Sonntagsgespräche im „In-Viertel“ Frankfurts

[Mann um die 60 schleicht im lila-grünen Fallschirmseiden-Trainingsanzug aus den 70ern an uns vorbei. Generell scheint nicht nur sein Trainingsanzug aus den 70ern zu sein, sondern auch die Adiletten und der grau melierte VoKuHiLa. Seinen Look rundet er mit einem Schnauzer ab. Er wirkt etwas nüchtern, was ihm anscheinend nicht bekommt. Sein Hund macht auf die Straße. Er steigt darüber hinweg und schlappt unbeirrt weiter.]

[Eine Gruppe Jugendlicher in Gangsterklamotten informiert lautstark den davon laufenden Ali darüber, dass sie mit seiner Mutter kopulieren. Die ganze Gruppe riecht sehr süßlich nach selbst angebauten Pflanzen, die unter Wärmelampen gehalten werden müssen.]

[Vor dem Balkandreieck, bestehend aus Börekeria, Balkan-Supermarkt und Balkan-Bar hat ein Besucher einen anderen im Schwitzkasten. Sie streiten sich lautstark. Ein dritter und vierter Besucher stellen ihren Kaffee in kleinen papierenen Pinkelbechern zur Seite und versuchen die beiden Raufbolde auseinanderzuzerren.]

[Familie Farniente schlürft müde mit dem Kinderwagen vorbei. Es nieselt. Der Römer trägt trotzdem eine dunkle Sonnenbrille. Seine empfindlichen Augen, Sie verstehen! Dazu kombiniert er eine beige Stoffhose und die leichte, dunkelblaue Übergangs-Daune. Ich habe irgendetwas übergeworfen, was schon wieder Flecken aufweist, weil das Kind mich mit Bananenmatsch-Händen angepatscht hat.]

Ich: Ich weiß schon, dass unser Viertel als hip bezeichnet wird. Und das manche sagen, dass es DAS neue In-Viertel ist. Aber irgendwie ist‘s schon manchmal gewöhnungsbedürftig hier. Wahrscheinlich müssten wir mal umziehen…

Der Römer: Ja, nach Albanien zum Beispiel!

[Der Römer guckt mich begeistert von seiner Idee an, so als wäre genau dieser Vorschlag die Lösung aller Probleme.]

[Signorino Farniente mustert den Römer schockiert, fragt sich, wie er bei all den Möglichkeiten ausgerechnet auf Albanien kommt. Denkt an den aus den Fugen geratenen Biorhythmus des Römers aufgrund der Zeitumstellung. Lächelt sanft.]

Ich: Ich dachte jetzt eher an Bockenheim* oder so.

Der Römer: Ach so.

*ein meist von Studenten bewohnter Frankfurter Stadtteil.

18 Kommentare zu „Sonntagsgespräche im „In-Viertel“ Frankfurts

      1. Schade, habt ihr euch von der „IN-Viertel“-Werbung blenden lassen? Wenn man einmal in einer Stadt lebt, kann man vor Ort selbst das beste Viertel suchen, ich drücke die Daumen!

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      2. Es war die einzige Wohnung, die wir damals bekommen haben. 🙈Damals hieß es noch Glasscherbenviertel. Jetzt ist’s plötzlich in. 😜
        Mal gucken, wo es uns hinverschlägt. Generell wohne ich gerne in der EU. 😃 Und gerne in Frankfurt.

        Gefällt 2 Personen

    1. So will es der Lauf der Dinge. Ist das Kind erst auf der Welt, fährt man ne Familienkutsche, kauft vorwiegend regional und wohnt in einem Reihenmittelhaus in der Vorstadt. Einmal im Jahr fährt man in den Cluburlaub nach Südeuropa. Und im Herbst macht man Ferien auf dem Bauernhof. Mutti arbeitet vormittags im Büro, Vatti Vollzeit bis 17 Uhr. 😃

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