Kundenservice-Krimi: Die Antifalten-Creme, die mich faltig machte

Das Kind war krank und schlief nicht gut. Ich war müde, konnte nicht studieren und der Haushalt blieb liegen. Was liegt da also näher, als sich selbst belohnen zu wollen? Ich klickte mich gelangweilt durch meine E-Mails und war unterbewusst auf der Suche nach ein bisschen kommerziellem Konfetti in meinem Postfach. Und tada! Hier bot sich auch schon die Möglichkeit. Der Hersteller einer sehr, sehr teuren, aber extrem guten Creme warb dafür, dass man einen dreistelligen Betrag ausgab und – halten Sie sich fest – eine ebenfalls verboten teure Augencreme gratis dazu bekam. „Na, wenn das kein Schnäppchen ist, dann weiß ich auch nicht!“, dachte ich schlaftrunken und mein Belohnungssystem im Kopf lief schon mal heiß.

Klick – klick – „MAMA!!!!“ – „Ja, Signorino?“ – „KOMM MAL!!“ – kurze Pause – Signorinos Problem wurde gelöst – weitaus enthusiastischeres Weitergeklicke – Doppelklick für die Zahlungsmodalität – Fertig.

„Herzlichen Dank für Ihre Bestellung! Sie wird in Kürze versandt.“

In meinen Gedanken sah meine wintergestresste Haut ungefähr so aus wie diese dahin scheidende Orchidee

Die Stunden vergingen. Signorino ging es langsam besser und so konnten wir eine Runde bei milden Temperaturen durchs Viertel rollern. Mein Gehirn wurde langsam etwas klarer und so dämmerte mir, dass ich diese unbeschreiblich teure Gesichtscreme doch gar nicht brauchte. Gerade, weil ich meine Arbeitsstunden zu Gunsten meines Studiums heruntergeschraubt hatte, würde mein Kontostand diese Creme nicht verzeihen wollen. Als der Römer von der Arbeit heimkam – das beinahe genesene Kind schleckte gerade ein Eis – fragte ich ihn nach seiner Meinung zu meiner Bestellung. Auch er schätzte die Creme sehr. Nur der Preis wäre hinsichtlich der aktuellen, finanziellen Situation doch deutlich zu hoch.

So deckte sich unser Eindruck und ich wurde tätig: Nur wenige Stunden nach der Bestellung suchte ich nach einer Möglichkeit, die Bestellung zu stornieren bzw. zu widerrufen. Nachdem ich keine derartige Möglichkeit in meinem Online-Konto fand, las ich mich in AGBs und Widerrufserklärungen ein und schrieb schließlich eine E-Mail.

„Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit widerrufe ich meine Bestellung XY. Ich hoffe, sie ist noch nicht versandt. Mit freundlichen Grüßen, Eva Farniente.“

Fertig. Am Freitagabend würde wohl nicht mehr viel passieren, aber vielleicht am Montag.

Dem war auch so. Ich bekam eine E-Mail am Montagmorgen:

„Hallo Liebes, ich habe deine Bestellung soeben storniert. In den nächsten Tagen erhältst du den Betrag zurück auf deine Kreditkarte. Liebe Grüße, Jasmin“ [Original, nichts wurde an dieser E-Mail geglättet]

Verstehen Sie mich richtig, ich bin durchaus strapazierfähig. Bestimmte Geschäftspartner:innen können mich duzen, wenn es denn sein muss. Zum Beispiel das schwedische Möbelhaus. Zugegeben, hier liegt eine enge Beziehung vor, da mich das schwedische Möbelhaus jedes Mal, dank orangefarbenem Mitgliedsausweises, auf einen Kaffee einlädt. Wir sind freundschaftlich verbunden, könnte man sagen. Und so sehe ich großzügig darüber hinweg, dass ich als zahlende Kundin sprachlich behandelt werde wie ein Grundschulkind.

Trotzdem habe ich bei dieser mich duzenden Firma gerade eine Anti-Falten-Creme für sauteures Geld bestellt. Man möchte also annehmen, dass ich 1. eine geschäftsfähige Kundin und somit kein Kind mehr bin und 2. in einem faltenfähigen Alter bin. Also jenseits meiner 20er Jahre. Und besonders möchte ich nicht mit „Hallo Liebes“ angesprochen werden, wenn wir nicht mindestens Verwandte zweiten Grades sind oder die Dame vom Kundenservice zur erweiterten Familie meines Mannes gehört. Solange bin ich „Sehr geehrte Frau Farniente“ oder, wie oben erwähnt “Hej Eva“, wenn man mich zum Kaffee einlädt.

Mit Kaffee kriegt man mich ja immer.

Aber gut, wer will so kleinlich sein? Ich bedankte mich bei Jasmin und der Fall war für mich erledigt.

Dachte ich! Doch jetzt sollte die Geschichte erst richtig Fahrt aufnehmen.

Die Postbotin klingelte am Nachmittag des gleichen Tages bei mir. „Päckchen für Sie!“, rief sie durch die Gegensprechanlage und ich flitzte zerzaust mit Pantoffeln, schrägem Dutt und ausgewaschener Jeans nach unten. „Hier, bitteschön! Tschühuuus!“, flötete sie und ließ mich mit einem weißen Karton zurück. „Sicher die Kinderkleidung für Signorino, die ich günstig bei Kleinanzeigen erwarb.“, murmelte ich und las mir treppensteigend den Empfänger durch. Es war die Antifalten-Firma. Mist! Aber Jasmin hatte mir doch heute Vormittag versprochen, dass sie alles stornieren würde!

Wieder recherchierte ich auf der Website dieser Münchner Anti-Falten-Firma und wieder fand ich keine Antwort auf meine Frage. Das spricht grundsätzlich für ein Produkt. Wer schickt schon Anti-Falten-Creme zurück? Also schrieb ich Jasmin, dass das Paket widererwartend bei mir angekommen sei und fragte, wie ich es am besten zurückschicken könne.

Der Römer kam am Abend heim und neugierig betrachtete er das Paket. „Super-Retinol“ stand auf der Creme. „Beim letzten Mal fragten meine Kollegen mehrmals bei mir nach, ob ich nicht Botox benutzt habe.“, schwärmte er und ich merkte an seinem verträumten Blick, dass er das Produkt sehr gerne behalten wollen würde. Doch das Geld für die Faltenbehandlung der Familie Farniente floß leider schon in mein Fernstudium. Faltig, aber gebildet werden wir sein, wenn ich meinen Bachelor of Science in Journalismus in der Tasche habe. So schüttelte ich meinen angehenden, klugen Kopf: „Nein, die Creme wird zurückgeschickt. Hilft ja nichts!“, sprach ich und der Römer ging mit gesenktem Blick ins Bad zum Händewaschen.

Derweil ließ Jasmins Antwort zwei Tage auf sich warten: „Sehr geehrte Frau Farniente, im Anhang finden Sie den Retoureschein. Bitte geben Sie uns Bescheid, sobald Ihr Paket mit Hilfe Ihrer Trackingnummer verfolgt werden kann, bei uns angekommen ist. Dies ist wichtig, damit wir uns um Ihre Rückerstattung kümmern können. Mit freundlichen Grüßen, Jasmin.“ [Das ist die Originalnachricht. Ich habe sprachlich nichts daran geglättet. ]

Vermutlich werden Sie, so wie ich, über den zweiten Satz gestolpert sein. Ich habe ihn mir so erschlossen, dass ICH ihr Bescheid geben soll, sobald das Päckchen von meiner Seite aus bei der Postannahmestelle eingeliefert wurde. Die zweite Interpretationsmöglichkeit wäre, dass ich monitoren soll (wie man Neudeutsch so schön sagt), wann das Paket denn bei der Firma angekommen sein wird und dann würde ich Jasmin Bescheid geben. Mir erschien die erste Variante schlüssiger: Ich muss der Firma doch nicht Bescheid geben, wann es bei eben dieser angekommen ist? Das werden die Mitarbeitenden doch selber feststellen, sobald der Postbote klingelt? Ich brachte mein Paket zur Packstation und schrieb Jasmin, dass das Päckchen sich auf dem Weg zu ihr befindet.

Nicht im Umzugskarton, aber in einem kleinen, handlichen Karton ging die Sendung zurück.

Nichts geschah. 1,5 Wochen passierte rein gar nichts. Keine Rückbuchung, keine Antwort, keine Postkarte mit netten Wünschen, niente, nada, zero. Also fing ich mit Variante zwei an und überprüfte, wann das Paket bei Jasmin angekommen sein musste. Und siehe da – es kam einen Tag nach meiner Einlieferung in ihrer Firmenzentrale an. Ich rechnete ein paar Tage dazu, denn schließlich dauert es bis Retouren bearbeitet sind. Trotzdem, auch mit meiner großzügigen Berechnung, machte Jasmin keinen Pieps. Auf meiner Kreditkarte fehlten weiterhin knapp 300 Euro (Ja, so verboten teuer war die Creme! Deswegen habe ich sie auch zurückgeschickt!), ich war immer noch faltig und noch dazu nicht wirklich gebildeter, da die Rücksendung so viel Raum einnahm, dass ich kaum zum Studieren kam. 😉 Gut, der letzte Punkt war geflunkert.

Ich entschied mich dazu, Jasmin nochmals zu schreiben. „Hallo Jasmin, wann kann ich mit einer Rückbuchung des noch ausstehenden Betrages auf meine Kreditkarte rechnen? Das Paket kam vor über einer Woche in der Firmenzentrale an. Mit freundlichen Grüßen, Eva Farniente.“

Es passierte, Sie ahnen es bereits, erst einmal nichts. Mittwoch, Donnerstag und Freitag verstrichen, dann kam die nächste Woche und die Woche darauf. Keine Antwort!

Mittlerweile waren seit meiner Bestellung vier Wochen verstrichen.

Ich schrieb wieder. Diesmal deutlich emotionaler. In meinem Studium lernte ich unlängst, dass eine hohe Emotionalisierung zu einer gesteigerten “Engagement-Rate” führt. Das bedeutet, dass die Empfänger dieser Nachricht deutlich häufiger reagieren, wenn etwas sehr emotional verfasst wurde und bei ihnen ebenfalls eine hohe Emotionalität weckt. Zugegeben, es betrifft nur soziale Netzwerke, aber wer weiß? Vielleicht springt Jasmin auch darauf an?

Hohe Emotionalisierung wirkt ja oft Wunder. Nicht nur in Social Media.

Und so war es: Jasmin antwortete innerhalb einer Stunde. Sie entschuldigte sich und gab den Staffelstab an das Logistikunternehmen weiter. Diese wären dermaßen überlastet ob der vielen Rücksendungen, dass sie noch keine Rückmeldung erhalten habe. Aber, es gäbe da noch eine andere Möglichkeit. Sie würde sich persönlich bei dem Unternehmen informieren, ob mein Päckchen vor nunmehr 2,5 Wochen angekommen sei.

Ich fragte mich ernsthaft, wer außer mir sauteure Kosmetik zurücksendete. Aber gut, was weiß ich schon von der Kosmetikbranche?

Nach einer weiteren Stunde antwortete Jasmin nochmal. Das Paket wäre beim Logistikunternehmen angekommen, die Kosmetikartikel seien unbenutzt. Sie würde Sorge dafür tragen, dass das Geld zurück gebucht werde.

Ich bedankte mich herzlich und überwachte mein Kreditkartenkonto.

Am nächsten Tag verbuchte mein Konto 260 € von ursprünglich gezahlten 269€. Ich atmete tief durch, nahm mir wieder die AGBs vor und las, dass sie mir bei einer Rücksendung die Kosten abzüglich der entstandenen Versandkosten berechnen werden. Von welchem Betrag wir hier sprachen, erschloss sich mir nicht.

Sogleich wollte ich wieder eine E-Mail mit hoher Emotionalisierung schreiben, denn schließlich fehlten mir 9€ und ich wurde nicht darauf aufmerksam gemacht, aber ich gab auf. Meine Lebenszeit gibt mir niemand zurück. 9€ sind 9€, aber seit mehr als einem Monat schrieb ich mit Jasmin und verschwendete Energie und Nerven. Ich verbuchte es als Lehrgeld.

Nächstes Mal überlege ich fünf Mal, bevor ich voreilig bestelle, wenn das Kind krank ist und ich seit Tagen nicht ordentlich geschlafen habe. Oder ich stelle das Internet ab. Auch das wäre eine Lösung.

21 Kommentare

  1. Herzallerliebst))) Auch, das sogar der Mann Interesse am Produkt zeigt. 🙂
    Aber die Hauptsache ist wirklich die Einsicht, dass das Unternehmen ‚Liebchen Jasmin‘ endlich beendet ist, da gebe ich dir recht, Eva.
    Viele ungeglättete Grüße Bea

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    • Gerade der Mann zeigt Interesse, muss ich noch einwerfen. 😄
      Ich bin auch froh, dass ich diese Brieffreundschaft mit Jasmin-Liebes beenden konnte. Meine Haut atmet auf. 😄
      Danke dir, liebe Bea! Liebe Grüße und rutsch gut in diese hoffentlich sorgenfaltenfreie Woche, Eva

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  2. Tja,
    manchmal ist billig kaufen dich besser.😉
    Aber wir kerben alle aus unseren Fehlern.
    Ich hab gerade ähnliche Probleme mit dem Fanartikel Versand von Truck Stop.
    Mein Einkauf kam hier nie an und ich schrieb gestern eine Email an SIE.
    Bin gespannt ob ich nun mein Geld wieder bekomme oder ich meinen Pin und den Magneten noch mal bekomme.
    Soll angeblich am 16.02.abgeschickt worden sein.😉
    Schönen Sonntag Dir/Euch noch.

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    • Aber hallo, liebe Anneeulia! Das war eine tolle Lektion und ich schätze meine vor Ort erworbene Drogerie-Creme nochmal deutlich mehr. Kein Nachhaken, keine E-Mails, keine Versandlabel. Nur ich und meine Creme. 😄
      Das ist ja ärgerlich! Ich drücke dir alle Daumen, dass die Sache gut ausgeht und du den Pin doch noch erhältst, oder zumindest dein Geld.
      Komm gut in diese neue Woche, ohne Sorgenfalten und hoffentlich bald mit dem Pin! 🎉 Liebe Grüße, Eva

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  3. Hast noch Glück gehabt. All der Kram hilft eh nix. Ob überteuert oder nicht. Gene kann man nicht überlisten … Bist aber eh sehr fesch, wie ich irgendwann mal erspäht habe. … Schönen Sonntag Liebes … :-))

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    • Da hast du auch wieder recht,
      liebe Lore. Es gehört halt dazu, dass man nicht mehr aussieht wie Mitte 20. Meine Lektion habe ich gelernt, hoffe ich. 😄 Und danke dir!
      Hab einen feinen Rest-Sonntag und rutsch gut in die neue Woche – ohne Sorgenfalten u. mit ordentlich Elan. 💪🏻 Alles Liebe, Eva

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  4. Mir ist in letzter Zeit Werbung für eine Jasmin-Wunder-Creme auf dem Smartphone-Bildschirm aufgepoppt. Hat Jasmin womöglich den Kundendienstjob geschmissen und sich selbständig gemacht, nach dem Stress, den du ihr mit deiner Hartnäckigkeit bereitet hast? 😉
    Schön, dass du die Gutschrift bekommen und eine potenzielle Sorgenfalte weniger hast. Starte bitte faltenfrei entspannt in die neue Woche! Liebe Grüße Anke

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    • Es wäre Jasmin zu wünschen, liebe Anke. 😄 Aber kaufen möchte ich bei ihr nicht mehr, sofern sie weiterhin den Kundenservice betreut.
      Danke dir, das wünsche ich dir auch! Ich bin gespannt, welches Abenteuer du nächste Woche erlebst. Hoffentlich ohne Sorgenfalten und Stirnrunzeln! 😄 Viele, liebe Grüße, Eva

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  5. Wieder eine unglaubliche Geschichte, mitten aus deinem Leben mein Liebes ;-)

    Es gibt übrigens wirklich Shops, die € 9,- als Versandkostenpauschale erheben. Lohnt sich also wirklich nicht in dem Punkt nochmal nach zu fragen – es sei denn du möchtest noch eine weitere Falte …

    Ich wünsche dir einen faltenfreien Sonntag.
    Trude

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    • Danke dir, Liebes! 😂
      Ach Trude, ich bin froh, dass ich diesen Shop hinter mir gelassen habe. Die Versandkostenpauschale kann ich absolut nachvollziehen. Dem Unternehmen sind natürlich Kosten entstanden. Aber mir wäre es lieb gewesen, wenn es irgendwo gestanden hätte, damit ich hinterher nicht meine Stirn runzeln muss, wo denn die 9€ geblieben sind. 😄
      Komm gut in diese hoffentlich faltenfreie Woche und liebe Grüße, Eva

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    • Und recht hast du damit, liebe Gerda. Vor Ort im Laden hätte ich vermutlich keine sauteure Creme gekauft, denn alleine auf dem Weg dorthin wäre der Groschen gefallen, dass das nun wirklich dämlich ist. Und somit hätte ich mir die Brieffreundschaft mit Jasmin und die Sorgenfalten sparen können. Aber jetzt bin ich klüger. Das ist ja auch etwas wert. 😄
      Komm gut in eine hoffentlich sorgenfaltenfreie Woche und liebe Grüße, Eva

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  6. Ich lasse mich auch von Zeit zu Zeit zu einem Kaffee von diesem Elch – die Älteren werden sich erinnern! – einladen. Ein Stück Kuchen für 1.50 € leiste ich mir gerne dazu. Das lässt uns das Leid, dass wir in den Warteschleifen der Hotlines oder im Verhandeln mit dem Kundenservice erlitten haben, fast vergessen. Fast.

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