Bei Farnientes gibt’s heut Sushi

„Jetzt ist es passiert.“ werden Sie sagen während Sie die Überschrift lesen. „Ab jetzt wird sie uns jeden Tag erzählen, was es zu essen gibt. Irgendwann wird sie Wörter wie Foodie, Foodblog und Foodinspiration benutzen.“

Aber weit gefehlt, meine sehr verehrten Leser*innen! Vielmehr möchte ich Ihnen von einem, nein, von meinem Durchbruch erzählen. Es dauerte Jahre und nur durch mein unglaublich aufopferungsvolles Durchhaltevermögen habe ich es geschafft: Der Römer isst jetzt Sushi.

„Nichts besonderes.“ werden Sie mir mit Ihrem internationalen Gaumen antworten und währenddessen genüsslich ihre vietnamesische Phở schlürfen oder sich äthiopische Injera in den Mund schieben.

Aber ich halte ein „Oh doch!“ dagegen. Dazu muss ich ihnen eine Geschichte erzählen, die sich exakt so vor ein paar Jahren ereignet hat:

Als ich den Römer kennen lernte, war er ein begeisterter Fan der italienischen Küche. Das traf sich gut. Er wohnte schließlich in Rom. Doch wer nun erwartet, dass der Römer eine andere Landesküche außer der italienischen akzeptierte, den muss ich nun leider bitter enttäuschen. Es gab für ihn nur diese eine Küche.

Selbst in Albanien aß er zwar brav und ohne Widerworte das Festmahl, das seine Familie bei jedem Besuch auftischte, doch an Abenden, an denen er alleine Ausgang hatte, verschlug es ihn selbstredend in ein italienisches Restaurant. Wenn man ihn fragte, ob man etwas exotischeres essen könne, nickte er und schlug türkisch vor, denn Mezze und gegrillte Fleischspieße waren gerade noch so akzeptabel.

Die deutsch-österreichische Küche war ihm meist schon zu exotisch. Knödel wurden als „pane bagnato“ [nasses Brot] abgetan. Allerdings wurde ein hauchdünnes Kalbsschnitzel von ihm akzeptiert, da es dieses auch in der italienischen Küche unter dem wohlklingenden Namen „scaloppina milanese“ gab.

Und damit endete sein kulinarischer Horizont auch schon wieder.

Doch ich machte mir über dieses Thema nie viele Gedanken. Wenn wir uns sahen, dann waren wir meist in Rom und weniger in Frankfurt. Ich mag die italienische Küche und fand es vollkommen ausreichend mich von gegrilltem Fisch über Pizza bis hin zu cacio e pepe durch zu schlemmen.

Es war alles in bester Ordnung und wir hätten glücklich und verliebt bis ans Ende unserer Tage leben können, wäre da nicht unser erster, gemeinsamer Urlaub gewesen.

Das Reiseziel, Singapur und Bali, klang vielversprechend. Wir waren beide aufgeregt. Ich, weil ich hohe Erwartungen an diesen, unseren, ersten, gemeinsamen Urlaub hatte. Der Römer, weil er zum damaligen Zeitpunkt noch nie einen Fuß auf einen anderen Kontinent gesetzt hatte.

Im Flugzeug war alles ganz wunderbar. Man bot eine Auswahl an internationalen und asiatischen Gerichten an. Der Römer wählte begeistert die „internationale“ Küche, die aus insalata caprese [Tomate-Mozzarella] als Vorspeise und petto di pollo con purè (Hühnerbrust mit Kartoffelpüree) bestand. Ich hingegen war froh, die asiatische wählen zu können, wollte ich mich doch auf den Urlaub einstimmen.

In Singapur angekommen merkte man noch nicht viel vom römisch-kulinarischen Defizit. Am ersten Abend aßen wir frittiertes, einfaches Huhn und Reis. (pollo fritto con riso)

Generell galt: Alles, was einen italienischen Namen vorweisen konnte, wurde ohne Murren akzeptiert. Der Rest wurde verweigert, auch wenn das bedeutete in den Hungerstreik zu gehen.

Am zweiten Abend gingen wir in einen Foodcourt. Überall lachten uns kleine Buden an und jegliche, asiatische Gerichte wurden feilgeboten. Es war ein wahres Fest. Indisch dort, chinesisch da hinten, malaysisch links, usw., usw..

Ich setzte mich an ein Tischchen und bot dem Römer an, schon einmal zu gucken, was er essen möchte. Ich würde den Platz solange reservieren.

Der Römer stolzierte im Foodcourt umher, guckte sich alles genau an und verzog meist angewidert den Mund, bevor er seine Inspektion beim nächsten Stand fortsetzte.

Nach 20 Minuten, ich wartete mit knurrendem Magen auf meinem Platz, kam er zurück – mit leeren Händen. „Non trovo nulla qui! Fa tutto schifo.“ [Ich finde hier nichts. Es ist alles eklig.] sprach’s und ließ sich auf den Platz neben mir plumpsen. Ich guckte ihn irritiert – und hungrig – an.

„Und dafür hast du 20 Minuten gebraucht?“ fragte ich leicht genervt. „Vabbe, devo oppure vedere che c’è.“ [Ja gut, ich muss doch sehen was es gibt] antwortete er flapsig. Ich, ganz das allgemeine Wohl im Blick, bot ihm an, nochmal mit ihm gemeinsam zu schauen, ob es nicht doch was für ihn geben würde.

Wir gingen von Stand zu Stand und ich versuchte dem Römer das ein oder andere Gericht schmackhaft zu machen. „No.“ war seine andauernde und ernüchternde Antwort. Dazu schüttelte er vehement den Kopf. Ich atmete tief durch, da ich nicht wollte, dass dieser Urlaub gleich am Anfang zu einem Disaster werden würde.

Im Augenwinkel sah ich einen Dumpling Stand. Ich steuerte auf ihn zu. Der Römer trottete missmutig und hungrig hinter mir her. „Ah! Ravioli!“ erhellte sich sein Gesicht. „Buoni! Come sono?“ [Lecker! Wie sind die gemacht?] Der Römer, der damals sehr schlecht Englisch sprach, bat mich die Beschreibung zu übersetzen. „Mit Garnelen, vegetarisch oder mit Schwein!“ zählte ich auf. „Mmmh…buono! [Mmmh…gut] Ich nehme eine Portion mit Garnelen und eine vegetarische Portion.“ Ich bestellte die doppelte Menge für uns und nahm sie nach wenigen Minuten dankend in Empfang.

Angekommen am Platz war er höchst zufrieden mit seiner Wahl. „Veramente squisiti, questi ravioli.“ [Wirklich vorzüglich, diese Ravioli.] stellte er fest. „Sie heißen dumplings.“ erklärte ich ihm kauend. „Ah…dumpings! Fa oppure senso!“ [Ah…Dumpings! Das macht auf alle Fälle Sinn] bestätigte er mir. „Nein, nein, DUMP-L-INGS.“ wiederholte ich. „Ok…va bene. Basta che tu li sai pronunciare giuastamente.“ [Ok…in Ordnung. Es reicht, wenn du sie richtig aussprechen kannst] stimmte er mir zu.

An den darauffolgenden Tagen ernährten wir uns von „Dumpings“ und „Burger“. Weitere, kulinarische Versuche akzeptierte der Römer nicht. „Na, das kann ja was werden.“ dämmerte es mir – doch ich schob den Gedanken beiseite.

Nach einigen Tagen setzten wir unsere Reise fort. Es sollte nach Bali, Ubud um genau zu sein, gehen um dann – nach ein paar Tagen Aufenthalt – auf eine kleine Insel namens Gili Trawangan überzusetzen.

In Ubud angekommen machten wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem. „Nasi Goreng wird er wohl essen können.“ dachte ich. Weit gefehlt, denn es gab kein italienisches Pendant dazu. Mangels Auswahl bestellte ich es trotzdem für ihn. Als Vorspeise bestellte ich Hühner Satay Spieße.

Die Vorspeise empfing er mit großer Freude. „Mmmh…spedine al pollo.“ [Mmmh…Hühnerspieße.] lobte er und verschlang sie gierig. „Ma questo sugo di noci non centra nulla. Sarebbe stato meglio con un sugo di pomodoro.“ [Aber diese Nusssoße passt überhaupt nicht dazu. Eine Tomatensoße wäre besser gewesen]

Ich lächelte milde und tätschelte sein Knie.

Als die Hauptspeise kam, machte er große Augen. „Ma che cos’è?“ [Aber was ist das denn?] fragte er sichtlich entsetzt. „Nasi Goreng.“ flötete ich und wünschte ihm guten Appetit. Er stocherte lustlos in seinem Gericht herum. Ab und zu probierte er ein, zwei Reiskörner und geriet dabei so ins Schwitzen, dass er fast alle Knöpfe seines weißen Leinenhemds aufmachte. Dann tupfte er sich theatralisch den Schweiß von der Stirn und ächzte: „Troppo picante! No, non lo mangio!!“ [Viel zu scharf! Nein, das esse ich nicht!] Ich atmete tief ein und aus und rechnete in Gedanken nach wie viele Tage wir noch in diesem „Paradies“ verbringen müssten, bevor wir wieder heimfliegen konnten. „14.“ murmelte ich völlig resigniert als ich die Anzahl der restlichen Urlaubstage kalkuliert hatte. „Wie 14?“ fragte der Römer. „Ääähm….entschuldige, 140.000 Rupien kostet ein Gericht, glaub ich.“ versuchte ich mich aus der Situation zu retten. Der Römer trank seinen Softdrink und aß die traurige Grill-Tomate, die resigniert am Rand des Tellers lag.

Am nächsten Tag machte ich mich alleine auf die Suche nach einem internationalen Restaurant während der Römer hungrig im Pool plantschte.

Zum Glück wurde ich fündig. Nur wenige 100 Meter von unserer Unterkunft entfernt gab es ein vegetarisches Café. Es sollte von nun an unsere Stammlokalität werden. Jeden Tag – zweimal – bestellte der Römer eine Mezze Platte und verschlang sie meist zwischen zwei Atemzügen. Nachmittags gönnte er sich ein Stück Muffin oder tortina, wie er es nannte.

Mir graute es bereits vor Gili Trawangan. Wird man etwas Essbares dort finden? Oder wird er sich nur von Softdrinks, tortina und Toastbrot ernähren?

Ich sollte es noch früh genug herausfinden, denn die Reise ging am nächsten Tag los. Wir setzten mit der Fähre auf die kleine Insel über. Angekommen am Zielort streifte er durch die Speisekarte eines schönen Strandlokals… und… nichts…es gab rein gar nichts für ihn. Neidisch blickte ich zu einem niederländischen Pärchen hinüber… sie aßen ein traditionelles, indonesisches Gericht und wirkten sehr glücklich dabei. Neben mir saß der hungrige, italienische Trauerkloß und guckte böse, weil ihm die heimische Küche fehlte.

Ich bestellte mir „Phad Thai“. Der Römer wollte nur eine Zitronenlimonade und Satay Spieße – ohne Soße. Als das Essen kam, guckte er neidisch auf meinen Teller. „Che cos’è?“ [Was ist das?] fragte er interessiert. „Sembra come tagliatelle con gamberi. Buono!“ [Es scheint wie Bandnudeln mit Garnelen. Lecker!] beantwortete er sich die Frage selbst. „N…jaaaa… Willst du probieren?“ erwiderte ich hoffnungsvoll. „Ma si! Perchè no?“ [Aber ja, warum nicht?] antwortete er begeistert. Er steckte sich die erste Gabel voller Phad Thai in den Mund und ich wartete gespannt auf seine Reaktion. „Buonissimo!“ [Sehr lecker!] fiel sein Urteil aus. Erleichtert atmete ich auf.

Fortan aß er jeden Abend Phad Thai und jeden Mittag Satay Spieße. Andere kulinarische Ausflüge wagte er – wie immer – nicht. Seine kargen Essgewohnheiten zeichneten sich sehr schnell ab. Im Gesicht wurde er sehr hager und auch seine Hosen saßen von Tag zu Tag lockerer. Böse Zunge würden behaupten, er sah wie ein Schiffsbrüchiger aus, der aus unerfindlichen Gründen auf dieser Insel angespült wurde.

Auf dem Rückflug war er heilfroh, dass es eine eurasische Fluglinie war. Er stopfte sich mit Mezze, Hähnchenspießen und Baklava bis oben hin voll. Satt und glücklich schlief er ein und wachte erst in Istanbul wieder auf.

Auf dem Flug nach Rom erzählte er dem interessierten, italienischen Flugbegleiter sein kulinarisches Martyrium. Dieser nickte verständnisvoll und legte ihm mitfühlend eine Hand auf die dürre Schulter. Ich stellte mich indessen schlafend.

„Nie wieder.“ schwor ich mir in Rom. „Nie wieder gehe ich mit ihm auf eine Reise, die europäischen, nein, italienischen Boden verlässt.“

Doch es kam, wie es kommen musste. Er zog nach Deutschland – und fortan begann eine mehrjährige, geschmackliche Gewöhnungsphase für den Römer. Mittlerweile isst er gerne indisch, thailändisch, vietnamesisch und – so gar (aber das dauerte bis letztes Jahr im Dezember) rohen Fisch in Reis – oder Sushi, wie es korrekt heißt.

„Darf ich dich mal was fragen?“ wendete ich mich gestern an ihn während er mit seinen Stäbchen geschickt das Sushi in die Sojasauce tauchte. Er nickte bejahend und kaute zufrieden.

„Warum hast du fast 40 Jahre lang nur italienisch, albanisch und Mezze gegessen?“ erkundigte ich mich bei ihm.

„Es gibt einfach mehr italienische Restaurants in Rom als alles andere. Da hatte ich den Drang nicht, etwas Neues auszuprobieren. Mal aß ich ein Kebab, wenn ich von einer durchtanzten Nacht kam. Aber auch nur, weil alle italienischen Imbisse schon geschlossen hatten.“ antwortete er sehr ehrlich.

„Und jetzt? Wie findest du’s jetzt mit all den Möglichkeiten, die wir haben?“ hakte ich neugierig nach. „Gut. Wirklich! Aber die italienische Küche würde mir zum Überleben reichen.“ gab er grinsend zurück.

„Na dann! Finger weg von meinem Lieblings-Sushi.“ konterte ich. „Ti piacerebbe!“ [Das würde dir so passen!] hielt er dagegen und schob sich genüsslich eine Sushirolle in den Mund.

Warnung!

Kennen Sie das? Sie lesen ein Buch und in ihrem Kopf fügen Sie automatisch Bilder dazu ein. Die Hauptdarstellerin sieht für Sie vielleicht aus wie Grace Kelly und der widerwärtige Nebendarsteller wie ihr unsympathischer Cousin Markus mit den derben Sprüchen?

Doch dann passiert es: Einige Monate danach sehen Sie (zufällig) die verfilmte Version des Buches. Doch die Schauspieler scheinen so gar nichts gemein zu haben mit den Personen, die Sie in Ihrem Kopf in liebevoller Kleinstarbeit zusammengesetzt haben.

Sollte Ihnen das so – oder so ähnlich – schon einmal passiert sein, dann klicken Sie nun auf das kleine [X] oben rechts. Schließen Sie den Beitrag und genießen Sie den restlichen Tag.

Wenn Sie dennoch weiterlesen, dann nur auf eigene Gefahr:

Ich – in meiner damaligen, letzten Schwangerschaftswoche, gebe Ihnen nun die Möglichkeit diesen Beitrag zu schließen

Nun gut, Sie wollten es so:

Ich habe mein Personenregister (Haupt- und Nebendarsteller) überarbeitet. Schon lange war es mir ein Dorn im Auge, denn es war ein einziger Haufen hastig hingeworfener Darstellernamen. Ordnung musste endlich her!

Gesagt – getan. Und wo ich gerade dabei war, dachte ich, dass ich auch gleich das ein oder andere Bildmaterial einfüge. So kam es also, dass ich, Eva Farniente, nun gar nicht mehr so anonym durch’s Internet rausche. Auch den Römer, den Einen und den Anderen kann man erahnen.

Dennoch: Signorino, Turtle und Ova bleiben ein Phänomen. Der Erstgenannte, weil er noch so klein ist und mit 18 Jahren ganz allein entscheiden darf, welche Bilder von ihm ins Internet katapultiert werden und die beiden Letzteren, weil ich weiß, dass sie sehr verschwiegene Personen sind.

Nun denn, viel Spaß! Und kommen Sie mir hinterher nicht mit: Ich hätte Sie nicht eindringlich gewarnt!

P.S.: Da ich aber keine Influencer-Mutti bin, ist und bleibt das Fotomaterial bis auf weiteres das einzige. Es gibt keine liebevollen Insta-Stories, wo ich Ihnen Tee, Haarspülungen und Gesichtscremes aufschwatzen will (mit Rabattcode 40% günstiger!!) und es wird keine 10 Min HIT Workouts (das würde ich auch nicht durchhalten!) geben. Ich hoffe, Sie verkraften das und begnügen sich weiterhin mit den Geschichten auf meinem Blog!

Heute koche ich!

Was für Sie klingen mag wie ein einprägsamer Titel eines gelungen Kochblogs (keine Sorge, ich ändere meinen Blognamen nicht schon wieder!), ist in Wahrheit eine Drohung – wenn man dem Römer Glauben schenken darf.

Würde er diesen harmlos scheinenden Satz heute noch einmal hören, er würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und ausrufen: „Mamma mia, sempre questa donna!“ [Mamma mia, immer diese Frau!]

Trotzdem habe ich das dringende Bedürfnis Ihnen die ganze Geschichte von vorne zu erzählen, denn Sie verstehen mich. Da bin ich mir sicher!

Etwas Grundlegendes über mich sollten wir zuerst klären: Ich bin kulinarisch gesehen sehr kreativ. Täglich finden mich neue Kochideen und möchten in die Tat umgesetzt werden. Nur gibt es da ein Problem: Ich bin in der Küche vollkommen talentfrei oder um es mit anderen Worten zu sagen: Mein größter Erfolg ist und bleibt eine pasta fredda – ein italienischer Nudelsalat.

Heute war es wieder soweit: Eine neue Idee fand mich. Wie ich gedankenverloren durch einen italienischen Kochblog stöberte, sah ich es: Mein Rezept! Es trug den melodisch klingenden Namen polpette di melanzane al sugo [Auberginen Frikadellen in Tomatensoße]

Ein kurzer Blick in den Kühlschrank genügte. Es war alles vorhanden. Zumindest dachte ich das zu diesem Zeitpunkt noch. Denn wäre mein kurzer Blick ein langer Blick gewesen, wäre mir sogleich aufgefallen, dass zwei Zutaten fehlten: Eier und Parmesan. Fundamentale Geschmacks- und Konsistenzsäulen in diesem Rezept.

Aber hätte mich diese Lappalie davon abgehalten das Rezept postwendend umzusetzen? Wohl nicht! Denn „Improvisation“ ist mein zweiter Vorname.

So machte ich mich also an die Arbeit.

Schritt 1: Tomatensugo kochen. Dazu benötigt man passierte Tomaten , Zwiebeln, Zucker (ja, das kam mir auch spanisch vor), Salz, Pfeffer und Basilikum.

Hm…die sofortige Zubereitung des Sugos erschien mir nicht sinnvoll. Er würde doch nur herumstehen und damit Platz rauben, der in der eh schon kleinen Küche bereits Mangelware war.

Ich vertagte Schritt 1 auf später.

Dass Gerichte an Geschmack gewinnen, je länger sie köcheln, wusste ich zu diesem Zeitpunkt leider nicht. So ging ich sehr von mir selbst überzeugt zu Schritt Nummer 2 über.

Schritt 2: Würfeln Sie die Auberginen und geben Sie sie in ein Sieb. Bestreuen Sie sie großzügig mit Salz, damit sie an Flüssigkeit verlieren.

Das erschien mir sinnvoll. Während ich die Auberginen würfelte, tauchte der Römer hinter mir auf. „Madre mia!!! Le dita!!“ [Meine Güte! Die Finger!!] rief er. Ich beobachtete das Messer wie es nur wenige Millimeter neben meinen Fingerkuppen entlang schnitt. „Kein Grund zur Sorge“, sagte ich sehr cool, „ich mache das immer so!“ Der Römer nahm mir das Messer aus der Hand. „Wenn du es immer so machst, dann machst du auch immer etwas falsch. È un miracolo che non è mai successo qualcosa!“ [Es ist ein Wunder, dass nie etwas passiert ist] Als er die Auberginen fertig gewürfelt hatte, nahm ich ihm das Messer aus der Hand. „Danke, aber ich komme nun allein zurecht.“ sagte ich sehr schnippisch. Ich platzierte die Würfel in einem Küchensieb und fing an sie mit Salz zu bestreuen. Und während ich so bestreute und meinen Gedanken nachging, hörte ich den Römer schon wieder: „Ma che stai facendo? [Was machst du denn da?] Soviel Salz vertragen die Auberginen doch gar nicht! Und warum das grobe Meersalz?!“ Ich guckte auf die Auberginenwürfel. In meiner Tagträumerei versalzte ich die Auberginen sprichwörtlich. „Viel hilft viel!“ erklärte ich ihm sehr selbstbewusst, doch er wusch bereits die Auberginen um sie von meinem Salzgestöber zu befreien. Er trocknete sie kurz auf einem Küchentuch und streute mit einer geschickten Handbewegung feinkörniges Meersalz auf die Würfel. Gerade soviel, dass sie ins Schwitzen kamen.

Schritt 3: Drücken Sie nun das Wasser leicht aus den Auberginen. Anschließend erhitzen Sie das Öl in einem Topf. Danach frittieren Sie die Auberginenwürfel bis sie goldgelb sind.

Nachdem die Auberginenwürfel ein Teil ihres Wassers ausgeschwitzt hatten und ich sie danach ausdrückte (Sie glauben gar nicht wie viel Wasser in so einem Gemüse ist!) stand die Königsdisziplin an: Das Frittieren.

Während ich das Sonnenblumenöl großzügig in den Topf goß, stand der römische Paul Bocuse schon wieder neben mir. „STOOOP!!“ schrie er plötzlich als der Topf erst halbvoll war. „Jahaaaa“ antwortete ich genervt. „Basta così. [Das reicht so!] Das ist mehr als genug Öl!“ unterwies er mich fachmännisch.

Nach einer Pause fragte er sichtlich erheitert: „Du willst also wirklich frittieren?“ „Ja, so steht’s im Rezept.“ antwortete ich nüchtern und konzentriert. „Ma sei scema? [Bist du verrückt?] Du kannst doch kaum ein Toastbrot unfallfrei zubereiten und jetzt willst du frittieren?“ machte er sich über mich lustig. Ich atmete tief ein. „Arroganter Hamel!“ dachte ich und sagte es auch. Er guckte mich fragend an. Das Wort Hamel fehlte ihm wohl im Wortschatz. „Nichts, nichts.“ säuselte ich. „Weißt du, nur weil DU dich noch nicht an das Thema Frittieren getraut hast, heißt das nicht, dass ich es nicht versuchen kann.“

Der Römer grinste, wünschte mir in bocca al lupo [Viel Glück] und täuschte an zu gehen. Doch er war zu neugierig wie das Experiment enden würde. Deswegen schaffte er es nur bis zum Türrahmen und lehnte nun lässig dagegen.

Ich ließ mich nicht irritieren. Mutig erhitzte ich das Öl, fuhr nochmal mit den Händen durch die Auberginenwürfel und schüttete sie dann alle gleichzeitig in den kleinen Topf. Sie glauben gar nicht wie das spritzt und schäumt!

Aaah!! Porca puttana! [Das übersetzte ich Ihnen besser nicht]“ schrie der Römer.

Mein Gott, kann dieser Mann denn nicht einmal zufrieden sein?

„Schnell, schnell, du brauchst einen Schaumlöffel! Küchenrolle! Einen Teller! Das verbrennt dir doch sofort auf Stufe 9!“ Während ich mich noch suchend nach den gewünschten Utensilien umblickte, hatte er bereits alles im Bruchteil einer Sekunde zusammengesucht, den Temperaturregler auf kleine Flamme gestellt und seihte bereits die goldgelben Auberginenwürfel ab. „Puh! Das war knapp!“ reagierte er sehr gestresst. Ich guckte ihn verdutzt an. „Ging doch nochmal alles gut!“ lächelte ich während ich die goldgelb glänzenden Würfel betrachtete. Der Römer tupfte sich indessen den Schweiß von der Stirn.

Schritt 4: Vermengen Sie die frittierten Auberginenwürfel mit dem geriebenen Parmesan, den Semmelbrösel, dem Ei, den passierten Tomaten und dem Basilikum.

Nichts leichter als das. Während ich versuchte alles zu mischen, fiel es mir auf: Der Römer hatte das letzte Ei heute Mittag gegessen. „Mortacci tua!“ fluchte ich.

Aber ich wäre nicht ich, würde ich nicht exzellent improvisieren können. „Ein bisschen mehr Tomatensoße und es sollte klappen.“ redete ich mir ein. Also ertränkte ich die Auberginenwürfel in eben dieser. Streute eine Packung Semmelbrösel auf die Maße, die nun arg flüssig geworden war und wollte gerade den Basilikum hinzufügen, als ich aus dem Off schon wieder die Stumme des Römers vernehmen konnte: „Ma che cos’è? Stai facendo un insalata?“[Aber was ist das denn? Machst du gerade einen Salat?] fragte er grinsend. Ich räusperte mich, denn soviel Unverschämtheit lässt selbst mich nicht kalt.

Voller Selbstbeherrschung antwortete ich dann: „Nein, amore mio. Diese Pflanze nennt man Basilikum und sie ist Bestandteil der polpette.“ Kaum hatte ich meinen Satz ausgesprochen, drängte er mich bereits zur Seite, entfernte die Basilikumblätter vom Stängel und schnitt sie hauchdünn. „Du kannst doch keinen ganzen Baum in den Teig mischen. Basilikum muss man kleinschneiden, damit es sein Aroma versprüht. Er soll dich am Gaumen kitzeln! Es frischer machen! Luftiger! Es wird doch kein sorbetto al basilico [Basilikum Sorbet]“ erklärte er mir sehr fachmännisch.

„Das wäre ja auch kalt.“ glänzte ich zynisch mit meinem Wissen.

Er überließ mir den Teig. Die ganze aufgestaute Wut auf diesen Besserwisser machte es zu einem regelrechten Kinderspiel diesen Teig zusammenzukneten. Und wie ich knetete! „So ein Klugschei*er! Arroganter Hamel!“ murmelte ich vor mich hin.

Als ich den geriebenen Parmesan hinzufügen wollte, merkte ich, dass er in unserem Kühlschrank nicht zugegen war. Ich verwechselte ihn bei meiner vorherigen Zutatenvisite schlichtweg mit dem Pecorino.

Mehr als ein Schulterzucken rief auch dieses Problem nicht in mir hervor. Ich rieb ihn sehr fein und wollte ihn gerade untermischen, als ich zum wiederholten Male eine Stimme vernahm.

Der Römer – wie sollte es auch anders sein: „Ma è scritto parmeggiano, non pecorino!“ [Aber hier steht Parmesan, nicht Pecorino!] merkte der Römer an, während er auf die Stelle im Rezept deutete. „Ja, ich weiß. Aber ich dachte, ich improvisiere!“ erklärte ich ihm. Einen Teufel werde ich tun und ihm mitteilen, dass ich nicht genau geschaut habe als ich die Zutaten im Kühlschrank kontrolliert habe.

„Improvisieren? Du? Dazu braucht man Erfahrung! Fantasie! Passione [Leidenschaft]!“ neckte er mich. „Hab ich alles und jetzt rutsch zur Seite. Dieses Rezept verlangt nach Pecorino!“ motzte ich und schob ihn aus der Küche.

Schritt 5: Formen Sie Bällchen und platzieren Sie im Inneren einen kleinen Würfel Mozzarella. Danach panieren Sie die Bällchen mit Semmelbrösel.

Das krieg ich hin! Kein Problem. Ich versuchte Bällchen zu formen, doch der Teig klebte zäh zwischen meinen Handflächen. Der Römer kam wieder vorbei, angeblich um ein Fläschchen für Signorino zuzubereiten, und guckte mich belustigt an. „Aqua. Tiepida.“ [Wasser. Lauwarm.] merkte er süffisant im Vorbeigehen an. „Ja, kannst du dir nehmen. Gläser sind im oberen Küchenschrank.“ teilte ich ihm kühl mit. „No! Du sollst deine Hände mit lauwarmen Wasser befeuchten. Dann kannst du die Bällchen besser formen.“ ergänzte er mit seiner arroganten Küchenchef-Art. „Hmpf…“ hmpfte ich. „Geht schon.“

Als er die Küche verlassen hatte, versuchte ich seinen Trick und siehe da: Es klappte wunderbar. Doch gar nicht so doof, dieser Römer.

Schritt 6: Frittieren Sie nun die Bällchen bis sie goldgelb sind.

Das ist einfach. Das habe ich gerade eben schon gemacht.

Doch ich lernte aus meinem Fehler: Ich stellte eine niedrigere Temperatur als vorhin ein! Erst warf ich ein Bällchen in den Topf, dann nochmal 2, dann kam mir ein Gedanke und ich suchte etwas im Küchenschrank. Danach warf ich nochmal 3 Bällchen rein.

Der Römer – diesmal mit einem satten Signorino auf seinem Arm – stand in der Tür. „Was wird das denn wieder?“ fragte er in seinem Besserwisser Ton. „Nichts. Ich werfe Bällchen ins heiße Öl.“ erklärte ich schnippisch. „Si, lo vedo. [Ja, das sehe ich] Aber warum sind manche fast schwarz und andere fast roh?“ fragt er entsetzt. „Ääähm…“ brachte ich hervor.

Ich guckte in den Topf. „Oh!“ entfuhr es mir.

Da hatte ich schon Signorino auf dem Arm und wir wurden gebeten, das Spektakel von weitem zu betrachten. „Per la sicurezza di tutti!“ [Für die Sicherheit aller] hörte ich noch.

Der Römer seihte wieder ab, warf die besonders schwarzen polpette in den Müll und ließ dann die übrigen, noch zu frittierenden Bällchen in das heiße Öl gleiten. „Ist das das Rezept?“ fragte der Römer sehr höflich. „Ja!“ antwortete ich schuldbewusst. Der Römer lächelte mich aufmunternd an und rettete, was noch zu retten war. Signorino hielt mir seine Spielzeug-Raupe vor die Augen und guckte mich erwartungsvoll an. Wir gingen ins Wohnzimmer. Ich legte Signorino auf seiner Krabbeldecke ab und deckte den Tisch.

Nach 20 Minuten konnten wir essen. Traumhafte, wolkenähnliche polpette alle melanzane dampften auf den Tellern. Es roch himmlisch! Der würzige Sugo unterstrich den vollmundigen Geschmack des Käses.

„Ti piace?“ erkundigte sich der Römer. „Ja! Sehr gut. Ausgezeichnet.“ erklärte ich zufrieden zwischen zwei Bissen. „Hai fatto bene, amore mio. [Das hast du gut gemacht, mein Schatz] Der Pecorino war eine super Idee.“ lobte der Römer mich. Ich errötete, wusste ich doch, dass er die meiste Zeit meine Fehler ausgebügelt hatte und wir nur deswegen diese traumhaften Frikadellen genießen konnte. „Ma la prossima volta, che dici, proviamo una ricetta insieme?“ [Aber nächstes Mal, was meinst du, probieren wir ein Rezept zusammenzukochen?] wendete er sich ganz scheinheilig an mich. „Okay.“ knickte ich ein. „Aber ich suche es aus!“

Er lächelte und küsste mich auf die Backe. „D’accordo. Ma niente fritto!“ [Einverstanden! Aber nichts Frittiertes!]

Wünsche ohne Barrieren

Da prangt sie also an unserem Kühlschrank – die 5-Zimmer Wohnung in der Via Dandolo in Rom. Wer sich durch die engen Gassen Trasteveres als Tourist durchgeschlagen hat, kommt selten in diese Ecke des Viertels. Große, mediterran eingefärbte Hausfassaden hinter hohen Mauern, keine touristische Attraktion weit und breit und doch: Für den Römer und mich ist es eine der schönsten Straßen Roms.

Sie werden sich fragen, was die Annonce dieser Wohnung an unserem Kühlschrank zu suchen hat.

Das möchte ich Ihnen gerne erklären: Die liebe Jeanette (ein großes Danke an dieser Stelle!) hat mich auf den -für mich- richtigen Podcast gestoßen, der mich inspiriert und meine Gedanken in klareren Bahnen fließen lässt.

Ganz am Anfang des Podcasts, in einer der ersten Folgen, geht es unter anderem um die Frage: „Wo siehst du dich in 3 Jahren, wenn es keine gedanklichen Barrieren gibt?“ Meine Antwort war schnell gefunden: „Die ganze Familie Farniente wohnt in Rom – und ich schreibe über die ewige Stadt und ihre Bewohner.“ Das wäre mein Wunsch – aus tiefstem Herzen.

Später an diesem Tag fragte ich den Römer eben diese Frage, die ich mir selbst gestellt habe: „Wo siehst du dich in 3 Jahren ohne gedankliche Barrieren? Das Unmögliche bleibt außen vor!“

Er stammelte etwas herum, wand sich und wollte sich in seinen „Unmöglichkeiten“ verfangen wie ein zappelnder Fisch am Hafen von Anzio. „Keine Barrieren!“ betonte ich noch einmal. Er atmete tief durch, schloss die Augen, hielt einen Moment inne und sagte: „Va bene! Telo dico?“ [Gut! Soll ich’s dir sagen?] Ungeduldig wie ich bin, erwiderte ich nur ein „sarebbe ora“. [Es wäre an der Zeit!]

„Oooookay…“ begann der Römer erneut. „Allora….“

Ich platzte fast vor Ungeduld und spielte nervös an meinem Ehering herum, bereit ihn in den tiefen der Espressotasse zu entsorgen, wenn er nicht bald seine Version des perfekten Lebens vor mir ausbreitete.

„Ich…also wir…wohnen in Rom. Testaccio, Trastevere, Centro Storico, das wäre mir egal. Riguardo al lavoro [Hinsichtlich der Arbeit]….hm…telo dico veramente?“ [Soll ich’s dir wirklich sagen?]

Dieser Mann treibt mich noch in den Wahnsinn! Jede buddhistische Weisheit ist hinfällig mit ihm und seinem Spannungsaufbau! Ich versuchte mich an das „Ertragen des Leidens“ zu erinnern und ertrug dieses Leid mit tiefen, fast schon Wehen veratmenden Atemzügen voller Ungeduld. Einatmen….3…4…5…Ausatmen…6…7…8. Spätestens in diesem Augenblick beglückwünschte ich mich zu dem damaligen Geburtsvorbereitungskurs.

„Bitte, ja.“ antwortete ich – ganz konzentriert auf meine Atmung.

„Okaaaaay… allora…“ [Okaaaaay…also….] fing er wieder an.

„NUN SPUCK’S ENDLICH AUS!“ schoss es aus mir heraus. „Huch! Woher kam das denn?“ fragte ich mich in Gedanken und lächelte den Römer entschuldigend an. Gleichzeitig machte sich ein Gefühl der Befreiung in mir breit. Dennoch: Ich habe wohl noch einen sehr langen, buddhistischen Weg vor mir.

„Scusa, allora, io vorrei lavorare come professore a una delle università di Roma. [Entschuldige, also, ich würde gerne als Professor an einer der römischen Universitäten arbeiten.]“ fing er an. „Teilzeit wäre super. Gleichzeitig habe ich meine eigene Praxis in Rom. Aber es ist unwahrscheinlich, dass ich jemals in Rom als Professor arbeiten kann. Ich bin kein richtiger Italiener und ich….“ versuchte er sich schon wieder zu limitieren. „Na, na, na! Es geht nur darum zu definieren, wo du hin willst. Der Rest kommt dann nach und nach.“ unterbrach ich ihn.

Nach einer kurzen Pause, setzte ich wieder an. „Wie schön, dass wir zur gleichen Destination wollen.“ Ich grinste. „Und noch schöner, dass wir darüber offen reden konnten.“

„Wie meinst du das?“ fragte der Römer irritiert. „Na ja, du willst nach Rom, ich will nach Rom. Das kann kein Zufall sein.“ begründete ich meine Aussage.

Wenig später fand man uns vor dem Computer, nach Traumhäusern suchen. Spontan verliebten wir uns beide in das Anwesen in der Via Dandolo. Ich druckte es aus, strich den utopischen Preis mit einem dicken Filzstift durch und hing es an den Kühlschrank. Dem überraschten Römer erklärte ich: „Man muss seine Ziele fest im Blick haben. So auch unser Haus. Vielleicht klappt es nicht in drei Jahren, vielleicht auch nicht in fünf, aber früher oder später wird alles so, wie wir es uns ausgemalt haben. Energie fließt in die Richtung, in die deine Gedanken gehen.“ kommentierte ich meine Idee. „Inshallah.“ antwortet er und grinst. „Genau, inshallah!“ antwortete ich und umarmte ihn.

Römische Verjüngungskur

Der Römer steht kurz vor dem kompletten Verfall. Zumindest möchte man das meinen, wenn man ihn in letzter Zeit beobachtet.

„Es ist 5 vor 12 Uhr!!“ merkt er nervös an und huscht an mir vorbei ins Badezimmer. Ich gucke auf die Uhr. 19:07 Uhr – die Uhrzeit kann er schon mal nicht meinen. „Wie meinst du das?“ frage ich durch die geschlossene Badezimmer Tür. Er öffnet mit nassem Gesicht. Der milde Reinigungsschaum schmückt seine rechte Hand.

„Ich muss mich um mein Gesicht kümmern. Jahrelang, eigentlich seit jeher, habe ich es vernachlässigt. Ma ultimamente al lavoro [Aber letztens in der Arbeit], hat mich jemand auf 40 Jahre geschätzt. 40 anni!!! [40 Jahre!!!]“ erzählt er mir empört während er den Schaum in kreisenden Bewegungen auf seinem Gesicht verteilt. „Ähm…amore? Du BIST 40.“ gebe ich zögerlich zurück und bereue die Feststellung im selben Augenblick. Er atmet tief aus, was sich ziemlich lustig anhört, weil er gerade den Reinigungsschaum von seinem Gesicht wäscht. Nachdem er mit dem Prozedere fertig ist, holt er tief Luft und sagt: „Laut Geburtsurkunde, ja. Ma devo sembrare come un quarantenne?[Aber muss ich so aussehen wie ein 40jähriger?]“

Er tupft sein Gesicht vorsichtig mit einem kleinen Handtuch trocken. „Amore?“ frage ich wieder. „Dimmi!“ [Sprich!] sagt er nun schon etwas genervter. „Warum tupfst du dein Gesicht ab?“ hake ich sichtlich irritiert nach. „Ma non lo sai?“ [Aber weißt du das nicht?] gibt er erstaunt zurück. Das Gesichtswasser hat er bereits in der rechten Hand. „Wer sein Gesicht abrubbelt, der produziert automatisch noch mehr Falten. Rughe!! Capisci! [Falten! Verstehst du!] Sanft abtupfen ist die einzige Möglichkeit um dich davor zu bewahren.“ erklärt er mir mit ernster Stimme. Ich grinse, nicke und denke mir den Rest.

Als er nach weiteren 25 Minuten fertig ist, spreche ich ihn auf eine seltsame Zahlung an, die ich auf der Kreditkartenabrechnung bemerkt habe. „Amore, hast du etwas für 200 Euro gekauft? Dr.Ti? Was soll das denn sein?“ befrage ich ihn interessiert. „Aaaaach das! Ein Gesichtsserum. Retinol! DAS Zaubermittel. Es lässt dich um Jahre jünger erscheinen. Dazu der Dermaroller – sarà una revoluzione! [Das wird eine Revolution]“ offenbart er mir. „Okay…aber 200 Euro?“ antworte ich nun schon etwas harscher. „Ma cheeee! [Aber was!!] Wie oft gibst du 200 Euro aus? Ich werde doch wohl 200 Euro in mich investieren dürfen. Wo kämen wir denn dahin, wenn ich mich gehen lassen würde? Ti piacerebbe? [Würde dir das gefallen?] Non credo! [Ich glaube nicht!] Allora![Also!]“ redet er sich in Rage. „Aber warum benutzt du denn keine koreanischen Produkte? Die sind viel günstiger und der koreanische Markt ist um Jahrzehnte weiter als der europäische!“ informiere ich ihn. „Davvero?“ [Wirklich?] Der Römer ist ganz Ohr. „Ja, ja… die Koreaner..“ will ich fortfahren – da war er schon abgerauscht.

Den restlichen Abend verbrachte er, recherchierend, am Laptop. Er machte sich Notizen und war ganz in die Materie vertieft. Ich vermutete, dass er sich um ein Projekt für die Universität kümmert – doch weit gefehlt. „Okay! Ich bin nun top informiert. Mehrmals habe ich nun Zollgebühren und Mehrwertsteuer Sätze berechnet. Ich würde auch nur auf 240 Euro kommen, was günstig ist, wenn man bedenkt, dass ich ein 9-in-1 Serum, Gesichtswasser, eine Haferkleie Maske, eine Tonerde Maske, einen Sonnenschutz 50+ fürs Gesicht, eine lebensverändernde Essenz, eine revolutionäre Tagescreme, eine aufpolsternde Augencreme, ein Straffungsfluid und einen Porenverkleinerungsbalsam bekomme. ABER – und hier kommt das große ABER: In diesen schrecklichen Zeiten braucht die Post vier bis 6 Wochen bis sie das Paket aus Korea liefert. Fra quattro e sei settimane!! [Zwischen vier bis 6 Wochen] Weißt du wie alt ich bis dahin ausschauen werde? Die Leute werden von mir denken, dass ich schon 41 Jahre alt bin. Per favore, chiedo il tuo aiuto! E‘ urgente! [Bitte, ich brauche deine Hilfe! Es ist dringend!]“ redet er sehr schnell und sehr aufgeregt auf mich ein. Die Lage scheint ernst zu sein – für ihn – und für unser Sparkonto.

„Mo-mo-mo-mo-ment! 240 Euro?“ gebe ich zurück. „Si, si, ma questo non e‘ il problema. Il problema e‘ il tempo.“ [Ja, ja, aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist die Zeit.] führt er schnell aus. „Fliegt einer deiner Kollegen in nächster Zeit nach Korea? Es ist ein Notfall!“

„Ja, der Andere. Aber er hat sicher keine Zeit, für mehrere hundert Euro Anti-Aging Produkte zu kaufen. Ich glaube, dir brennt das Hütchen, amore mio!“ mache ich ihm nun sehr eindeutig klar.

„E‘ tanto?“ fragt er verdutzt und scheint anscheinend langsam zur Besinnung zu kommen. „Das fragst du noch? Aber ja!!! Das ist extrem viel.“ herrsche ich ihn an. Er guckt mich niedergeschlagen an. „So komme ich nicht weiter.“ denke ich und versuche es über einen anderen Weg: „Doch glaub mir, amore mio, allein durch dein Retinol Serum siehst du aus wie Anfang 30. Du hast die koreanischen Produkte doch gar nicht nötig! Und wenn es ganz schlimm werden sollte, dann verspreche ich dir, dass ich jemanden finde, der dir all diese Dinge mitbringt.“ Sein Blick erhellt sich. „Hm… hast du den Eindruck, dass das Serum schon wirkt?“ fragt er aufgeregt nach. „Aber ja!!!! Hundertprozentig. Du siehst sicher fünf Jahre jünger aus.“ lobe ich überschwänglich. „Wenn ich dein Alter nicht kennen würde, ich würde dich auf junge 35 Jahre schätzen.“

„Grazie! Ho pensato oppure io ma non ero sicuro!“ [Danke! Ich habe das auch gedacht, aber ich war mir nicht sicher] bedankt er sich überglücklich. „Und du bist dir sicher, dass ich nicht einmal das 9-in-1 Serum testen sollte?“ hakt er noch einmal nach. „Also, wenn du unbedingt möchtest, frage ich gerne den Anderen, ob er dir das mitbringt. Aber du hast es definitiv nicht nötig!“ erwidere ich. Er denkt kurz nach, scheint mir aber nicht vollkommen zu vertrauen und sagt: „Dennoch…könntest du den Anderen fragen? Außerdem dachte ich noch an die Haferkleie Maske und die Essenz….“ versucht er es weiter. „AMORE!!!“ gebe ich scharf zurück. Er guckt mich kleinlaut an. „Okay….also nur das Serum. Ich hab’s verstanden…“ knickt er ein. „Ich mach mir noch eine schnelle Reiskleie Maske und dann geh ich ins Bett.“ erwähnt er, schon halb aus der Tür. „Na dann…buona notte!“ [Gute Nacht] gebe ich lachend zurück.

Mit dem Römer wird es einem nie langweilig. Ganz sicher nicht.

Mindfulness

Wissen Sie, ich würde gerne etwas über „Mindfulness und Selbstoptimierung“ schreiben, weil man das momentan so macht. Ich hatte schon die genauen Zeilen im Kopf, sie waren wie in Stein gemeiselt als ich Signorino für sein Nachmittagsschläfchen ins Bett brachte. Dann beging ich den Fehler und setzte mich an den Laptop – neben den Römer.

Ich hatte noch nicht einmal das Wort „Mindful“ abgetippt, da fragte er: „Amoooore!“ fragte er. „Magst du auch eine Orange?“

Ich bedankte mich für den lieben Gedanken, schüttelte den Kopf und teilte ihm mit, dass ich jetzt gerne etwas schreiben würde. „Ah! Capisco! Non ti preoccupare. Non ti disturbo più.“ [Ah! Verstehe! Keine Sorge. Ich störe dich nicht weiter.]

Als ich gerade das U des Wortes Mindful tippte, hörte ich den Römer unter lautem Stöhnen wie er die Schale von der Orange zu befreien versuchte. Wenn Sie sich jetzt fragen, ob man nicht normalerweise die Orange von der Schale befreit, dann haben Sie absolut Recht. Aber vertrauen Sie mir: In diesem Fall war es eindeutig andersherum. Der Machtkampf begann und die Orange lag samt Schale mit weiter Führung vor dem Römer. Also musste Hilfe her. „Amoooore!! Aiutooo!“ [Schatz! Hilfe!] forderte er eben diese ein.

Ich atmete tief ein und zählte 21…22….23…. Dann wendete ich mich an ihn und fragte, womit ich ihm helfen kann. Natürlich wusste ich bereits das „Womit“, denn seit fünf Minuten beobachtete ich seinen Kampf mit der Orange. Aber ich wollte ihm die Chance geben, zu reflektieren und zurückzurudern, so dass ich meinen Text weiterschreiben hätte können. Sie sehen bereits am gewählten Konjunktiv, dass es nur ein ferner Wunsch bleiben sollte.

„Mazza, è difficile! Non pensavo!“ [Mannometer, das ist schwierig! Ich hätte es nicht gedacht!] beantwortete er mein „Womit“ und ich half ihm, die Orange von der Schale zu befreien. Zugegeben, es war ein sehr widerspenstiges Exemplar. Dennoch hätte man das Problem sicher im Stillen lösen kann.

Nachdem nun die Orange von der Schale befreit war, ich das Wort „mindful“ um das fehlende L ergänzte und weiter schrieb, kaute er auf seiner Orange herum.

Experten sagen: „Als Richtwert gilt, jeden Bissen etwa 30 Mal durchzukauen, bevor er geschluckt wird. Und das ist wichtig, denn kräftiges Kauen von Nahrung regt bei gesunden Menschen den Speichelfluss an.“ Glauben Sie mir, der Römer nahm diesen Rat mehr als ernst. Er kaute mit einer solchen Inbrunst, dass ich bei dem Wörtchen Meditation nur bis Med kam. Dann musste ich wieder absetzen.

„Schatz, entschuldige, aber könntest du etwas leiser kauen?“ fragte ich ihn bemüht freundlich. „Ah…già…certo! Scusa… mangio qualcos’altro.“[Ah…sicher! Entschuldige…ich werde etwas anderes essen]

„Meeeditation“ tippte ich nun zu Ende und versuchte mich wieder in meinem Gedanken einzufinden. Als das gelang und ich weitertippen wollte, kam der Römer zurück. Bemüht leise setzte er sich hin, beugte sich über sein Buch und öffnete eine Tüte. Er kaute wieder, diesmal Nüsse.

Ich weiß nicht in welcher Galaxie Nüsse kauen leiser ist als Orangen mampfen, aber so oder so, es muss eine unheimlich laute Galaxie sein. Das, oder man ist dort schwerhörig.

Ein Räuspern sollte ihn darauf aufmerksam machen, dachte ich. Also räusperte ich mich so wie man sich nur räuspert, wenn man von etwas (oder jemandem) genervt ist. Dann versuchte ich weiter zu schreiben. Leider hatte ich in der Zwischenzeit vergessen, WAS ich schreiben wollte.

Der Römer griff sich wieder eine Hand voll Nüsse. Und kaute. Ich guckte nun zu ihm hinüber und versuchte gegen meine Augen anzukämpfen, die sich zu funkelnden Schlitzen formen wollten. „Senti…“ [Hör mal…] setzte ich an.

Der Römer begriff. Zumindest dachte ich das: „Oh, scusa, amore! Hai raggione! Vuoi anche tu?“ [Entschuldige, Schatz! Du hast Recht! Willst du auch?] fragte er und hielt mir auffordernd die Nusstüte entgegen. Ich sammelte mich kurz, versuchte mein loderndes Pitta-Feuer in Zaum zu halten und bedankte mich dennoch für den netten Gedanken.

„Atmen. Ein- und ausatmen. Die Gedanken ziehen vorbei. Ich beurteile sie nicht. Ich beobachte sie nur und lasse sie auf mich wirken.“ versuchte ich mich zu beruhigen. „Schatz, entschuldige bitte, aber ich versuche gerade etwas zu schreiben und kann mich kaum konzentrieren.“ erklärte ich ihm mit einem sichtbar angestrengt-freundlichen Ton.

„Scusa, amore, scusa veramente. Dai, ti lascio in pace e mene vado.“ [Entschuldige, Schatz, wirklich. Komm, ich lass dich in Ruhe und gehe.] entschuldigte sich der Römer. Ich atmete beseelt auf.

Zurück zum Text: „Mindful sollte eine Meditation sein…“ stand da und ich überlegte, was ich genau schreiben wollte.

Da hörte ich ihn. Den Rasenmäher, der vom fröhlich hinter ihm hertrabenden Römer durch den Garten begleitet wurde. Ich überlegte kurz gegen den Rasenmäherlärm anzuschreien und den Römer darauf hinzuweisen, dass das nicht gerade zu meiner Konzentration beiträgt. Doch ich wählte einen anderen Weg.

Ich löschte den Großteil meines Satzes und ergänzte ihn mit „Mindfulness am Arsch.“ Danach klappte ich meinen Laptop zu. Ich ging in die Küche, machte mir einen Espresso und atmete tief ein und aus. „Mindfulness…pff“ murmelte ich und schüttelte ungläubig den Kopf.

Dieter wird isoliert

[Berlinerisch kann ich so schlecht wiedergeben, deswegen spricht Dieter in meinen Texten von nun an etwas kölsch]

Vor zwei Wochen trug es sich zu, dass der Römer und ich beunruhigt waren aufgrund der Lage in Italien. Wir tauschten uns viel mit der Familie und unseren Freunden aus, die dort wohnen und man merkte recht schnell: Der Virus wird nicht nur Italien betreffen. Besser jetzt handeln als dass es zu spät ist.

„Dieter“, sage ich, „die Lage ist ernst!“

Dieter, eben noch mit seinem Blick in der Kakaotasse versunken, blickt auf, runzelt die Stirn und antwortet: „Ich habe es mir schon gedacht, Medschen. Du trinkst Kaffee statt Kakao. Wenn du jetzt noch einmal darüber diskutieren willst, dass wir Mandelmilch für den Kakao benutzen sollten, dann sage ich dir hier und jetzt in aller Ehrlichkeit: Nein! Meine Großmutter Agatha würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass ich homöopathisches Nusswasser für den Kakao benutze.“

Ich muss lachen. „Nein, Dieter, das habe ich schon längst aufgegeben. Ich trinke Kaffee, weil Signorino heute Nacht kaum geschlafen hat.“

„Ach gut, das hätte ich mir denken können. Deine Augenringe sind ja nun nicht zu übersehen.“ antwortet er grinsend.

„Danke, Dieter Wilhelm. Du weißt, wie du mich nach einer kurzen Nacht aufbauen kannst. Ich habe dennoch etwas wichtiges zu sagen!“ erkläre ich ihm.

Dieter setzt sich in dem großen, grauen Ohrensessel auf, die Tasse entschlossen in der rechten Hand, Signorino mit festem Griff im linken Arm und spricht: „Okay, Medschen, lass uns Tacheles reden. Onkel Dieter ist bereit!“

„Dieter – wir müssen dich isolieren. Es geht nicht anders. Du nimmst Herztabletten, bist an die siebzig,….“ fange ich an.

„An die siebzisch, aber nisch ÜBER siebzisch. Darauf lege ich Wert!“ betont Dieter.

Ich unterstreiche also noch einmal, dass er „an die siebzig – nicht aber über siebzig ist“ und fahre fort: „Wie dem auch sei: Du bist uns wichtig. Deswegen wollen wir dich isolieren. Carmen [Dieters Tochter] hat dir das doch auch schon erklärt. Kein Besuch mehr von Estefania [Carmens Tochter = Dieters Enkelin], kein Besuch mehr von uns. Wir gehen für dich einkaufen und karren dir alles an, was du zum Leben brauchst.“

„Na hör ma, ich bin doch kein Huhn in der Legebatterie. Meint ihr wirklich, ich werde in meinen zwei Zimmern glücklich? Ich kann doch nicht den ganzen Tag dort rumtigern! Freiheitsliebend – das bin ich. Was würde denn meine Rose [Dieters verstorbene Ehefrau] von mir denken, wenn ich nur daheim sitze? Sicher guckt sie runter vom Himmel, auf ihrer fluffeligen Wolke und sacht: Mensch Dieter, Dieter. Kaum bin ich nicht mehr da, wirste richtig träge. So kenn isch disch gar nicht, mein Dieterchen.“ holt Dieter aus.

„HERR WILHELM! Es ist ernst!“ sage ich bestimmt. Ich stehe auf, streichle über Signorinos Kopf, der bequem gegen Dieter Wilhelms Bauch gelehnt ist und verdunkle den Raum. Dann mache ich den Fernseher an und zeige ihm wie es in Bergamo ausschaut. Bilder von Särgen, von Militärtrucks, von jungen und alten Menschen flimmern über den Fernseher.

„Und genau DA will ich dich nicht sehen. Es ist nur zu deinem eigenen Schutz, dass du daheim bleibst. Bitte, Dieter!“ flehe ich ihn nun an.

„Hmpf…“ ist seine Reaktion. Dieter schmollt. Er schmollt und denkt nach. Immerhin grübelt er – das ist ein gutes Zeichen. Mein Vortrag fruchtet. „Und wenn ihr mich besucht? Dann muss ich nicht aus dem Haus und ihr kommt einfach zu mir hoch!“ schlägt er vor. „Och Dieter, es geht doch nicht darum, wer wen besucht. Es geht darum, Kontakte vollständig zu meiden, auch wenn es in Deutschland noch nicht vorgeschrieben ist. Nur so können wir sicher stellen, dass DU sicher bist. Wir kümmern uns um dich, aber du musst jetzt einfach einmal ein paar Wochen Abstand nehmen.“

„Soschl – Detoxing meinst du, ne? Und du meinst, das ist wirklich nötig?“ fragt er noch einmal nach. „JAAA!“ antworte ich streng. „Das ist wirklich notwendig.“

„Na gut, aber ich gehe noch fix einkaufen. Mein Kühlschrank ist komplett leer – im Angebot gibt es diesen wunderbaren, französischen Käse, den ich so mag.“ will er einwenden.

„Dieter! Nein! Kein Einkaufen, kein „mal-eben-an-den-Kiosk“, kein Schach spielen im Park, keine Freunde treffen, kein Hunde streicheln, kein Schnack, kein Besuch bei uns, kein flanieren auf der Einkaufsstraße, kein Besuch von oder bei Carmen und ihrer Familie. Einfach nichts.“ erkläre ich nochmals ausführlich.

„Mensch, das ist ja wie dieses Schweige-Kloster, dass meine Rose vor 20 Jahren unbedingt ausprobieren wollte. Gut getan hat ihr das aber nicht. Sie war so durch den Wind, dass sie eine rote Socke mit der weißen Kochwäsche gewaschen hat. Ich musste wochenlang rosa Hemden in der Arbeit tragen! Sowas ist ihr vorher noch nie passiert.“ erzählt mir Dieter.

„Ach Dieter, du musst doch nicht schweigen. Nur daheim sein. Ein Telefon hast du doch und ich habe auch schon eine Idee wie du mehr von der Welt siehst ohne deine Wohnung oder deinen Balkon zu verlassen.“ kündige ich an.

„Na, da bin ich ja gespannt, Medschen!“ sagt Dieter und knuddelt Signorino ein letztes Mal für ein paar Wochen.

Der isolierte Dieter

Italien – du Held!

Ich mag sie, die Italiener. Das ist kein Geheimnis. Italien wäre nicht Italien ohne seine Einwohner.

Wer mir schon länger folgt, der weiß, dass ich, seit ich denken kann in Südtirol (Italien – light sozusagen) meine Urlauber verbrachte. Ich war Au Pair im Norden Italiens, in Bergamo. Zurück in München bestritt ich meinen Arbeitsalltag auf Italienisch. Dann ging es in Hessens heimliche Hauptstadt – und von dort hinaus in die weite Welt. Dann lernte ich den Römer kennen, wir wohnten kurz in Rom, bevor es wieder zurück nach Deutschland ging.

Italien – du wunderbares Land. Die Menschen sind in Quarantäne, aber sie haben ihre Lebensfreude nicht verloren. Bilder und Videos gehen um die Welt wie Italien gemeinsam musiziert – von den Balkonen hoch über der Stadt. Sie tanzen, sie singen, sie trommeln und benutzen an Instrumenten, was sie daheim finden können. Sie applaudieren mittags um 12 Uhr für all die Helfer in der Not, die 3-4 Schichten arbeiten. Sie applaudieren für ihre Helden, wie sie sagen.

Sie sind ein Team und halten zusammen – das Volk mit dem Herz am rechten Fleck, der Lebensfreude auf der Zunge und dem Zusammenhalt, der unbändiger nicht sein könnte.

Italien, du wunderbare Perle. Vielleicht bist du gerade weggesperrt, vielleicht liegst du am Boden, aber glaube mir, sobald wir alle wieder reisen können, wir kommen dich besuchen! Wir schlendern über deine Piazzas, wir genießen deine Lebensfreude und wir helfen dir wieder auf die Füße: Als Touristen, als Besucher! Denn es ist das, was du brauchst, wenn die Normalität einkehrt.

Italien – du großes Vorbild! Stammi bene! Ci vediamo al piú presto possibile!