bog nach links ab, rupfte den Zettel vom Tor und ließ ihn unauffällig in meiner Manteltasche verschwinden. Dann schlenderte ich betont lässig durch den Hintereingang ins Wohnhaus, nahm den Aufzug und sperrte wenige Augenblicke später die Wohnungstür auf.
Ich zog den Zettel aus der Tasche, bereit ihn zu entsorgen, doch da sah ich, dass mein Düsseldorfer Brieffreund mir geantwortet hatte. Das war also der Grund gewesen, weswegen er nicht sofort wegfuhr!
Auf meinen wunderbaren Ratschlag:
„Bitte lassen Sie dringend Ihre Sehkraft überprüfen! Dies ist eine Ausfahrt, kein Parkplatz! Oder könnten Sie Ihre Karre durchs Nadelöhr fädeln?“
Antwortete mein Brieffreund:
„-> Hier kommt ein LKW durch!“
Und dadurch, dass er den Zettel an die Hofeinfahrt hing, konnten viele, neugierige Passanten an unserem informativen Briefwechsel teilnehmen.
[Zusammenhanglose, wenig geistreiche Gedanken, abgetippt. Nehmen Sie’s nicht auf die Goldwaage!]
Was ist das für eine seltsame Zeit? Die Mehrheit der Grünflächen sind immer noch braun-grau dominiert. Aber doch, ein paar mutige Krokusse, ein paar Osterglocken und ein paar von diesen Weißen, die immer den Kopf hängen lassen und deren Name ich immer vergesse, kämpfen sich mit stoischem Starrsinn durch das Braun-Grau und recken und strecken ihre Köpfe Richtung Sonne, als ob sie das Weltgeschehen gar nichts anginge. Und genau so ist es: Die Bäume schlagen aus, erste, feine Knospen wachen langsam auf. Selbst mein Garten, den ich momentan auf der Fensterbank züchte, wacht langsam auf. Die Sonne scheint zumindest den Granatapfelsamen und eine Chilli-Pflanze davon überzeugt zu haben, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, zu erwachen und zu erwachsen. Von der divenhaften Zitrone schreibe ich lieber nicht, denn diese hat sich dazu entschlossen, dass sie wohl nicht in diesen unsteten Zeiten aufwachen möchte. Alles hat seine Zeit im Leben. Die Zeit der Zitrone ist anscheinend (noch) nicht gekommen.
Der Frühling pirscht sich an. Ein Neuanfang der Natur. Der ewige Kreislauf. Ob die Natur ihren Neuanfang selber wählen kann? Vermutlich nicht. Sie hat keine Wahl. Und damit schließt sich der Kreis zu den großen Kriegsverbrechen dieser Welt. Als ob hier jemand die Wahl gehabt hätte. Mitnichten. Und doch, es geht immer weiter. Irgendwie wird’s schon werden.
Der Römer erzählte mir gestern von seiner Großmama. Eine kluge, starke Frau, die viele Töchter und nur einen Sohn gebar, der sich auch noch in den Kopf setzte, eine von den Muratis zu heiraten. Die Muratis hatten nicht das beste Ansehen im kleinen, albanischen Bergdorf im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. Wenn überhaupt arbeiteten die Männer als Kopfgeldjäger. Doch meist machten sie nicht einmal das. Nur die Frauen, die schufteten. Fleißige Damen jeglichen Alters. Deswegen willigte man schließlich doch ein, dass der Sohn eine Murati heiraten dürfe. Sie würde schon wissen, was harte Arbeit bedeutete, musste man doch die männlichen Verwandten durchfüttern. Aber Sie sehen, ich schweife ab in eine Erzählung, die an Karl Mays Romane erinnert, aber doch der Wahrheit entspricht.
Wie dem auch sei, die römisch-albanische Großmutter erzählte, dass die österreichisch-ungarischen Besatzer überaus freundliche Leute waren. Als sie am kleinen Bergdorf vorbeikamen, das den schnellsten Weg nach Tirana bot (damals, jetzt ist dort ein künstlicher Stausee), winkten sie freundlich und marschierten Richtung Hauptstadt. „Mein Gott!“, dachte ich noch, „Was muss die Frau alt gewesen sein, wenn sie angibt österreichisch-ungarischen Truppen begegnet zu sein.“ Dann tat ich das, was ich in solchen Fällen immer tue. Ich tippte flink ein paar Suchbegriffe in eine Suchmaschine ein und fand heraus, dass die Truppen im 1. Weltkrieg tatsächlich präsent in Albanien waren. Lesen Sie sich das ruhig einmal durch. [Klick] Die Albaner*innen empfanden die Besatzung sogar als überwiegend positiv, eben so wie die römisch-albanische Großmutter. Jetzt werden die Österreicher*innen unter Ihnen mich vermutlich bei dieser Aussage kreuzigen, aber die Österreicher*innen sind nun mal die entspannteren Deutschen Alpenbewohner.
Im Hintergrund sehen Sie die Sophienkathedrale Kiews. Dieses Foto entstand während des ESC 2017 als die ganze Stadt feierte, wir mittendrin.
Dazu fällt mir gleich noch einmal etwas ein. Am 28. November ist Albanischer Unabhängigkeitstag. Nach über 500 Jahren Unterdrückung durch das osmanische Reich rief man am 28. November 1912 die Unabhängigkeit Albaniens aus. Nur der Römer schreibt jedes Jahr an diesem Tag in den sozialen Netzwerken den immer gleichen Beitrag: „Unabhängigkeitstag in Albanien. Nur ich leide noch unter der deutschen Besatzung.“ Jedes Jahr ein Kracher bei seinen Freunden. Bei mir befindet sich der Witzfaktor eher im gemäßigten Bereich.
So, jetzt mache ich mich mal wieder daran und studiere etwas. Medienprozesse: Medienrecherche und -konzeption. Ich kann mich nicht einmal über das Thema beschweren, da ich es sehr interessant finde. Oder hätten Sie gewusst, für was der Begriff ARD steht? Ich löse schnell auf, denn mein Espresso wird kalt und, wie geschrieben, ich muss lernen, um ein weiteres Examen zu absolvieren: Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschlands. „Pah!“, werden Sie sich denken. „Ein Glück hat der liebe Gott Abkürzungen erfunden.“ Oder können Sie sich vorstellen, Ihrem/Ihrer Partner*in zu sagen: „Schatz, die Tagesschau kommt gleich. Schalte bitte die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland ein?“ Sehen Sie! Am Ende findet man für alles eine Lösung. Irgendwie. Aber bitte möglichst flott.
Heute ist der erste Tag seit Abgabe meiner Hausarbeit im Dezember, an dem ich vormittags alleine zu Hause bin. Keiner ist krank (toi, toi, toi!), das Kind ging in die Kita und ich muss heute nicht in die Arbeit.
Holprig läuft es dennoch. Wir haben einen Ganztagesplatz für Signorino seit Februar, so dass ich fälschlicherweise davon ausging, dass das Kind schon irgendwie mitmacht. Es würde sich um 1,5 Stunden mehr handeln, die er nun in der Kita verbringen würde. „Würde“ deswegen, weil er nicht will. Er ist komplett aus dem Häuschen, weint viel, braucht wieder seinen Schnuller und will nur noch zu Hause bleiben. Nach Absprache mit den Erzieherinnen paddelten wir zurück, was bedeutet, dass wir für einen Vollzeitplatz zahlen, aber ihn abholen wie zuvor. Solange, bis er wieder „angekommen“ ist.
Generell ist momentan der Wurm drin, denn das Kind schläft nicht mehr. Das bedeutet, dass ich jede Nacht von 1 bis 5 Uhr bei ihm wache, mit der Betonung auf wachen. Er schläft, irgendwie, sich viel bewegend, neben mir. Zusammen sind wir wie die Sardinen in ein 90-Zentimeter-Bett gequetscht, während der römische Gatte alleine im Ehebett schlafen darf. Dabei ist es nicht so, als würde sich der Römer absichtlich rar machen. Vielmehr ist er der erste, der am Schauplatz des Geschehens, Signorinos Kinderzimmer, ankommt, sobald der Sprössling schreit und nach uns ruft. Doch Signorino lässt sich nicht vom Römer einlullen. Nur Mama wird im Kinderbett akzeptiert.
Und Mama? Ist meistens müde, verteilt 16 Stunden Arbeit auf 3-4 Bürotage aufgrund der Signorino’schen Kitaverweigerung und schmiert sich aktuell ihr Studium in die Haare. Man sagt Privatuniversitäten gerne nach, dass einem der Abschluss hinterher geworfen wird. Dem ist leider nicht so. Man muss sich tatsächlich hinsetzen und dafür lernen. War mir auch neu. 😉
Immerhin, in größter Müdigkeit, Signorino hatte ich kurz vorher in die Kita kutschiert, durfte ich feststellen, dass meine Söder’sche Hausarbeit korrigiert wurde. 9,77 von 10 Punkten darf sich durchaus sehen lassen. Am Ende der Arbeit stand ein Kommentar des Professors: „Herzlichen Glückwunsch zu dieser fulminanten Arbeit! Machen Sie weiter so. Alles Gute! Prof. XY“. Immerhin hat sich mein Aufwand gelohnt, auch wenn mein Professor den Vermerk „PR“ am Anfang neben meine Arbeit geschrieben hat. Nun ja, PR ist Journalismus definitiv nicht. Zumindest sollte es nicht so sein, aber bei 9,77 von 10 Punkten (ich erwähne es gerne nochmal!) will ich mal nicht so streng sein.
Vor lauter Freude war ich dementsprechend nicht mehr in der Lage, mich vormittags auszuruhen. Da ich aber über ein komplettes Matschgehirn verfüge, kümmerte ich mich als Übersprungshandlung um die Steuererklärung. Ein Datensatz fehlt mir noch, dann wäre dieses Thema auch erledigt.
Übrigens, weil ich gerade so am konzeptlosen Schreiben bin: Auditive Nachrichten lassen sich im Zustand mütterlicher Müdigkeit von meinem Gehirn nur schwerlich dekodieren, aber Autofahren klappt immer noch 1a. Heute verhinderte ich zwei Unfälle, bei denen ein Busfahrer und ein Offenbacher Luxusschlitten doch tatsächlich auf die Fahrbahn rollen wollten, ohne vorher zu gucken, dass meine Wenigkeit bereits am Anrollen war. Außerdem bremste ich geistesgegenwertig als eine Dame mit flottem Kurzhaarschnitt in der Farbe von Eichhörnchenfell die Fahrertür aufriss. Zack! Hatte ich gebremst und wir waren beide froh, dass ich das rechtzeitig tat. Das Eichhörnchen winkte entschuldigend, ich lächelte in meinen verwaschenen Kapuzenpullover. Wieder ein Menschenleben gerettet! Es kann so einfach sein. 😉
In diesem Sinne: Lassen Sie sich bitte nicht vom Winde verwehen. Seien Sie vernünftig und bleiben Sie im Haus, wenn Kleinwagen und Gartenstühle an Ihrem Fenster vorbeifliegen wie Blätter eines Werbeprospekts.
Und für all diejenigen, die ähnlich der Eichhörnchen-Frau gedankenverloren die Autotür aufreißen. Ich habe da etwas für Sie: Klick!
Es gäbe viel zu berichten, aber nichts, was ich momentan in Worte gießen kann und möchte. So schweben nur wirre Worthülsen durch meinen Kopf, die keine richtige Form oder gar ein Muster ergeben.
Deswegen müssen Sie heute mit Fotos vom sonntäglichen Frankfurt vorlieb nehmen. Wir fuhren zur Piazza della Repubblica, wie der Platz der Republik in Frankfurt beim römischen Gatten und mir seit jeher heißt. Mit der römischen Piazza della Repubblica hat der Frankfurter Namensvetter allerdings wenig gemein. In Rom stehen vor einem äußerst luxuriösen Hotel wunderbare, glänzende, italienische Luxuskarossen. Es riecht hier eindeutig nach Geld. An der Frankfurt Piazza della Repubblica riecht es trotz angrenzender Sparkasse nicht im geringsten nach Geld. Auch das dort befindliche Hotel hat wenig mit dem römischen Luxuspalast gemein, außer vielleicht den Namen „Hotel“. Es gehört zu einer Billigfluggesellschaft und begrüßt einen mit einer leuchtend orangen Reklame. Das Hotel ist „easy“ und das verspricht bereits der Hotelname. Wenn’s dem internationalen Publikum im römischen Hotel Exedra zu extravagant wird und sie sich nach etwas einfachem sehnen, wäre das vielleicht die richtige Wahl? 😉
Unsere Kleinfamilie entert das Westend, in dem nichts easy gehalten ist. Ein Stadtteil, in dem man keine Ruhestörungen duldet. Stumme Altbau-Paläste blicken mürrisch auf die Straßen, auf denen leise sprechende Spaziergänger zu zweit unterwegs sind. Selbst die Kinder spielen leise und höflich auf dem Spielplatz des Westendplatzes. Signorino flüstert immer wieder “Fiiiesch!” und ich befülle Fischförmchen mit Sand. Der Römer steht mit Sonnenbrille neben uns, eine gelbe Schaufel in der Hand, die er nicht benutzt, und blinzelt in die Sonne. „Mi mancava. [Es fehlte mir.]“, sprach der Gatte und atmete selig ein und aus. „Was denn?“, fragte ich, während ich einen weitern Fisch stürzte. Mittlerweile hatte ich ein ganze Aufzuchtstation für Sandfische entworfen, die Signorino munter zerstörte. „Il sole!! [Die Sonne!!]“, sprach der Mann fast schon empört, weil ich nicht sofort verstand, was dem Mann seit Wochen oder Monaten fehlte. „Ah!“, ging mir ein Licht auf. „Kannst du mir bitte deine Schaufel geben? Meine funktioniert nicht und du spielst ja eh nicht damit.“, hakte ich beim römischen Sonnenanbeter nach. Er überreichte sie mir wortlos, setzte sich auf die Bank und lächelte zufrieden in den Frühlingshimmel.
Bitte nicht stören! Der Westendplatz.
Schließlich bestach ich den Sohn mit zwei Quetschies und wir konnten den Spielplatz verlassen. Das Ziel war gesetzt: die italienische Konditorei, welche sich wenige Minuten vom Spielplatz entfernt befindet.
Blühen erwünscht! Im Westend sind Frühlingsboten erlaubt, solange sie leise ihre Blüten öffnen.
Signorino wurde wie immer herzlichst begrüßt und winkte zaghaft. Der Römer suchte sechs Pasticcini, Törtchen, aus und wir traten den Heimweg an.
An der alten Oper ist mehr los. Ein 8jähriges Kind fuhr dort E-Bike. In Frankfurt. Die einzige Erhebung, die es in Frankfurt gibt, ist die vom Ostpark nach Bornheim. Und selbst die schafft ein Kind auch ohne Elektroantrieb. Zu meiner Zeit hätte es das im Voralpenland nicht gegeben. Von Kunst und Architektur verstehe ich nicht viel. Brutal sieht der ausgeschlachtete Bau an der Mainzer Landstraße dennoch aus. Aber ist es deswegen schon Brutalismus?Im Westend kamen wir wie immer bei der Pasticceria Brixia vorbei. Es ist Sonntag, was hätten wir tun sollen? Man kann sich wohl kaum ein römisches Gewächs nach Frankfurt importieren, wenn man nicht bereit ist, ihm zumindest ab und an ein bisschen Dolce Vita vorzugaukeln.
Ein Klopfen kann viel bedeuten: Jemand kündigt sich an, ersucht Einlass oder zeigt seinen Konsens. Nachts um 3:50 Uhr gibt es nicht viel Interpretationsspielraum für ein Klopfen, das abgefeuert wird wie die Salven der nicht verstummen wollenden Kanonen. Es heißt dann in etwa: „Wenn ihr euch nicht sofort leise zofft, komme ich hoch und zünde euch die Fußmatte an.“ Daraufhin verstummte die Mickey Maus Stimme der Nachbarin und ihr Gatte nutzte diese unvorhergesehene Pause, um ihr das zu sagen, was ihm seit langen, quälenden Minuten auf der Seele brannte: „Siehste, Nina, hab‘ ich dir doch gesagt, dass du zu laut bist.“ Die Mickey-Maus-Stimme zischelte daraufhin sehr lange und mit einer ungemeinen Ausdauer. Das Zischen war gut auszuhalten und ließ mich bald in einen tiefen Schlaf sinken.
Erstaunlich fand ich jedoch im Nachhinein, wie kristallklar man seine Gefühle nachts um kurz vor vier spüren konnte. Kein Fünkchen von Vernunft oder Scham versucht einen davon abzuhalten, gegen die Wand zu donnern. Kein Körnchen „Aber wenn man es sich mit diesem Klopfen mit den Nachbarn verscherzt?“ ist zu hören. Nachts spürt man die Wut mit jeder Faser so klar und rein, als würde man nur aus diesem einen Gefühl bestehen.
Zugegeben, nachdem Signorino um halb drei Uhr schrie, ich 30 Minuten neben einem schlafenden, aber zappelnden Kind in einem 90cm Möbelschweden-Kinderbett lag und mich nach besagter Zeit endlich davon stehlen konnte, war der Samen der Wut bereits unwiderruflich ausgesät, denn ich lag wenig später hellwach im Ehebett. Der Römer schnarchte bedeutungsschwer. Ich hätte es ihm gerne gleich getan, aber plötzlich kratzte mein Fußballen, dann meine Kniekehle. Kurz danach war mir zu heiß, um dann festzustellen, dass es mit einem Fuß außerhalb der Bettdecke doch zu kalt war. Dann fing das Nachbarskind von oben an zu schreien. Immerhin war es nicht Signorino, so konnte ich frei nach dem Motto „Nicht mein Affe. Nicht mein Zirkus.“ handeln. Juna/Jonah, so heißt das Nachbarskind, dessen Geschlecht mir noch immer nicht ganz klar ist, denn ich verstand die Mutter des Kindes, Nina , damals am Aufzug nicht richtig, als sie sich und ihren Nachwuchs vorstellte, schrie inbrünstig. Ein Elter trampelte übers Paket. Dann gesellte sich ein zweiter, trampelnder Elter dazu. Juna/Jonah beruhigte sich angesichts der inflationär steigenden Anzahl seiner Erziehungsberechtigten nicht. Vielmehr schrie er noch mehr und noch lauter. So ging das 40 Minuten lang. Schlaflos und dadurch neugierig hörte ich zu, wie Nina und Tobias die Situation lösen würden.
Sie lösten sie wie wir: Das Kind beruhigte sich irgendwann, irgendwie. Die Anspannung und Müdigkeit der letzten, entbehrungsreichen Monate und Jahre forderten ihr Tribut bei den Eltern und so reichte ein Anlass, gleichwohl unbedeutend wie nichtssagend, um die Mickey Maus Stimme von Nina zum Explodieren zu bringen. „Das sind MEINE Hausschuhe, Tobi!“, brüllte Nina. Und Tobias sagte nichts, oder wenn doch, dann in angenehmer Zimmerlautstärke, wie sie in unserer Hausordnung empfohlen wird. „Jedes verdammte Mal nimmst du meine Hausschuhe! Ich kümmere mich eh schon allein um Juni, weil du dauernd arbeitest, aber selbst das ist dir nicht genug. Jetzt nimmst du auch noch meine Hausschuhe.“, schrie sie ihm entgegen. „Interessant.“, dachte ich. „Was man alles als Initialzündung eines Streits benutzen kann. Hausschuhe kurz vor 4 Uhr nachts? Darauf wäre ich nie gekommen.“ Nina quietschte und quiekte ihren Gatten mit schriller Stimme an. Ich hörte gespannt zu. Warum auch nicht? Ich war ja wach.
„Ma che cos‘é? [Aber was ist das denn?]“, meldete sich der Mann schlaftrunken neben mir. „Questa sta proprio fuori! [Die ist komplett außer Rand und Band!]“ Ich fand das Resümee sehr treffend. Zusammen lauschten wir dem Streit und starrten nebeneinander der Zimmerdecke entgegen. „Mutig!“, sagte ich zum Römer. „Nachtschlaf einfach so verstreichen zu lassen, um sich zu streiten. Man merkt, die haben zu viel davon.“ Der Römer nickte ins Halbdunkel. „Die werden ihre Lektion schon noch lernen. Das Kind ist nicht mal ein Jahr alt.“, gähnte der Römer und drehte sich um. Ich lauschte weiter. Dann schlich sich eine unverhoffte Müdigkeit heran und zwang mich, jetzt sofort einzuschlafen. Das gelang mir aber nicht, denn Nina wurde immer lauter. „Ma questa può stare zitta? [Kann die mal still sein?]“, fragte der Römer wieder ins Halbdunkel, sichtlich genervt.
Die Nacht lag in Trümmern, wie der Sperrmüll im Frankfurter Ostend.
Ich hob die Hand – und setzte an. Klopf, klopf, kloooopf. Jetzt tat mir der Handrücken weh, was ich wehleidig äußerte. Der Römer nahm sich meiner Hand an und streichelte sie. Tobias sprach den oben erwähnten Satz und Nina zischelte den Römer und mich in den Schlaf.
Vier Tage Präsenzarbeit im Büro. Mehr braucht man über diese Woche nicht zu wissen. Doch, vielleicht noch eine Sache: Das Büro liegt in einem Altbau. Es ist eiskalt. Aber der Ausblick ist sehr schön. Immerhin.
Ansonsten wird das Kind von irgendetwas geplagt. Signorino wacht nachts schreiend auf (ca. 4-5 Mal) und morgens ist es eine Katastrophe ihn zur Kita zu bringen. Nicht wegen der Kita. Die mag er sehr. Vielmehr, weil er in Ruhe Stöcke sammeln will, wenn wir schon auf dem Weg zur S-Bahn sind. Leider hat Mutti einen Arbeitsvertrag unterschrieben, bei dem ich wöchentlich X Stunden zu leisten habe. Deswegen ist „in Ruhe Stöcke sammeln“ keine Option. Und so schreit das Kind, wird selbst zum Stock und ich bin an der S-Bahn durchgeschwitzt und den Tränen nahe, weil es so furchtbar anstrengend ist (Nein, ich kann ihn nicht Stöcke sammeln lassen, sonst arbeite ich bis 3 Uhr nachts nach und stehe um 6 Uhr wieder auf).
Dennoch vermuten wir, das Kind bekommt die letzten, noch ausstehenden Zähne. Krank ist er – toi toi toi – nicht.
Im Februar wird‘s sicher besser. Obwohl, wenn ich an die „angepassten“ Kita-Öffnungszeiten aufgrund der Seuche denke, vielleicht auch nicht.
Vor wenigen Augenblicken bin ich in den Innenhof gefahren. Das Einfahrtstor stand offen – wie es tagsüber in unserem Wohnkomplex so Usus ist. Erst in den frühen Abendstunden schließen wir oder die Nachbarn es, verriegeln es und sperren es ab. Ich gehe mit meinem Rucksack Richtung Haustüre und sehe Parkwächter Krause, der auf dem angrenzenden Grundstück Sonnenblumenkerne in ein Vogelhaus einsortiert. Mit einem lauten „Hallo, grüß Sie!“ begrüße ich ihn. Er geht gar nicht erst auf diese Begrüßungsfloskel ein und legt direkt los. Dabei scheint ihm das Thema, das er vermutlich schon etwas länger auf dem Herzen liegen hat, zu beunruhigen.
PK: Haben Sie die Jugendlichen auch gesehen, die immer in Ihrem Innenhof stehe und rauche?
Ich: Sie meinen die drei, vier Kerle? Ja, habe ich. Sie trinken Kaffee aus Pappbechern und rauchen dort hinten [zeigt auf eine Ecke im Innenhof]. Es ist eine richtige Plage geworden.
PK [die Miene verfinstert sich]: Net nur des! [flüstert sehr laut] Des sind Kleinkriminelle!
Ich [etwas überrascht von dieser Behauptung]: Oh! Das wusste ich nicht.
PK: Aber ich! Ich hab‘ des im Gfühl. Wisse Sie, ich schau ja auch fern, bin informiert und da berichte die öfter amal über solche Jugendliche. Die klauen Ihr Auto, wenn Sie net uffbasse.
Ich [entschließt sich, das Spiel mal mitzuspielen]: Um Gottes Willen!! Was schlagen Sie jetzt vor, was wir machen sollen?
PK: Gnadelos des Einfahrtstor schließe! Es ist a bissle Aufwand, aber des lohnt sich. [Guckt zu meinem Auto, zeigt mit dem Kinn auf selbiges] Ihr Fünf-Meter-Kutsch hat sicher net nur 5 Euro kost.
Ich [scherzend, dabei versucht, die Situation aufzulockern]: Mindestens 10 Euro hat es schon gekostet, ja.
PK: Na, mir mache Sie nix vor. Des Auto kost‘ a Schweinegeld. [zeigt nochmal mit dem Kinn zu meinem Auto] Des is doch so a Direktoren-Kutsch.
Ich [schweigt, etwas verschämt]
PK: Wisse Sie, ich beicht’ Ihne des jetzt grad amal frei raus: Ich war 40 Jahre lang Pförtner beim Hauptfriedhof Frankfurt. Ich hab alles gsehe! Und ich formulier’s amal so: Ich hab a Gspür für solche Leut‘ wie die Youngsters da im Innehof. Mittlerweile bin ich zwar in Rente, aber ich sag immer: Sie kriege zwar die Person aus dem Beruf raus – aber net den Beruf aus der Person. Ich weiß einfach, wann man knallhart uffbasse muss! Bei dene junge Leut’ im Innehof is was faul. Und jetzt sag ich Ihne noch was: Die junge Leute ham letztens in alle Autos, die da bei Ihne im Innehof grasen, reingschaut. Auch in Ihrs!! So, da ham Se den Salat!
Ich [schäme mich etwas, da das Auto voller Pfandflaschen, Riegelverpackungen und Gedöns ist, etwas kleinlaut]: In alle?!
PK: Ganz genau, in alle! Deswegen können wir nur was schlimmeres verhindern, wenn wir des Einfahrtstor gnadelos geschlosse halte! Wisse Sie, ich bin ja sehr aktiv in Funk und Fernsehen.
[Ich gucke etwas irritiert und frage mich, ob er sich als Komparse verdingt. PK registriert meine fragenden Blicke]
PK: Natürlich als Zuschauer, net als Tagesschau-Sprecher [Ich stelle mir das vor und kichere in mich hinein]. Und deswege hab ich letztens einen Bericht gsehe, da stellt’s Ihne die Zehennägel auf. So junge Osteuropäer, die mache sich da a Tagesticket aus der Kaschubei, oder wo die wohne, und fahre nach Frankfurt. Mit dabei ham se so a Kästle, halte des an die Autotür und Ihr graue Luxuskaross springt auf wie nix. Dann setze die sich in Ihr Auto nei, rangiere im Innenhof, und verschwinde mit dem Wagen – auf nimma wiedersehn. Und Sie habe des Nachsehen!
Ich [etwas pikiert, aufgrund des polnischen Vorurteils, räuspert sich]: Ich denke, dass es Autodiebe in jeglicher Colour und Ausführung gibt. Das würde ich jetzt nicht nur auf die Kaschubei beschränken. Wir haben wahrscheinlich auch etliche, alteingesessene Hessen unter uns, die Autos klauen.
PK [etwas nachgiebig]: Kann auch sein. Die müsse ja net zwingend aus der Kaschubei komme. Des hab’ ich jetzt nur so daher gsagt. Entschuldige Sie vielmals, wenn ich Ihne oder Ihre Verwandte damit auf die Füße getreten bin. Ich hab‘ letztens im Ersten einen Bericht gsehe, da war der Kriminelle ein alteingesessener Bürgermeister aus einem Ort – gleich hier ums Eck.
Ich: Genau, es kann jeder sein. Das wollte ich damit sagen. Dennoch zähle ich Bayern, wo ich herkommen, eher zu Deutschland als zu Polen. Doch zurück zum Thema: Ich mache auf alle Fälle das Tor zu.
PK: Von mir aus müsse Sie gar nix. Aber ich will net, dass hinterher des Geheule groß ist. Wisse Sie, ich achte schon drauf, was in Ihrem Innehof passiert. Hab immer ein waches Auge, aber ich muss auch amal auf Toilette, zum Einkaufe oder zum Arzt. Und wenn dann des Tor offe‘ ist… Nicht auszudenke, was dann passiert. [macht Gesten als würde er am Lenkrad sitzen, stülpt Unterlippe um]
Ich: Sie haben vollkommen recht. Danke für den Hinweis – und das Sie so gut auf uns acht geben.
PK: Sicher! Des hab ich einfach so drinne. Ich schau zwar harmlos aus, aber des is mei Vorteil. Immer schon gwese! Auf zack bin ich. Und des danke mir meine Mitmenschen auch.
Ich: Super. Wirklich, vielen Dank!
PK: Da brauche Sie sich jetzt net bedanke. Ich mach des gern! So – jetzt aber. Ich muss weiterschaffe. Tschüss!