Ultimo Ratio: Badewanne!

Es ist Sonntag. Die Nacht war kurz – oder lassen Sie es mich präzisieren: für eine Minderheit der Familie war sie gar nicht erst existent.

Wenn Signorino schlief, schnarchte der Römer in einer unerhörten Lautstärke. Wenn der Römer leise schlummerte, wandelte Signorino halb wach im Bett umher, wollte meine Hand mal im Gesicht, dann wieder auf seiner Brust, dann gar nicht mehr. Er rollte sich, begab sich in die beliebte Position „der Seestern“ mit seinen Füßchen in meinem Gesicht oder lies sich schlafend auf mich plumpsen. Es war zum verrückt werden.

Indessen wartete der Römer selig schlafend auf seinen Einsatz um seinen Lautstärkeregler wieder hochzufahren. Die perfekte Bühne für seinen brummenden Auftritt bot sich natürlich nur, wenn das Kind endlich in die Schlafparalyse geglitten war.

Müde schlürfte ich am nächsten Morgen ins Bad. Signorino befand sich in Obhut des Römers. Mein Blick fiel auf die Badewanne. „Ob es jemand merken würde, wenn ich mir einfach ein Bett in der Badewanne bauen würde? Zwei Handtücher dienen als Kissen, der Bademantel als Decke und ich könnte eine weitere halbe Stunde unbemerkt schlummern. Zur Tarnung würde ich den Duschvorhang zuziehen. Der Römer würde beim Anblick des geschlossenen Vorhangs nur wieder denken, dass ich einen neuen Ordnungsfimmel habe und dann….“ Noch ehe ich mich den weiteren Details hingeben konnte, kratzte es leise an der Tür. Mangels Haustier konnte es nur bedeuten, dass Signorino dem Römer entwischt ist. Sein pädagogisch wertvolles Betreuungskonzept besteht unter anderem auch aus „Zeitung lesen“ oder „am Handy scrollen“. Ich seufzte und öffnete die Tür. Ein fröhlicher Signorino guckte mich grinsend an. Ich hob ihn hoch und brachte ihn zurück zum Römer.

„Dein Kind ist abgehauen.“ sagte ich und er blickte nur kurz von seinem Handy auf. „Ma lui giocava!! [Aber er spielte!!]“ gab er empört zurück, so als ob das zehn Monate alte Kind durch eine ausgeklügelte List ausgebüchst wäre. Ich nickte kurz und schlich in die Küche. Während ich darauf wartete, dass die Kaffeemaschine endlich aufheizen würde, fiel mein Blick auf die zwei großen Wäscheberge. „90 Grad – weiß“ und „40 Grad – bunt“ türmten sich in schwindelerregenden Höhen vor dem großen Haushaltsschrank. Wenn man die beiden zusammen schieben würde, dann würde das ein wunderbar kuscheliges Bett ergeben. Ob man mich hier suchen würde? Wahrscheinlich nicht. Wer vermutete schon eine erwachsene, nüchterne Frau eingekuschelt auf zwei Wäschebergen? „Ob ich es versuchen sollte?“ fragte ich mich, doch im selben Augenblick hörte ich den Römer aus dem Wohnzimmer schreien: „AAAAAMORE! Un po‘ di giaccio ed un caffé, per favore!“ [Schatz! Ein bissschen Eis und einen Espresso, bitte!]

Bei dem Blick aufs Thermometer erübrigte sich die Frage, ob er nur sehr umständlich einen Caffè Shakerato bei mir bestellen wollte. Ich brachte ihm eine kalte Kompresse aus dem Kühlschrank – eingewickelt in ein Küchenhandtuch und nahm den schluchzenden Signorino in Empfang. „Non lo so come ha fatto lui. [Ich weiß nicht wie er das gemacht hat.] Auf einmal dotzte er mit dem Kopf gegen die Couch und als ich dachte, dass er nun nicht weiter fallen könnte, dotzte er weiter mit dem Hinterkopf auf den Teppichboden. Ich habe nur einen Moment weggeschaut, da war es schon passiert.“ erklärte mir der Römer wild gestikulierend. Sein Handy, dass in seiner rechten Hand aufleuchtete und sein dazugehöriger, ellenlanger Kommentar auf einer sozialen Plattform lies mich das das Gegenteil vermuten. „Ma il caffé?!“ [Aber der Espresso?!] hakte der Römer nach. Meine Vergesslichkeit gegenüber seiner Espressobestellung schockierte ihn mehr als der Sturz seines Sohnes. Ich guckte ihn genervt an. „Prioritäten.“ murmelte ich und hielt die Kompresse vorsichtig an Signorinos Stirn. „Alles muss man hier selber machen.“ motzte der Römer und stiefelte theatralisch in die Küche.

Wenig später kam er mit zwei caffé zurück. „Entschuldige, es gab nur noch deca…[entkoffeinierten Espresso] – ma non fa nulla. [aber das macht ja nichts] Am Montag kaufe ich neuen Kaffee.“ säuselte er fröhlich. „….ma non fa nulla.“ [Aber das macht nichts.] wiederholte ich in meinen Gedanken und beschloss, dass es auch nichts machen würde, wenn ich heute alleine auf der Couch schlafen würde. Sollen sie doch gucken, wo sie bleiben.

Ich bereitete das restliche Frühstück zu und brachte es an den Tisch. Signorino zappelte aufgeregt in seinem Hochstuhl hin und her. Das erste Stück Marmeladenbrot erreichte ihn und er stieß ein erleichtertes „Mjam“ aus. Während ich ihn fütterte, mampfte der Römer angeregt seine italienischen Kekse und trank seinen Espresso mit allergrößter Muße. Als er damit fertig war, streckte und reckte er sich, guckte zu uns hinüber und stellte fest: „Visto che ci dura ancora un bel po‘, io mi ristraio ancora. [Da es bei euch anscheinend noch ein bisschen dauert, lege ich mich nochmals hin.] Ich hab heute Nacht so unruhig geschlafen.“ Noch eh ich empört antworten konnte, war er schon abgerauscht. Einzig seine Kekskrümel und seine leere Espressotasse zeugten von seinem Gastspiel am Frühstückstisch.

Ich schüttelte den Kopf – trank meinen italienischen Kaffee Hag und begann mit der Grundreinigung des Tisches, Signorinos, des Hochstuhls und der Glasvitrine hinter Signorino. Danach saugte ich Marmeladenbrot-Stücke ein und legte mich erschöpft auf den Teppichboden. Von links hörte ich ein heiteres „Da da“ und spürte eine winzige Hand, die sich auf meinem Brustkorb abstützte. Noch eh ich aufblicken konnte, versank eine andere Hand forsch in meiner Magengrube. „Signorino. Au! Nein!“ presste ich hervor, da spürte ich schon ein Knie in einer meiner Rippen. „Nein. Nein. Nein.“ wiederholte das Kind. „Ich bin ein lebendes Klettergerüst. Na toll!“ dachte ich und verfluchte den Römer, der sicher schon schlummernd im warmen Bett lag.

Nach weiteren 40 Minuten erschien der feine Herr Farniente gut gelaunt mit einem „Ci voleva“ [Das habe ich jetzt gebraucht] auf den Lippen. „Alles gut bei dir?“ fragte er, als er mich auf dem Rücken liegend mit dem auf mir herumturnenden Signorino sah.

„Ich bin müde, habe heute Nacht nicht geschlafen. Meine Augen fallen zu und Signorino klettert seit 40 Minuten auf mir herum. Gleichzeitig habe ich keinerlei Kraft mich zu bewegen. Jede Zelle meines Körpers ächzt nach Schlaf und du legst dich hin und döst! Ich will keinen entkoffeinierten Kaffee, keine Wäscheberge, keinen Kompressendienst am Kind. Ich will einfach nur in der Badewanne schlafen ohne das jemand an der Tür kratzt. Ist das denn zu viel verlangt?“ ergoß sich mein Jammerschwall auf den verstrubelten Römer. „Amore, dann sag doch was! Ma sto io col bambino [Aber ich kann doch beim Kind sein]. Leg dich hin – solange du willst.“ redete der Römer beruhigend auf mich ein und half mir hoch. „Brauchst du noch ein zweites Kissen? Ohrenstöpsel? Eine Wärmflasche?“ sorgte er sich um mich – oder wohl eher um mein geistiges Wohlbefinden. „Nein, danke.“ antwortete ich weinerlich und schleppte mich mit letzter Kraft ins Bett.

Nach wunderbaren drei Stunden Schlaf kehrte ich erholt und mental geordnet zurück. „Das war zauberhaft.“ schwärmte ich und lächelte sanft. „Nein. Nein. Nein.“ begrüßte mich Signorino lachend. „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht. Ich war wirklich besorgt als du gesagt hast, dass du in der Badewanne schlafen willst. Da wusste ich: adesso basta! [Jetzt reicht’s] Lei deve dormire. [Sie muss schlafen] Aber…sag mal, hattest du das wirklich ernst gemeint mit der Badewanne?“ wollte er neugierig wissen.

„Ach nein, nein. Das wäre ja verrückt!“, entkräftete ich meine vorherige Aussage, „Ich war wohl sehr müde.“

Dem Römer genügte diese Antwort und er erklärte mir irgendetwas Zusammenhangloses über die Autobahnbezifferung in Deutschland.*

Einen Teufel werde ich tun und ihm meine „ultimo ratio“ im Kampf gegen den Schlaf verraten. Sollen sie mich doch überall suchen – friedlich in der Badewanne schlummernd vermuten sie mich garantiert nicht.

[*Der Römer meint, es könnte Sie auch interessieren, deswegen hier für Sie vom Römer: Eine ungerade Nummer tragen alle Autobahnen in Deutschland, die in Nord-Süd-Richtung führen (beispielsweise die A1); gerade Nummern bekommen alle, die in West-Ost-Richtung verlaufen (etwa die A 4).]

Herr Wilhelm und das Schreibaby

Du schreist. Tage- und nächtelang. Du schreist so laut, dass Herr Wilhelm im Stock über uns letztens geklingelt und mich empört angefahren hat, was ich dem “armen Ding” antue. „Nichts tat und tue ich ihm an. Er schreit – und das seit Stunden.“ war meine Antwort – verärgert, verzweifelt, leicht patzig!

„Das arme Ding“ lag schreiend auf meinem Arm und brüllte sich die Seele aus dem Leib. Ich brach in Tränen aus und Herr Wilhelm schämte sich.

“Ach komm, Mädel. Der Kleene beruhigt sich schon wieder!” sagte der Exil-Berliner Nachbar Herr Wilhelm zu mir. “Kann ich wat für dich tun?” Er tätschelte unbeholfen meine Schulter. Ich schluchzte. Signorino schluchzte. “Ist denn keiner sonst daheim? Mann, Mutter, Schwiegermutter, von mir aus ’n Goldfisch, der den Kleinen mal eben beruhigen kann?” fragte er versöhnlich.

Da standen wir also, in der Tür unserer Wohnung, ich schluchzend, Signorino schreiend und schluchzend, mit dem hilflosen Herrn Wilhelm vor uns. Er schob uns sanft zur Seite und trat ein.

“So! Kakao!” sagte er fast schon Feldwebelartig. “Wo find ick den in diesem Haushalt?”

Ich zeigte auf den großen, weißen Vorratsschrank. “3. Fach, ganz hinten links!” schniefte ich weiter.

“Jut, jut! Och, ick glob et nicht! Det is dieselbe Marke, die mene Omma auch immer jehabt hat! Mensch, wat ‘n Zufall!” rief er überrascht.

Er schnappte sich den Kakao und bereitete ihn routiniert zu. Geschickt (und ohne zu tropfen) füllte er den Kakao in zwei große Tassen. Zufällig benutzte er meine Lieblingstasse. “Kann ich die haben?” fragte ich und zeigte auf die blaue Tasse mit der Zeichentrick-Figur. “Aber sicher doch! Det guckt meine Enkelin auch immer. Aber die ist 7!” lachte er über die Cartoon Figur auf meiner Tasse. 😄

“Mensch, sag ma Mädchen, da jibt et doch diese Tragetücher. Da packste den Kleenen ma rein und der beruhigt sich. Det hab ich von meiner Tochter Carmen jelernt.” gab er mir als Ratschlag.

“Ich hab eins bestellt, aber es kommt erst morgen hier an.” Meine Unterlippe zitterte wieder und ich wollte gerade wieder losschluchzen, da unterbrach er mich: “Ick hab doch eins oben! Nu sag et doch! Det hat die Carmen hier deponiert. N furchtbar hässliches Teil, indische Elefanten druff. Als wären wa in Goa! Ick hol et ma eben und du trinkst ma schön den Kakao. Der Kleene schreit eh so oder so. Ejal watte machst! Da kannste auch den Kakao trinken.”

Ich setzte mich hin. Mittlerweile schluchzte Signorino nur noch und schniefte ab und zu herzzerreißend. Nach zwei Minuten kam Herr Wilhelm in meine Wohnung geflitzt. “Da isset! Indische Elefanten. Ich hab et jesagt. Aber da müssen wir drei durch, wa?” lachte er.

Ich guckte nur noch geknickt. Signorino schniefte weiter.

“Dat bind ich ma fix, wenn et dich nicht stört. Die Carmen und ich haben ja immer diese Titriels (Tutorials) bei diesem U-tubb (Youtube) geguckt. Det is richtig jut erklärt.” Geschickt band er das Tuch. “So, Doppelknoten und tschüssi Müsli!” Er verknotete das Tuch und nahm mir Signorino ab. “So junger Mann! Jetzt wollen wa dich ma beruhigen.” Er fädelte Signorinos Füsschen geschickt in das Tuch, befestigte ihn. Zog etwas hier zurecht und rückte da etwas in die richtige Richtung. Signorino motzte und schrie während diesem Vorgang weiter und dann? Stille. Tiefe Atemzüge. Ein ruhig dösender Signorino. Ich – erstaunt mit Wimperntuschenbächen, die sich auf meinem Gesicht breit machten. Herr Wilhelm – zufrieden lächelnd, Arme in die Hüfte gestützt. “So! Und jetzt trinken wa den Kakao, bevor der kalt wird. Hier sind noch selbst gebackene Kekse. Hab ich auch bei diesem Eitub gesehen. Det sind Tschantutschini (Cantuccini). Echt Italienisch!“ schmunzelte er. “Danke, Herr Wilhelm!” sagte ich ganz gerührt und ein Tränchen lief mir über die Wange. Es sollte das letzte an diesem Tag bleiben – bei Signorino und bei mir.

“Ick bin der Dieter!” sagte er fröhlich. “Danke Dieter! Du hast mich gerettet.” gab ich lächelnd zurück, durch meine Tränen blinzelnd. “Ach Papperlappap. Det nennt man Nachbarschaftshilfe!”

Indische Elefanten gehören nicht nur nach Goa, sondern auch in jeden Haushalt mit Baby!

Vorschnelles urteilen

Wenn man nur die halbe Wahrheit kennt, ist man schnell dabei sich eine Meinung zu bilden.

Ich wusste von meiner Mutter, dass sie Ski fahren war als ich noch gut verpackt in ihrem Bauch gewohnt habe. Dieser Fakt belastete mich nicht weiter und ich dachte nie intensiv über die Gefahr nach. Erst als ich es Freundinnen erzählte, die bereits Kinder hatten, merkte ich die Verwunderung in ihrem Gesicht: „Sie war Ski fahren? Schwanger? Weißt du eigentlich wie gefährlich das ist?“

Öhm. Nein. Wenn man keine Kinder hat oder gerade plant, macht man sich darüber keine Gedanken.

Nach dem Grund für ihren Skiausflug fragte ich sie nie.

Bis sie gestern erzählte: „Als ich mit dir schwanger war, wusste ich am Anfang nicht, dass ich schwanger bin. Wir hatten unsere Kinderplanung weitgehend abgeschlossen. Es dauerte etwas bis ich es bemerkte. Also gingen wir Ski fahren – die ganze Familie. Der tiefe, glitzernde Pulverschnee in dem Jahr lud mich förmlich dazu ein auch etwas riskantere Abfahrten zu nehmen. Ein paar Tage später, ich wunderte mich wo meine Monatsblutung blieb, macht ich einen Test. Schwanger! Als ich dann nach zwei Tagen anfing heftig zu bluten machte ich mir solche Vorwürfe, dass ich Ski fahren gegangen bin. Angekommen beim Frauenarzt versuchte er mich zu beruhigen. <<Schonen Sie sich! Heben Sie nicht schwer! Und alles andere regelt die Natur>> sagte er. Ich weinte auf der kompletten Rückfahrt. Diesen kleinen, unschuldigen Menschen wollte ich nicht verlieren aufgrund meiner Unwissenheit. Nach ein paar Tagen hörte die Blutung auf. Ich hatte wieder einen Frauenarzttermin und siehe da: Ein kleines Gummibärchen mit einem kräftigen Herzschlag. Das warst du! Ich hätte nicht glücklicher sein können.“

Das war also die ganze Geschichte. Sie wusste nicht, dass sie schwanger war und machte sich Vorwürfe. Auch nach drei Jahrzehnten schien sie dieses Gefühl immer noch mitzunehmen. „Aber es ging ja alles gut. Und es wäre doch nicht deine Schuld gewesen.“ versuchte ich sie aufzumuntern. „Doch, doch. Es wäre meine Schuld gewesen.“ antwortete sie nach all den Jahren immer noch überzeugt von ihrem Verschulden.

Mütter – in Gänze schätzen lernt man sie erst, wenn man selber zum Elter wird.

Andere Zeiten, andere Sitten. Andere Länder, andere Sitten.

„Jeder Jeck ist anders.“ sagt man so schön in Köln. Aber nicht nur jeder Jeck, auch ganze Kulturen sind anders.

Es geht mal wieder um das beliebte Thema Schwangerschaft. Sie sehen es mir nach, liebe Leser, aber mein Kosmos ist klein geworden. Seit sechs Monaten bin ich von der Arbeit befreit und außer dem beliebten Babythema und ab und an Themen des Römers, die ich an mich reiße, passiert hier nicht mehr viel.

In einem Kommentar hierzu erzählte ich, dass meine Mutter damals, nach jeder der vier Geburten, ein schönes Glas Sekt angeboten bekommen hat und natürlich, wie es damals Usus war, dankend angenommen hat. „Das erklärt einiges.“ sagte Turtle und knuffte mich in die Seite. „Ja, bei dir!!“ konterte ich zurück und knuffte sie zurück. Wir mussten kichern und sie streckte ihre Zunge raus. „Kinder, Kinder! Ich erklär euch auch warum: 1. Fällt man in ein hormonelles Tief nach der Geburt. Man hat es als Prävention zur Postnatalen Depression benutzt. 2. Es ist sehr nett, nach der harten Abend ein wohlverdientes Gläschen Sekt zu trinken. Auch zum Anstoßen mit eurem Papa war das nett. 3. Sekt steigert die Milchproduktion. So hat es uns die Hebamme gesagt. Sie wies uns sogar an, dass wir daheim öfter einmal ein Sektchen aufmachen. Denn letztens: Sekt beruhigt Nerven und Geist.“ Turtle musste lachen: „Na, wenn das so ist. Nun mal her mit dem guten Tropfen. Wir stoßen an.“ Unsere Mutter guckte empört: „Bist du wahnsinnig! Heute ist das nicht mehr denkbar.“

Doch kommen wir zu einem anderen Land und seinen Sitten – Italien. Meine Schwägerin, die Schwester der Römers, ist eine gertenschlanke Erscheinung. Hochgewachsen, dunkelblond und sportlich. Als sie ihrem Frauenarzt erzählte, dass sie plant schwanger zu werden, wies dieser sie an, dass sie jetzt nochmal im Fitnessstudio eine Schippe drauf legen soll. Sie sollte aktiv ihre Muskeln trainieren, damit sich der Körper (oder vielmehr sie) nach der Schwangerschaft an ihre alte Form erinnert. Als wir sie besuchten, als sie dann schwanger war, konnte ich beobachten wie sie ungefähr 3-4 Tassen Espresso am Tag trank. Ich fragte den Römer abends, ob das normal sei. „Klar, Espresso ist kein Problem. Du kannst soviel trinken wie du möchtest.“ Ich guckte irritiert und erklärte ihm wie es in Deutschland gehandhabt wird. „Aber bei uns trinken doch schon 3-jährige Cappuccino.“ Das stimmt! Ich erinnerte mich an die Zeit als Au Pair als der kleine Ricchi mit seinen 3 Jahren am Frühstückstisch saß und nach einem Cappuccino verlangte. Ich prustete damals los und schüttelte den Kopf. Er guckte mich empört an und ging zu seinem Vater – petzen. Der machte ihm – ganz selbstverständlich – einen Cappuccino. Ich guckte ihn entgeistert an. „Meno caffé, ma più latte per i bambini.“ [Weniger Espresso, aber mehr Milch für die Kinder] Ja, ja. Das hatte ich schon verstanden. Aber in meinem Kopf machte es immer noch keinen Sinn. Das sah er mir auch an. „Non fa nulla! I bambini si abituano piano piano. Con 6 anni può bere un cappuccino normale.“ [Das macht gar nichts! Die Kinder gewöhnen sich langsam daran. Mit 6 Jahren kann er einen richtigen Cappuccino trinken] Na, das beruhigte mich jetzt aber ungemein. Und es erklärt die ganze Kultur in einem Getränk.

Doch zurück zu meiner Schwägerin: Ich sah sie jeden Tag Salat essen. Auch Brot verbot sie sich. Etwas irritiert fragte ich den Römer auch hier nach. „Du wirst bei jeder Untersuchung gewogen. Und die Obergrenze sind 12 kg – je nach Größe. Sollte die Gewichtskurve zu einer höheren Zahl tendieren, dann werden die Mütter auf Diät gesetzt. Und bei meiner Schwester ist das wohl so.“ erklärte er. „Auf Diät? Na klar sollte man nicht 25 kg zunehmen, das verstehe ich. Aber 12 kg als Obergrenze?! Das kommt doch auch darauf an, was dein Ausgangsgewicht war. Sie wog ja vorher schon kaum was, da würden ihr ein paar Pfunde extra doch ganz gut tun.“ wendete ich ein. „Offiziell heißt es: Wegen der Gesundheit von Mutter und Kind. Aber wenn man sich einmal in das Thema einliest, dann geht es darum, dass die Frau auch nach der Geburt noch attraktiv wie zuvor sein soll. Und eben kein camion [LKW].“ gab er zu. Mein Unverständnis stand mir ins Gesicht geschrieben.

Doch nun zu einem anderen Land: Albanien. Hier gibt es nicht viel zu erzählen. Die meisten der römischen Geschwister wurden per Hausgeburt auf die Welt gebracht. Ultraschall gab es nicht und Vorsorgeuntersuchungen auch nicht. „Es wird schon gut gehen.“ und das traf bei meiner Schwiegermutter in sieben von sieben Fällen zu. Sie hatte Glück – und Gottvertrauen. Als wir ihr die Ultraschallbilder zeigten, war sie ganz entzückt. Von ihren Töchtern und Schwiegertöchtern war ich die einzige, die eine ganze Kollektion hatte. Sie streichelte die Bilder und murmelte: „So ein schöner Junge.“ Zugegeben, mehr als seine Silhouette konnte man nicht erkennen, aber sie war blitzverliebt.

Als ich wenig später Wasser mit Kohlensäure bestellte, hefteten sich drei irritierte Augenpaare an mich. Meine Schwiegereltern und der Kellner guckten als hätte ich sie mit dem Tod bedroht. „Aber sie sind doch schwanger.“ stammelte der Kellner. „Ähm ja…“ ich guckte den Römer hilfesuchend an. Vielleicht war meine Aussprache doch nicht so gut wie ich dachte und ich hatte versehentlich etwas alkoholisches bestellt. Aber dem war nicht so. Der Römer bestellte mir stilles Wasser um diese unangenehme Situation zu beenden. Er flüsterte mir ins Ohr: „Erklär ich dir später.“ Na, auf die Erklärung war ich gespannt! Nach dem Essen erzählte er, dass schwangere Frauen in Albanien kein Wasser mit Kohlensäure trinken sollten. Das könnte zu Fehlbildungen, Abgängen oder einer schwierigen Geburt führen. Aha. Aber es ist doch nur Wasser. „Ich bestell dir nächstes Mal einfach heimlich Wasser mit Kohlensäure.“ sagte er und zwinkerte mir zu. „Ich kann’s kaum erwarten.“ gab ich zurück und musste lachen.

Tipps zwischen Müttern

Wie die Zeit und die Distanz so spielen wurde aus einer guten Freundin eine gute Bekannte. Ab und zu schreiben wir uns, alle paar Jahre sehen wir uns, aber es ist immer noch ein überaus herzlicher Kontakt zwischen uns vorhanden. Das bedeutet auch, dass wir über die wichtigsten Lebensabschnitte der jeweils anderen informiert sind. Vielleicht nicht mehr so schnell wie damals als wir uns jedes kleine Detail haarklein und brühwarm erzählen mussten, sondern manchmal mit einer gewissen Zeitspanne, aber dennoch: Man weiß Bescheid über das Leben der anderen.

So schrieb sie mir letzte Woche, dass sie und ihr Mann ein Baby planen und fragte wie lange es beim Römer und mir gedauert hat. Es entstand ein nettes und offenes Gespräch und ich erzählte ihr von meinen Erfahrungen und meinen damaligen Gefühlen. Ich thematisierte mein Mitfiebern – jeden Monat aufs Neue – meine Vorfreude, meine Enttäuschung und dann irgendwann meine Resignation bei der es mir egal war wie lange es dauert bis sich der kleine Bambino auf den Weg macht. Und tadaaaa! Genau da klappte es.

Ich drückte ihr die Daumen, dass es diesen Monat klappt und gab ihr einen Tipp, den ich mir damals von meinen Mitmenschen gewünscht hätte: Iss nochmal Sushi! Geh nochmal Carpaccio essen, erfreu dich an Parmaschinken, an Bresaola, an Thunfisch Ceviche. Iss nochmal ein 5-Minuten Ei. Genieße poached eggs mit flüssigem Kern. Denn all das geht mir am meisten ab.

Ihre Antwort kam prompt: Das finde ich lächerlich darauf zu verzichten. Japaner essen doch auch rohen Fisch und rohes Fleisch. Das heißt, wenn mein Körper darauf besteht, dass ich Sushi esse oder Carpaccio, dann tue ich das einfach.

Grundsätzlich bin ich so, dass ich niemanden überzeugen möchte, wenn es um ihre oder seine Angelegenheiten geht. Wenn ich nach Tipps gefragt werde, gebe ich sie gerne, aber ich verteufel keine Ansicht.

Ich schrieb: Ich für mich habe mir gesagt: 9 Monate darauf zu verzichten kriege ich hin. Denn wenn es dann zu einem Abgang oder zu einer Fehlbildung kommen würde, würde ich mir persönlich Vorwürfe machen. Wenn ich aber für mich jedes Risiko ausgeschlossen habe und es trotzdem dazu kommt, dann ist es Schicksal und ich hatte es nicht in der Hand. Das habe ich am Anfang der Schwangerschaft für mich so entschieden. Jede Frau ist anders und jede Frau entscheidet für sich und für ihr Kind, das was sie am Besten findet. Also mach ganz entspannt!

Ich bin nicht dazu da, andere Menschen zu belehren, weil jeder den für sich richtigen Weg findet. Ich verurteile auch niemanden. Für mich habe ich den richtigen Weg gefunden und ich bin mir sicher, dass sie für sich auch den richtigen Weg findet.

Sie bedankte sich für meinen Erfahrungsbericht und das weitere Gespräch verlief im Sand…

Briefe ans Bambino (Teil 2)

CTG, Ultraschall und Doppler sind absolut nicht dein Fall. Da lässt du auch keine Zweifel daran.

Als du noch ganz klein warst, ja, noch kleiner als heute, ca. in der 17. Schwangerschaftswoche, hast du Rosi, der Hebamme, erst einmal gezeigt wie sehr dir der Doppler missfällt. Um Herztöne von dir zu erhaschen, musste sie sich ganz schön anstrengen. Als sie dich dann endlich gefunden hatte, in der hintersten Ecke, hast du darauf eingetreten als gäbe es keinen Morgen mehr.

Genauso heute: Das erste CTG stand an. Neben mir in der anderen CTG Kabine lag eine andere Mami. Gleichmäßig blubbernd hörte man den Herzschlag bei ihrem Baby. Und bei dir? Erst einmal nichts. Die Arzthelferin musste ganz schön suchen um deinen Rücken zu erhaschen. Aber leider ist die Zeit des Versteckens vorbei. Mit deinen 1200g und deinen 36cm bist du auch einfach zu groß um dich zu verstecken.

Als sie dich dann gefunden hatte, gingst du sofort in die Verteidigungsposition. Mit aller Wucht tratst du gegen das CTG Gerät, dass deine Herztöne erfassen sollte. 10 Minuten war gar nicht daran zu denken, irgendetwas von dir zu messen. Entweder du hast dich weggedreht (wahrscheinlich um Anlauf zu nehmen) oder du hast mit voller Kraft zugeschlagen.

Dein Papa, der Römer, ist deswegen sehr stolz auf dich. 😉 Ist er doch damaliger Olympiateilnehmer im Taekwando gewesen. „Lui diventa un campione.“ [Er wird ein Weltmeister] verkündete er stolz als ich ihm nach dem CTG verkündet habe, was du gemacht hast.

„Wenn er sich jetzt nicht beruhigt, dann versuchen wir es später noch einmal. Eine Chance haben wir aber noch. Legen Sie sich mal auf den Rücken.“ sagte die nette Arzthelferin. Gesagt, getan. Und siehe da: Du hast dich beruhigt. Klar hast du ab und zu noch zu getreten und geboxt, aber bei weitem nicht mehr so schlimm wie vorher. „Noch drei Minuten – genauso bleiben und wir haben’s geschafft.“ munterte sie uns auf. Und du hast dich wunderbar betragen.

Danach stand der dritte, große Ultraschall an. Du bist zeitgerecht entwickelt, sehr groß, aber schlank. Und wie sollte es anders sein -getreten hast du auch wieder. Der Ultraschall gefällt dir eben auch nicht. Die Frauenärztin wollte uns auch dein Gesichtchen zeigen, aber du bist schüchtern. Das heißt, dass du brav deine Händchen und Füßchen vor’s Gesicht gehalten hast. Genau wie beim letzten Mal. Aber warte mal ab! In wenigen Monaten musst du Mama und Papa wohl oder übel dein Gesichtchen zeigen.

Doch eins ist klar: Du hast keine Probleme dich zu wehren. Und das ist auch gut so. Aber nächstes Mal könnten wir das CTG abkürzen, wenn du, mein Schatz, nur fünf klitzekleine Minuten still hältst. Abgemacht?

Krankenhaus Besichtigung

Liebe Leser, meine Albanien-Berichterstattung wird unterbrochen für einen anderen Beitrag aus der Serie „Schwangerschaftsgedanken“. Nicht, dass Sie sich noch langweilen. Aber keine Sorge, immer Mittwochs (oder Dienstags 😄) kommen meine Albanien Artikel weiterhin raus. 😉

Bin ich die coolere oder die naivere Mutter? Das ist die große Frage. Und die wurde mir bewusst bei der Krankenhaus Besichtigung letzte Woche.

Vorab: Es gibt einige Krankenhäuser in unserer Stadt. Man findet hier die kleinen, heimeligen oder aber die großen, hochspezialisierten Krankenhäuser. Bei uns ums Eck, Luftlinie 500 Meter, ist ein kleines, heimeliges. Entbinden kann man dort ab der 36. Schwangerschaftswoche, da es keine Baby-Intensivstation gibt.

Wir kennen das Krankenhaus schon. Der Römer wurde dort operiert und ich wurde dort mit meinem gebrochen Fuß behandelt.

So trug es sich also zu, dass ein Grüppchen Schwangere sich zusammen mit den jeweiligen Partnern in der Lobby des Krankenhauses traf. Man konnte 40 Babybäuche in allen Größen und Formen bewundern. „L’incontro delle balene“ [Das Treffen der Wale] flüsterte mir der Römer wenig charmant zu. Ich musste trotzdem grinsen. Ja, es sah tatsächlich so aus.

Wir wurden in die Cafeteria des Krankenhauses geführt und der Vortrag des Chefarztes und der leitenden Hebamme begann. Mir gefiel er sehr gut, weil freundlich aber bestimmt gesagt wurde, was geht und was nicht. Der Chefarzt sagte – eine für mich logische Sache – die aber viele erstaunte Gesichter hervorrief: „Wenn wir eine brenzlige Situation haben, dann haben wir keine Zeit in genau dieser Sekunde mit Ihnen ausführlich darüber zu diskutieren. Wir machen unseren Job und sorgen für Sicherheit für Sie und Ihr Kind. Gerne sprechen wir danach ausführlich über die Situation, wir erklären und machen verständlich. Aber in dieser Situation bitten wir Sie, dass wir unseren Job machen dürfen.““

Das saß. Mindestens zwei Elternpaare erhoben sich und gingen. Ich grinste. Der Römer nickte begeistert. „Giusto quello che dice! Assolutamente giusto!“ [Das ist richtig was er sagt! Absolut richtig!] flüsterte er in mein rechtes Ohr. Zu sehr kannte er es aus seinem medizinischen Beruf, dass gerne der medizinische Laie mitredet. „Dr. Google sagt aber, dass….“

Eine Mutter fiel mir ganz besonders auf. Sie stellte trölfzigtausend Fragen und hatte sehr genau im Kopf wie die Geburt ihres ersten Kindes ablaufen muss. „Ich möchte es so und so. Aber ohne Dammschnitt. Wie ist das mit einem Kaiserschnitt? Wie wird das bei Ihnen mit Bonding gehandhabt? Wie kann ich ein Familienzimmer buchen? Kann sich mein Mann direkt nach der Geburt auf meine Liege legen?“ Ich rollte genervt mit den Augen.

Vielleicht bin ich naiv, vielleicht ignorant, aber seit Jahrtausenden von Jahren existiert die Menschheit und die Medizin ist weiter als jemals zuvor. Frühchen, die früher keine Chance hatten, bekommen die beste, medizinische Hilfe, die man sich vorstellen kann. Aber, und da bin ich mir sicher, eine Geburt folgt keinem Drehbuch. Wenn es so wäre, wäre die Geburt vom Bambino nämlich ein Kurzfilm und endet nach 6 Minuten mit einem Happy End. 😉

Von Wehen geplagt ist mir wahrscheinlich egal, ob die Hebamme eine homöopathische Lösung für mich bereit hält. Ich möchte nur keine Schmerzen mehr haben. In den Presswehen sind mir Akkupunktur Nadeln in meinen Ohren egal. Ich möchte auch meine Plazenta nicht mit nach Hause nehmen und sie einfrieren.

Es gibt keine 100% Sicherheit für eine Geburt. Es gibt ja nun auch keine 100% Sicherheit für dasLeben. Leben heißt Überraschung. Vieles ist planbar, so denken wir. Manches ist gesteuert. Man hat es nicht in der Hand. Egal wie sehr man sich bemüht.

Und dazu zähle ich auch die Geburt. Bis jetzt habe ich keine Angst. Wenn es anfängt, fängt es an. Ob es am Ende ein medizinisch notwendiger Kaiserschnitt, eine Traumgeburt oder 36 Stunden Wehen wird – ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, ich werde es in den nächsten Monaten herausfinden.

Aufgenommen vom Einen auf den Galapagosinseln. So fühle ich mich! Müde und dickbauchig im Sand.

Danke. Auf Wiederhören.

„Ach, macht’s doch allein!“ möchte ich meinen Familienmitgliedern zurufen. „Macht’s doch einfach allein. Dann spar ich mir die Zeit, den Schweiß und das tiefe Einatmen.“

Mein Papa möchte seinen 70. Geburtstag feiern. Nächstes Jahr. An Pfingsten. Weil er ein Frühsommerkind ist und weil Pfingsten gut passt. Die Wiesen blühen im Voralpenländischen und der hübsche Löwenzahn, seine Lieblingsblume, schmückt diese fast schon verschwenderisch-prachtvoll.

Doch bis wir meine Mutter soweit hatten, dass sie zustimmte, an diesem speziellen Tag in die Pension Baumgartner zu fahren, vergingen Wochen. Oder Monate. So genau erinnere ich mich nicht mehr. Meine Mutter wollte uns den Aufwand nicht zumuten 400km durch Deutschland zu fahren. „Der Pfingstverkehr! Alle fahren’s da.“ war ihr Argument. „Aber Mama, wo ist denn der Unterschied? Ob wir nun 350km zu euch oder 400km zu eurer Lieblingspension fahren? Wir sitzen ja dann eh schon im Auto.“

Irgendwann packte ich das Totschlag-Argumente jeder bayerischen Hausfrau aus: „Aber Mama, schau doch mal: Wir fahren alle in die kleine Frühstückspension, die sich Papa wünscht. Und du hast keine Arbeit. Es muss kein Kuchen gebacken werden, die Gästezimmer in eurem Haus müssen nicht geputzt und vorbereitet werden und du kannst dich einfach auf den Balkon mit dem Blick auf den Wendelstein verziehen, wenn’s zu viel wird.“ Sie blinzelte zweimal. Das machte sie immer, wenn sich die Idee in ihren Kopf frisst. So als ob die Augen versuchen würden, die Idee noch schnell wegzuwischen bevor sie sich zu tief eingräbt.

„Hm…joa! Okay, Mausi ( so werde ich nach fast 30 Jahren immer noch gennant), dann mach ma des so!“ sagt sie. „Aber wer kümmert sich dann um die Buchungen? Wer organisiert alles? Ich mag einfach koan Stress mehr ham!“ Turtle guckt mich an. Und ich guck Turtle an. „Wir beide machen das.“ antworten wir unisono. „Ah ja, gut. Dann macht’s ihr zwei des!“

Papa grinst zufrieden am Tisch. Und mir hätte das Grinsen vergehen sollen. Das ahnte ich aber damals noch nicht.

Ich fragte erst einmal alle Geschwister, ob sie Zeit hätten. „Ganz modern – via Smartphone.“ wie der Papa sagt. Innerhalb von 15 Minuten hatte ich alle zusagen und machte mich ans Werk. Ich schrieb der Pension Baumgartner eine Email. Mühsam gliederte ich die verschiedenen Familienzusammensetzungen und Zimmerwünsche auf. Ein Doppelzimmer – aber mit Zustellbett – für meinen Bruder + Anhang. Ein Einzelzimmer, aber möglichst nicht bei den Zimmer mit den Kindern. Turtle schläft gern aus. Ein Doppelzimmer (Nr. 37! Unbedingt!) für unsere Eltern. Wegen dem schönen Wendelsteinblick. Ein Babybett für den Bambino.

Sehr nett antwortete mir Frau Baumgartner. Aber sie ging nicht auf eine einzige meiner Fragen ein. Sie schrieb nur: „Wir haben genug Zimmer für alle. Kein Problem. Und ganz neu: Unsere Premium Zimmer in der oberen Etage. Die san herrlich, weil die a kloane Couch drin haben.“

„Danke, liebe Frau Baumgartner, aber ich müsste die Zimmer so und so und so reservieren. Was können Sie uns denn vorschlagen?“ fragte ich die nette Dame. Prompt kam eine Antwort zurück. „Ah, mit dem Babybett, des wird eng in den normalen Zimmer. Da müsst ma die Bergblickzimmer reservieren.“

Währendessen stand ich mit meinem Vater im ständigen Kontakt. Noch ist seine Demenzerkrankung noch nicht so ausgeprägt, dass er nicht mehr reise- oder zurechnungsfähig ist. Aber man merkt trotzdem, dass es nicht mehr so einfach ist wie früher. „Buch halt einfach irgendwas! Aber für uns die Nr. 37. Oder Nr. 38. Die haben doch den schönen Wendelsteinblick. Und des gfällt da Mama so gut!“

Frau Baumgartner schlug mir unterdessen vor, dass „mir zwei beide“ besser telefonieren. „Sie kennen ja unser Haus gar net. Des muss ich erklären.“ Ich rief sie also an. Sie erklärte mir die Möglichkeiten und die dazugehörigen Zimmernummern. „Mir san ja a ganz kleines Haus. A Familienpension. Deswegen erklär ich Ihnen des. Damit Sie sich des besser vorstellen können.“ Am Schluss einigten wir uns auf die neu renovierten Zimmer in der obersten Etage – alle mit Wendelsteinblick. Ich rief meinen Vater an und informierte ihn, dass es nicht Nr. 37 oder 38 wird, sondern was besseres. „Aha.“ sagte er kurz und knapp. „Ja, gut. Danke. Auf Wiederhören!“ So beendet er mittlerweile all seine Gespräche – egal ob mit der Familie oder nicht. „Ihnen auch – Auf Wiederhören.“ gab ich zurück und musste grinsen. Fünf Minuten später rief er noch einmal an.

„Also, nächstes Mal buch ich’s lieber selber. Nr. 37 oder 38 wär mir lieber. Aber gut, jetzt ist’s schon so.“ lamentiert er sich. Noch so ein Nebeneffekt der Demenz. Das Beste interessiert ihn nicht. Er will nur noch das, was er bereits kennt. Das vergesse ich leider manchmal. „Nach sieben Emails mit Frau Baumgartner und zwei Telefonaten würde ich ungern was ändern. Aber du kennst sie ja gut. Ihr seid ja Stammgäste. Sag ihr doch, dass du lieber in die Nr. 37 oder 38 willst.“ versuche ich zu beschwichtigen. „Naaaa! Des basst jetzt scho. Aber nächstes Mal würd ich’s lieber selber buchen.“ nörgelt er weiter. „Ja, Papa, nächstes Mal machst du’s einfach selber.“ gebe ich auf. „Danke. Auf Wiederhören!“ verabschiedet er sich.

Weitere fünf Minuten später ruft meine Mama an: „Mausi, gut hast des gmacht. Lass dir da nix einreden. Des ist die Krankheit. Des is net dei Papa. Ich bin gern in den Premiumzimmern. Da schlaft ma viel bequemer.“ versucht meine Mama mich aufzumuntern. „Danke, Mama. Ich habe mich wirklich angestrengt es allen Recht zu machen.“ sage ich geknickt. „Ich weiß, Mausi. Und ich bin sehr stolz auf dich. Da Papa mag halt keine neuen Zimmer, weil er sich an den alten Sachen festklammert. Des gibt ihm Sicherheit, wenn sein Kopf ihm schon ab und zu Streiche spielt. Lass dich net so runterziehen.“ Das Gespräch mit meiner Mama hat den selben Effekt wie eine heiße Tasse Kakao und Pfannkuchen mit Aprikosenmarmelade an einem verschneiten, grauen Tag. Danach geht’s mir wieder gut.

Ich mag nicht mehr. Sollen sie doch nächstes Mal alles selber buchen. Aber ohne mich.

Danke. Auf Wiederhören.

Briefe ans Bambino (Teil 1)

Ich dachte damals in den ersten Wochen der Schwangerschaft, dass du ein eher ruhiges Kind wirst. Aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher.

Seit drei Wochen spüre ich dich. Du trittst. Und zwar manches Mal mit richtig Spaß am Spiel. Das musst du wohl von deinem Papa haben. Der machte das aber profimäßig im Kampfsport. Du machst das um mir zu zeigen, dass du „Beine überschlagen“ total doof findest. Und nicht nur das: Nach vorne lehnen beim Essen findest du auch ziemlich blöd. Gerne holst du dann richtig aus um mal zu zeigen, wer der Boss ist.

Selbst dein Papa konnte dich schon spüren, als du so richtig rumgeturnt bist. Nur einmal, aber das saß.

Beim Herztöne abhören verziehst du dich gerne in die hinterste Ecke. Und wenn man dich dann doch findet, trittst du solange gegen den Fetal-Doppler bis man aufgibt. Danach bist du auch gar nicht mehr zu beruhigen. Im weiteren Verlauf des Vormittages hampelst du so rum, dass dich auch das Schaukeln in meinem Bauch, während ich gehe, nicht mehr beruhigt.

Du bist einfach ein kleines Zappellieschen oder ein Zappelphilipp. Obwohl Papa und ich vermuten, dass du eher ein Lieschen wirst. Ich, weil ich vor Jahren davon geträumt habe. Papa, weil er es von Anfang an gesagt hat. Bei mir ging das sogar schon soweit, dass ich einen gebrauchten, rosa Babyschlafsack gekauft habe. Solltest du ein Philipp werden, musst du nachts halt ab und zu rosa tragen. Das schadet ja nicht. 😉 Diese Woche werden wir er herausfinden (wenn du dich zeigst und nicht so wild herumhampelst).

Ansonsten machst du uns unglaublich viel Freude. Papa ist immer ganz eifersüchtig, dass ich natürlich jede Bewegung spüren kann, Papa aber nur sehr selten das Vergnügen hat. Jeden morgen sagt er dir gesondert guten Morgen und jeden Abend wünscht er dir eine gute Nacht. Nur, dass du dann nicht immer schlafen willst.

Wir freuen uns schon sehr auf dich. Und nicht nur wir: Seit Wochen werden wir von beiden Großeltern Paaren zu erst gefragt, wie’s dir geht, gefolgt von „Wird es nun ein Mädchen oder ein Junge?“. Aber Papa und Mama sind gemein: die sagen nix! Bis zu deiner Geburt. 😉

Im August fliegen wir nochmal zu deiner Familie väterlicherseits. Die können es kaum erwarten dich zu sehen. Und morgen kommt meine Mama, deine Oma, vorbei. Die kann es auch kaum erwarten dich wiederzusehen. Oder vielmehr: Mir über den Bauch zu streicheln.

Vielleicht klingt es paranoid, aber Mama hat in letzter Zeit viel gelesen und sich viele Gedanken gemacht, was mit dir passieren sollte, wenn sowohl Papa als auch ich sterben sollten. „Turtle“ war sowohl Papas als auch meine erste Antwort auf die Frage. Also haben wir deine Tante Turtle gefragt, ob sie dich in diesem Fall nehmen würde. Sonst ein sehr überlegter Mensch, der sich bei schwerwiegenden Entscheidungen nicht leicht entscheiden kann, sagte sie sofort – ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken – ja. Mir fiel ein Stein von Herzen – und Papa auch. Aber wir versprechen dir, dass wir alles tun um möglichst lange zu leben. Keine Sorge!

Wer soll dich denn auch sonst mit Sätzen wie: „Und? Wie sieht’s mit Enkelkindern aus?“ nerven?

Mein lieber Schatz, bleib noch ein paar Monate in Mamas Bauch, wachse und gedeihe. Aber dann komm ganz schnell zu uns, denn Mama und Papa können es kaum erwarten dich in die Arme zu schließen.

Die Socken hat uns Oma geschenkt.

Ein inoffizieller Brotsalat

Sowohl la nonna italiana als auch la mamma würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „Una panzanella non si può fare così!“ [Einen Brotsalat kann man nicht so machen] würden sie sagen und die Hände in die Schürzentasche stecken – zu Fäusten geballt. „Dai, ti faccio vedere io.“ [Komm, ich zeig dir wie man das macht] würden sie mich anherrschen und mich liebevoll, aber bestimmt zur Seite schubsen. Das Brot würden sie mit solch stoischer Gelassenheit und kulinarischer Entschlossenheit schneiden, dass ich entmutigt in der Ecke stehen würde. Die Klinge des Messers würden sie kraftvoll durch die Tomaten gleiten lassen und ich würde vor Ehrfurcht erzittern. Die Zwiebeln würden sie so fein und filigran zurechtschnitzen, dass mir nicht nur von den Zwiebeln die Tränen kommen würden. All das würden sie tun, würden wir in Italien wohnen, da bin ich mir sicher.

Aber da wir hier in Deutschland Narrenfreiheit haben (und die Verwandschaft nicht so schnell über den Brenner kommt) und es „il figlio“ [dem Sohn] alias „dem Römer“ wunderbar schmeckt, veröffentliche ich mal mein Rezept. Aber bitte nicht der nonna sagen! Sonst stehen sie in 12 Stunden vor meiner Tür – mit dem Kofferraum voller Filone, Tomaten, olio d’oliva, biscotti und was sie sonst noch auf dem Weg über den Brenner gefunden haben.

Panzanella à la Deutsche Far Niente

Zutaten:

1 Stange Brot (z.B. Ciabatta, Baguette, Filone)

400 g Minitomaten (Cocktailtomaten)

2 Knoblauchzehen

1 rote Zwiebel (die ist etwas milder)

Parmesan am Stück nach Geschmack (ungefähr 50-70 g)

eine gute Handvoll Rucola nach Geschmack

1/2 Zitrone

Olivenöl

Salz

Pfeffer

Zubereitung:

Sollte das Brot vom Vortag (oder besser vom Vor-Vortag) sein, so kann man es direkt verarbeiten. Ich bevorzuge es vom Vortag, schneide es in kleine Würfel (etwas größer als Croutons) und gebe es sicherheitshalber auf ein Backblech. Bei 200-220 Grad bleibt es für ca. 10 Min. im Ofen bis es goldbraun ist.

In der Zwischenzeit wasche ich die Tomaten und schneide sie in kleine Stücke. Die Zwiebel wird entweder in filigrane Streifen oder ebenfalls in kleine Würfel geschnitten. Den Parmesan schneide ich in mundgerechte Stücke oder zerbrösel ihn, so dass er gut essbar ist. Ich wasche auch schon den Rucola und schneide ihn klein. Den Knoblauch schälen und in 2-3 grobe Stücke schneiden.

Wenn das Brot fertig ist, lasse ich es etwas auskühlen bis es ungefähr lauwarm ist. Alle zuvor vorbereiteten Zutaten gut vermengen, den Saft einer halben Zitrone auf den Salat geben und Olivenöl dazugeben, so dass das Brot die Chance hat sich etwas vollzusaugen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und voilà: man hat ein Sommergericht, das auch noch satt macht UND das alte Brot ist verwertet.

Hübsch sieht er nicht aus, aber ich machte das Foto noch schnell bevor der Römer die vierte Portion vertilgte

Achtung: Den Knoblauch fischen wir immer raus – er dient nur zur Geschmacksgabe.