Nachtgewand

Haben Sie einen Schlafanzug? Also einen richtig zusammenpassenden Schlafanzug – wie er oft in der Werbung gezeigt wird? Vielleicht ein flotter Einteiler in gedeckten Farben? Oder gar ein luftig leichtes Nachtkleid aus purer Seide mit feinsten Trägern, in dem Sie verträumt am Frühstückstisch sitzen und ihren Cappuccino schlürfen?

Wenn Sie diese Fragen mit einem entschiedenen „Ja“ beantworten können, dann beneide ich Sie.

Wissen Sie, meine Nachtgarderobe besteht aus einigen Männershirts der Größen L-XXL, auf denen in leuchtendem Gelb „Primavera Rugby – Roma“ prangt oder aber ein verwaschenes T-Shirt, das vor Jahren rosa war und nun eher „washed rosé“ wäre, wenn man es marketingträchtig benennen möchte.

Dazu kombiniere ich sehr weite, sehr bequeme, kurze Hosen. Ich habe sie damals in der Joggingabteilung eines amerikanischen Kaufhauses gekauft. Sie sind mir sicher mehr als zwei Nummern zu groß. Das macht aber nichts, da sie über ein geschicktes Schnürsystem um den Hüftbereich verfügen. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Sie passen vor der Schwangerschaft, in der Schwangerschaft bis Woche 41 und auch danach passen sie ganz wunderbar. Des weiteren bedecken sie gerade so mein Hinterteil und ich würde alles tun, aber nie würde ich mich damit in der Öffentlichkeit zeigen.

Als ich mit Signorino schwanger war, dachte ich mit Unbehagen an die Krankenhauszeit: „Mit meiner modernen Interpretation des Schlafanzuges im Krankenhaus? Was sollen nur die Mitgefangenen Mitbewohner des Zimmers denken?“ Kummerfalten setzten sich in meinem Gesicht ab. Ich orderte kurzerhand zwei Stil(l)-Schlafanzüge. Sehr schick waren sie – und sehr teuer! Denn, Sie müssen wissen, mit Babys und Stillkleidung ist es so wie mit Hochzeiten. Sie brauchen das Wort nur zu erwähnen und alles ist 40% teurer.

Wie dem auch sei, zurück zum Thema: Seit dem Tag des Kaufs liegt dieses perfekte Set (bestehend aus zwei Schlafanzügen) in meinem Kleiderschrank, denn im Krankenhaus, nachdem ich ein Kamel durch ein Nadelöhr gepresst habe, lief ich meist in einer Jogginghose, einem bequemen T-Shirt und einer etwas längeren Strickjacke rum. Man hat nun wirklich andere Sorgen dort. Auch im Wochenbett war diese bequeme Variante mein „Outfit of the day“ – wie man so schön in sozialen Netzwerken sagt.

Doch irgendwie ließ mich das Thema mit dem lieben Nachtgewand nicht mehr los. Wie Sie sehen (oder lesen), schreibe ich sogar darüber. Es scheint mir folglich ein Bedürfnis zu sein mit Ihnen darüber zu philosophieren.

Die Fragen, die mich dabei am meisten beschäftigen, sind: Was würde passieren, wenn ich einmal ganz schnell aus dem Haus muss? Ein Brand vielleicht? Eine unerwartete Hausräumung? (aber wie unerwartet können die schon sein?) Und ich stehe da – im äußerst legerem Nachtgewand.

Doch was tun? Lange grübelte ich darüber nach. Denn ein anderes, großes Problem war: Ich konnte Igor (dem Postboten) morgens nie aufmachen, da ich mich so in meiner eigenwilligen Kreation schämte, dass ich lieber so tat als wäre ich gar nicht erst daheim.

Nach einer längeren Findungsphase kam ich zu einer Lösung: Wer achtet schon auf das „unten drunter“, wenn das „oben drüber“ doch so hübsch aussieht?

Sie ahnen es – ein Bademantel musste her. Ich durchforstete die Online Shops und stieß auf ein sehr schickes, sehr kleidsames Modell, dass mich auch bei einem Hausbrand so aussehen lassen würde als hätte ich mein Leben im Griff und würde nicht manchmal morgens um 4:30 Uhr kalte Pizza vom Vorabend essen während Signorino sein Fläschchen trinkt.

Ich bestellte diesen Traum aus dunkelblauem Stoff und hübschen, goldenen Ornamenten (die Vorliebe für osmanische Muster kommt wohl vom Römer).

Und was soll ich sagen? Ich bin seit gestern gewappnet: Es kann klingeln wer will (vor 10 Uhr morgens), ich sehe aus wie die verschlafene grand dame Frankreichsfurts mit einem schiefen Schlafdutt, Einhorn Pantoffeln UND diesem Traum aus 100% Baumwolle. Der Bademantel scheint keck zu sagen: Was für eine Frage! Natürlich habe ich mein Leben im Griff! Und Sie?

Das Darunter interessiert dann auch niemanden mehr, denn das bleibt ganz allein zwischen Ihnen und mir.

14 Kommentare zu „Nachtgewand

  1. Mein Mann trägt recht ordentliche Schlafanzüge. Ober und Unterteil zusammenpassend. Ich trage im Winter Leggings etc mit grossen Tshirts, im Sommer nur die grossen Tshirts. Und darüber am Wochenende Morgens auch einen Morgenmantel. Ein Modell dick für Winter und eines dünn(sehr elegant) für den Sommer. So kann ich auch vor die Tür 😉

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    1. Es beruhigt mich, dass ich nicht die einzige mit dem Tick bin. Der Morgenmantel rettet unsere “Partei der gesetzlosen Schlafanzugträger”. 😄 Besonders schön finde ich die Variante mit Sommer- und Winterbademantel. Bei mir wird wohl noch ein Sommerexemplar einziehen – das finde ich sehr klug! 😃

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    1. 😄😄 Da fallen schon mal viele Probleme weg – das bewundere dich. Ich kann dir das “eingesperrt sein” nachfühlen. Das gleiche Problem hab ich (wenn auch nur im Kleinen) mit langen Schlafanzughosen – da kratzt u. nervt ständig was, so dass ich dann lieber ganz darauf verzichte bevor ich gar nicht in den Schlaf finde! 😄

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  2. Ich gehe nur in hübscher (und natürlich bequemer) Nachtwäsche ins Bett, kleiner spleen von mir. Trotzdem würde ich so nicht die Tür öffnen, selbst wenn es Achim, der Lieblingspostbote ist. Nach dem Aufstehen steig ich in leggings und T-Shirt, bin also halbwegs vorzeigbar. Bademantel hab ich auch, trage ihn aber nie. 😉

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    1. Du bist mein Schlafanzug Idol! Ich wäre auch gerne so. 100 Mal habe ich ordentlich zusammenpassende Nachtwäsche ausprobiert. Es klappte einfach nicht. 😄
      Der Leggings und Tshirt-Trick hört sich auch super an. Damit könnte ich auch Igor die Tür aufmachen – ganz ohne Schamesröte!

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      1. Bei mir ist es ganz einfach mit Pyjamas oder Nachthemden: Ich kaufe mir etwas Hübsches, ziehe es dann nachts an und morgens wieder aus. Klappt problemlos. 😉
        Dass mich das einmal zum Idol macht, hätte ich nicht gedacht! *lach*

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      2. Den Anfang deiner Schilderung kann ich nachvollziehen, aber dann kommt bei mir der Wendepunkt inform der Waschmaschine. Die dazu passende Hose ist schon gewaschen und liebevoll auf der Wäschespinne getrocknet, das Oberteil wartet noch auf eine Wäsche… so kombiniere und mixe ich wieder wild durcheinander und behelfe mir mit Schlabbershirts… und der Strudel des Unglücks beginnt. 😄

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      3. Ich verstehe dein Problem, ich hab es selbst tatsächlich auch. Dagegen hilft eine genügend große Ausstattung, sodass immer etwas passendes dabei ist. Jahrelange Studien haben bei mir den Erfolg dieser Strategie bewiesen. 😏

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