Die Ä-Schwäche im falschen Moment

[Achtung, dieser Artikel ist kein Aprilscherz, auch wenn er stellenweise so wirken mag]

Mitte Dezember des letzten Jahres war es dann soweit. Nach 5 Jahren voller Anträge und Nachweise durfte der Römer deutscher Staatsbürger werden.

Es war ein kalter, grauer Dezembermorgen als mich der Römer ganz beiläufig fragte, ob ich auch mitkommen wolle zum Standesamt im Frankfurter Gutleutviertel*. „Ähm… puh. Also, ist dir das wichtig?“, hakte ich nach. Ja, sehr wichtig wäre es ihm. Das betonte er gleich zwei Mal. „Okay, ja, dann komme ich mit.“, sprach ich und wir fuhren zum Hauptbahnhof. Wir schlängelten uns vorbei am Busbahnhof. Von dort fuhren die Busse nach Mostar, Nova Sad und Tirana. Lange Reisen standen den müden Gesichtern des Busbahnhofes bevor.

Eine Stadt – 1000 Gesichter.

Dann bogen wir ab: Vorbei am Finanzamt ging es immer weiter für uns, eh wir in die Rottweiler Straße abbogen. „Dieser Platz ist mitten im Gutleutviertel?“, fragte ich beim Römer überrascht nach. Es sah eher nach Meister-Eder-Romantik aus, als nach Frankfurter Gutleutviertel. Wir gingen in ein Gebäude und fanden uns in einer Eingangshalle mit hohen Decken wieder. Der Römer kannte bereits den Weg. Ein einsamer Pförtner stand in einer Box, die mich ein wenig an einen Schaukasten des Senckenbergmuseums erinnerte. Er kontrollierte alle Unterlagen und bat uns, in den 2. Stock mit dem Aufzug zu fahren. Dort angekommen, war außer uns niemand in den Gängen zu sehen. Der große Wartebereich war wie leer gefegt.

Nach etwa 10 Minuten kam eine Dame, hochgewachsen, blondes Haar, seriöse Brille, zu uns. „Herr Farniente?“, fragte sie und wir standen auf und folgten ihr. Sie setzte sich an einen großen Holzschreibtisch aus den 70er Jahren und stellte sich als Frau Weber vor. „Sie sind die Ehegattin?“, fragte sie und ich bejahte. Dann fing ihre Routine-Rede an, der albanische Pass wurde meinem Mann abgenommen und schließlich musste der Römer feierlich das Grundgesetz anerkennen.

Nun muss ich vorausschicken, dass mein Mann im Deutschen eine leichte a- und ä-Schwäche hat. Es ist im Alltag nicht dramatisch, kann aber bei Behörden dramatisch werden, wie Sie gleich feststellen werden.

Frau Weber schob dem Römer das feierliche Bekenntnis über den Schreibtisch und er nahm es in die Hand, um von dem laminierten Zettel abzulesen.

Laut sagte er: „Ich bekenne feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland ächten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte.“

Stille. Ich guckte verlegen zu ihm hinüber. Frau Weber schluckte kurz, dann räusperte sie sich: „Ich hoffe, Sie ächten das Grundgesetz nicht, sondern werden es in Zukunft achten.“, sprach sie. Dann lachte sie zum Glück. Der Römer nickte eifrig. Ich lachte auch etwas verlegen. Dann sagte sie: „In diesem Sinne, herzlichen Glückwunsch. Sie sind nun deutscher Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten.“

Raten Sie mal, welcher Pass meiner ist!

Der Römer lächelte und bedankte sich. Frau Weber stand auf, um Unterlagen zu kopieren. „Ehi, amore! Pst! Pst! Perché vi siete stranite? [Hey, Schatz! Pscht! Pscht! Warum wart ihr so irritiert?]“, flüsterte er zu mir hinüber. „Weil du gesagt hast, dass du das Grundgesetz ächten wirst.“, murmelte ich zurück. „Era sbagliato? [War das falsch?], fragte der Mann zurück. „Ja, du hast quasi das Gegenteil von dem gesagt, was du letztendlich tun sollst. Du sollst das Grundgesetz achten, also rispettare. Du hast aber gesagt, du wirst es ächten, also rigettare.“, erklärte ich ihm. Der Römer wurde rot wie eine Tomate. „Ma mi concedono comunque la cittadinanza, vero? [Aber sie verleihen mir trotzdem die Staatsbürgerschaft, richtig?]“, fragte er nun eingeschüchtert nach. „Almeno così ho capito. [So habe ich es wenigstens verstanden.]“, fügte er an. Gerade wollte ich antworten, da kam Frau Weber wieder von ihrem Kopierauftrag zurück. Dann stempelte sie eine Urkunde und überreichte sie dem Römer mit den Worten: „Und hier ist Ihre Urkunde zur Staatsbürgerschaft!“

Der Römer guckte irritiert und wusste gar nicht mehr, was er denken sollte. „Hat es jetzt also doch geklappt, oder?“, hakte er bei Frau Weber vorsichtig nach. Die musste lachen. „Ja, Herr Farniente, hier ist Ihre Einbürgerungsurkunde. Damit können Sie zum Bürgeramt gehen, um Ihre Ausweise zu beantragen.“, führte sie für den Römer aus. Ich fixierte den Boden, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen, so witzig und gleichzeitig putzig fand ich die Situation. Der Römer grinste und nahm die Urkunde: „Danke, Frau Weber! Alles Gute für Sie und Ihre Familie!“, bedankte er sich überschwänglich bei Frau Weber. Sie schmunzelte. „Das wünsche ich Ihnen auch!“, antwortete sie. „Tschüss, Frau Weber!!!“, grinste der Römer wie ein Honigkuchenpferd. „Und grazie!“

Vor Glück federte der Römer über den langen Gang des Standesamtes. Er war nun Deutscher. Und dass er das Grundgesetz nicht ächtet, sondern achtet, dafür sorge ich! Man hat als Ehefrau ja schließlich eine Mitwirkungspflicht.

*Mittlerweile ist das Standesamt in der Berliner Straße.

19 Kommentare

    • Il mio cuore batteva talmente veloce quando lui diceva che rigetta la costituzione, invece di rispettarla. La lingua tedesca veramente non e’ facile. 😄 Meno male ha funzionata cmq ed e’ diventato tedesco alla fine.

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  1. Peinlich – peinlich – aber Frau Weber wird wohl schon öfter solche Irritationen erlebt haben ;-)

    Herzlichen Glückwunsch – jetzt bist du also mit einem Deutschen verheiratet.

    Genießt euer Osterfest weiterhin.
    Trude

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