Zufriedensbrücke

„Non sapevo… [Ich wusste das nicht…]“, murmelt der Römer während er auf dem Beifahrersitz thront. Nachdenklich blickt er aus dem Fenster und lässt seinen Blick über den Main gleiten, den wir gerade mit dem Auto überqueren.

„Was denn?“, frage ich höchstkonzentriert, weil ich gleichzeitig auf die Instruktionen des Navis warte, wo genau ich nach der Brücke abbiegen soll.

„Die Brücke heißt Zufriedensbrücke.“, spricht er immer noch verwundert und guckt forschend aus dem Autofenster. Da wir gerade an einer Ampel zum Stehen kommen, blicke ich ihn fragend an.

Ausblick auf die Skyline – die (Zu-)Friedensbrücke liegt etwas weiter westlich (links).

„Wie kommst du denn darauf?“, will ich von ihm wissen. „Na, das Navi hat es so gesagt: Si chiama Zufriedensbrücke. [Sie heißt Zufriedensbrücke.]“ Ich denke kurz darüber nach, mustere die Anzeige des Navis, verschiebe die angezeigte Karte etwas mit den Fingern und dann fällt der Groschen. Laut und schallend lache ich.

„Nein, nein. Das Navi sagte: >>Abbiegen zuR Friedensbrücke<< Nicht Zufriendensbrücke!“, kläre ich das Missverständnis auf. Auch der Römer gackert jetzt lauthals los. „Ich habe mich schon gewundert, dass Deutsche eine Brücke „Zufriedensbrücke“ nennen. Mi sembrava strano. [Mir erschien das komisch.].“

„Die Deutschen sind selten zufrieden,. Nichts läge ihnen ferner, eine Brücke so zu benennen. Frieden? Ja, gerne. Zufrieden? Ne, irgendetwas ist ja immer.“, gebe ich grinsend zurück. „Aber es wäre ein Anfang…“, meint der Römer und er hat gar nicht so unrecht.

Egal! Nicht so schlimm.

Was soll man machen?

Wir sind auf dem eingezäunten Spielplatz mit Signorino. Ein paar Jungs (ca. 8/9 Jahre alt) spielen auf der gepflasterten Fläche daneben Fußball. Immer wieder fliegt der Ball über den Spielplatzzaun und landet in unserer Nähe. Der Römer kickt ihn laufend über den Zaun zurück. Die Jungs bedanken sich höflich unter „Ich küsse deine Hände/Füße/Augen.“-Rufen.

Da es immer kälter wird, beschließen wir, langsam nach Hause zu gehen. Wir packen Signorino in den Buggy und ein letztes Mal fliegt der Ball der Jungs über das dunkelgrüne Metallgatter. Der Römer will ihn wieder über die Begrenzung kicken, versagt diesmal aber kläglich und braucht drei weitere Versuche bis es ihm endlich gelingt.

Ein 8-jähriger ruft aufmunternd zurück: „Egal! Nicht so schlimm. Ich hab‘ am Anfang auch ein bisschen gebraucht, bis ich gecheckt hab‘ wie man das macht.

Der Satz bringt mich so zum Lachen, dass mir Tränen in die Augen schießen. Der Römer, der in Sachen Sport von sich behauptet, dass ihm jede Sportart leicht fällt, ist tief getroffen. Er versteckt seine Gefühle tapfer hinter seinem schiefen Lächeln.

Als mir sein unermüdlicher Kampfgeist und seine Disziplin in den Sinn kommen, muss ich unweigerlich an die HulaHoop Aktion denken und sehe ihn bereits vor meinem geistigen Auge, wie er sich heimlich im Dunkeln mit einem Fußball unter seinem Arm aus dem Haus schleicht, um auf dem Bolzplatz zu üben. Tröstend lege ich ihm meine Hand auf die Schulter und sage: „Ist doch klar, dass es nicht geklappt hat. Du befindest dich am Anfang des Ramadans und das Fastenbrechen ist erst in zwei Stunden.“ Zustimmend nickt er. Dann spricht er leidend: „Ja… in zwei Stunden! Ich fühle mich am Ende eines Fastentages komplett kraftlos. Selbst das Schuhe binden fiel mir vorhin schwer. Wie soll ich da erst einen Fußball über den Zaun kicken?“ Mitfühlend drücke ich seine Hand und bin mir gleichzeitig sicher: Bis zum Ende des Ramadans am 12. Mai wird er sich garantiert nicht im Schutz der Nacht aus dem Haus stehlen, um sein Fußballtalent auszubauen.

Für den Zeitraum danach lege ich meine Hand allerdings nicht ins Feuer. 😉

P.S.: Wie Sie sicherlich festgestellt haben, hinke ich mit den Albanienchroniken hinterher. Das liegt primär daran, dass der Römer Resturlaub hat und erst morgen wieder in ein taufrisches und vielversprechendes Arbeitsverhältnis (aber nicht bei Gelli!) schlüpft. Für mich bedeutet das, endlich wieder Zeit zum Schreiben zu finden, denn Signorinos Mittagsschläfchen wird wieder eine Oase der Ruhe sein. 😉

Sonntagsgespräche im „In-Viertel“ Frankfurts

[Mann um die 60 schleicht im lila-grünen Fallschirmseiden-Trainingsanzug aus den 70ern an uns vorbei. Generell scheint nicht nur sein Trainingsanzug aus den 70ern zu sein, sondern auch die Adiletten und der grau melierte VoKuHiLa. Seinen Look rundet er mit einem Schnauzer ab. Er wirkt etwas nüchtern, was ihm anscheinend nicht bekommt. Sein Hund macht auf die Straße. Er steigt darüber hinweg und schlappt unbeirrt weiter.]

[Eine Gruppe Jugendlicher in Gangsterklamotten informiert lautstark den davon laufenden Ali darüber, dass sie mit seiner Mutter kopulieren. Die ganze Gruppe riecht sehr süßlich nach selbst angebauten Pflanzen, die unter Wärmelampen gehalten werden müssen.]

[Vor dem Balkandreieck, bestehend aus Börekeria, Balkan-Supermarkt und Balkan-Bar hat ein Besucher einen anderen im Schwitzkasten. Sie streiten sich lautstark. Ein dritter und vierter Besucher stellen ihren Kaffee in kleinen papierenen Pinkelbechern zur Seite und versuchen die beiden Raufbolde auseinanderzuzerren.]

[Familie Farniente schlürft müde mit dem Kinderwagen vorbei. Es nieselt. Der Römer trägt trotzdem eine dunkle Sonnenbrille. Seine empfindlichen Augen, Sie verstehen! Dazu kombiniert er eine beige Stoffhose und die leichte, dunkelblaue Übergangs-Daune. Ich habe irgendetwas übergeworfen, was schon wieder Flecken aufweist, weil das Kind mich mit Bananenmatsch-Händen angepatscht hat.]

Ich: Ich weiß schon, dass unser Viertel als hip bezeichnet wird. Und das manche sagen, dass es DAS neue In-Viertel ist. Aber irgendwie ist‘s schon manchmal gewöhnungsbedürftig hier. Wahrscheinlich müssten wir mal umziehen…

Der Römer: Ja, nach Albanien zum Beispiel!

[Der Römer guckt mich begeistert von seiner Idee an, so als wäre genau dieser Vorschlag die Lösung aller Probleme.]

[Signorino Farniente mustert den Römer schockiert, fragt sich, wie er bei all den Möglichkeiten ausgerechnet auf Albanien kommt. Denkt an den aus den Fugen geratenen Biorhythmus des Römers aufgrund der Zeitumstellung. Lächelt sanft.]

Ich: Ich dachte jetzt eher an Bockenheim* oder so.

Der Römer: Ach so.

*ein meist von Studenten bewohnter Frankfurter Stadtteil.

Nichts unter Kontrolle

Ich liebe viele Eigenschaften des Römers. Zum Beispiel seine Spontanität, seine Willenskraft, seine Kochkünste, seine Dickköpfigkeit, seinen Humor und auch seine grenzenlose Leichtigkeit durchs Leben zu schreiten. Doch es gibt eine einzige Eigenschaft, die ich nach all den Jahren, egal wie sehr ich es auch versuche, nicht leiden kann: sein Mangel an Planungskompetenz. Glücklicherweise nehmen wir nur noch selten die römische Organisationstüchtigkeit in Anspruch. Das liegt unter anderem daran, dass wir uns im Laufe der Jahre ein beständiges, aber ebenso anfälliges Ökosystem erschaffen haben, das ganz ohne diese (Nicht-)Kompetenz des Römers auskommt. Letzte Woche jedoch geriet unser fragiles Ökosystem gewaltig ins Wanken. Der Römer sollte etwas planen. Wie der abenteuerliche Verlauf dieses Projekts und das fulminante Ende aussah, daran möchte ich Sie heute teilhaben lassen:

Am Freitag vor zwei Wochen kehrte der Römer empört von der Arbeit heim. Sogleich berichtete er wild gestikulierend, dass seine geschätzte Kollegin C. für die ganze Praxis eine pasta fredda, oder das, was sie dafür hielt, zubereitet hatte. Angewidert verzog er sein Gesicht, als er in seiner ausschweifenden Erzählung das Wort pasta scotta [verkochte Pasta] in den Mund nahm. Laut seinen Aussagen probierte er zwei Bissen davon, ließ die Gabel langsam sinken und schüttelte vernichtend den Kopf. Auf meine Rückfrage, warum er nicht nur einmal davon gekostet hatte, sondern gleich zweimal, erwiderte er, dass er es gar nicht fassen konnte, dass ein Mensch in der Lage sei, eine Pasta so zu verkochen (und nicht zu salzen), dass er sogleich ein zweites Mal davon probieren musste, um zu realisieren welche Beleidigung der römischen Geschmacksknospen ihm mit diesem Gericht vorgesetzt wurde. Kollegin C., seit Anfang an freundschaftlich verbunden mit dem Römer, war ob des römischen Urteils sehr geknickt. „So schlecht?“ fragte sie und er nickte mit ernüchternder Miene. Allein sein unendlicher, römischer Charme und das Versprechen, nächste Woche eine richtige pasta fredda zuzubereiten, bauten Kollegin C. wieder auf.

Seit diesem Tag lag mir der Römer tagtäglich in den Ohren damit, dass er am darauffolgenden Freitag eine perfekte pasta fredda abliefern wolle. Die erlesenen Zutaten würde er am Mittwoch kaufen, um die Frische von Basilikum, Tomaten und Mozzarella gewährleisten zu können. Dieser Satz war sein gesamter Plan. Bei mir klingelten alle Alarmglocken.

Nun werden Sie sich fragen, wie eine Planung für ein so einfach anmutendes Projekt in mir Angst auslösen kann. Eine berichtigte Frage. Es hängt, wie eingangs erwähnt, mit unserem sensiblen Ökosystem zusammen. Plant man nicht jeden Schritt haarklein im Voraus, endet alles in einem riesengroßen Desaster. Und genau so kam es auch!

Am Donnerstag gegen 18 Uhr, fragte ich den Römer, ob er nun mit der Zubereitung der Pasta beginnen wolle. Er guckte mich überrascht an. „Adesso? [Jetzt?]“ fragte er und setzte nach, dass die Pasta bis morgen doch vollkommen matschig sei. Doch er habe eine viel bessere Idee. Er würde eben eine Pizza holen gehen. Denn heute wäre sein ehemaliger Chef in der Pizzeria, da würde es sich anbieten ein paar Worte zu wechseln, während dieser die Pizza zubereiten würde. Ich war sehr erstaunt über seinen Einfall, verschwendete aber in meiner grenzenlosen Gutgläubigkeit keinen Gedanken daran, in welches Chaos uns seine Entscheidung später stürzen würde. Dann machte er sich auf den Weg.

Die Zeit verging, er kam mit zwei Pizzas zurück. Wir schrieben bereits 20:30 Uhr. Gleich würde das Kind ins Bett gehen. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass sich die Küche neben dem Schlafzimmer befindet, getrennt von einer seidenpapierdünnen Wand. Sie können sich folglich vorstellen, dass jeglicher Lärm auf das Minimum zu reduzieren ist, was wiederum heißt: Kein Zubereiten von Speisen nach 21 Uhr.

Des Weiteren sah die Küche um 20:30 Uhr aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Das lag mitunter daran, dass das Kind den ganzen Tag nur auf dem Arm weilen wollte. Wenn man es doch kurz abzusetzen versuchte, so endete der alleinige Versuch in einem hysterischen Schreianfall, der durch dicke Krokodilstränen gekrönt wurde. Sollte der Römer an diesem Abend noch etwas zubereiten wollen, so würde er mindestens einen Topf, einen Kochlöffel, ein Schneidebrett und ein Messer brauchen. Diese aufgezählten Küchen-Utensilien wiederum müssten vorher abgewaschen werden, was folglich Lärm erzeugte. Doch Lärm, Sie ahnen es, galt es zu vermeiden. Ich sprach das Problem direkt an und ermutigte den Römer, doch wenigstens den groben Abwasch zu erledigen, damit er keinen Lärm mehr machen müsste, wenn das Kind gleich schliefe. Er lächelte und nickte. Gleich würde er das machen. Nur nicht jetzt. Sonst würde doch die Pizza ganz kalt werden. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit: Wir befanden uns bereits in einem circolo vizioso – einem Teufelskreis.

Pünktlich um 21 Uhr rieb sich Signorino seine Äuglein und ich fragte den Herrn des Hauses, wie er sich das nun mit der Zubereitung der pasta fredda vorstelle. „Tranquilla! Tutto sotto controllo. [Sei beruhigt! Alles unter Kontrolle.]“ sagte der römische Hausherr und lächelte abermals entspannt. Ich erklärte ihm daraufhin, dass ich nicht „tranquilla“ [ruhig] sei, wenn entweder der Nachtschlaf des Kindes gefährdet sei oder aber morgens alle Familienmitglieder um 05:50 Uhr wach werden würden, weil der Römer genau dann mit der Zubereitung seines Gerichts anfangen möchte. „No, no, io troverò il tempo giusto per fare la pasta fredda. [Nein, nein, ich werde den richtigen Zeitpunkt finden, die Pasta Fredda zuzubereiten.]“ Dann brachte er das Kind ins Bett. Zurück blieben wir: Die dreckige Küche, die nun nicht mehr aus Lärmgründen betreten werden durfte und ich – die verstimmte Gattin des Römers.

Nach fünf Minuten, das Kind im Arm, kam der Römer noch einmal zurück. „Amore, scusa. Ho pensato: Magari mi potresti prepare un po‘ gli ingredienti, tranne la pasta. [Schatz, entschuldige. Ich habe mir überlegt: Vielleicht könntest du mir alle Zutaten außer der Pasta zubereiten.] “ fing er an. „JETZT?!“ gab ich entsetzt zurück. „Warum denn jetzt? Du sagtest doch vorhin, du hast alles unter Kontrolle.“ Der Römer guckte mich irritiert an und antwortete beleidigt: „Hab‘ ich doch auch.“ Ich atmete lange aus. Dann wusch ich ganz leise den Topf, das Schneidebrett, den Kochlöffel, das Messer und eine Frischhaltebox in der Badewanne ab, um das Kind beim Einschlafprozess nicht zu stören. Anschließend schlich ich mich auf Zehenspitzen in die Küche, sammelte geräuschlos ein Sieb, zwei Packungen Mozzarella, den Basilikum, 2 Knoblauchzehen, eine große Packung Kirschtomaten und Olivenöl ein und glitt mucksmäuschenstill zurück ins Bad. Alle zu waschenden Zutaten reinigte ich mit dem Duschkopf. Leise ging ich in das Wohnzimmer und machte mich bei geschlossener Tür sofort daran, alle Zutaten zu schnippeln und vorzubereiten. Nach dreißig Minuten kam der Römer zurück, das Kind schlief bereits, und guckte mich zufrieden an. „Und? Alles erledigt?“ wollte er wissen. Ich schwieg und kochte innerlich so sehr, dass ich eine Packung Nudeln ohne Probleme mit meiner Wut im Bauch al dente kochen hätte können.

Der Römer bemerkte nichts von meiner Wut, streckte sich müde und legte sich auf die Couch. „Domani mi occupo della pasta. [Morgen kümmere ich mich um die Nudeln.]“ sprach er und gähnte herzhaft. Ich versuchte noch meiner Wut Einhalt zu gebieten, doch es war schon zu spät. Wie ein ausbrechender Vulkan schoss der pure Zorn aus mir heraus und formte dabei Worte, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Mir blieb nur noch im Gedächtnis, dass ich sehr besorgt um Signorinos und meinen Vormittagsschlaf war, wenn der römische Heinz Beck* morgens um 6 Uhr beginnen würde zu kochen. „No, no, non ti preoccupare. Sarò molto attento di non svegliarvi. [Nein, nein, mach‘ dir keine Sorgen. Ich werde sehr vorsichtig sein, um euch nicht zu wecken.]“ versuchter er mich zu beschwichtigen. Ich glaubte ihm kein Wort, beschloss aber, dass eine Eruption meines Wutvulkan für heute reichen musste.

Am nächsten Morgen, 6:00 Uhr. Signorino und ich hörten geschäftiges Treiben in der Küche, gefolgt von leisem Fluchen und römischen Gähngeräuschen. Die Knopfaugen des Kindes guckten mich im Halbdunkeln forschend an und er kräuselte seine Stirn. Anscheinend kommt er ganz nach mir, denn das, was er mit seiner Mimik ausdrückte, entsprach genau meinen gegenwärtigen Gedanken. Geschickt drehte sich Signorino auf den Bauch, um dann Richtung Kopfteil des Bettes zu krabbeln. Er richtete sich blitzschnell auf und schlug mit der Hand gegen das hölzerne Gestell. Bam! Bam! Bam!

„Genau mein Kind! Zeig ihm, dass das nächtliche Ruhestörung ist.“ murmelte ich schlaftrunken. Dann fing der kleine Farniente an zu singen und entpuppte sich schließlich doch noch als ein direkter Nachfahre des Römers. Aus jeder Situation das Beste herausholen – auch wenn es nur ein morgendliches Ständchen ist, um den Tag zu begrüßen. Ich legte ihn kurzerhand ins Kinderbett und stapfte in die Küche. „Sag mal!!!“ fing ich wütend an und ich spürte bereits, wie mein Wutseismograph gefährlich ausschlug. „Amore mio, ti posso offrire un caffé? [Mein Schatz, darf ich dir einen Espresso anbieten?]“ säuselte der gut gelaunte Römer. „Hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist 6 Uhr!“ gab ich scharf zurück ohne auf seine Frage einzugehen. „Si, si, lo so. È troppo presto. [Ja, ja, ich weiß. Es ist viel zu früh.] Aber ich muss doch noch die Pasta für Kollegin C. kochen.“ versuchte er mich zu beschwichtigen. Ich zeigte ihm den Vogel, verschwand wieder ins Schlafzimmer und versuchte Signorino nochmal zum Schlafen zu bewegen. So ging das ungefähr eine Stunde lang, in der der Römer die pasta fredda fertig zubereitete, sich in aller Ruhe Kaffee kochte, duschte und dabei sang. Daraufhin föhnte er sich und zog sich seine Schuhe, die Jacke und den Rucksack an, um schließlich mit einem lauten Rums die Tür ins Schloss fallen zu lassen. Um 08:00 Uhr schlief das Kind schließlich wieder ein. Erst wollte meine innere Frau Keifflinger eine bitterböse Nachricht an den Römer verfassen, doch ich erinnerte mich an den Grundsatz, dass man dem Römer nur Zeit geben müsse, damit er schließlich doch noch Einsicht zeigen würde. Dann schlief ich erschöpft ein.

Als Signorino und ich aufwachten, blinkte bereits eine Nachricht des Römers auf meinem Display: Er beteuerte darin, dass es sehr naiv von ihm war ohne Zeitplan ein solches Vorhaben in die Tat umsetzen zu wollen. Dann schob er nach, dass ihm auch das Chaos in der Küche Leid tue. Der Nachricht folgte eine zweite, in der er uns einen schönen Tag wünschte und uns ganz romantisch mitteilte, dass er uns sehr lieben und vermissen würde.

Manchmal muss man das Chaos nur ein bisschen schütteln und schon wird eine pasta fredda daraus

Ohne darauf zu antworten, schnappte ich mir Signorino und trottete in die Küche. Der Römer hatte nicht untertrieben. Die Küche sah noch schlimmer aus als gestern. Genervt bereitete ich uns das Frühstück zu und beschloss, mich nachher um die Küche zu kümmern. Gekonnt ignorierte ich ebenso die Butter, die er auf dem Esstisch stehen hat lassen und die bereits wachsweich geworden war.

Um kurz vor 11 Uhr kam eine neue Nachricht des Römers auf meinem Handy an. Ob ich denn gar nichts dazu zu sagen hätte, wollte er von mir wissen. Oh doch, und wie! Ich tippte eine flapsige Nachricht, schickte sie und löschte sie gleich wieder. Mein zweiter Versuch war etwas freundlicher. Nachdem ich ihm einen guten Morgen gewünscht hatte, bemerkte ich nur, dass die Butter vielleicht das nächste Mal zeitnah den Weg in den Kühlschrank finden sollte.

Er schickt mir einen versöhnlichen Smiley.

Nach dem Frühstück krempelte ich die Ärmel hoch und kümmerte mich um das Chaos in der Küche. Kopfschüttelnd wusch ich ab. „Dieser Mann, echt!“ murmelte ich. Dann blickte ich in die Augen seines Sohnes, der mich verschmitzt angrinste. „Was würden wir nur ohne Papa machen? Das Leben wäre furchtbar langweilig.“ erklärte ich Signorino. Er lachte mich mit seinen Zahnlücken an und rief „Papaaaa, paaaaapaaaa!“ Er kann zwar nicht planen, ist chaotisch und sein Zeitmanagement ist nicht existent, aber ich könnte mir keinen besseren Papa für Signorino und keinen besseren Ehemann vorstellen.

In diesem Sinne allen Papas zum italienischen Vatertag alles Gute. Bleiben Sie so wunderbar wie Sie sind.

Und an den Römer: Buona festa del papà, Amöhrchen! [Dieser Artikel entstand am Freitag, den 19.03.2021, dem italienischen Vatertag.]

*bayerischer Sternekoch des römischen Restaurants La Pergola