Espresso zu Heavy-Metal-Klängen – Das Rom-Tagebuch [Tag 7]

Montag, 29.09.2022

Es ist 09:30 Uhr und alle schlafen – außer mir. Ich bin bereits wach, wobei „bereits“ sicher das falsche Adverb um diese Zeit ist. Mit gemischten Gefühlen denke ich an unseren morgigen Abreisetag. Um 10 Uhr müssen wir aus dem Haus, um das Flugzeug gegen Mittag zu besteigen. Um ehrlich zu sein, wäre es mir am liebsten, bereits heute Abend heimzufliegen, aber das Umbuchen meines Mitarbeiter-Tickets gestaltet sich schwierig und so werden wir wohl erst morgen Mittag Rom verlassen können. Dabei bin ich mir sicher, dass diese Tatsache sehr von 15 römischen Mücken geschätzt wird und sie auf ein grandioses, letztes Abendmahl (mit mir in der Hauptrolle) hoffen.

Immer noch sehe ich aus als hätte ich Windpocken und so pflege ich meine Mückenstiche mit dem Gel, dessen Verpackung stark an einen Flüssigklebestift erinnert. Langsam erwachen die männlichen Farnientes. Der Große springt auf und will sich um Frühstück kümmern, wie er es schon die ganze Woche über gemacht hat. Der Kleine möchte wieder seine Stimmung und sein Befinden in seinem Kleidungsstil manifestieren. Heute soll es die kurze Jeanshose sein – dazu ein weißes Polo-Shirt. Ob die Vorlage seines Outfits der römische Bekannte alias „der weiße Stein“ war? Meine noch benutzbaren, scheinbar sauberen Kleidungsstücke aus dem Koffer lassen mich langsam aber sicher verzweifeln. Selbst die Teile, die ich noch kein einziges Mal in diesem Urlaub angehabt habe, sind voller Wassermelonenflecken (Grazie, Signorino!). Als der Römer von der sizilianischen Bäckerei zurück kommt und ich ihm von meiner Misere berichte, kommt just der Kommentar, dass ich schließlich nicht besonders penibel mit meiner Kleidung umgehen würde. Ganz im Gegensatz zum römischen Gatten, versteht sich. Kurz schnellt mein Puls nach oben und ich mache dem feinen Herrn Römer klar, dass sein Privileg darin liegt, Papa geworden zu sein, was bedeutet, dass die körperliche Nähe zum eigenen Kind nicht mit Ende der Schwangerschaft endet. Signorino und vermutlich einige Kinder mehr leben quasi auf einem bis sie bereit sind, sich abzunabeln. Und wie das so ist bei einem Kleinkind, dass ständig auf Mamas Schoß, Arm, Rücken oder Hüfte will, sind Mamas Kleidungsstücke eben dann fleckig und/oder verknittert. Mein, zugegeben, etwas geladener Redeschwall lässt den Römer verstummen. Solange, bis er fragt, ob ich Hilfe beim Waschen meiner Kleidungsstücke brauche. Ich nicke und bedanke mich für sein Verständnis. Gleich nachmittags würde er sich um meine Kleidungsstücke kümmern, gibt er an. Sein „Gleich nachmittags“ kenne ich bereits aus der Vergangenheit und warte immer noch auf den ein oder anderen „Nachmittag“. Aber ich bleibe gespannt.

Als wir fertig gefrühstückt haben, gehen wir vor die Tür. Erster Stopp: Ein Modegeschäft. Signorino braucht eine zweite, lange Hose, da wir nur eine eingepackt haben. Ein paar Söckchen, eine lange und kurze Hose später, sowie ein T-Shirt, dass der Mann für den Sohn haben will, nehme ich noch ein einfaches T-Shirt im Sale mit. Augenscheinlich scheint es zu passen. Für eine Anprobe ist keine Zeit.

Der nächste Halt ist unser Stammcafé Baylon. Bereits die ganze Woche freute ich mich auf den Besuch „unseres“ Cafés. Hier schlug die zarte Liebe zwischen dem Römer und mir erste, feine Wurzeln. Die süßen Croissants, der herbe caffé und die wunderbare Atmosphäre trugen sicher auch dazu bei, dass wir den Schritt wagten und der Römer zu mir nach Deutschland zog.

Doch was soll ich sagen? Corona forderte anscheinend überall seine Opfer. Das einst so geliebte Café ist ein seelenloses Loch geworden. Wir treten ein und laute Heavy-Metal-Musik kreischt aus den Boxen. Der schöne 20er Jahre Charme, die adrette Arbeitskleidung der Bedienungen und auch die charmanten Kellner*innen sind alle verschwunden. Dafür haben sie nun eine dermaßen unmotivierte, kaugummikauende Kellnerin, die so wirkt als wäre sie dazu gezwungen worden, Gast bei uns zu sein und nicht andersherum. Oder anders ausgedrückt: Diese junge Dame in der Gastgeberrolle ist definitiv eine Fehlbesetzung. Immerhin ist der caffè gut, wobei ich in Italien noch nie schlechten Espresso getrunken habe. Doch, doch, auch das passiere, sagt der Römer. Er sei vor Jahren mit der Rugby-Mannschaft in Norditalien gewesen und dort hätten sie tatsächlich schlechten Kaffee getrunken. Dennoch habe ich recht, dass man in Italien lange suchen müsse für einen wirklich schlechten Kaffee. Das sei in Deutschland besser. Man kann sich sicher sein, dass man sehr schnell wässrigen, sauren Espresso findet – egal wo. Ich „mmh-pfe“ gegen die Heavy-Metall-Musik an und mein Blick fällt auf die lange Glasvitrine, die in der Vergangenheit mit reichlich frischem Obst, Teilchen, Croissants und Kuchen gefüllt war. Hier herrscht gähnende Leere. Ein einzelner Apfel steht in einer 10-Meter-Glasvitrine. Ich fühle mich so unwohl, dass ich meinen caffè herunterstürze und den Römer nervös dabei beobachte wie er in aller Ruhe ein Päckchen Zucker in den Espresso einrührt. Verträumt starrt er in seinen Espresso, während heftige Heavy-Metal-Klänge uns immer eindringlicher Anbrüllen. Signorino zappelt unruhig auf meinem Schoss. Ja, wir sind mehr als bereit zu gehen. „È diventato proprio un buco. [Es ist wirklich ein Loch geworden.]“ stellt der Römer nun fest und rührt weiter mit ruhiger Hand in seinem Espresso. Noch eine Löffel-Umdrehung mehr und ich renne schreiend aus dem Café. Doch endlich nippt er an seinem gut gerührten Espresso. Ob ich auch eine centrifuga [Smoothie] will, will der Römer von mir wissen. Mein Blick fällt auf den einsamen Apfel in der Glasvitrine. „Ich vermute, der Apfel reicht nicht für uns beide.“, antworte ich sarkastisch. „Sie haben sicher noch irgendwo Obst.“, gibt der Römer zurück. „Sei mir nicht böse, aber ich finde, DAS ist der Eingang zur Unterwelt. Ich möchte einfach nur raus hier.“, spreche ich meine Gedanken aus. Der Römer nimmt Blickkontakt zur Bedienung auf. Lustlos und immer noch Kaugummi kauend schlendert sie zu uns. „Two forty, please.“, knurrt sie die englischen Worte als wären es Italienische. „Va bene così. Grazie. [Stimmt so. Danke.]“, sagt der Römer und gibt ihr 3 Euro. „Grazie.“, antwortet die Bedienung, krallt sich die drei Euro und schlürft lustlos davon. Es ist eben nichts für die Unendlichkeit. Nicht mal das schöne Café, in dem wir so gerne waren.

Der Römer will keine Langeweile aufkommen lassen und so schlägt er vor, in den Interior Laden nebenan zu gehen. Wir treten ein, werden höflich begrüßt, gucken uns kurz um und treten wieder auf die Straße. Zu teuer und nicht unser Stil ist das ernüchternde Ergebnis. Vermutlich hängt mir auch noch die Trauer und Enttäuschung über mein „Café“ nach, als dass mir etwas interessant erscheinen könnte. Danach schlendern wir etwas plan- und ziellos durch Trastevere und nehmen gleich noch Pizza bei La Renella mit. Eben genauso wie die Tage zuvor auch.

Ich bin so platt und gleichzeitig genervt, dass ich mich nochmal an den Computer setze und schaue, ob man nicht vielleicht doch diese Mitarbeiter-Flugtickets umbuchen kann. Immerhin ist der letzte Flug aus Rom nur zu 50% ausgebucht. Gleichzeitig würden uns nur zwei Stunden Zeit bleiben, um alles zu packen und die Wohnung fluchtartig zu verlassen. Wie schön wäre der Gedanke, heute Nacht im eigenen Bett zu schlafen? Ich versuche bei der Hotline anzurufen, aber es gibt kein Durchkommen. Gleichzeitig will das Kind jetzt unbedingt und sofort auf meinem Schoss sitzen, während ich in der Warteschleife hänge. Jeglicher Versuch vom Römer ihn wegzulocken, endet in einer lauten Kreischattacke, so dass ich die Warteschleifenmusik gar nicht mehr verstehe. Ob wir sicher sind, dass wir heute Abend zurückfliegen wollen, frage ich den Römer und er antwortet „Non lo so. Che ne pensi? [Weiß ich nicht. Was meinst du?]“. Ich lege auf. Keiner ist sich sicher, ob eine Umbuchung auf den heutigen Tag sinnvoll ist und es wäre ein unendlicher Stress alles in so kurzer Zeit zu packen. Dann soll es nicht sein. Fliegen wir halt morgen Mittag.

Müde fallen der Römer und ich ins Bett. Signorino zeigt jedoch kein Anzeichen von Müdigkeit. Draußen ist es heiß und die Mittagssonne knallt vom Himmel. Somit ist rausgehen keine Option. Warum müssen eigentlich die, die ins Bett gehen wollen, die ins Bett bringen, die nicht ins Bett gehen wollen? Signorino beginnt zu malen, zu snacken, zu trinken, zu quatschen, Dinge durch die Gegend zu tragen, seine neuen Socken auseinander zu pflücken und in unterschiedlichen Kombinationen wieder zusammenzufügen. Kurzum: Unsere Geduld befindet sich bereits im hellroten Bereich. Dazu kommt, dass permanent nach „MAMAAA!“ geschrien wird. Ich checke uns derweil für den morgigen Flug ein. Obwohl wir innerhalb der EU fliegen, wird alles abgefragt. Wirklich alles! Das kenne ich sonst nur bei Reisen von/nach Drittländern. Beim Römer ist mir nicht ganz klar, was sein Reisegrund für Deutschland eigentlich ist. Deutscher Staatsbürger ist er nicht. Er studiert auch nicht in Deutschland, macht keine Geschäftsreise und ist auch kein Tourist. Die Auswahloption „Ich wohne in Deutschland, weil ich eine:n Deutsche:n geheiratet habe und jetzt hier leben muss.“ gibt es leider nicht. Am Ende schreibe ich „Arbeit“. Stimmt ja auch.

Um halb fünf Uhr Nachmittags schlafen Signorino und der Römer endlich ein. Es war heute wirklich ein langer, anstrengender Kampf. Meine Müdigkeit ist hingegen komplett verflogen und ich habe Hunger. Also esse ich etwas und versuche dann, mich nochmals hinzulegen. Das Bett quietscht. Ich vermisse mein Zuhause mit all seinen Vorteilen. Reisen mit Kleinkind ist eine Herausforderung und hat wirklich wenig mit Erholung zu tun.

Der Große wacht wenig später auf und geht duschen. Ich erinnere noch einmal freundlich an meine Kleidungsstücke, die er „gleich nachmittags“ waschen wollte. Missmutig löst er sein Versprechen ein und wäscht mit geschickter Hand Wassermelonenflecken in der Badewanne aus. Der Kleine wacht kurz danach von den Dusch-und Waschgeräuschen auf und baut sich im Bett eine Kissenburg. Derweil packe ich schon mal die dreckige Wäsche und baue eine Dreck-Wäsche-Burg in unserem Koffer. Der Große will sich noch bei Freund A., dem Restaurantbesitzer, verabschieden und holt in diesem Zug gleich Abendessen. Während wir essen, unterhalten wir uns darüber, ob ein Abendspaziergang noch eine Option wäre. „Raus! Ja!“, spricht unsere nachtaktive Kleinkind-Eule. Als wir fertig gegessen haben, beschließen wir Piazza Venezia und den Kapitolsplatz zu besuchen. Bus Nummer 8 bringt uns dorthin und wir stellen fest, dass es eine Haltestelle direkt vor unserer Tür gibt. Selbst der Römer wusste darüber nicht Bescheid und wir sind all die Tage zuvor mit bleischwerem Kleinkind auf den Schultern sieben Minuten nach Hause gegangen. Mamma mia!

Vor Ort angekommen erklimmen wir den Kapitolsplatz mit seinen sehr steilen, mit Sommersandalen sehr rutschigen Treppen und landen sofort in der Vergangenheit: Hier war ich zuletzt alleine mit dem Römer. Die Idee ein gemeinsames Kind zu haben war weit entfernt. Es gab nur ihn und mich – und jetzt rennt unser Kleinkind lachend über den Platz und grüßt Touristen aus aller Welt mit einem fröhlichen „Haaaaallo!!“.

Der römische Gatte

Wir schauen uns noch das Forum Romanum von oben an, gehen die rutschige Treppe wieder hinunter, schlendern am Teatro di Marcello, das oft für das Kolosseum gehalten wird, vorbei und überqueren den Tiber mithilfe der Tiberinsel. Signorino will alles selber laufen (Betonung auf laufen) , was wir begrüßen würden, wäre der Verkehr nicht so dicht. So tragen wir das maulende Kind heim, dass immer wieder „Laufen! Laufen!“ schreit.

Endlich sind wir zu Hause und packen für morgen.

Das Tor zur Unterwelt und der sprechende, weiße Stein – Das Rom-Tagebuch [Tag 6]

Sonntag, 28.08.2022

Heute gehen wir es beinahe schon unverschämt langsam an. Wie immer lässt uns „Il Siciliano“ mit seinen gefüllten Croissants satt und zufrieden in den Tag starten. Danach vertrödeln wir den Vormittag ohne schlechtes Gewissen. Als alle ausgiebig getrödelt haben und endlich vollständig angezogen sind, verlassen wir unsere Ferienwohnung. Signorino lässt verlauten, dass er unverzüglich ein Eis benötigt. Wir sind im Urlaub und die letzten, richtig heißen Eistage sind für dieses Jahr bereits gezählt, so soll er sein Eis bekommen. Wir Großen trinken lieber einen Espresso. Nach einer halben Kugel Eiscreme mag Signorino nicht mehr, was durchaus ungewöhnlich für ihn ist. Der Römer versucht das Eis aufzuessen und stellt schnell fest: Es ist voller gefrorener Wasserklumpen, die das ganze Eis durchsetzen. Jetzt wissen wir, warum das Kind sein geliebtes Schokoladeneis so schrecklich fand.

Zwei Tassen Espresso und ein Eis mit ❄️-Klümpchen.

Wir verlassen das Café und schlendern durch Trastevere. Der Römer zeigt mir, wo er vor 15 Jahren gewohnt hat. Nachdem er mir alles beschrieben hat und mir an der Fassade „sein“ Fenster gezeigt hat, sehe ich mich etwas in der Straße um und entdecke Erstaunliches: Der Eingang zur Unterwelt liegt genau vor mir, ordentlich beschriftet mit der Hausnummer 21a. Unter dem Schild steht „Unterwelt“. Das war’s. Ein vollkommen unscheinbarer Eingang zur Unterwelt gähnt mich gelangweilt an. Er ist verschlossen und mit Vorhängen abgedeckt. Ob der dreiköpfige Höllenhund Zerberus hinter der Tür schlummert? Oder doch für eine kurze Pipi-Pause in einen der Vicoli [Gassen] Trasteveres unterwegs ist?

Via Agostino Bertani 21a, falls Sie irgendwann auf der Suche nach der Unterwelt sind.

Mit dieser Erkenntnis streifen wir weiter durch Trastevere und holen Pizza bei La Renella (wo sonst?). Auf dem Rückweg gehen wir bei der Fontana di Santa Maria in Trastevere vorbei und natürlich muss Signorino, wie jedes Mal, pritsch-pratach (=plitsch-platsch) beim Brunnen machen. Er erklimmt die Stufen, quetscht sich an den rastenden Touristen vorbei und will hochgehoben werden. Mit einer solch großen Freude streicht er mit den Händen durchs Wasser, dass wir lachen müssen. Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die am glücklichsten machen.

Signorinos Hände am Brunnen. Bereit für Pritsch-Pratsch.

Auf dem Rückweg zur Wohnung treffen wir, rein zufällig, einen muskulösen, sehr breiten und ehemaligen Rugby-Bekannten des Römers. „Ah, sei tornato? [Ah, bist du zurückgekehrt?]“, fragt der bullige Bekannte und der Römer gibt an, dass er nur diese Woche in Rom sei – „in vacanza“, im Urlaub. Fünf Minuten Smalltalk später verabschieden wir uns. Außer Hörweite ruft Signorino „Tschüss, weißer Stein!“. Dazu winkt er. Offensichtlich meint er den Rugby-Bekannten des Römers mit dem weißen Polo-Shirt, der für Signorino nichts anderes als ein sprechender, weißer Stein war.

Wir essen unsere Pizza und der Römer geht danach alleine einen Kaffee trinken. Ich möchte keinen und bleibe deswegen mit Signorino in der Wohnung. Dabei stelle ich fest, dass Signorinos Windeln rasant zur Neige gehen. Ich überlege, ob wir den heutigen Tag mit vier Windeln überstehen. Nein, lieber nicht zu knapp planen. Haben ist nunmal besser als Brauchen – auch am heutigen Sonntag. Zum Glück macht der Supermarkt auch an diesem christlichen Ruhetag um 16 Uhr auf und rettet uns hoffentlich aus der Misere.

Der Römer kehrt beschwingt zurück. Das Kind ist derweil aufgedreht und müde. Dazu kommt, dass er eine ungeheure Angst vor jedem, neuen Geräusch entwickelt. Der Mixer im Café? Er springt panisch vom Stuhl und krabbelt auf meinen Schoß. Der Fön? Er wirft sich in meine Arme. Der Rasierapparat vom Römer? Er hat eine heftige Heulattacke. Ich tröste viel und versuche ruhig zu erklären, dass die Dinge zwar laut, aber ungefährlich sind. Einzig die Angst vor Krankenwagen kann ich umwandeln. Ich erzähle Signorino, dass das Dinosaurier-Autos sind, die Verletzte Dinosaurier zum Arzt fahren. Diese schnell zusammengestöpselte Erklärung meinerseits klingt für ihn absolut plausibel. Seitdem sagt er bei jedem Krankenwagen „Sausia-Auto“. Sie verletzen sich eben ständig mit ihren langen Beinen, so dass man nur ganz selten Dinosaurier auf der Straße sieht. Ist doch logisch!

Irgendwann schläft das müde Kind ein und wir Großen duschen nacheinander. Während ich unter der Dusche stehe,geht der Römer Windeln holen. Und Obst. Und Mozzarella. Und Brot. Und was nicht alles. Und das alles in seiner Geschwindigkeit, ohne dass Frau oder Kind zur Eile treiben. Ja, es sind tatsächlich die einfachen Dinge im Leben, die glücklich machen.

Gegen 18 Uhr wecken wir das Kind. Kurze Kleidungswunsch-Diskussion mit langem, kindlichen Trotzanfall. Am Ende besteht Signorino darauf eine lange Hose anzuziehen. Der Römer findet‘s blöd und zu warm. Mir ist’s egal, denn ich habe auch eine lange Hose an. Jeder hat eben ein eigenes Temperaturempfindnis. Immerhin haben wir alle eine Hose an. Man kann es auch mal positiv sehen.

Abmarsch zum Restaurant des römischen Freundes A.. Küsschen, Küsschen für alle, von allen. Signorino ist natürlich der offizielle Star-Gast. Wir setzen uns und der Römer erkundigt sich interessiert bei seinen Kellner-Freunden, ob die amerikanischen Touristen zurückgekehrt sind und mit ihnen die so dringend benötigten Einnahmen in der Gastronomie. „Ja… es sind einige Amerikaner:innen zurückgekommen.“, lautet die Antwort von Kellner Angelo, in der seltsamerweise dennoch ein sorgenerfüllter Ton mitschwingt. „Aber die Russ:innen fehlen uns als zahlende Gäste.“ Aha. Da ist die Erklärung für seine Sorge. „Es geht schon, irgendwie.“, gibt er an. „Immerhin läuft es besser als letztes Jahr und das Jahr davor.“ Es fallen aufmunternde Sprüche, aber wie aufmunternd kann ein Spruch sein, wenn Existenzen daran hängen? Dann entschwindet Angelo eilig zu einem Tisch amerikanischer Damen, die ein Dessert wünschen.

Wir warten auf den römischen Freund C. und sind gewappnet mit allem, was unser Reise-Unterhaltungsprogramm für einen aufgeweckten 2jährigen in Restaurant-Situationen hergibt. Und tatsächlich, Signorino hält bis 21:50 Uhr durch. Dann nimmt ihn der römische Freund C. auf den Schoß und wiederholt fünf Mal „Nooo, niente mammà. Ti tengo io! [Nein, nichts Mama. Ich behalte dich!]“ Das Kind heult und brüllt. Signorino kann sich kaum beruhigen, so dass uns der Römer heimbringt und wieder zu seinen Freunden A. und C. düst. Daheim kuschelt sich Signorino an mich, nicht, dass ihn doch noch Freund C. abholt und behalten will.

Mülleimer-Jagd in Rom – das Rom-Tagebuch [Tag 5]

Samstag, 27.08.2022

Ha! Es hat nur fünf Tage gedauert und ich bin morgens nicht mehr unleidlich. Es stimmt schon, was man sagt: Man gewöhnt sich an alles. Auch an das quietschende Bett und alle anderen Störfaktoren, die meine Schlafhygiene beeinträchtigen. Meinen nächtlichen Erfolg kann keiner der männlichen Farnientes nachvollziehen, denn groß und klein schlafen Nacht um Nacht wie die Babys.

Leider ist mein Erfolg nur von kurzer Dauer, denn es juckt unangenehm an meinen Armen und Beinen. Noch vor dem Frühstück tupfe ich das Gel, das der Römer in der Apotheke erwarb, auf die roten Mückenstiche. Langsam, ganz langsam wird es besser.

Während ich noch tupfe, holt der Römer bereits Frühstück bei unserem neuen Stamm-Café „Il Siciliano“. Wenn einer Süßgebäck kann, dann definitiv die Sizilianer:innen. Nach vorheriger Absprache mit dem Römer, beschlossen mehr ich als er, dass Signorino heute kein Croissant bekommt. Nicht etwa, weil wir besonders gemeine Elterm sind, sondern viel mehr, weil er seit Tagen nur ein einziges Mal von dem Süßgebäck abbeißt, um dann lieber Kekse zu essen. Sehr zum Leid meines immer enger werdenden Hosenbundes, müssen der Römer und ich das Signorino’sche Croissant vernichten. Auch mein Magen rebelliert, denn nach eineinhalb pappsüßen Croissants mit Creme-Füllung fühle ich mich etwas schwerfällig in der Magengegend. Der Römer stimmte meinen Ausführungen natürlich voll und ganz zu bevor er das Haus verließ. Das macht er oft, um sich unnötige Diskussionen zu ersparen.

Nach wenigen Minuten kommt er mit einer Papiertüte gefüllt mit zwei großen Croissants und einem Mini-Croissant zurück. Signorino habe ihm so Leid getan, da musste er ihm zumindest ein kleines Marmeladencroissant mitnehmen. Es sei nur so groß wie zwei Kinderhände und deswegen absolut in Ordnung. Unser Nachwuchs freut sich sehr über das kleine Croissant, beißt ein einziges Mal davon ab und legt es auf meinen Teller. Dann widmet er sich den Keksen und will Milch dazu. Immerhin ist das Signorino’sche Croissant so klein, dass die Hälfte davon mich und meinen Magen kaum belastet.

Danach beginnt wie immer die Ideenfindung für das heutige Ausflugsprogramm. Wir kommen nicht recht weiter und so beschließen wir zuerst dem Laden gegenüber einen Besuch abzustatten.

Seit Tagen kann ich vom Küchenfenster unserer Ferienwohnung aus die Fußmatte des Ladens sehen, auf der „Ciao Patatoni!“ steht und ganz unter uns: Ich würde meine linke Niere verkaufen, um so eine Fußmatte in Frankfurt zu haben. So treten wir ein und gucken uns interessiert um, während ich nichts anderes als diese Fußmatte im Sinn habe. Leider entdecke ich sie nirgends. Immerhin entdeckt der Römer etwas und zwar rosa Baby-Tennissocken mit der Aufschrift „Daje!“ [röm. Komm schon!]. Er verliebt sich in die keinen Daje-Socken und will sie für die frisch geborene Tochter eines italienischen Freundes in Frankfurt kaufen. Gesagt, getan. Er schreitet zur Kasse und ich instruiere den Römer, doch bitte UNBEDINGT nach dieser Fußmatte zu fragen. Zögernd dreht er sich noch einmal zu mir um. Ich zische ein leises „Daje! Na los, mach schon!“. Ja, ich meine das tatsächlich bitterernst. Als auch er bemerkt, dass ich nicht scherze, fragt er das Verkaufspersonal höflich nach der Fußmatte. „Ah, das tut mir Leid.“, sagt der Ladenbesitzer. „Diese Fußmatte war eine Sonderanfertigung für uns. Sie ist leider unverkäuflich.“ Der Römer bedankt sich, zahlt und wir verlassen mit den Babysöckchen das Ladengeschäft. „Alles muss man selber machen.“, stelle ich fest und suche bereits nach „Fußmatten zum selber designen“ im Internet. „Muss das jetzt sein?“, will der Römer wissen. Jetzt bemerke ich selber, dass das tatsächlich ein bisschen dämlich ist und vertage die Fußmattensuche auf einen späteren Zeitpunkt. Wir bringen die Geschenktüte in die Ferienwohnung und beschließen von der Piazza Trilussa ein Taxi zur spanischen Treppe zu nehmen. Für 8,70 Euro bringt uns ein älterer Herr sehr zügig zu eben dieser. Als wir zahlen, bemerke ich wieder einmal, wie günstig Taxifahren in Italien ist. Wir bedanken uns und steigen aus.

Tatsächlich sind wir nicht wegen der Sehenswürdigkeit gekommen, sondern weil der Römer und ich in dieser Ecke ein Outlet kennen, das in der Vergangenheit immer tolle Angebote hatte. Leider können wir uns nicht mehr an den exakten Standort des Outlets erinnern und so irren wir ein bisschen zwischen den Luxusmarken umher und wundern uns über die Menschenschlangen, die sich vor so manchem Luxusgeschäft bildet. Als wir an einer Schlange vorbeigehen, bleibt Signorino stehen. „Hoch!“, spricht er und meint es ernst. Immerhin sind wir schon 50 Meter weit gegangen. Natürlich verstehe ich den kindlichen Wunsch getragen zu werden. Auf seiner Höhe sieht man nicht wirklich viel außer Schuhe, Knie und Hüften. Ich nehme ihn auf den Arm und schleppe ihn durch die Gassen. Er meldet sogleich seinen Wunsch nach „EEEIS!“ an und wiederholt es sicherheitshalber nochmal auf Italienisch, damit ihn auch wirklich jeder Elternteil verstehen kann. Da wir gerade erst gefrühstückt haben, beschließen wir, dass Signorino noch ein Weilchen ohne Eis auskommen kann. Stattdessen bekommt er seine Wasserflasche in die Hand gedrückt. Er guckt verdutzt, trinkt aber dann.

Am Outlet angekommen sind wir ziemlich enttäuscht. Die Auswahl ist sehr ausgedünnt. Da Signorino neben „Steine gucken“ auch „Kleidung gucken“ ziemlich langweilig findet, beschließt er die Treppe des zweistöckigen Geschäftes zu benutzen und zwar mehrmals und ohne Pause. Wir teilen uns auf: Erst schaue ich ein wenig durch die kleine Leicht-Daunenjacken-Auswahl, dann hat der Römer Zeit einen Blick in die Herrenabteilung zu werfen. Eh ich mich versehe, ist der Römer bereits in einem handfesten Verkaufsgespräch zu einer sehr eigenwilligen Trainingsjacke, die für mich eher nach Altkleidersammlung als nach Designerstück aussieht. Mein Gatte schwört Stein und Bein, dass das DIE Marke ist und nur Kenner dieses tolle Teil für den horrenden Preis schätzen würden. Ich stimme ihm zu. So muss es sein, denn anders kann ich es mir nicht erklären, wer mehr als fünf Euro für so eine furchtbar hässliche Jacke ausgibt. „Nur 150 Euro kostet sie.“, will mich der Römer überzeugen und ich falle aus allen Wolken. „150 Euro für eine Jacke, die du vermutlich nur daheim trägst?“, überschlägt sich meine Stimme. „Wie? Daheim? Ich werde die Jacke überall tragen.“, will mich der Römer überzeugen. „Bitte nicht.“, murmle ich. Signorino huscht derweil wieder die Treppe hoch und hat Gefallen daran gefunden, all die Schuhe, die pro Treppenstufe links und rechts platziert sind, zu tätscheln. Dazu begrüßt er sie, indem er ihre Farben erwähnt „Hallo Blau! Hallo Braun! Hallo Schwaaahaaz!“. Wenn ein Schuh hinsichtlich seiner Farbwahl besonders außergewöhnlich ist, sagt er nur „Hallo Schuhe!“ und tätschelt ihn ein bisschen weniger als die anderen. Während ich Signorino und die Schuhe beaufsichtige, sehe ich den Römer nachdenklich vor der aufgebügelten Trainingsjacke stehen. Er will diese Jacke, probiert sie noch ein, zwei Mal an, betrachtet sich im Spiegel auf der Verkaufsfläche und der Verkäufer redet auf ihn ein, dass diese Jacke ganz besonders „particolare“ [einzigartig] sei. Ja, so scheint es mir auch. Selten habe ich ein hässlicheresTeil gesehen. „Che faccio? [Was mache ich jetzt?]“, fragt mich der Römer. „Das musst du wissen.“, antworte ich und halte Signorino davon ab, einen Schuh samt Schuhkarton die Treppe hinunterzuwerfen. Der Römer seufzt. „Vielleicht kaufe ich sie später.“, spricht er. Wir wissen beide, dass dieses „Später“ nicht eintreffen wird. Sehr geknickt verlässt er den Laden. „Eis!!!“, ruft sich Signorino wieder ins Gedächtnis und der Römer ist damit beschäftigt für Signorino eine Eisdiele zu suchen. Wir landen in einem etwas edlerem Café mit furchtbar muffigem Personal. Die Eisverkäuferin gibt Signorino nicht einmal einen Waffelkeks auf sein überteuertes Schokoladeneis. Auch der Römer bestellt sich ein Scholoadeneis und ich frage mich, warum sie bei identischer Bestellung nicht einfach einen Becher zusammen genommen haben? Kurz danach weiß ich warum. Während ich den Nachwuchs mit Eis füttern darf und gleichzeitig aufpassen muss, dass er das Eis nicht zu schnell ist, da er sonst vor „Gehirnfrost“ schreit, löffelt der Römer in aller Ruhe sein Eis weg. Er hat leider, leider keine Hand frei, um das Kind zu füttern, denn schließlich würde sein Essen ebenso schnell schmelzen wie das des Nachwuchses. Verstehen Sie mich richtig, ich helfe Signorino sehr gerne, sein Eis zu essen. Jedoch wird das Erlebnis für mich etwas komplizierter, da ich einen hellrosa Hosenrock und ein weißes T-Shirt anhabe. Mit Argusaugen versuche ich, das Kind und mich sauber zu halten und gleichzeitig mit Schokoladeneis zu füttern, was furchtbar anstrengend ist. Als das Kind grundgereinigt ist und mein T-Shirt nur über einen winzigen Schokoklecks im Bauchnabelbereich verfügt, ziehen wir weiter. Der Römer sucht verzweifelt einen Mülleimer für die beiden Papp-Eisbecher, kann aber keinen finden und ärgert sich lautstark. Schritt um Schritt wird er wütender ob der mangelnden Mülleimer in der italienischen Hauptstadt. Schließlich, vor einer Kirche, finden wir einen und er versenkt erleichtert die beiden Verpackungen. „Das ist in Frankfurt schon besser.“, erklärt er mir und ich grinse. Ja, auch Frankfurt hat seine Vorteile.

Endlich ein Mülleimer vor einer Kirche.
Die Ansicht ohne Mülleimer und nach oben ist fast noch besser.

Mittlerweile, am Largo Argentino angekommen, wollen wir den Bus der Linie 8 nach Casaletto (Genau: à casa, al letto – nach Hause, ins Bett) nehmen. Leider lässt er heute auf sich warten. Es ist Mittagszeit und furchtbar heiß. Signorino will seinen Sonnenhut nicht tragen und wir streiten uns. Als der Bus kommt, gebe ich genervt auf. Im Bus braucht er keinen Sonnenhut. Da will ich mal nicht so sein. Angekommen an unserer Haltestelle bringt uns der Römer noch in die Wohnung, um dann zu La Ranella zu spurten. Diesmal bringt er erstaunlich viel Pizza mit, die wie immer klasse ist. Signorino isst am liebsten „Pizza Bianca“, also gebackener Pizzateig ohne alles mit Salz und Olivenöl.

Dann fängt der Kampf ums Mittagsschläfchen wieder an. Das Kind findet unsere Idee wie immer doof, ist aber müde. Sehr müde. Schließlich beschließt der Römer mit Signorino zu raufen. Laut kichernd kämpfen sie auf dem quietschenden Bett, um dann nach dem Kampf erschöpft nebeneinander zu liegen. Signorino trinkt Wasser und nickt dabei weg. Was für eine kluge Taktik. Vor 18 Uhr wacht der kleine Mann nicht auf.

Der Römer meldet an, eine schnelle „spesa“ [Einkauf] zu machen. Nach dem gestrigen Schreianfall Signorinos hüten wir uns davor, nochmal mit Signorino in einen Supermarkt zu gehen. Rasch flitzt der Römer in den Supermarkt im Souterrain unserer Ferienwohnung und kauft allerhand Nützliches und Unnützliches.

Danach das Übliche aus Duschen, einer kleinen Runde um den Block und Abendessen bis wir schließlich um Mitternacht im Bett sind.

Pantheon beinahe ohne Linse – das Rom-Tagebuch [Tag 4]

Freitag, 23.08.2022

Morgens krieche ich wieder etwas unleidlich unter dem dünnen, weißen Leinentuch hervor. Die übliche Mischung aus quietschendem Bett (bei jeder nur leicht verrutschten Haarsträhne) und der Straßenlärm, sowie die von Signorino vorgegebene, unchristliche Bettgehzeit (irgendwann nach Mitternacht) machen mich fertig. Dazu die Hitze in der römischen Hauptstadt, die stellenweise noch etwas intensiver ist als die, die ich in Frankfurt in den letzten Tagen vor den großen Ferien erlebt habe. Langsam, ganz langsam schalte ich von meinem inneren Leerlauf in den ersten Gang und habe Mühe, dabei nicht gleich vollkommen benommen vom Stuhl zu fallen. Der Römer, bei dem all diese nächtlichen Umstände und die Hitze Energiegeber (und nicht wie bei mir Energieräuber) sind, hüpft bereits gut gelaunt durch die Straßen Roms und holt Frühstück. Ein Mann wie ein Goldstück, auch das muss man ab und an lobend feststellen.

Signorino erwacht in der Zwischenzeit. Auch ihm tun die Nächte gut und er verbringt sie in vollkommener Zufriedenheit neben mir. Ich wechsle ihm die Windel und will ihm die kurze, rehbraune Hose mit dem Ananasdruck anziehen, aber keine Chance. Er weiß genau, wie er sich kleiden will und schreit wie am Spieß beim Anblick der kurzen Hose mit dem Print. Er zeigt mir selbstsicher, dass für ihn – als direkter Nachfahre des Römers – nur die orange, kurze Hose ohne Druck in Frage kommt. Dazu will er bitte das T-Shirt mit dem Eiffelturm-Print anziehen und Socken. Blau sollen diese sein! Das passende Paar zerrt er sogleich aus dem Koffer. Wenn er sich jetzt noch zweifelnd im Spiegel beäugen würde, wäre er die exakte Kopie des Römers.

Apropos Römer: Der kommt gerade zurück und wir frühstücken.

Währenddessen besprechen wir – wie die Tage zuvor – mögliche Ausflugsziele in Rom mit unserem Zweijährigen. Wieder schlägt der Römer den botanischen Garten vor, aber bei aller Liebe für den botanischen Garten, zwei Mal in zwei Tagen muss ich ihm auch keinen Besuch abstatten. Mein Vorschlag, Terme di Caracalla, findet der Römer gut, allerdings ist er der Meinung, dass wir schon zu spät dran sind und die Sonne so erbarmungslos vom Himmel knallen würde, dass wir diesen Ausflug heute lieber nicht machen sollten. Am Ende entscheiden wir uns für Bummeln. Genauso heiß wie der Ausflug zur Caracalla-Therme, wie wir schnell feststellen werden, aber immerhin zahlen wir keinen Eintritt und sind schnell wieder zu Hause.

Durch Trastevere schlendernd entdeckt der Römer ein T-Shirt mit dem wenig charmanten Aufdruck „Fatti cazzi tuoi“ [Sehr frei übersetzt: Kümmere dich um deinen Mist]. Er würde das T-Shirt gerne kaufen. Gleichzeitig ist er hin und hergerissen, ob er das T-Shirt wirklich braucht und so beschließen wir, dass wir es eventuell auf dem Rückweg kaufen werden.

Weiter geht es Richtung Nonna Vincenzas Konditorei. Leider sind wir noch so voll vom Frühstück, dass wir keinen Platz für ein zweites Frühstück finden können. Am Campo de‘ Fiori angekommen, zeige ich dem Römer einen geheimen Geheimgang, der tatsächlich so geheim ist, dass der Römer ihn nicht kennt. Dazu halten wir uns an der Piazza del Biscione, die direkt an den Campo de‘ Fiori anschließt, ganz rechts bis wir einen Art Tunnel entdecken. Dort gehen wir hindurch und kommen an der Via di Grotta Pinta heraus. Das ist sicher nichts weltbewegendes, aber für mich war es ein schönes Gefühl, dem Römer etwas von Rom zeigen zu können und nicht nur Sehenswürdigkeiten, Tricks und Kniffe gezeigt zu bekommen.

Die Aussicht auf die Kuppel der Kirche Sant‘Andrea della Valle wartet nach dem geheimen Geheimtunnel auf Sie.

Der Römer lotst uns zur Piazza Navona. Dort gönnen wir uns auf der Stufe zum Trottoir sitzend eine kleine Trinkpause. Es ist sehr heiß und viele Tourist:innen sind auf und an der Piazza unterwegs. Wir blicken auf die brasilianische Botschaft und mir wird schlagartig blümerant. Nicht etwa wegen der brasilianischen Botschaft, viel mehr, weil mein Kreislauf verrückt spielt. Ruckartig stehe ich auf und hoffe, dass es besser wird und tatsächlich geht es mir etwas besser. Mein Kreislauf läuft sich langsam wieder warm, oder, hinsichtlich der Temperaturen, vermutlich eher kühl. Wir beschließen weiterzugehen und der Römer bringt uns zum Pantheon – sein Lieblingsbauwerk. Wir beobachten die Tourist:innen, die allesamt nur damit beschäftigt sind, sich vor dem Pantheon fotografieren zu lassen. Abseits steht ein älteres Schweizer Pärchen in Tarn-Beige gekleidet. Sie sind die einzigen, die das Pantheon mit eigenen Augen und nicht durch eine Linse betrachten. Ihre Köpfe stecken sie zusammen und weisen sich gegenseitig auf Dinge hin, die sie an der Außenfassade oder an der Architektur des Pantheons in all seiner Einzigartigkeit entdeckt haben. Ja, diese beiden erleben Rom tatsächlich wie es sein soll und am Ende haben sie vermutlich mehr zu erzählen als all die Fotograf:innen, die nur auf der Suche nach dem nächsten Like sind.

Ein schneller Schnappschuss auch von mir. 😄

Der Römer will mir noch eine ganz andere Sehenswürdigkeit zeigen. Bei einem Jeansgeschäft am Eck hat er DIE Herren-Jeans schlechthin entdeckt. Jeder hat eben am Pantheon Augen für etwas anderes. 😉 Anprobieren möchte er sie nicht, weil das mit Signorino jedes Mal eine Herausforderung ist und so wollen wir gerade weiterziehen bis ich das Pärchen, dass sich in den Nationalfarben Italiens gekleidet hat, entdecke. Ich vermute, dass es ein Zufall ist, aber ein Foto war es mir doch wert. Ob die Dame heute früh zu ihrem Liebsten sagte: „Wenn du rot und weiß anziehst, bin ich grün?“ Als ich den Römer auf das italienische Duo aufmerksam mache, muss auch er laut lachen. Mein Vorschlag, dass er morgen Rot und Gold anzieht, während ich ganz in Schwarz gehe, findet er dann nicht mehr so zum Lachen. Spielverderber!

Ein Bild für die Götter. Sie in Grün. Er in Rot und Weiß. Zusammen stellen sie die italienische Flagge dar.

Wir setzen unseren Rundgang fort und besuchen die Galleria Alberto Sordi, oder wie sie bei mir heißt „Umberto Ecco“. Na ja, immerhin eint die beiden, dass sie berühmte Italiener waren. Dort sind mittlerweile alle Geschäfte dauerhaft geschlossen, dafür sind zwei Kaffeebars offen. Wir setzen uns zu der linken Kaffeebar und meine Blase drückt. Das Tat sie schon im Frühjahr 2019 an dieser Stelle und ich wunderte mich noch, warum ich ständig pinkeln musste. Tja, Signorino war damals schon mit an Bord – wir wussten nur nichts davon. Diesmal ist niemand mit an Bord und ich gehe zur Toilette und zeige pflichtbewusst meinen Kassenzettel vor, um mir einen Euro Toilettengebühr zu ersparen. Denn wer im Café konsumiert hat, darf die Toilette kostenlos benutzen. Die wunderbare Reinigungskraft hat den Laden im Griff – aber sowas von. Nach jeder Benutzung putzt und desinfiziert sie, was das Zeug hält. Sie kontrolliert, dass nicht zu viele Leute auf einmal im Spa-Bereich (den Ausdruck können Sie beinahe wortwörtlich nehmen, so sauber ist das WC) stehen und ist dazu freundlich und überaus fleißig. Als ich gehe bedanke ich mich herzlich bei ihr und lege ein paar Münzen in ihre kleine, dunkelgrüne Schale.

Zurück am Tisch diskutieren der Römer und Signorino gerade über die Sinnhaftigkeit der Zuckerpäckchen in einer kleinen, schwarzen Plastikschale, die auf dem Tisch steht. Der Römer findet es sinnvoll, dass die Zuckerpäckchen in der dafür bestimmten Zuckerschale bleiben sollen. Signorino stellt das gänzlich in Frage und lädt Zuckerpäckchen um Zuckerpäckchen aus, die der Römer geflissentlich wieder einräumt bis sie sich nach dem dritten Zuckerpäckchen streiten. Auch als ich mich auf die Seite des Römers stelle, ist das Geschrei bei Signorino groß. Er hat absolut ungerechte Eltern, die nichts und zwar gar nichts verstehen. Als Trostpreis bekommt er mein unbenutztes Zuckerpäckchen und wir tragen das 15 Kilo Kind zur Piazza Venezia, von der wir ein Taxi nach Hause nehmen wollen. Doch weil es gerade so schön ist, frage ich den Römer, ob wir nicht doch noch zum Largo Argentino weitergehen wollen und er gibt sich geschlagen. Dafür trage ich das Kind auf meinem Arm weiter. Der Largo Argentino ist komplett eingezäunt. Vermutlich wollten die Katzen, die dort leben, einfach mal ihre Ruhe und haben Betriebsurlaub eingereicht.

Da es nur noch wenige Schritte zur Bushaltestelle, die eigentlich eine Tramhaltestelle ist, sind, beschließen wir, uns das Taxi zu sparen. Wir fahren also wieder Richtung Casaletto und der Römer erklärt unserem Nachwuchs abermals, dass es jetzt „a casa“ (nach Hause) und ins „letto“ (Bett) geht und nur deswegen „Casaletto“ auf dem Bus stehen würde. Der Kleine guckt irritiert und fasziniert zugleich. Vermutlich hört er selten so viel dummes Zeug in einem Satz. Als wir im Bus sitzen, sind wir erleichtert, dass der Bus über eine Klimaanlage verfügt und diese noch dazu funktioniert. Wir schleppen das Kind die letzten Meter nach Hause und machen das Essen warm. Danach weigert sich das Kind Mittagsschlaf zu machen und so verbringen wir die Zeit bis 16:30 Uhr mit einem sehr knatschigen, sehr müden Kind bis Signorino endlich einschläft.

Der Römer mustert meine unzähligen Mückenstiche an den Beinen mit großen Augen. Ich sehe ziemlich zerstochen aus. Noch dazu kratzen die Dinger wie verrückt. Rasch zieht der Römer seine Schuhe an und geht in die Apotheke. Dort holt er mir ein Anti-Juckreiz-Gel gegen Mückenstiche. Auch, wenn ich mich wiederhole: Ein Mann wie ein Goldstück. Dankbar nehme ich es entgegen, betupfe die Stiche, doch es juckt immer noch fürchterlich. Immerhin haben sich die Mücken einzig und alleine mich als lebendes Buffet ausgesucht. Signorino und der Römer bleiben komplett verschont. Der Römer schnappt sich seinen Laptop und bereitet seine Bewerbung für ein Uni-Projekt vor, während ich meinen Reisebericht stichpunktartig abtippe. Dann sortiere ich Urlaubsbilder.

Nachdem Signorino erwacht ist, holt der Römer Supplì und Pizza von unten. Der Laden ist bekannt für seine Supplì, die als frittierte Reisbällchen beschrieben werden können. Für seine Pizza ist der Laden anscheinend nicht bekannt, denn sie schmeckt grauenhaft. Der Teig ist matschig, die Tomatensauce erinnert an Ketchup. Der Käse erinnert an geschmolzenes Plastik.

Abends verlassen wir das Haus gegen 21:30 Uhr und nutzen es schamlos aus, dass das Kind eine Eule ist, die nicht vor Mitternacht ins Bett geht. Der Abendspaziergang wird dennoch anstrengender als gedacht. Alleine eine Männer-WG entzückt Signorino, da sie mit einer Gießkanne die Pflanzen vor ihrer ebenerdigen Wohnungs- und Haustüre gießen. „Gießkanne! Gießkanne!“ ruft Signorino den Männern zu und sie lachen das Kind freundlich an. Schließlich finden wir noch zwei Nasoni, Wasserspender, und Signorino macht „pritsch pratsch“ mit dem heraussprudelnden Wasser. Am Ende ist das ganze Kind gewaschen und sehr nass. Wir beschließen, zurückzukehren und Signorino trocken zu legen.

Ja, die Zeiten sind wohl vorbei, in denen wir jung und unbeschwert bis spät in die Nacht durch Trastevere zogen. Alles hat im Leben eben seine Zeit – auch das. Daheim kuscheln wir uns ins Quietschebett und gucken eine Zeichentrickserie, während unten viele ausgehfreudige Leute lachend und laut quatschend vorbeiziehen. Als wir das Kind in den Schlafanzug stecken, hat er seinen Palmwedel, den er auf der Straße fand, immer noch in der Hand. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft wie es scheint.

Bekannt aus Film und Fernsehen – das Rom-Tagebuch [Tag 3]

Donnerstag, 25.08.2022

Auch meinen heutigen Zustand kann man als durchaus unausgeglichen bezeichnen. Alles kommt gleichzeitig zusammen: Die bleierne Müdigkeit, die sich in der vorherigen Woche in Bayern akkumulierte. Das Kind, das ständig ausrastet und vermutlich eben so müde ist wie wir. Das Bett der Ferienwohnung, das bei jedem Zucken quietscht. Das pure Leben, das nachts in der Bar unten an der Straße aus den Gästen und Boxen des Lokals dringt. Die Müllabfuhr, die um 4 Uhr nachts die an Müll erstickende, italienische Hauptstadt von eben diesem befreit. Und: Die Ferienwohnungsnachbarn, die um 7 Uhr morgens mit Koffern rumpelnd aus der Wohnung unter uns ausziehen. Am liebsten würde ich auch meine Koffer packen und heimfahren. Ganz Gentleman und frei nach dem Motto „Happy wife, happy life.“ bietet mir der Gatte um 8 Uhr morgens das nicht quietschende Einzelbett in der Ecke des Zimmers an. Ich schlafe noch einmal eineinhalb Stunden und bin fit. Ein Hoch auf die schnellen und effektiven Regenerierungszyklen meines Körpers, die um einiges kürzer geworden sind seitdem ich Mutter bin.

Morgens holt der Römer Brioche, die sich wirklich als solche bezeichnen dürfen. Innen fluffig, außen süß und knusprig. Ich frage den Römer, wo er diese Croissants gekauft hat und er erzählt mir, dass die Bar „Il Siciliano“* heißt. „Là e‘ un po signorile. Ma hanno dei brioche buoni.“ [Dort ist es ein bisschen vornehmer. Aber sie haben gute Croissants.], erklärt mir mein Gatte und er hat vollkommen recht. Die Croissants sind wirklich richtig, richtig gut.

Noch während des Frühstücks beratschlagen wir uns über die heutige Tagesplanung. Der Römer schlägt das Pantheon vor, das gleichzeitig sein Lieblingsbauwerk in Rom (und weltweit) ist. Mir wird ein bisschen unwohl bei der Aussicht, das Kleinkind bis vors Pantheon zu schleppen und so schlage ich etwas weniger anstrengenderes vor: den botanischen Garten. Der Römer war das letzte Mal 2003 im botanischen Garten in Rom und stimmt meinem Vorschlag zu.

13 Gehminuten später, von denen Signorino 10 Minuten getragen werden wollte, erreichen wir den orto botanico. Selbst im August ist er überraschend ruhig und stellenweise angenehm kühl.

Der botanische Garten in Rom

Details in der Schnellübersicht

Adresse: Largo Cristina di Svezia, 24

Eintritt: 4 Euro. Kinder von 0-5 Jahre umsonst. Das Schmetterlingshaus ist nicht im Eintrittspreis inkludiert und kostet nochmals 4 Euro Eintritt.

Öffnungszeiten: April – Oktober 09:00 – 18:30 Uhr; November – März 09:00 – 17:30 Uhr.

Welche Vorteile bietet diese Sehenswürdigkeit mit Kleinkind?

Es gibt viel zu entdecken und das Kleinkind kann frei herumlaufen. Achtung: Am Hang (steil!) bzw. in den japanischen Gärten ist etwas Vorsicht geboten, da dort Wasser ist.

Auch an den Treppen ist Vorsicht geboten, wenn das Kind noch nicht sicher läuft.

Es gibt Toiletten in ausreichender Anzahl und Verfügbarkeit, sowie einen Wasserbrunnen (beim Schmetterlingshaus) zum Wasser auffüllen. Dazu stehen viele Sitzbänke zur Verfügung, um zu rasten.

In der Nähe des Eingangs des botanischen Garten gibt es ein kleines Café, das aber unter der Woche (oder im August?) geschlossen hat.

Kleines Café, leider geschlossen. Man sitzt trotzdem nett.

Für Kinderwagen ist der botanische Garten sehr gut geeignet.

Alles in allem ist auch dieser Ausflug in Rom gut mit Kleinkind und Baby machbar.

Die Wege sind super für Kinderwagen.
Die Aussichten sind traumhaft.

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Danach greife ich zu meiner bereits erprobten Methode und wir locken das Kind mit einem Eis aus dem Garten. Natürlich muss es Schokoladeneis sein und natürlich muss ein waffelartiger Keks im Eis stecken. Heute und in dieser Ecke Trasteveres haben wir Glück und so finden wir gleich eine Eisdiele. Um das Eis zu essen, setzen wir uns auf die Stufen einer Schule neben der bekannten Apotheke „Farmacia di Santa Maria della Scala“, die schon in manchem Film mitwirken durfte. Das Kind ist begeistert. Nicht etwa, weil wir ihm so beeindruckende Orte zeigen, sondern viel mehr vom Schokoeis. Wie gucken den Touristen und Einheimischen zu, wobei uns Signora Clara darüber unterrichtete, dass Trastevere nur noch das Zuhause von Touristen, nicht aber von alteingesessenen Römer*innen sei. Die meisten seien weggezogen – nach Testaccio oder Monteverde Vecchio. Der Römer unterbricht meine Gedanken an den Austausch mit Signora Clara und fragt mich „Warum tragen Deutsche eigentlich immer Wanderstiefel in Rom?“. Es schlürft ein vermutlich Deutscher Staatsbürger mit kariertem Hemd, kurzer Wanderhose und knöchelhohen Wanderstiefeln vorbei und guckt unter seinem Fischerhut interessiert nach links und rechts. Ich fixiere den Herrn und denke nach. Dabei schöpfe ich aus meinem Erfahrungsschatz, als ich noch für einen Reiseveranstalter Romreisen organisieren durfte. Vorsichtig versuche ich mich an einer Antwort: „Amore, ich kann es mir nur so erklären, dass man hier alles zu Fuß machen muss und die Straßen eben sehr uneben sind. Dort knickt man schnell mal um und wer will schon im nicht deutschsprachigen Ausland im Krankenhaus liegen und tagtäglich mit der Versicherung telefonieren? Rom ist bereits Abenteuer genug, deswegen will man gleich vorab die größten Risiken wie gebrochene Knöchel ausschließen. Ansonsten kann ich dir sagen, dass wir in unseren Reiseunterlagen „festes Schuhwerk wird empfohlen“ geschrieben haben und ja, diese Wanderstiefel sind definitiv als solches zu werten.“ Mein blickt fällt auf meine dünnen Sommersandalen. Auch der Römer muss grinsen. „Aber du hast keine Wanderschuhe oder Wandersandalen an, obwohl du Deutsche bist.“ stellt der Römer belustig fest. „Ich spreche die Sprache und wenn ich umknicke, bleibe ich eben hier und lasse mich im Krankenhaus ganz in Ruhe gesund pflegen. Vielleicht kann ich dann auch endlich diesen Roman beenden, den ich vor Monaten angefangen habe? Ich würde sagen, das ist ein sehr überschaubares Risiko für mich.“ Der Römer wird etwas blass um die Nase, denn er sieht sich vermutlich schon alleine den Laden mit Signorino schmeißen. „Ganz falsch wären aber Wandersandalen nicht für dich. Oder zumindest Turnschuhe…“, antwortet er. „Danke, ich bleibe lieber bei meinen Sommersandalen.“, gebe ich zurück und stibitze mir ein Löffelchen Schokoeis von Signorino.

Auf dem Heimweg, wie sollte es anders sein, gehen wir bei La Renella vorbei und holen Pizza. Wie immer will das Kind nur Pizza Bianca und so toben wir uns bei den anderen Sorten aus. Rom ist mittlerweile backofenheiß und so beeilen wir uns heimzukommen. An einer Straßenecke schaut der Römer den Touristen auf den Teller, die gerade angestrengt ein Foto ihres Essens mit dem Handy machen. „Also hier essen wirklich nur Touristen.“ sagt er etwas zu laut auf Italienisch. Ich frage ihn, woran er das erkennen will. „La pizza sembra immangiabile. [Die Pizza scheint ungenießbar zu sein.] “ Ich gucke nun ebenso interessiert auf den Teller des Touristenpärchens. Irgendwie hat er recht. Die Pizza erinnert eher an amerikanische Fastfoodketten als an Pizza made in Italy. Hauptsache die Gäste sind zufrieden.

Vor der Haustüre treffen wir die Partnerin des Vermieters Gabriele und fragen sie nach dem ausgeschriebenen Bügeleisen. Blöderweise haben wir all unsere Sommersachen ungebügelt in den Koffer geworfen und darauf vertraut, dass die Ferienwohnungsausstattung genau so vorzufinden sei. Sie bringe uns gleich eines, antwortet die freundliche und engagierte Partnerin Gabrieles. 45 Minuten später steht sie mit einem neu gekauften Bügeleisen vor unserer Türe. Wir bedanken uns herzlich und ich freue mich sehr über unseren neuen Mitbewohner: Immerhin kann ich nachts nun die Bügelwäsche erledigen, wenn ich aufgrund des quietschenden Bettes nicht schlafen kann. 😉

Wir essen in der Zwischenzeit, dann legen Signorino und ich uns ins Bett. Der Römer arbeitet für sein Projekt in der oberen Etage der Wohnung. Das Kind schläft 3,5 Stunden, weil es so geschafft ist. Ich begnüge mich mit 1,5 Stunden und tippe dann den Text für mein Reisetagebuch ab.

Abends holen wir wieder etwas bei Restaurantfreund A. und fallen um Mitternacht ins Bett. Reisen ist echt anstrengend.

*Werbung, unbezahlt und unbeauftragt, aus Überzeugung.

Ein steiler Abstieg – Das Rom-Tagebuch [Tag 2]

Mittwoch, 24.08.2022

Wer früh schlafen geht, ist auch früh wach – oder eben immer noch wach, so wie ich. Das Metallbett und besonders das dazugehörige Quietschen ist wirklich ein Erlebnis für sich. Müde schlappe ich in die Küche, während Signorino noch im Quietsche-Bett schlummert. Bei seinem Körpergewicht verhält sich das Bett mucksmäuschenstill. Ausgewachsen sein hat eben nicht nur Vorteile.

Der Römer ist bereits auf den Beinen und kümmert sich um die Auswahl- und Beschaffung von Frühstücksleckereien bei unserem Stamm-Café Baylon*. Als er zurückkommt, erzählt er, dass die Betreiber des Cafés gewechselt hätten und es deswegen keine große Auswahl an Croissants und Süßgebäck geben würde. Schade, ich freute mich bereits auf ein Brioche integrale con miele [ein Vollkorncroissant mit Honig gefüllt]. Aber auch ein normales Croissant erhellt meine Stimmung sichtlich. Wie schlimm das Ausmaß des Betreiberwechsels des Cafés jedoch wirklich ist, sollte ich ein paar Tagen später feststellen dürfen.

Schweigsam kauen wir unsere trockenen Croissants und trinken Kaffee dazu. Signorino ist in der Zwischenzeit erwacht und freut sich bereits lautstark auf die Croissants, empfindet sie aber nach dem ersten Bissen als zu „NEIN! Keks – Milch dazu?“. Diese Bestellform ist relativ neu, aber er bekommt, was er will: Kekse mit lauwarmer Milch dazu. Ein bisschen muss ich bei seinem Frühstückswunsch schmunzeln, denn dieses Frühstück haben meine Au-Pair-Kinder in Bergamo auch gegessen und ich fand es abstrus, dass Kinder morgens lauwarme Milch und Kekse essen. Warum kein Müsli? Warum kein Marmeladenbrötchen wie wir in Deutschland? Irgendwann übernahm ich die Angewohnheit, morgens Kekse zu essen, um schnell aus dem Haus zu können. Als der Römer nach Deutschland zog, aß auch er ein paar Kekse, trank einen Espresso und hastete in den Berufsalltag. Ganz am Anfang versuchten wir natürlich, dass das Kind ein Butterbrötchen oder gar ein Marmeladenbrötchen isst und zwangen uns dazu als gutes Vorbild mit Frühstücksbrötchen zu fungieren. Leider, leider fanden wir drei die Frühstücksvariante so blöd, dass wir schnell wieder dazu übergingen, Kekse (mit oder ohne Milch) zu frühstücken. Doch zurück nach Rom:

Noch während des Frühstücks beratschlagen wir uns über mögliche Ausflugsmöglichkeiten mit Kleinkind um die 2-3 Jahre in Rom. Dazu muss ich erwähnen, dass wir keinen Kinderwagen dabei haben, was einerseits daran liegt, dass das Kind partout nicht im Buggy kutschiert werden will und andererseits, weil ich den Fluggesellschaften momentan nicht zutraue, einen Kinderwagen zu transportieren, ohne dass dieser danach jahrelang als vermisst gilt. Ich blättere etwas in meiner Rom-Ausflugsliste herum und finde ein verstecktes Juwel, das ich schon lange besichtigen wollte: Eine unterirdische Kirche aus dem 5. Jahrhundert, die sich nur wenige Gehminuten von unserer Ferienwohnung entfernt befindet. Der Eintrittspreis hält sich in Grenzen und ich vermutete, dass nicht allzu viele Touristen in dieser unterirdischen Kirche zu Besuch sein werden. Auf den Bildern sah es so aus, als würde unser quirliges Kleinkind nichts umstoßen können, was definitiv ein gutes Zeichen ist. Wir gingen los und fanden

La Basilica sotteranea di San Crisogono in Trastevere [Die unterirdische Basilika des heiligen Crisogono in Trastevere]

Details in der Schnellübersicht

Adresse: Piazza Sidney Sonnino, 00153 Roma RM, Italien

Eintritt: 3 Euro

Öffnungszeiten: Mo – Sa von 07:00 – 12 und von 15:30 – 19:00 Uhr, So 08:00 – 13:00 und 15:30 – 19:00 Uhr (Bitte Messen und Gottesdienste beachten!)

Wie komme ich dort hin?

Sie gehen durch die Eingangstüre der Kirche, bestaunen die reiche Deckenverzierung des Mittelschiffes der Kirche und halten sich dann links.

Mit reichverzierten Vertäfelungen gestalteter Deckenhimmel der Kirche. Die Farben Blau u d Gold dominieren.

Dort gehen Sie immer geradeaus bis Sie ganz am Ende links eine Türe mit der Aufschrift „Sacrestia Cripta Paleocristiana“ entdecken.

Der Eingang zum Messner-Büro bzw. zur Krypta.

Dort treten Sie ein und ein grummelig wirkender Messner um die 60 Jahre wird an einem dunklen Schreibtisch sitzen und Sie mürrisch erblicken. Sie fragen nach der Cripta, bezahlen pro Erwachsenen 3 Euro Eintritt und erhalten ein Programmheft, dass auf Italienisch, Englisch, Französisch und Spanisch die Geschichte zur Sehenswürdigkeit erklärt. Dann erhebt sich der Messner, dreht sich um 180 Grad, geht eineinhalb Schritte zur dunklen Tür rechts hinter ihm (von Ihnen aus links) und öffnet diese Türe für Sie.

Sie gehen hindurch und steigen hinab in eine andere Zeit.

Hier sieht man die lange Treppe, die in die Krypta hinab führt, von unten.

Welchen Vorteil bietet diese Sehenswürdigkeit?

Es gibt so wenig Ansturm auf dieses versteckte Juwel, dass Sie mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vollkommen alleine sind. Außerdem ist es dort unten schön kühl, was für die Sommermonate durchaus einen Mehrwert darstellt.

Die große Ruhe in einer so unsteten Stadt wie Rom herrscht hier unten.

Ist diese Sehenswürdigkeit gut machbar mit Kleinkind in Rom?

Ja, absolut. Für neugierige Kleinkinder gibt es dort unten auch Treppen. Außerdem kann das Kleinkind dort unten nichts kaputt machen. Für alle, die ohne Kleinkinder reisen (oder mit älteren Kindern), ist es vermutlich doppelt so interessant, weil Sie in einer Kirche aus dem 4. oder 5. Jahrhundert stehen (wie vermutet wird) und es dort allerhand zu besichtigen gibt.

Das war Signorinos Lieblingsstrecke inkl. der Treppe, die hochführt, um die Ecke geht und wieder nach unten führt.
Eine Säule, die im Eck steht.

Wie sieht es mit den geschichtlichen Details zu dieser Kirche aus?

Es wird vermutet, dass die unterirdische Kirche die erste Pfarrkirche Roms ist [Quelle: Infoheft, dass Sie vom Messner bekommen]. Crisogono, dem die Kirche geweiht ist, starb als Märtyrer unter dem römischen Kaiser Diocleziano zwischen 304 und 305. 499 wird die Kirche das erste Mal erwähnt. Im 12. Jahrhundert beschloss Kardinal Giovanni di Crema, dass eine neue Basilika „eine Etage darüber“ erbaut werden soll. Genauso geschah es. 1907 entdeckt man bei Ausgrabungen, dass unter der nun aktuellen Basilika eine weitaus ältere Version „schlummert“. San Crisogono war jahrhundertelange die Nationalkirche der Korsen und Sarden.

Fresken aus dem 5. Jhdt. Sieht aus wie neu, wenn Sie mich fragen.

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Signorino will immer und immer wieder die Treppen in der unterirdischen Basilika erklimmen. Da er trotz aller Überzeugungskraft unsererseits nicht von dieser Treppe ablassen will, sehe ich mich schon bis ans Ende meiner Tage fünf Meter unter der Erde Roms leben. Mir steigt – trotz der angenehmen Temperaturen hier unten – der Angstschweiß ins Gesicht und so ziehe ich den Joker. „Signorino? Eis?“., frage ich scheinheilig. Das Kind guckt auf, lässt von der Treppe ab und läuft zu mir. Wir können gehen. Freundlich verabschiedet er sich vom Messner mit einem „Tschüss und CiaoCiao!“ und wir verlassen das obere Kirchenschiff.

In meiner Naivität dachte ich, dass Eis in Rom durchaus einfach zu beschaffen sein wird. Doch ich sollte mich täuschen. Um 10 Uhr vormittags in dieser Ecke Trasteveres ist es ganz und gar nicht einfach. Wir gehen, noch fest in dem Glauben, dass Eisdielen zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet haben, zur römischen Eisdiele des Vertrauens und finden uns vor verschlossenen Türen wieder. Und so irren wir durch die Gassen und landen nach 15 Minuten mit quengelndem Kleinkind (EIS!! EIS!!) wieder an der Basilika, die wir eben besucht haben. Schlussendlich finden wir eine Eisdiele in der Viale Trastevere, die zum Glück geöffnet hat. „Ein kleines Eis für 2,50 Euro im Becher, bitte. Danke!“, bestellt der Römer ein Eis bei der freundlichen Bedienung. Wir nehmen es mit, was gar nicht mal so klug ist. Kurzerhand setzen wir das Kind auf einen gigantischen, abgesägten Baumstumpf an der mehrspurigen Straße Lungotevere Raffaello Sanzio und füttern ihn mit Eis. Ein vorbeikommender Großvater mit einem Kleinkind auf einem Dreirad guckt „scandalizzato“ [empört] als er uns sieht. Vermutlich hat er schon alles gesehen, was Touristen in Rom falsch machen können, aber diese Szene war ihm vollkommen neu. Ein Kleinkind auf einem Baumstumpf, das vormittags um 10:30 Uhr von seinen Eltern mit Schokoeis gefüttert wird. Er dreht sich noch mehrmals zu uns um, obwohl er schon längst an uns vorbeigezogen ist. Ich empfinde die Szenerie auch als durchaus seltsam, aber glauben Sie mir, als ich Mutter wurde, erahnte ich so einige abstruse Szenen in meinem Leben nicht einmal annähernd. Manchmal hat man eben keine Wahl. Wir reinigen das Kind großflächig und es sieht beinahe so aus, wie wir es heute morgen angezogen haben. Lediglich ein paar kleine Schokospritzer zieren nun sein T-Shirt, was ich durchaus als Erfolg werte.

Dann schlendern wir zur Konditorei Nonna Vincenza. Wie immer geht das Kind vier Meter selber, um dann mit uns zu diskutieren, ob es noch weitere vier Meter alleine gehen kann, nur um dann nach acht Metern bis kurz vor den Campo de‘ Fiori getragen zu werden. Angekommen bei Nonna Vincenza* quakt das Kind „Hallo! Ich haben Cappuccino. Ich möchte einen Cappuccino, bitte.“ Seine Sprachwahl erinnert mich ein wenig an die anfänglichen Deutschkenntnisse des Römers. Woher Signorino allerdings Cappuccino bestellen kann, kann ich mir auch nicht so ganz erklären. Ich für meinen Teil trinke nur Espresso. Es muss wohl an den Vater-Sohn-Ausflügen der beiden liegen. 😉 Am Ende bestellen wir – zwei caffè, zwei cannoli und einen Pistazienkeks für Signorino. Ich merke gerade bei meinen Aufzeichnungen, dass das Kind den ganzen Tag nur Süßkram gegessen hat. Asche über mein Haupt! Aber wir waren schließlich im Urlaub. Nach mir der Zahnarzt!

Er verschmäht beide cannoli und den Keks. Braves Kind! Nach dem Schokoladeneis ist er vermutlich pappsatt. Wir, mittlerweile auch satt und glücklich, verlassen die Räumlichkeiten des sizilianischen Cafés und biegen nach links zum Campo de‘ Fiori ab. Der Markt ist in vollen Gange und der Römer steuert schnurstracks auf einen Fruchtstand zu. Dort bestellt er eine centrifuga, oder Smoothie, wie man in Deutschland sagt. Der Besitzer macht einen anzüglichen Witz und der Römer antwortet nüchtern „Guarda, c’è la mia moglie qui, eh? [Schau, meine Frau ist auch hier, okay?]“. Währenddessen spielt Signorino mit einem Nasone [ein Wasserspender] und ruft aufgeregt „pritsch-pratsch“. So hat jeder seinen Spaß am Campo und die Schokoladenflecken auf seinem Oberteil entfernt das Kind gleich mit. Lediglich das Oberteil ist nun sehr nass, was bei den sommerlich-heißen Temperaturen in Rom eher als Glück als als Unglück gesehen werden darf. Zurück gehen wir an der französischen Botschaft vorbei, vor der wie immer allerhand Militär steht. Dann halten wir uns links, biegen schlussendlich ganz nach links ab und spazieren am französischen Konsulat vorbei. Auch dort ist viel Militär zugegen. Der Römer gibt an, dass Italien den Militärschutz für die auslädnischen Botschaften und Konsulate selber zahlen muss. Das bezweifle ich aber stark. Ist der Militärschutz der jeweiligen Botschaften und Konsulate nicht Ländersache? Wenn Sie mehr dazu wissen, erhellen Sie uns gerne.

Zurück geht es über die Ponte Sisto zur Piazza Trilussa. Den schlechten Scherz: „Hier nahm das Unglück seinen Lauf.“ konnte ich mir nicht verkneifen, doch der Römer nahm es gelassen. Im verflixten 7. Jahr darf man das vermutlich offen aussprechen.

Ein sehr müdes Kind und wir kommen an der Unterkunft an. Der Römer holt uns Pizza bei La Renella*. Alles ist wie immer – und die Pizza ist genau so gut wie all die Jahre zuvor. Das Kind mampft pizza bianca und wir den Rest. Eine andere Pizzasorte außer dem ausgebackenen Pizzateig (ohne Käse, ohne Soße) will das Kind nicht probieren. Nun, denn!

Schlussendlich finden wir uns nach dem Essen in einem Zustand wieder, den ich mit Kind als äußerst unangenehm empfinde: Das Kind ist müde, will aber nicht schlafen, ist aber müde und deswegen quengelig. So geht das zwei Stunden lang, dann schläft Signorino endlich ein. Ich tippe meinen Reisebericht in Stichpunkten ins Handy, damit ich mir in 15 Jahren denken kann: „Mein Gott, war das anstrengend damals, mit Kleinkind.“

Nach zwei Stunden wacht das Kind auf, es verdrückt seine merenda [Brotzeit], die aus einem Apfel besteht und wir gehen zum Supermarkt unter unserer Ferienwohnung. Bereits am Eingang des Supermarktes, in der Obst- und Gemüseabteilung, bemerke ich, dass das Kind nölig ist. Gleichzeitig flaniert der Römer mit einer solchen Ruhe durch die Gänge und begutachtet die dargebotene Ware, als wäre er alleine hier und noch dazu vollkommen sorglos. Dass der Zeitstrahl mit Kind in einem Supermarkt nicht der gleiche ist, wie der ohne Kind, scheint er auch im dritten Lebensjahr Signorinos noch nicht verstanden zu haben. Ich dränge zur Eile, doch der Römer hört nicht, oder will nicht hören. In der Milchprodukteabteilung beäugt er all die Neuerungen, die es seit seinem letzten Italienaufenthalt gibt, und greift doch zum altbewerten Schoko-Milch-Snack. Natürlich registriert das auch unser Nachwuchs und ruft, dass er diesen Milchriegel auch will und zwar JETZT!!!SOFORT!!UNBEDINGT!!. Bis zur Kasse hat er sich so eingeschrien, dass ich nur noch emotionslos nach vorne starre. Das Geschäft zu verlassen gestaltet sich schwierig, da der Supermarkt im Keller eines riesigen Bekleidungsgeschäftes liegt und wir dieses durchqueren müssen. In dieser Situation scheint mir jede Option als die absolut falsche und so stehe ich neben einem zappelnden, schreienden Kleinkind und rede ruhig auf ihn ein. Die Signora in der Schlange vor dem Römer sucht in aller Ruhe ihr Kleingeld zusammen und ich bin mittlerweile gänzlich im Erdboden versunken. Irgendwann hat der Römer die Waren bezahlt, das Kind hat einen Riegel in der Hand und isst zufrieden besagten Riegel als wäre nichts gewesen. Einzig die tränenfeuchten Backen erinnern an dieses Martyrium. Als wir gehen, frage ich mich, ob unter dem Supermarkt auch die Ruinen einer Kirche für gepeinigte Eltern von Kleinkindern liegt? Ich wage es zu bezweifeln, hätte aber während diesem Schreianfall gerne drei Euro Eintritt gezahlt, um dort in Ruhe mit anderen Eltern zu sitzen.

Heute jagt ein Trotzanfall den nächsten, weil Signorino vermutlich von der Reise und der Woche davor ganz schön müde ist. So entscheiden wir, nicht auswärts essen zu gehen. Abends machen wir einen kleinen Spaziergang, schlendern am Restaurant des römischen Freundes A. vorbei und bestellen etwas zum Mitnehmen, doch die gesamte Kellnerschaft besteht darauf, dass wir heute die Ehrengäste sind und bittet uns hinein. Vorsichtig setzen wir uns und gucken uns zweifelnd an. Anfangs ist das Kind noch sehr angetan vom Restaurant und seinen Mitarbeitern. Ein Korb lauwarme Focaccia wird angereicht und das Kind greift begeistert zu. Solange, bis er eben Durst bekommt. Da er partout nicht aus einem Wasserglas trinken will (aber kann!), steigert er sich in einen neuen Trotzanfall hinein, bis wir hektisch die Flucht ergreifen.Der Römer ruft dem römischen Restaurentbesitzer-Freund A. noch zu, dass einer von uns später die Bestellung „da portare via“ [zum Mitnehmen] abholen wird und sogleich landen wir wieder in den Gassen Trasteveres. Zuverlässig lotst uns der Römer heim, wobei sich das Kind langsam beruhigt. Als wir an der Livemusik auf Höhe der Piazza di San Calisto vorbeikommen, wird Signorino ganz selig. Er will stehen bleiben, klatscht und singt mit. Wir Eltern sind müde und wollen weder stehen bleiben, noch mitsingen. Schlussendlich löst sich Signorino und wir sind nach wenigen Schritten daheim. Dann bricht der Römer noch einmal auf und holt das Essen. Schweigend schaufeln wir Gnocchi alla Sorrentina (Gnocchi in Tomatensoße mit Mozzarella) und bistecca di manzo con cicoria (Rindersteak mit gemeiner Wegwarte ) in uns hinein. Das Kind will nichts, es hat vorhin auch den halben Korb Focaccia vertilgt.

Wir Erwachsenen sind ziemlich ausgelaugt und das Kind anscheinend auch. Müde fallen wir ins Bett und warten darauf, dass Signorino die Augen zu macht. Was für ein Tag!

*Werbung, unbezahlt, unbeauftragt, aus Überzeugung

Bekanntschaft mit Signora Clara – das Rom-Tagebuch [Tag 1]

Dienstag, 23.08.2022 (zweiter Teil)

„Buonasera.“ [Guten Abend.], sagt sie und ihre Stimme klingt tief, rauchig und ein wenig bedrohlich. Eine Wolke aus schwerem Parfüm zieht an uns vorbei. „Buonasera Signora. [Guten Abend, Signora.]“, antwortet der Römer und versucht sich nochmals am Türschloss. „Buonasera.“, murmle ich etwas verlegen, doch werde von einem freundlichen „HAAAALLOOOO!!“ von Signorino unterbrochen. „Ma tu, chi sei? [Aber du, wer bist du?]“, fragt die Signora freudig und ihr Gesicht erhellt sich plötzlich. Signorino antwortet nicht und lacht. „Ma come ti chiami? [Aber wie heißt du?]“, will die Signora von unserem Sohn wissen. Der Römer bittet Signorino seinen Namen zu sagen, doch Signorino will nur frech grinsen. Also lüftet der Römer das Geheimnis um Signorinos Namen. „Aah! Signorino! Che bel nome. [Ah! Signorino! Was für ein schöner Name.]“, stellt die Signora fest. Die Hündin der Signora flitzt aus dem Haus und direkt auf Signorino zu. Er will hochgenommen werden und so nehme ich ihn auf den Arm. Dann stellt die Signora ihren Hund vor. Lulu heißt die Hundedame und ist sehr neugierig, wobei sie besonders an Signorino interessiert ist. „Amore, non funziona ’sta cosa. [Schatz, dieses Ding funktioniert nicht.]“, unterbricht der Römer das gegenseitige Beschnuppern und zeigt auf das Display, das uns die Türe mit dem richtigen Code öffnen sollte. Ich seufze. Mehr fällt mir auch nicht ein. „Che è successo? [Was ist passiert]", will die Signora wissen. Der Römer erklärt es ihr. „Ah vabbè. [Ah, ja gut.] Ich habe Gabriele, dem Besitzer, schon vor Tagen gesagt, dass ich dieses Gerät für Humbug halte. Warum muss man immer alles technisieren und die Dinge dadurch komplizierter machen?“, fragt sie uns. Wir zucken mit den Schultern. „Und jetzt stehen die Gäste vor der Tür. Totaler Schwachsinn! Habt ihr die Nummer von Gabriele oder soll ich ihn anrufen?“, zetert die Signora weiter. Der Römer guckt in seinem Handy nach. Er hat Gabrieles Telefonnummer vorliegen. „Besser so für Gabriele. Dem hätte ich etwas erzählt. Unfug, diese Technik!“, spricht die Signorino ihr Missfallen aus. Der Römer telefoniert derweil mit Gabriele. Er würde so gleich mit einem Ersatzschlüssel hier sein, zehn Minuten – maximal. Italienische zehn Minuten kenne ich bereits von meinem Römer, also setze ich mich auf eine Stufe und lege den Pizzakarton auf meinen Schoß. Signorino setze ich neben mir ab, doch er bleibt im Gegensatz zu mir nicht sitzen. Sofort schießt er auf Lulu zu. Als besorgte Mutter schnelle ich sofort auf und halte Signorino fest, doch er ist bereits bei Lulu, der Hündin, angekommen. „Haaaalloooo Mellie*!“, brüllt er der Hündin ins Ohr. Sie schnuppert neugierig an ihm. „Nicht Mellie! Lulu!“, versucht der Römer richtig zu stellen. „Okaaaaay.“, sagt unser Nachwuchs. „Questa e‘ Lulu, amore mio. [Das ist Lulu, mein Schatz.] Willst du sie streicheln?“, wird die Signora ganz sanft und der Ärger über die Technik scheint verraucht. Langsam streichelt Signorino Lulu und sie lässt es sich gefallen. Dann erzählt die Signora von ihrer großen Liebe zu Hunden und das ihre Hündin gerne Welpen kriegen würde. Lang und breit erklärt sie, dass die Geburten ihrer eigenen Töchter zwar eine schönes Erlebnis waren, aber die Geburt von Welpen doch nochmal ein ganz anderes Erlebnis auf so vielen Ebenen darstelle. „Sie folgen nur ihrem Instinkt. Ist das nicht wunderschön?“, fragt die Signora uns mit strahlenden Augen und wir nicken. Daraufhin erklärt sie lang und breit, wie so eine Hundegeburt abläuft und ich beneide die Hündin dabei nicht. Ich weiß, wie meine Geburt ablief und wären in meinem Bauch noch vier weitere Signorinos gewesen, ich hätte definitiv nach einem Kaiserschnitt gefragt – Instinkt hin oder her.

Derweil verliert Signorino die Geduld und will wieder Treppen steigen. Ich hechte hinterher, kann aber den Pizzakarton wegen der Hündin nicht auf den Boden stellen und so renne ich mit Pizzakarton und Signorino die Treppen auf und ab. „Scusate, ma volete un po‘ di acqua? [Entschuldigt, aber wollt ihr ein bisschen Wasser?]“, erkundigt sich die Signora bei uns. „Wenn es nicht zu viele Umstände macht…“, fängt der Römer an. Signorino ruft in der Zwischenzeit vom unteren Treppenabsatz „WAAAAASSER!! WASSER!!“. Er scheint auch davon überzeugt zu sein, eine kurze Wasserpause einzulegen. Als die Signora ihm das Wasserglas reicht, wird er motzig. Nein, so hat er sich die Darbietung des Wassers nicht vorgestellt. Das Wasser soll – bitte, danke – in seiner hellblauen Sportflasche angeboten werden. Dicke Krokodilstränen rinnen dem Kind über die Wange, wobei er durchgehend „Acqua! Acqua! [Wasser! Wasser!]“ schreit. Die Signora guckt uns betroffen an. Ich versuche Signorino zu beruhigen, während der Römer bereits zufrieden an seinem Glas Wasser nippt. Die Signora eilt in die Küche und holt einen Keks für Signorino, den er dankend annimmt und nur noch ein wenig dazu schnieft. Ich nippe vom römischen Wasserglas und die Signora bittet uns herein auf ihre Couch. „Ihr müsst doch nicht draußen im heißen Flur warten bis Gabriele kommt. Herein mit euch. Macht es euch bequem.“ Wir setzen uns. Also alle, bis auf Signorino. Er stürmt auf Lulus Spielzeugecke zu. Ich will hinterherhechten, doch die Signora bittet mich, sitzen zu bleiben. Zu dritt, der Hund, die Signora und Signorino, spielen sie mit Lulus Ball, wobei Signorino immer wieder aufgeregt und quirlig durch das Wohnzimmer läuft. Die Signora findet’s herrlich „Questo è vita. È vita!!! [Dieser hier ist Leben! Er ist voller Leben!]“, ruft sie mit ihrer rauchiger Stimme und lacht aus tiefster Seele. Ja, Signorino ist wirklich äußerst lebhaft.

Unser Vermieter Gabriele ruft an. Er stehe vor unserer Tür. Wo wir denn verblieben wären? „Bei der Nachbarin.“, antwortet der Römer. „Ist das Gabriele?“, will die Signora wissen und stapft bereits zu ihrer Wohnungstür. Sofort fängt sie an mit Gabriele zu schimpfen. Der 40jährige, selbstbewusste und fesch gekleidete Italiener wird bei ihrem Gezeter zum Schulbub. Dann erzählt uns die Signora, dass sie jahrelang das Apartment, in dem wir zu Gast sind, verwaltet hat. Doch es sei ihr zu viel Arbeit und deswegen wurde die Verwaltung von Gabriele übernommen. „Er macht das gut. Sehr gut, sogar.“, erklärt sie uns. „Aber diese Technik? Die Gäste wollen hier Urlaub machen, ein paar schöne Tage in Rom verbringen und kein Technik-Seminar besuchen, Gabriele. Technik ist anfällig für Fehler. Schlüssel sind es nicht.“, stutzt sie Gabriele zu recht. „Schlüssel können verloren gehen.“, murmelt Gabriele kleinlaut. „Ja, und? Dann machst du einen neuen, tauscht das Schloss aus, was man eben so macht. Das Haus ist aus dem 17. Jahrhundert. Da wird man doch ein einfaches Türschloss austauschen können?“, zetert die Signora weiter. Am Ende öffnet uns Gabriele die Tür – mit einem Schlüssel. Wir bedanken und verabschieden uns von der Signora und Signorino ruft noch einmal „Tschüss Luluuu!“ Richtung Hündin. Während wir die kalte Pizza essen, hören wir, wie Gabriele versucht, die Türschließanlage zu reparieren. Immer wieder piepst es. Dazwischen motzt die Signora. Druck ist vermutlich genau das, was Gabriele in dieser Situation braucht. 😉

Am Ende klopft Gabriele nochmals kleinlaut an unserer Tür und hält uns einen Schlüssel entgegen. „Für die Türe.“, klärt er uns auf. „Ich kriege die Schließanlage heute nicht mehr flott. Für heute hat Signora Clara recht: Die Technik ist nicht immer eine Erleichterung. Aber sie kann es sein, wenn man sich ihr nicht versperrt.“ Wir nicken und bedanken uns. Anscheinend schwelt dieses Thema schon länger zwischen den beiden.

Was für ein Tag. Wir sinken allesamt um 21 Uhr ins Bett. Das Bett quietscht bei jedem Umdrehen. Ich kriege kein Auge zu und sehne mich nach meinem Bett.

*Mellie heißt der Hund von Signorinos Oma

Kolosseum am Meer – das Rom-Tagebuch [Tag 1]

Dienstag, 23.08.2022

Der Römer und ich stehen früh auf, frühstücken, werfen eilig die letzten Dinge in den Koffer und wecken Signorino, der partout nicht aufstehen will. Irgendwann bequemt er sich dann doch dazu.

Während der Kleine frühstückt, flattern wir weiter durch die Wohnung, machen noch dies und das und werden uns dabei bewusst, dass wir unsere vier Wände in einem solch desolaten Zustand verlassen, dass es für einen potenziellen Einbrecher aussieht als wäre ihm bereits ein Einbrecher-Kollege zuvorgekommen. „Vielleicht ist das als Abschreckungstaktik gar nicht so schlecht.“, denke ich so bei mir und erinnere mich an die letzten Reisen. Die Wohnung sah in unserer Abreise-Vergangenheit nie anders aus. Es schien immer eine Mischung aus „Überstürzte Flucht“ und „Umzugschaos ohne Kartons“ zu sein. Also alles wie immer, wenn wir verreisen. Ich werte es als gutes Omen.

Als wir bereits den Zeitpunkt überschritten hatten loszukommen, bricht wie immer Hektik aus. Vollständige Sätze weichen Kommandos und so rufen wir durch die Wohnung: „Schatz! Schuhe!“ oder „Signorinos Flasche! Kinderrucksack!“. In aller letzter Minute schnappen wir uns das Kind und rennen mit dem Koffer zur S-Bahn. Auch das ist typisch für uns, auch das Werte ich als gutes Vorzeichen. Eher untypisch dagegen war die geordnete Abreise vor einer guten Woche. Dazu die aufgeräumte und geputzte Wohnung und das Gefühl alles im Griff zu haben. Nein, das war, wenn man so will, bereits ein schlechtes Zeichen. Demnach läuft unsere Abreise diesmal absolut nach Plan.

Am Flughafen Frankfurt kommen wir seltsamerweise mühelos an der Sicherheitskontrolle an. Kein einziger Passagier ist vor uns. Ich fühle mich fast ein wenig betrogen ob des üblichen Spieles einiger, weniger erfahrenen Fluggäste. Keiner zerrt ärgerlich und auf Aufforderung der Sicherheitskontrolleure seinen Gürtel aus der Hose. Keiner sortiert in absoluter Ruhe und Gelassenheit einzelne Flüssigkeitsbehälter, die wildverstreut im Rucksack durch die Gegend fliegen, in ein Plastikbeutelchen mit nur einem Liter Fassungsvermögen und keiner mault „Wie? Kleingeld muss auch aus den Hosentaschen?!“. Aber nun gut – es wird auch so gehen. In zwei Minuten sind wir durch die Kontrolle geschleust worden. Wie sagt man so schön? Jeder Beruf lehrt einem etwas. Mir lehrte das Flugbegleiter-Dasein, wie man sich schnell durch Sicherheitskontrollen bewegt und sich klug anzieht und klug packt. Bezeichnen Sie mich ruhig als einen Kontrollfreak, aber ich plane nur beim Fliegen haarklein, was ich anziehe und welche Frisur ich trage, um nicht zu piepen oder abgetastet zu werden.

Danach wartet die erste von vielen anstrengenden Etappen auf uns: Signorino möchte – bitte danke – zwei Stunden am Frankfurter Flughafen beschäftigt werden. Wir finden den Spielplatz mit der großen Flugzeugattrappe, der witzigerweise direkt neben dem „Relax-Bereich“ liegt. Ob das nun genial oder grotesk ist, weiß ich nicht. Ich kann Ihnen aber sagen, dass im Minutentakt Kinder von ihren Eltern vom Spielplatz gezerrt werden, um das Flugzeug noch zu erwischen und dies meist unter sehr lautem Geschrei in der Altersklasse 1-4 stattfindet. Viel Ruhe bekommen die Gäste des „Relax-Bereiches“ demnach nicht. Vielleicht ist der Bereich aber auch für alleinreisende Eltern und Eltern mit großen Kindern gedacht, damit sie erleichtert aufatmen können, denn dieses Geschrei stammt nicht von ihrem Ableger.

Signorino spielt ein bisschen auf dem Spielplatz, traut sich aber nicht in die Flugzeugattrappe. Generell will er nirgends ohne uns hin und so hat er immer einen von uns an der Hand. Der andere darf auf einer der Elternbänke sitzen. Sehr interessant: Auf der anderen Elternbank sitzt ein Englisch-Italienisches Elternpaar. Ich finde es spannend, einen sehr ähnlichen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Die Konstellation wirkt auf Distanz ganz anders und überaus faszinierend. Als Protagonistin einer bilingualen Familie kriegt man oft nicht mit wie das von Außen aussieht. Bei dieser Familie konnte man mit eindeutiger Sicherheit sagen, dass sie in Italien leben, da die Kinder der britischen Mutter nur auf Italienisch antworten und sie auch nur Italienisch mit ihrem Partner spricht. Unser Kind hingegen antwortet dem römischen Vater zu 90% nur auf Deutsch. Doch wer weiß? Vielleicht wird sich das durch den Rom-Urlaub ändern?

Nachdem wir das Kind vom Spielplatz, und am Ruhebereich vorbei, gezerrt haben, decken wir uns noch kulinarisch für die Reise ein. Brezeln, einen sehr guten Brownie und mein Lieblingssandwich mit gegrilltem Gemüse und Schafskäse später, gehen wir zum Flugzeug. Wobei nur zwei Personen gehen. Signorino möchte getragen werden. Wir tragen ihn zum Windeln wechseln, da es im Flugzeug äußerst unbequem ist, das Kind frisch zu bewindeln und schon folgt der Aufruf am Gate , dass Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und Familien (die auch in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wenn sie mit Kleinkind reisen) einsteigen dürfen. Wir kommen an Bord, die freundlichen Mitarbeiter*innen grüßen und fragen nach Signorinos Spielzeugwünschen. Ich schlage das Malbuch vor (seit ich bei dieser Airline 2015 anfing, ist das Kindersortiment das ewig Gleiche) und wir huschen zu unserem Platz. Sogleich sind alle Rucksäcke unter den Vordersitzen verstaut, das Tablet ist geladen, es kann los gehen.

Doch halt! So schnell geht es leider nicht. Natürlich dürfen auch noch die anderen Gäste einsteigen und so schieben sich Deutsche in Wanderstiefeln und sehr gemächliche Brasilianer*innen in den Airbus des Typus A320. Ich merke, wie mich alleine das Beobachten der immer knapper werdenden Gepäckfächer nervös werden lässt, doch ich beruhige mich, denn ich bin nicht im Dienst und muss die Situation nicht lösen. Lediglich das am Ende des Boarding-Vorgangs hereinstolpernde, amerikanische Ehepaar um die 70 lässt meinen Puls noch einmal ansteigen. Hinter sich ziehen sie zwei Schrankkoffer her, die in etwa so groß sind wie unser zuvor aufgegebenes Gepäckstück. Alleine die überdimensionalen Räder dieser beiden monströsen Gepäckstücke erreichen vermutlich bereits die von der Airline vorgegeben 8 Kilo für Handgepäck. Ich versuche, der Situation keine Beachtung zu schenken, aber das Schicksal macht es mir nicht leicht, denn das amerikanische Paar sitzt genau hinter uns. Und so starren sie und ich die Gepäckfächer an und sie finden keinen Platz für ihr Überseegepäck. Gleichzeitig schwillt die Neugier in mir an, denn ich frage mich, wie und besonders wo die Flugbegleiter-Kollegin diese beiden Monstren verstauen will. Zumal die Türen bereits geschlossen und in „Flight“ sind. Das bedeutet: Diese Türen werden vor Rom auch nicht mehr geöffnet. Ein zartes, fein zurecht gemachtes Geschöpf in der obligatorischen, dunkelblauen Uniform schwebt herbei und mit einer Engelsgeduld schiebt und rückt sie Gepäckstücke umher, bis sie ein komplettes Overhead-Bin ausgegraben hat und dort die amerikanischen Koffer versenkt. Diese Meisterleistung bleibt von allen, selbst von den Besitzern der Koffer, unbemerkt. Aber in Gedanken verbeuge ich mich vor der Kollegin. Das ist ganz großes Tennis!

Die Lautsprecher knacken: Der Kapitän stellt sich vor, wobei er sofort erwähnt, dass einige Gäste diesen Flug leider nicht rechtzeitig erreichen konnten – im Gegensatz zu ihrem Gepäck, dass bereits verladen im Gepäckraum weilt. Da Gepäck aus Sicherheitsgründen nicht ohne Besitzer:in reisen darf, werden die fleißigen Gepäckabfertiger diese Koffer suchen, finden und ausladen. Besagtes Suchen, Finden und Ausladen dauert eine Stunde, die wir im Flugzeug verbringen. Wer meint, dass sich die am Flughafen verbrachte Wartezeit von zwei Stunden mit Kleinkind zog wie Kaugummi, der irrt. Eine Stunde in einem Flugzeug, dass sich nicht bewegt und in dem das Kleinkind förmlich an den Mittelplatz gebunden ist, zieht sich in eine so unendliche Länge, dass es vermutlich keinen adäquaten Ausdruck dafür gibt. Wir starten unser elterliches Unterhaltungsprogramm, damit unser Nachwuchs brav sitzen bleibt und geben dabei alles. Wirklich alles. Danach bin ich vollkommen nass geschwitzt. Meine linke Hand zittert. Es fühlt sich an als hätte ich den Mount Everest bestiegen – und zwar nur mit einem Paar Flipflops, wobei bei einem der beiden Badelatschen der Riemen gerissen ist und man mit seinem großen Zeh und dem danebenliegenden Zeh versucht, diesen verfluchten Riemen an Ort und Stelle zu halten, was aber natürlich nicht gelingt, denn er rutscht ständig raus, während man auf Schnee und Eis herumschlittert. Als wir endlich losrollen, schläft das Kind ein. Ich atme tief durch und lehne mich erschöpft ans Fenster. Und alle sagen, die Geburt des Kindes wäre echt heftig. Hätte mir mal einer gesagt, dass das ein Klacks ist im Vergleich zum Verreisen mit Kleinkind.

Blöderweise bin ich jetzt zu aufgedreht, um einzunicken. Vor mir bemerke ich zwei Jungs im Grundschulalter. Brav aufgereiht sitzen sie auf dem Fenster- und Mittelplatz. Am Gangplatz liest ihre Mutter eine Frauenzeitschrift, während die Kinder sich wahlweise langweilen oder ihre Kinderzeitschrift lesen. Alles läuft sehr gesittet ab. Ich schließe die Jungs gleich ins Herz, weil es zwei aufgeweckte, überaus witzige Kerlchen sind. Als wir in etwa auf der Höhe Mailands sind, unterbricht der Co-Pilot unser schnödes Warten auf die Ankunft in Rom und erzählt uns etwas über den Flug. Als erstes verkündet er, dass wir bereits im italienischen Luftraum sind. Die beiden Grundschüler vor mir rasten aus vor Freude und müssen ihren Vater, der auf dem gegenüberliegenden Gangplatz sitzt, mit einem „PAPA!!!! Wir sind in Italien!!! Italien!! Juhuuu!“ informieren. Die beiden sind so drollig, ich könnte sie knuddeln.

Als wir etwa auf Höhe der Toskana sind und all die vorgelagerten Inseln begutachten können, unterhalten sich die beiden kleinen Brüder.

„Aha. Das ist also Rom.“, sagt der Große sehr fachmännisch und zeigt auf eine kleine Küstenstadt am Meer. Gegenüber thront Elba. Der Kleine, der dem Großen in nichts nachstehen will, drängt sich dicht neben ihn. „Ja, richtig. Da ist das Kolosseum.“, stellt der Kleine fest. Ich gucke ebenfalls aus dem Fenster und muss schmunzeln. Diese Stadt am Meer ist alles, aber nicht Rom. „Mama, Anton sagt, da ist Rom.“, informiert der Kleine die Mutter. „Hm… schaut nochmal genau. Rom ist schon eine sehr große Stadt.“, spricht die Mutter. „Anton, Mama sagt, du sollst nochmal genau schauen. Das muss eine große Stadt sein.“, erklärt der Kleine dem großen Bruder keck. „Ja, da lege ich mich fest. Das ist Rom. Ich sehe auch das Kolosseum.“, spricht der Große voller Überzeugung. „Juhuuu! Rom!“, schreit der Kleine. Vielleicht hätte die Mutter den Kindern sagen sollen, dass der Flughafen durchaus nahe zum Meer liegt, die Stadt aber ganz und gar nicht? Doch die beiden haben eine solche Freude mit ihrer falschen Erkenntnis, dass diese beinahe ansteckend ist. Wir fliegen noch weitere 20-25 Minuten, dann sind wir da. Unser Signorino schläft immer noch. Auch, als der Römer ihn im Aussteigeprozess auf den Arm nimmt, döst er noch vor sich hin. Erst im Flughafengebäude wacht er auf und wundert sich etwas, was ihn aber nicht davon abhält, gleich auf den Boden zu wollen und davon zu düsen. „Rolltreppe!!“, ruft er euphorisch und läuft auf das Laufband zu. „Andiamo Rolltreppe!! [Gehen wir zur Rolltreppe!!]“, informiert er seinen römischen Papa, der ihm hinterherhechtet. Ich wundere mich hingegen, dass das Kind plötzlich Italienisch spricht.

Bei der Gepäckausgabe angekommen dauert es etwas. Signorino und ich warten auf dem kleinen Spielplatz. Das Kind ist, dank des Schläfchens im Flugzeug, vollständig aufgeladen und turnt überall herum. Dabei ruft er alle paar Sekunden „MAMA!!! MAMAAAA!!“. Zum Glück kommt unser Gepäckstück rasch an, so dass wir zum Zug gehen können. Der Weg dorthin ist echt lang geworden. Aufzug – Laufband – Laufband – Laufband – Laufband. Signorino ist im Glück. Auf dem Koffer thronend, hält er sich am Gestänge des selbigen fest und lässt sich von Laufband zu Laufband kutschieren, was er immer wieder mit seinen „Andiamo Laufband!“-Rufen unterstreicht. Schlussendlich sitzen wir im Zug und lassen uns allesamt durch die Gegend schaukeln. Signorino will gerne im Zug herumlaufen. Wir haben einige, sehr ernste Diskussionen und er findet uns Eltern fürchterlich, was er lautstark äußert. Ich atme viel in den Bauch hinein, um mich zu beruhigen. Als wir am Bahnhof Trastevere ankommen, wollen wir die Tram 8 nehmen, doch diese operiert momentan nicht, so dass wir den Autobus 8 nehmen. Auch gut. Wir quetschen uns in den Bus. Das Kind kreischt panisch auf als ich ihn auf einen leeren Sitzplatz setzen will. Schlussendlich setzen wir ihn wieder auf unseren Übersee-Koffer und stemmen uns mit unserem Körpergewicht dagegen, damit das Gepäckstück nicht mitsamt Kind umfällt.

Endlich kommen wir an der Unterkunft an. Das Vermieter-Pärchen erwartet uns und erklärt uns alles in einer sehr langatmigen Infoveranstaltung. Wir nicken viel, stellen keine Fragen, damit diese Veranstaltung nicht unnötigerweise in die Länge gezogen wird und schließen die Türe am Ende hinter uns zu. Der Römer schwankt zum Bett und legt sich schweratmend auf selbiges. „Oh dio! [Oh Gott!]“, spricht er ganz leise und jämmerlich. Er sieht aus wie das Betttuch: kalkweiß. „Ich habe einen Migräneanfall. Ich dachte, ich werde ohnmächtig, während sie redeten.“, murmelt der Gatte. Ich hole Wasser, zuckrige Snacks und mache einen Kaffee. Das Kind steigt derweil die wohnungsinterne Wendeltreppe hoch und runter. „Andiamo hoch. [Gehen wir hoch.]“, informiert der kleine Kerl uns, um danach „Andiamo ‚unter.“ zu rufen. Ich versuche den Römer wieder aufzupäppeln und frage, ob es so schlimm ist, dass wir einen Arzt brauchen. „No, no, es geht schon wieder.“, spricht er und ich halte ihm einen feuchten Lappen in den Nacken. Wieder ertönt ein „Andiamo hoch.“ mit glockenheller Stimme und der Kleine stampft die Treppe hoch. Mühsam steht der Römer auf und holt sich eine Migräne-Tablette aus seinem Rucksack. Dann schwankt er an Signorino vorbei, hoch ins Bad, und bleibt dort 10 Minuten. Mir erscheint die lange Zeit komisch und so frage ich kurz nach, ob alles ok ist. „Si, si. [Ja, ja.]“, antwortet der Gatte und scheint etwas vitaler zu sein. Kurz darauf kommt er zurück und sieht nur noch mittelblass aus. „Wollen wir Pizza holen?“, will er von mir wissen. „Klar, soll ich gehen?“, hake ich nach. „Andiamo pizza!!!“, ruft der Kleine und hechtet eilig zur Tür. Anscheinend gehen wir alle zusammen. Wir machen noch ein Foto des Tür-PINs und gehen los. Eine bunte Auswahl an Pizzastücken später, erklimmen wir die drei Stockwerke zu unserer Ferienwohnung. Einen Aufzug gibt es nicht. Der Römer schleppt die Pizza. Ich schleppe Signorino, der ab dem 1. Stock nicht mehr gehen mag. Oben angekommen gibt der Römer den Türcode ein, es piept, es blinkt, doch nichts geschieht. Wieder und wieder gibt er den immergleichen PIN ein, die Tür klackt ein Mal kurz, nur um sich dann wieder nicht zu öffnen. Wir rütteln an der Tür, geben noch zehn weiter Male den Code vom Foto ein, doch es bewegt sich nichts. Signorino zerrt an meiner Hand, denn er will wieder nach unten gehen. Wir gehen ein halbes Stockwerk nach unten, dann ruft das Kind „Andiamo hoch. [Gehen wir hoch!]“ und wir tapsen wieder nach oben. Beim Hochgehen bemerke ich all die Schilder, die auf Englisch und Italienisch den geneigten Gast dazu anhalten, bitte im Treppenhaus RUHE!! zu geben. Signorino brüllt durchs Treppenhaus, lacht, ruft „Pizza! Pizza!“ und „Andiamo ‚unter!“. Immer wieder piept die PIN-Anlage der Tür, doch sie bleibt verschlossen. Man hört Geräusche aus der gegenüberliegenden Wohnung, auf der ein weiteres, knallrotes Schild mit weißer Schrift „SILENCE!!!“kreischt. Rasch wird diese aufgezogen. Eine ernste Frau mit rotem Haar und strengem Blick steht mit ihrem Hund in dieser und starrt uns an….

[Fortsetzung folgt]

Und zurück auf Anfang – das Urlaubstagebuch

Sie haben Teil 1 und Teil 2 verpasst?

Samstag, 20.08.2022

Das Kind ist immer noch krank. Das Fieber ist leider nicht verpufft, sondern klebt an dem kranken Kind wie Pech. Es ist nicht so hoch, um panisch ins Kreiskrankenhaus zu fahren, aber doch so hoch, um den Flug für heute Abend auf Morgen umzubuchen. Dazu sitzen wir in Bayern fest und können nicht vor und nicht zurück. Die Nerven liegen blank, es knarzt nicht nur im Gebälk zwischen dem Römer und mir, nein, das ganze Gebälk knackt und kracht lautstark. Seit drei Jahren war keiner mehr von uns in einem richtigen Urlaub, was durchaus auch als Luxusproblem zu werten ist. Es gibt deutlich Schlimmeres in der Welt, aber jetzt gerade im Souterrain-Gästezimmer fühlt es sich furchtbar schlimm an. Dazu klammern wir uns seit Dezember letzten Jahres an diesen Urlaub wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. All die Arbeitsbelastung, das Studium, die Demenz meines Vaters, die schwachen Nieren des römischen Vaters, dazu die Lieblingstante des Römers, die verstorben ist und in den ersten beiden Signorino-Lebensjahren einen Schrei-Signorino, der nicht müde zu bekommen ist, ließen uns wenig Zeit für Mußestunden. Gelinde gesagt gingen wir vor dem Urlaub auf dem Zahnfleisch und hatten alle Hoffnungen auf diese Tage am Meer gesetzt, die letztendlich nicht angetreten werden können.

Nach dem Gewitter ist der Himmel immer einzigartig, finden Sie nicht auch?

Schweren Herzens stornieren wir alle Bestandteile der Reise. Das Kind will nur noch im Keller respektive Gästezimmer sitzen und weder ins ebenerdig gelegene Wohnzimmer, noch in ein anderes Zimmer im Haus seiner Oma. Signorino schreit lange und ausdauernd, findet alles blöd, weint viel und hängt wie ein lauwarmer Schluck Wasser im Bett. Am Ende essen meine Mutter, bei der wir zu Gast sind, und ich im Keller Pizza. Auf die Bettkante gequetscht sitzen wir da und kauen stumm vor uns hin, während das Kind sich endlich beruhigt und erschöpft einschläft. Vier Stunden ist er im Reich der Träume, dann ist das Fieber Geschichte. Trotz eingeschaltetem Babyphone kontrollierte ich stündlich, ob alles okay ist, denn vierstündige Mittagsschläfchen sind wir definitiv nicht mehr gewohnt. Als Signorino seine Augen aufschlägt, ist er quietschvergnügt. All die Tage zuvor scheinen vergessen zu sein.

Am Ende liegen noch eineinhalb Wochen Freizeit vor uns, die gefüllt werden möchten.

Wir starten langsam und beschließen am nächsten Tag heimzufahren. Signorino ist zwar symptomfrei, aber ab und an knatschig. Vermutlich war die letzte Woche schlichtweg zu viel für ihn. Als wir am Frankfurter Hauptbahnhof stehen und auf unsere S-Bahn warten, ist das Kind so quengelig, dass wir ihm einen Schokoriegel geben. Die Mutter vor uns mit den zwei blond bezopften Mädchen im Kindergarten wirft uns einen Blick zu, der Stahl schneiden könnte. Es scheint in diesem Moment, als bestünde das größte Problem des Frankfurter Hauptbahnhofes darin, dass ich Schokolade an einen Minderjährigen aushändige. Ein Glück fahren wir mit der gleichen S-Bahn und so kann uns die andere Erziehungsberechtigte der beiden Mädchen noch ein wenig weiter anstarren, während Signorino seinen Nachmittagssnack mit „Mmhh! Lecker! kommentiert.

Daheim angekommen, stelle ich fest, dass unsere Kreditkarte eine Reiserücktrittsversicherung beinhaltet und so rufen wir am Montagmorgen beim Kinderarzt an. Er könne für Samstag, den Tag, an dem wir storniert haben, keine Bescheinigung ausstellen. Wir hätten zum ärztlichen Notdienst gehen müssen, wenn wir für diesen Tag eine Bescheinigung gebraucht hätten. Unsere Kinderärztin könne uns nur eine Bescheinigung für Montag ausstellen und darauf schreiben, dass Signorino seit Sonntag an Fieber litt. Ich schreibe die Stornokosten bereits gedanklich ab.

Bei aller Liebe, aber 40 Minuten ins nächste Kreiskrankenhaus zu fahren, um dort drei Stunden mit fieberndem Kind zu warten, mache ich nicht. Dem Kind wäre damit nicht geholfen gewesen und bei uns lagen die Nerven eh schon blank. Zum Glück konnten wir den Mietwagen und die Flüge kostenlos stornieren, wodurch es im Geldbeutel zwar ordentlich weh tut, aber wir nicht dazu gezwungen sind, über einen Banküberfall nachzudenken.

Nachdem dieser Punkt semizufriedenstellend geklärt wurde, herrscht daheim erst einmal Ratlosigkeit. Alle sind gesund, alle sind genesen und irgendwo möchten wir dann doch hin. Nein, im August in Frankfurt zu sitzen stellt keine wirkliche Option dar. Schnell bestätigt sich meine Annahme: Überall am Meer ist es unbezahlbar. Wir wissen nicht was wir tun sollen und entscheiden uns kurzerhand für die Nebensaison in Italiens Hauptstadt Rom. Die Ferienwohnungen werden einem im August förmlich nachgeworfen, wobei sich die Touristenanzahl gleichzeitig in Grenzen hält. Dazu werte ich es als Vorteil, dass wir die Stadt so gut kennen, dass wir nicht lange nach Restaurants und Cafés suchen und auch nicht auf Teufel komm raus Fotos vor dem Kolosseum schießen müssen. Alle bekannten Sehenswürdigkeiten haben wir bereits Jahre oder Jahrzehnte vor Signorinos Geburt abgedeckt.

Wir klicken auf „Buchung bestätigen“. Ha! Was soll bei unserer Reiseplanung jetzt noch schief gehen? 😉

Im Auge des Sturms – das Urlaubstagebuch

Sie haben den ersten Teil verpasst? Lesen Sie gerne hier nach.

Freitag, 19.08.2022

Der Teufel ist ein Eichhörnchen. Natürlich hält die Ruhe nicht an.

Landeanflug auf Tirana während das Gewitter sich hinter den Bergen staut. Leider war der Anflug ohne uns.

Das Kind fiebert nach einer langen Woche in Bayern. Bereits in der Nacht mache ich mir Gedanken, wie es mit unseren Urlaubsplänen weitergehen soll. Der Mietwagen ist seit Dezember 2021 gebucht, die Unterkunft seit Juni. Alles ist in Stein gemeißelt. Jede Änderung der Mietwagenbuchung gleicht einer Neubuchung und ist unbezahlbar und „auf Anfrage“, wie mehrmals betont wird. Gerade steige ich aus meinem Gedankenkarussell aus und will einschlafen, da weckt mich der Römer mit einem „Ehi! Il bambino sta male. [Hey! Dem Kind geht es schlecht.] Es hat Fieber. Was tun wir jetzt?“. Es war 2 Uhr nachts. Das fiebrige Kind schläft. Was soll es da schon zu tun geben? Schlaf ist schließlich die beste Medizin. Morgen würden wir weitergucken.

Fieberzäpfchen mussten wir noch nicht geben. Zum Glück.

Der Römer rollt sich zusammen und schläft laut schnarchend ein. Ich liege abermals 2 Stunden mit offenen Augen wach und denke darüber nach, wie das werden soll, fernab von daheim, in Bayern mit kranken Kind. Mit Fieber würden wir nicht reisen können – weder nach Hause, noch woanders hin. Irgendwann döse ich ein und schrecke doch wieder mehrmals hoch.

Am Morgen frühstücken wir, dann sondieren wir die Lage. Nach einem ewigen Hin und Her entschließen wir uns, die Flüge auf den nächsten Tag umzubuchen. Vielleicht wird das Fieber bis dahin weg sein? Somit verkürzt sich nur der Verwandtenbesuch in Albanien, da wir Mietwagen und Unterkunft erst für einige Tage später gebucht haben.

Hoffen wir, dass Signorinos Fieber so schnell verschwindet wie es gekommen ist.