Bepackt mit einer haushaltsüblichen Menge Toilettenpapier, Shampoo, Haargel, Quetschies und allerhand spontanen Käufen, die stets auf wundersamer Weise den Weg in unseren Einkaufskorb finden, treten wir aus der gläsernen Schiebetür des Drogeriemarktes an die frische Luft. Es ist frühlingshaft, die Temperaturen sind mild und im tristen Grünstreifen vor der Drogerie, der in dieser Jahreszeit eher Braunstreifen heißen sollte, strecken die ersten Krokusse schüchtern ihr buntes Köpfchen in die Luft. Der Römer trabt neben mir her. In der Hand hält er eine faltbare Einkaufstasche in leuchtendem Gelb, aus der keck eine Nachfüllpackung Seife ragt. Ich schiebe den Kinderwagen in dem Signorino sitzt. Sein Krafttier, den grünen Kinderholzhammer, hält er drohend in der Hand und grüßt damit freundlich die entgegenkommenden Kleinkinder in ihren Buggys. Sein zweifelnder Gesichtsausdruck verrät jedoch bei jeder Begegnung eines Gleichaltrigen, dass er ein „Ave Caesar“ eingebracht fände.
„Na, wenn aus dem mal kein römischer Imperator wird, dann weiß ich auch nicht.“ bemerke ich mit Blick auf Signorino. Ich muss über meinen eigenen Satz lachen. „Hm….“ antwortet der Römer und wirkt dabei etwas gedankenverloren. Ich beschließe den Römer lieber in Ruhe zu lassen. Er wird wohl gerade in seinem Gedankenlabyrinth lustwandeln. Da will man als verständnisvolle und treusorgende Ehefrau natürlich nicht stören.
An der großen Kreuzung angekommen, bleiben wir an der roten Ampel stehen. Der Römer guckt mich ernst an. Seine Augen lassen sich hinter der dunklen Sonnenbrille nur erahnen, aber seine Mimik gibt mir zu verstehen: Aufgemerkt und mitgeschrieben! Hier kommt eine wichtige Information.
Er seufzt leidend. „Ich habe ein Wurmohr.“ spricht er besorgt und zieht die Augenbrauen zusammen, um seinem Satz mehr Nachdruck zu verleihen. „Oh.“ antworte ich überrascht, presse meine Lippen aufeinander und mustere aufmerksam sein linkes Ohr. Es sieht ganz normal aus. „Das tut mir Leid.“ setze ich nach, nur um dann zu fragen, wie man so etwas bemerkt und wie sich ein Wurmohr äußert. „È inziato ieri mentre stavo sotto la doccia. Il problema è che ti rimane in testa tutta la giornata. [Es hat gestern angefangen, während ich unter der Dusche war. Das Problem ist, dass er dir den ganzen Tag im Kopf bleibt.]“ Ich nicke verständnisvoll. Äußerst unangenehm, wenn nicht sogar schmerzhaft, muss so ein Wurmohr sein. „Vielleicht solltest du mal zum Arzt gehen? Mit einem Parasiten ist absolut nicht zu scherzen.“ will ich ihm helfen. „Ma che! Non è un parassita. Semplicemente mi pesa perch’è una canzone orribile. [[Aber was! Das ist doch kein Parasit. Es stört mich einfach nur, weil es ein schreckliches Lied ist.]“ versucht er mich aufzuklären, doch sein Versuch schlägt fehl. Ich verstehe gar nichts mehr. „Was hat denn jetzt ein Lied mit dieser Krankheit zu tun?“ will ich vollkommen verwirrt von ihm wissen.
„Na, ich hab doch gesagt, dass ich Wurmohr habe. Ohrwurm? Wurmohr? Come si dice? [Wie sagt man?]“ gibt er gereizt zurück, weil er sich nicht verstanden fühlt. „Ach, einen Ohrwurm hast du!“ fällt der Groschen nun auch bei mir. Ich kichere mehrere Minuten lang und kann mich gar nicht mehr beruhigen, weil der Begriff Wurmohr so herrlich ist. „Entschuldige, aber welches Lied ist dir denn im Ohr steckengeblieben?“ hake ich neugierig und grinsend bei ihm nach. „Musica leggerissima.“ antwortet er genervt. „Proprio questa canzone… [Genau dieser Song….] Seit Tagen hörst du in rauf und runter und jetzt hast du mich angesteckt. Che palle! [nicht wörtlich übersetzt: Was für ein Quatsch ;-)]“ Er fängt an, den Refrain des Liedes anzustimmen.
Metti un po’ di musica leggera, perché ho voglia di niente
Anzi leggerissima
Parole senza mistero, allegre, ma non troppo…
Ich stimme sofort mit ein. Vielleicht habe ich das Lied in letzter Zeit wirklich zu oft gehört? Aber es ist genau die Medizin, die ich momentan brauche. Ein Wurmohr nehme ich dabei billigend in Kauf.
Wenn Sie sich auch anstecken wollen, hören Sie sich gerne das Lied von Colapesce und Dimartino an. Aber Achtung! Gegen Wurmohr gibt es noch keine Impfung. Und selbst wenn es eine geben würde: In diesem außergewöhnlichen Fall wäre ich ein absoluter Impfgegner. 😉
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