Albanien: S’ka problem

Albanien: S’ka problem

„Albanien? Jaja, irgendwo im Balkan. Die sprechen wie alle anderen da unten.“ Die Meinung hoert man gerne und oft. Klar, woher sollte man auch wissen, dass die Sprache so gar nichts mit den anderen slawischen Sprachnachbarn zu tun hat?

Es ist viel mehr eine eigene Sprache, die im Laufe der Zeit aus altgriechisch, lateinischen, türkischen, später italienischen und französischen Einflüssen ergänzt wurde. Die Albaner sind sehr stolz auf ihre Sprache, erwarten aber nicht, dass sie irgendwer außer ihnen lernen müsste. Vielmehr sind sie überglücklich, wenn man dann doch 1-2 Wörter kann, zeigt es doch, dass man sich interessiert.

Dennoch: Das wichtigste Wort ist nicht etwa Po (und hierbei ist nicht das Hinterteil eines Lebewesens gemeint, sondern es bedeutet schlichtweg Ja), sondern mirë (gut). Alles ist hier mirë. Es geht einem mirë. Einverständnis zeigt man mit mirë. Telefongespräche beendet man mit mirë. Gerne auch in der Kombination mit mirë, mirë, hajt. Auch wenn das Leben nicht immer mirë zu sein scheint, so ist die Grundeinstellung doch, dass sich die Angelegenheiten doch früher oder später zum Wohlwollen ändern. So könnte man sagen: Alles wird mirë am Ende.

Den zweithäufigsten Ausdruck bilden die beiden Wörter „s’ka problem“ (Kein Problem). Es gibt eigentlich nichts, was ein wirkliches Problem darstellen würde. Man findet für jede Aufgabenstellung eine Lösung. Und wenn man sie nicht alleine findet, dann kennt man jemanden, der wiederum jemanden kennt, der eine Lösung findet. Ein Land voller Probleme, in dem man dennoch den Ausdruck „s’ka problem“ wie eine weiße Flagge hervorhebt um zu symbolisieren, dass es irgendwie doch weiter geht – trotz Korruption, trotz mieser Politik, trotz Armut. „S’ka problem“ – wir kriegen das hin. Hier gibt es keinen Platz um zu verzweifeln. Wie in den letzten Jahrhunderten auch kommen die Albaner irgendwie durch. Ein Volk, das ständig von allen möglichen anderen Volksgruppen bedrängt wurde, aber trotzdem seine Sprache und seinen Dickkopf behält.

In die Knie gezwungen

Da schaukelt man nichts ahnend vom Supermarkt zurück, eine kleine Einkaufstüte in der Hand, schon wird man in die Knie gezwungen.

Zack, da war ich – eben noch aufrecht stehend – schon auf meinen Knien. Erst dotzte das linke Knie unsanft auf, dann das rechte, etwas sanfter. Außer ein paar Kiesel, die sich durch den Stoff gebohrt haben, ist nichts festzustellen.

Ganz panische Mutter, die ich bin (😉), machte ich mir natürlich Sorgen um den kleinen Bambino in seiner Fruchtblase. Der Römer half mir auf, besorgt, und wir stiegen die 3 Stockwerke hoch ins Feriendomizil am Meer. Schummrig war mir nicht.

Sogleich wurde ich von meinem ganz persönlichen medizinischen Fachpersonal (alias der Römer) auf die Couch verfrachtet und er fing an, mich an den Knien mit Desinfektionsmittel abzutupfen. „Hast du Schmerzen?“ fragte er immer wieder. „Nein, nein, ich bin egal. Aber meinst du dem Baby geht’s gut?“ fragte ich immer wieder. „Non ti preoccupare [Keine Sorge]. Dem Baby ist nichts passiert. Du bist in Zeitlupe auf die Knie. Das schüttelte das kleine Wesen in dir vielleicht etwas durch, mehr aber auch nicht.“

Ich tat das, was man nicht tun sollte: Ich googelte. Plazentaablösung! Fehlgeburt! Sofort ins Krankenhaus! waren die ersten Schlagwörter, die da auftauchten. Der Römer versuchte mich zu beruhigen. Während ich auf der Couch nach weiteren, schrecklichen Forumsbeiträgen suchte, ging bei Bambino die Post ab. Er zappelte und drehte sich, boxte und knuffte. „Alles gut, er bewegt sich!“ teilte ich dem Römer mit. „Solange du keine Schmerzen hast, keine Flüssigkeit oder Blut verlierst, dir nicht schwindelig, schlecht oder sonst irgendwas wird, ist alles in Ordnung. Wirklich!“ versuchte es der Römer weiter.

„Na gut, ich glaube dir.“ sagte ich schließlich. „Sei einfach ein bisschen vorsichtiger. Sonst müssen wir dich in Luftpolsterfolie einschweißen.“ sagte der Römer lachend. „Na gut… ich versuch’s.“

Und ich dachte, die Autofahrt ans Meer ist das gefährlichste in diesem Land. Ne, ne, meine Tollpatschigkeit ist das Risiko hier.

Na dann, auf fröhliche 10 Tage am Meer.

Vielleicht

Vielleicht.

Vielleicht wäre es ein guter Tag geworden, wäre ich heute nicht um 6:30 Uhr aufgestanden um einen Zahnarzttermin wahrzunehmen.

[ Vielleicht hätte ich dann aber auch 20 Minuten später nicht den ersten Morgenkaffee ganz in Ruhe trinken können, zufrieden auf unserem Balkon, dem Berufsverkehr lauschend. ]

Vielleicht wäre es ein exzellenter Tag geworden, wäre ich nicht um 6:35 Uhr mit dem großen Zeh gegen das Bernhardiner-Große Paket unseres Nachbarn gestoßen, der es seit 4 Tagen nicht abholt.

[ Vielleicht hätte dann mein Nachbar nachmittags aber auch keine riesen Tafel Schokolade aus der Schweiz für uns mitgebracht, weil wir immer seine Pakete annehmen und aufbewahren. ]

Vielleicht wäre es ein wunderbarer Tag geworden, wäre der Zahnarzttermin später gewesen und ich hätte mir die Fahrt im Beurfsverkehr sparen können.

[Vielleicht hätte ich dann aber auch kein Lächeln von dem 3-jährigen, dunkeln Lockenkopf in seinem Kinderwagen bekommen, der zufrieden seine Brezel mampfte und den die volle S-Bahn nicht im geringsten störte. ]

Vielleicht wäre es ein fantastischer Tag geworden, hätte ich nicht 40 Minuten beim Zahnarzt warten müssen.

[Vielleicht hätte ich dann aber auch nicht das Rezept abfotografieren können in der Zeitschrift, die ich genau deswegen seit Wochen suche]

Vielleicht wäre es ein gigantischer Tag geworden, hätte man nicht nach weiteren 10 Minuten festgestellt, dass ich zwar den Termin vor drei Monaten ausgemacht habe, aber genau heute die zusätzlichen Räume meines Zahnarztes bezogen worden sind, so dass an Behandlungen nicht zu denken ist.

[Vielleicht hätte ich dann aber auch nicht mit der netten Zahnarzthelferin geplaudert, die ich schon seit Jahren kenne und die mir wieder einige Neuigkeiten erzählt hat]

Vielleicht wäre es ein prima Tag geworden, hätte ich nicht mit dem Römer über ein Thema diskutiert, bei dem wir uns nie einig sind.

[Vielleicht hätte er mir dann aber auch keine pasta fredda als Friedensangebot gekocht]

Vielleicht wäre es ein spitzen Tag geworden, wäre mir nicht 10 Meter nach der Eisdiele mein Schoko-Eis runtergefallen. Auf meine weißen Stoffturnschuhe.

[Vielleicht hätte ich dann aber auch keinen Grund gehabt in das Schuhgeschäft nebenan zu gehen und ein super Paar reduzierte Schuhe zu kaufen]

Vielleicht wäre es ein famoser Tag gewesen, hätte der Postbote das schwere Paket nicht im Nachbarviertel abgegeben, sondern bei unserer Postfiliale, die wenige Meter entfernt ist.

[Vielleicht wäre dann aber Turtle nicht mit dem Auto vorbeigekommen um mich zu fahren und mir zu helfen, das Paket abzuholen. Vielleicht hätten wir dann auch nicht für einen kühlen Eistee gestoppt.]

Vielleicht.

Manchmal kann man nur die Augen schließen und tief durchatmen während man von anderen am Kinn gekratzt wird. Ooooooooom!

Liegt’s an mir?

Der Eine hat einen neuen Partner. Seit seiner komplizierten und kostenintensiven Trennung vor vier Jahren, habe ich besonders ihm einen neuen, passenden Partner gewünscht.

[Der Einfachheit halber heißt der neue Partner vom Einen einfach nur der Partner]

Im Dezember schien es so, als wäre er nach besagten vier Jahren fündig geworden. Er lernte jemanden kennen, der seit dem ersten Tag bei ihm wohnte. Aus einer Übernachtung wurden zwei, dann drei, dann vier… Selbst als der Eine auf Geschäftsreise war, blieb sein Partner in seiner Wohnung, obwohl er nur zwei Kilometer entfernt wohnte. Ich wurde gebeten, meinen Zweitschlüssel abzugeben, damit der Partner ihn haben konnte. Mir kam es nur seltsam vor, dass der Partner ab dem ersten Tag bei ihm zu wohnen scheinte. Mehr Zweifel hatte ich allerdings nicht. Die einen beginnen ihre Beziehung eben stürmisch, die anderen lassen es langsam angehen.

Im Juni, nach einem Streit, packte der Partner seine Koffer (mittlerweile hatte er fünf [!!] Koffer bei dem Einen) und verschwand in seine Wohnung. „Ich brauche Zeit für mich.“ gab er an. So plötzlich wie er selbstbestimmt eingezogen war, so plötzlich zog er aus.

Schon am Anfang kristallisierten sich viele Probleme bei ihm heraus: abgebrochene und wieder aufgenommene Psychotherapien, Drogen und Alkoholprobleme. Gleichzeitig war er beruflich äußerst erfolgreich und gefragt, hatte seine Finanzen im Griff und wirkte, von Außen betrachtet, sehr aufgeräumt.

Der Eine stellte nach und nach jedem seiner Freunde den Partner vor. Sein bester Freund (neben mir), obwohl sehr harmoniebedürftig und angenehm, stritt sich mit dem Partner. Ich fand es komisch, dachte mir aber nichts weiter dabei. Auch die harmonischte Person trifft vielleicht irgendwann mal auf jemanden, den er/sie nicht mag. Weitere Freunde lernten den Partner kennen. Ich hielt mich in der Zwischenzeit hinsichtlich eines Termins für das Kennenlernen sehr zurück, empfing den Einen trotzdem weiterhin bei mir zu Hause, wenn er seine Ruhe wollte. In seiner Wohnung konnte er damals vor dem abprupten Auszug des Partners nicht ungestört sein. Nachdem er sich regelmäßig über den Partner ausließ (keine drei Monate zusammenlebend und -liebend), fragte ich ihn ganz direkt: „Denkst du denn, das hat Zukunft?“ Er druckste herum, wollte sich aber auch nicht gegen den Partner entscheiden. Er ist eine treue Person und gibt ungern Sachen auf.

Irgendwann wollte ich diesen ominösen Partner kennenlernen, nachdem ihn schon alle anderen Freunde vom Einen kennengelernt hatten. Es war ein netter Abend, wir aßen auswärts, der Partner wirkte wie ein ernsthafter, junger Mann. Als ich danach noch einen kleinen Spaziergang vorschlug, druckste er herum und ich baute ihm eine Brücke: „Ich verstehe es total, wenn du müde bist. Du kommst ja gerade von der Arbeit.“

Dankend nahm er die „Hilfe“ zur Ausrede an und ich ging mit dem Einen allein spazieren. Nach 30 Minuten kam eine Nachricht bei dem Einen an: „Wann kommst du endlich nach Hause?!“ war darauf zu lesen – geschrieben natürlich von dem Partner. Ich machte mir meine Gedanken, behielt sie aber für mich. Nach weiteren 15 Minuten kam eine weitere Nachricht: „Ich will heute feiern gehen. Looos!“ stand auf dem Display des Einen. So müde war er also doch nicht. Der Eine fragte, ob es okay sei, wenn er nun langsam zum Partner zurückkehre und ich bejahte die Frage.

Am selben Abend gab es noch einen Streit, dass er so lange Zeit mit mir (45 Minuten) verbracht hatte. Am nächsten Tag wollte der Partner wieder seine Ruhe und zog sich zurück. Feiern ging man an diesem Abend übrigens auch nicht, weil es keine geeigneten Partys gab.

Gestern sollte ich den Hausschlüssel vom Einen zurückbekommen, da die beiden ein paar Tage in den Urlaub fahren und ich Blumen gießen sollte. Da wir beste Freunde sind, komme ich nicht nur schnell vorbei um den Schlüssel abzuholen, sondern bringe meist noch -je nach Tageszeit- Brötchen für ein spätes Frühstück mit. So auch gestern.

Während wir aßen und plauderten, guckte der Eine immer wieder entnervt auf sein Handy und tippte hektisch darauf herum. Ich wusste, dass der Partner gleich vorbeikommen sollte, sodass die beiden dann zwei Stunden später in den Urlaub konnten. Nach einer Weile fragte ich ihn, was los sei und er hielt mir sein Handy entgegen. Es wäre besser gewesen, es nicht zu lesen. Der Eine erzählte, dass ich hier sei und wir noch einen Kaffee zusammen trinken. Daraufhin kam: „Oh ok.“ vom Partner zurück.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“ fragte der Eine.

„Ach nichts. Ich hab nur keine Lust heute mit Leuten abzuhängen. (wie er es ausdrückte) Wenn ich ankomme, sage ich kurz <<Hallo>> und verziehe mich dann ins Schlafzimmer bis sie weg ist.“

Ich las den Text und musste schlucken. „Bin ich denn so schrecklich?“ fragte ich den Einen bedrückt. „Nein, ganz im Gegenteil.“ erwiderte er. (Ich war sichtlich erleichtert) „Es ist nur so, wenn du den Partner nicht tagelang vorher vorbereitest, dass da noch jemand anderes ist, kann er auf diese -für ihn- spontanen Besuche nicht richtig reagieren.“ Aha. Ich sehe mich als durchaus empathischen Menschen und machte das, was ich in der Situation für richtig hielt. Ich sagte dem Einen, dass ich dann lieber gehen würde, nachdem ich den Partner begrüßt hatte. So muss er sich nicht im Schlafzimmer verstecken. Drei Minuten später klingelte es, ich sagte <<Hallo>> und <<Tschüss>> und war weg. Der Eine bedauerte es und sagte: „Du musst doch noch nicht gehen.“ Aber ich wollte auch nicht, dass die den Urlaub streitend beginnen.

Sein Freundeskreis (inklusive mir) sieht, dass er nicht besonders glücklich ist in dieser Partnerschaft. Der Eine sieht auch, dass er nicht glücklich ist, aber das Leid ist noch nicht groß genug als dass er es beenden möchte.

Wir schauen mal, wo das alles hinführt.

Zeit zu verschenken

Das Zeitgefühl eines jeden Menschen variiert. Wie variabel es jedoch sein kann, erfuhr ich allerdings erst mit dem Römer. „Ich bin nur schnell fünf Minuten im Bad.“ sagte der Römer und schlängelte sich an mir vorbei. Unter dem Arm eine bekannte, italienische Tageszeitung. Da hätte ich schon skeptisch werden sollen. Wurde ich aber nicht. Stattdessen dachte ich, halb zurecht gemacht im Hausflur: „Na gut. Was muss, das muss! Fünf Minuten sind fünf Minuten.“

Wie falsch ich doch damit liegen sollte. Er meinte keine deutschen fünf Minuten. Er meinte italienische fünf Minuten. Nach 15 Minuten klopfte ich. „Scusa, amore! Ma devo uscire. [Entschuldige, Liebling! Aber ich muss aus dem Haus]“ sagte ich zaghaft. „Si, si, un attimo.“ [Ja, ja, einen Moment.] kam zurück. „Ein Moment ist ein Moment. Also maximal eine Minute.“ Wie man sich nur zweimal innerhalb so kurzer Zeit täuschen kann, ist selbst mir ein Rätsel.

Nach einem weiteren Moment hörte ich ihn wie er die Zeitung umblätterte.

Besser spät als nie: Meine Skepsis war geweckt. Ich wartete drei Anstandsminuten und klopfte wieder. „Senti, [Hör mal] mit einem Moment meintest du einen italienischen Moment oder einen deutschen?“ fragte ich ihn mittlerweile leicht knurrend.

„Die Definition von Moment ist doch überall gleich.“ antwortete er gelangweilt und blätterte anscheinend wieder um.

„Ein Moment inkludiert im Deutschen nicht das 20-minütige Zeitung lesen im Bad während ich in fünf (!) echten, deutschen Minuten aus dem Haus muss. Ein Moment„, fuhr ich weiter fort, „ist ein kurzer Augenblick. Eine geringe Zeitspanne. Die Zeit, die es braucht, die Aktion, die du gerade ausführst, zu Ende zu bringen und dich dann den angeforderten Belangen zu widmen.“ erklärte ich ihm ausführlich.

„Si, sto per finire.“ [Ja, ich bin gerade dabei fertig zu werden] meckerte er und man hörte wie er die Zeitung beiseite legte.

Ich seufzte und setzte mich ins Wohnzimmer. Ich schrieb dem Anderen: „Es tut mir Leid, es wird etwas später. Rechne mit 10-15 Minuten. Die italienische Zeitangabe geht nicht einher mit meiner deutschen.“

Nach weiteren fünf Minuten kommt der Römer gut gelaunt aus dem Bad. „Also, ich weiß gar nicht, was du hast? Du stehst ja wirklich mit der Stechuhr vor der Tür und achtest haarklein darauf, dass es fünf Minuten sind. Fünf Minuten e‘ solo un detto. [Fünf Minuten sagt man doch nur so] Genau wie „einen Moment, bitte“. Das ist doch nur eine Floskel für „es kann noch dauern„.“

„Im Deutschen nicht!“ setzte ich ihm entgegen, mittlerweile im Bad angekommen und mich zu Ende schminkend. „Siete troppo precisi!“ [Ihr seid viel zu genau], gab der Römer zurück, „Deswegen seid ihr auch so angespannt. Zeit ist doch etwas fließendes, flexibles. Man darf sich auch überhaupt nicht ärgern, wenn jemand zu spät kommt. Er hat sicher seine Gründe. Du setzt dich einfach in ein Café und genießt das Vogelgezwitscher und die Sonne während du wartest. Du hast sozusagen, wartend, einen Moment Zeit geschenkt bekommen, nur für dich, ganz unerwartet. Ist doch toll?“

„So habe ich das noch nie gesehen.“ antwortete ich verdutzt. „Siehst du! Und jetzt hast du einen Moment Zeit geschenkt bekommen von mir und der Andere hat einen Moment Zeit geschenkt bekommen von dir.“ erklärte der Römer.

Mittlerweile fertig zurecht gemacht, nahm ich meine Tasche, zog meine Schuhe an und entgegnete: „Und jetzt bekommst du einen Moment Zeit geschenkt von mir. Nur du und der Abwasch. Genieß es, amore mio. A dopo! [Bis später]“

Zurück ließ ich einen verdutzten Römer. Zeit zu verschenken klappt gamz hervorragend.

Etwas Zeit in Vancouver – an der Dampfuhr.

Wie ich den Römer in den Keller jagte

Langsam aber sicher nimmt es überhand mit diesen Hormonen. Wobei ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob es tatsächlich die Hormone sind, auf die ich so gerne alles schiebe. Vielleicht werde ich einfach nur verrückt, jetzt, wo unser Leben langsam in geordneten Bahnen verläuft.

Es fing recht harmlos an. Ich las am Montagabend einen Artikel in einer deutschen Zeitung, dass es morgen zu heftigen Regenschauern kommen soll. „Überschwemmungsgefahr!!!“ stand da und die drei großen, schwarzen Ausrufezeichen schienen förmlich zu schreien. „Pfff!“ dachte ich mir. „Davon lass ich mir doch keine Angst machen. Überschwemmungsgefahr? In unserer Stadt? Aber sicher nicht. Wenn der Main überlauft, dann trifft es erstmal die Häuser in der ersten Reihe und bis das Hochwasser dann bei uns ist – ne, ne – das dauert.“ beruhigte ich mich und ging kurz darauf ins Bett.

Die Nacht war durchwachsen. Meine Blase weckte mich gefühlt jede Stunde viermal. Irgendwann hatte ich eine Verschnaufpause und schlief zumindest bis 6:30 Uhr durch. Dann meldete sich Blase mal wieder. Ich begab mich ins Bad. Dort dachte ich über den Überschwemmungs-Artikel in der Zeitung nach.

Plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen. „Oh nein, oh nein, oh nein! Wir müssen sofort in den Keller!!!“ schoss es mir durch den Kopf. Wie ich auf den Gedanken kam? Der Überschwemmungs-Artikel in Kombination mit den Regentropfen, die gegen die Jalousie prasselten, wäre es noch nicht gewesen. Es war viel mehr unser Kellerfenster.

Seit 2 Jahren ist es nun schon kaputt – also seitdem wir hier wohnen. Und vermutlich war es auch schon immer kaputt, aber es kümmerte sich keiner darum. Wir taten das ja nun auch nicht. Es gab auch nie Probleme. Es stand einfach immer angelehnt offen. Im Winter, im Sommer und auch in allen Jahreszeiten dazwischen. Niemand beschwerte sich.

Als ich aber im Bad war und darüber nachdachte wurde ich panisch. „Es regnet sicher rein. Der Keller läuft voll! Der ganze Keller. Und dann muss die Feuerwehr kommen und das Wasser aus dem Keller pumpen. Wir müssen den ganzen Hausstand unserer Nachbarn zahlen. Wir werden arm. Oh Gott, ich bin auch noch schwanger und wir sind hoch verschuldet, nur weil wir das Kellerfenster aufgelassen haben. Was mache ich jetzt? Ich muss den Römer wecken. Es geht nicht anders. Jetzt sofort!“

Und genau das tat ich. Ich schoss ins Schlafzimmer und rüttelte ihn am Arm: „Römer! Römer!!!! Aufstehen. Wir haben eine Katastrophensituation!!!“ eröffnete ich das Gespräch. Nicht der beste Satz um jemanden zu wecken. „Hm….“ war die erste Reaktion des Römers. Er versuchte sich umzudrehen und weiterzuschlafen. „Svegliatiiii!!!“ [Wach auf] versuchte ich ihn zu wecken. „Es wird eine Katastrophe passieren, wenn wir nicht sofort in den Keller gehen!“ herrschte ich ihn panisch an.

Er kam langsam zu sich. „Che è successo?“ [Was ist passiert?] fragte er schlaftrunken. „Wir müssen SOFORT in den Keller. Sofort! Der Keller läuft voll und das ist unsere Schuld. Alles ist unser Schuld. Und wir können den Schaden nicht zahlen. Er ruiniert uns.“ sprudelten die Wörter aufgeregt aus mir heraus. „Okaaaaaay…. quindi? Che dobbiamo fare?“ [Okay… nun?Was sollen wir tun?] versuchte er die Fassung zu bewahren. „Aufstehen, anziehen, sofort in den Keller und versuchen, das Fenster zu schließen.“ befahl ich in einem Ton, der jeden Feldwebel stolz gemacht hätte. „Alle sette di mattina?“ [Um 7 Uhr morgens?] fragte er vollkommen entgeistert. „Jaaaaaaaaaaaa!! Aber natürlich. Es geht um jede Sekunde. Der Keller läuft voll!“ stoß ich panisch aus.

Er musste wohl geahnt haben, dass es die Hormone sind. Ohne Murren zog er sich an. Der sonst so eitle Römer war in wenigen Sekunden einsatzbereit um in den Keller zu gehen. „Tu stai qui!“ befahl er mir diesmal. Ich gehorchte, zitternd, die Gedanken fuhren Achterbahn.

Nach 10 Minuten kehrte er zurück. Ich lief sofort zur Haustür. „Und?!?! Hast du es hingekriegt? Ist der Keller schon voller Wasser?“ fragte ich ihn aufgeregt. „Allora….“ begann er und suchte nach Worten, die mich beruhigen sollten. „Erst einmal die schlechte Nachricht: Ich habe versucht das Fenster zu schließen. Es ist verbogen und lässt sich nicht schließen.“ fing er an. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott.“ dachte ich und guckte auf seine Füße. Die waren noch trocken. Wenn er nicht gerade durch den Keller geschwebt ist, war das eigentlich ein gutes Zeichen.

„Poi… unser Kellerfenster ist mindestens – und ich betone mindestens 80 cm über dem Grund. Das heißt, das Wasser müsste 80 cm hoch sein, dass es überhaupt in den Keller laufen kann. Und dann, amore mio, wäre es durchaus nachvollziehbar, dass unsere Schutzgitter ohne Glaseinsatz durchaus nicht mehr dicht sind. Wie auch? Ein Gitter kann nun mal nicht dicht sein.“ führte er seine Erklärung grinsend zu Ende. Er gähnte herzhaft. „Können wir nun wieder ins Bett?“ fragte er.

Ich war vollkommen aus dem Konzept und wusste gar nicht mehr, was ich sagen sollte. Einerseits schämte ich mich den Römer um 7 Uhr morgens in den Keller zu jagen wegen einem Grund, der keiner ist, andererseits war ich mir 100% sicher, dass wir richtige Fenster hatten.

„Ja…. können wir.“ gab ich kleinlaut zurück. „Entschuldige, bitte.“

„Und guck mal: Es hat auch aufgehört zu regnen. Es sind nur ein paar kleine Pfützen übrig.“ sagte er und streichelte mir über den Oberarm.

Im Bett angekommen, wünschte er mir eine gute Nacht: „Buona notte, stupida.“ sagte er ironisch. „Buona notte… e scusa per il disturbo.“ [Gute Nacht und entschuldige die Störung]

P.S. Ich konnte es natürlich nicht lassen und schlich mich nachmittags noch einmal in den Keller. Der Römer hatte recht. Es sind keine Glasscheiben. Es sind Gitterfenster – ohne Glas.

Ich dachte der Keller wäre so voll gelaufen, dass schon allerhand Meeresgetier dort lebte.

Der Römer im Krankenhaus

Eigentlich wollte ich heute fröhlich-leichtfüßig über das Kennenlernen mit Rosi, meiner e’bammà, berichten. Aber da kam das Leben dazwischen.

Der Römer hat seit mindestens 20 Jahren „Galle“. Viele, kleine Gallensteine, die sich mal mehr, oftmals auch weniger durch den Gallengang arbeiten oder auch dort stecken bleiben. Im Januar mussten wir in einer Nacht und Nebelaktion ins Krankenhaus, da ein knusprig zubereitetes Wiener Schnitzel (zu unserem Hochzeitstag) sein Tribut forderte. Nachts um 2 Uhr hielt er die Schmerzen nicht mehr aus. Aber erst als er nicht mehr vor Schmerzen stehen konnte, durfte ich il signore ins Krankenhaus bringen. Davor hieß es mit schmerzerfülltem Gesicht: „Non è nulla di serio.“ [Es ist nichts ernstes]

Aus dem „nulla di serio“ [nichts ernstes] wurde fünf Tage stationärer Aufenthalt im Krankenhaus. Man schickte eine Sonde in seinen Magen und von da weiter zur Gallenblase, die mal eben alles putzte und polierte. Daraufhin war der Römer ganz überrascht, dass er sich so gut fühlte wie nie. Er hatte keinerlei Schmerzen mehr. Kurzum: Es ging ihm blendend. So blendend wie das letzte Mal vor 20 Jahren laut seiner Aussage. Nach besagten fünf Tagen durfte er nach Hause. Natürlich nicht ohne die mahnenden Worte des Chefarztes, er solle baldmöglichst einen Termin zur Gallenblasenentfernung ausmachen. „Ja, ja!“ sagte der Römer und winkte fröhlich beim Heimgehen.

Monatelang passierte nichts. Er ignorierte die mahnenden Worte des Chefarztes und lebte fröhlich vor sich hin. Bis ihm eine Pizza Quattro Formaggi einen Strich durch die Rechnung machte. Wer hätte auch ahnen können, dass soviel fettiger Käse auf so wenig Teig Probleme hervorrufen würde? Der Römer schon mal nicht.

Er schlief nächtelang nicht durch, hatte starke Schmerzen, die er mit seiner Geheimwaffe „Schmerzmittel 600“ zu bekämpfen versuchte und als das nichts brachte, flog er zu seinem guten Freund Lorenzo nach Rom. Lorenzo ist Allgemeinarzt und verschrieb ihm Antibiotika. „Das sollte erst einmal reichen. Damit hältst du sicher wochenlang durch.“ gab er dem Römer mit auf den Weg. Wochenlang war es nicht. Es waren drei Tage. Aber der Römer wollte partout nicht in Deutschland zum Arzt, geschweige denn ins Krankenhaus. Er wusste sehr genau was ihm da drohte: Eine Standpauke und eine Reinigung des Gallenblasengangs.

In der Zwischenzeit, unter Schmerzen, machte er einen Termin im Krankenhaus aus. Betreff: Entfernung der Gallenblase. Er bekam drei Termine: einen zur Vorbesprechung, zwei Tage später sollte über die Anästhesie gesprochen werden und schlussendlich die Entfernung.

Termin Nummer eins nahmen wir heute wahr. Ich ging von einer halben bis maximal einer Stunde aus. Doch aus einem harmlosen Sprechstundentermin sollten fünf Stunden Klinikaufenthalt für mich als Begleitung und ein sofortiger, stationärer Aufenthalt für den Römer werden.

Denn dem Chefarzt gefiel ganz und gar nicht, was er da bei der Sprechstunde sah: gelbe Augen, komische Anzeichen im Ultraschall, Schmerzen auf Höhe der Gallenblase.

„Gehen Sie mal zu meinem Kollegen in die Ambulanz. Der nimmt Ihnen Blut ab und macht noch einmal einen Ultraschall.“ sagte er sehr freundlich. „Im schlimmsten Fall muss ich Sie stationär aufnehmen. Und zwar heute.“

Wir trotteten zur Ambulanz. Sofort kamen wir dran. Es wurde Blut abgenommen, es wurde noch einmal alles genau im Ultraschall angeschaut und dann durften wir im Wartezimmer Platz nehmen. Nicht etwa für 30 Minuten. Nein, wir nahmen dort für zweieinhalb Stunden Platz.

[Kurzer Exkurs: Der Römer und ich sind beide keine großen Frühstücker. 3-4 Kekse, Kaffee, Tee. Fertig. Wozu gibt es Snacks? Da ich davon ausging, dass der Termin maximal ein Stündchen dauerte und wir danach in das italienische Café zum zweiten Frühstück gehen würden, sorgte ich natürlich nicht vor. Was sich rächen sollte!]

Ich wurde immer hungriger und meine Laune verschlechterte sich sekündlich. Missmutig ging ich zum Snackautomaten und kaufte mir zwei Schokoriegel. Die machten mich aber nicht gerade glücklich, geschweige denn satt.

Bevor ich schwanger wurde, konnte ich über Stunden nichts essen. Das war kein Problem. Durch meinen Beruf war ich es gewohnt, nicht immer dann essen zu können, wann ich das wollte. Ich gönnte mir ein Glas Fruchtsaft und dann stürzte ich mich wieder ins Getümmel. Das geht nun aber nicht mehr. Ich habe ständig Heißhunger. Eine Kleinigkeit genügt dann, besonders gerne frische Früchte oder Müsliriegel oder aber Gurke (das ist neu). Nicht aber Schokoriegel. Die mag ich nun wirklich nicht mehr.

Der Römer ist so wie ich in schwanger. Er muss regelmäßig was essen, sonst kippt seine Stimmung. So saßen wir also da, wartend, uns angiftend und es ging nichts voran. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus zwischen all den hustenden und kränkelnden Personen, dass ich JETZT!! SOFORT!! an die frische Luft musste. Der Römer folgte mir brav.

„Ich möchte heim!“ maulte ich. „Ich hab‘ Hunger, mir ist schwindelig, mir ist schlecht, ich will nicht mehr sitzen UND ich bin schwanger!!!“ Ich wurde immer motziger. „Aber ich brauche dich. Du musst doch das übersetzen, was ich nicht verstehe.“ quängelte der Römer. Ich schnaubte. „Gut, dann knöpf ich mir jetzt einen Arzt vor. Ich warte doch nicht zweieinhalb Stunden auf die Blutergebnisse.“ meckerte ich weiter.

Als ich mir gerade jemanden im weißen Kittel vorknöpfen wollte (die Hormone!), kam der junge Assistenzarzt auf uns zu: „Sooooooo…. also: Herr Römer bleibt nun erst einmal bei uns – er wird stationär aufgenommen. Und wir müssten Sie noch von einem Facharzt untersuchen lassen. Diesmal von einem Internisten.“ teilte uns der junge Arzt mit ruhiger Stimme mit. Dem Römer entgleisten die Gesichtszüge. Ich rechnete schon damit. „Wunderbaaaar.“ sagte ich, „Brauchen Sie mich dann noch? Oder das kriegen Sie ganz gut alleine hin?“ fragte ich. „Ich glaube nicht. Wir kriegen das doch ganz gut alleine hin.“ gab der Arzt zurück. Der Römer war immer noch perplex. „Wenn was ist, meine Telefonnummer ist in seiner Krankenakte hinterlegt.“ flötete ich, endlich meine Freiheit und besonders mein Mittagessen witternd. „Scusa, amore. [Entschuldigung, Schatz] Normalerweise lasse ich dich nicht alleine. Aber mir ist schlecht und schwindelig und ich sterbe vor Hunger. Seit fünf Stunden sind wir hier. Ich bringe dir nachher den Koffer mit allen Sachen.“ erklärte ich dem Römer und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Si…si…ok… a dopo.“ [Ja…ja…ok…bis später] gab der Römer perplex zurück und wurde in ein Behandlungszimmer abgeführt.

Fünf Stunden, ein Teller Nudeln mit Pesto, zwei Bananen und einen Kamillentee später, packte ich den Koffer des Römers. Minütlich kamen neue Nachrichten bei mir an. Denk an meine Hausschuhe! und Bitte bring mir meinen Laptop mit. Lade vielleicht ein, zwei Filme vorher runter sowie Vielleicht könntest du auch was kochen. Ich mag das Krankenhausessen nicht. waren nur einige Beispiele seiner Anweisungen. Ich tat mein bestes, vergaß das ein oder andere absichtlich oder unabsichtlich (bei seiner Bestellung fehlten nur noch Vorhänge und bequeme Couchkissen, dass er sich mehr als häuslich einrichten konnte) und besuchte ihn im Krankenhaus.

Das erste Bild aus dem Krankenhaus

Umgeben von einem Sizilianer und einem Deutschen, alle im selben Alter, fühlte es sich an, als wäre ich in die Kneipe ums Ecke geraten. Ausgelassene Stimmung, lautes Gelächter, er fühlte sich anscheinend sehr wohl. Na, hier konnte ich ihn ja beruhigt lassen. Nach einer viertel Stunde verabschiedete ich mich und ging in meinen „wohlverdienten Feierabend“.

Rosi wird meine e’bamma

Viel mehr Sachen müssten einem einfach egal sein. Denn immer, wenn mir Sachen egal waren in meinem Leben, dann gingen sie zu meinem Vorteil aus. Das war bis jetzt in jedem Bereich meines Lebens so. Das Universum regelt sich schon von alleine.

Letzte Woche verzweifelte ich noch daran eine Hebamme zu finden, schrieb wahllos Hebammen an und entweder hatte keine Zeit, um Weihnachten arbeiten sie grundsätzlich nicht, sie arbeiten nicht mehr als Hebamme oder sie sind schon komplett ausgebucht für Anfang Dezember.

Dieses Wochenende entschied ich mich dafür, dass es mir einfach egal ist. Wenn sich jemand meldet: Sehr gerne. Wenn sich gar keiner mehr meldet: Ich werde es schon allein hinbekommen. Irgendwie. Mit Youtube. (Ja, da findet man alles – von Babybaden bis Nabelpflege … man ahnt es nicht!)

Heute meldete sich Rosi. Rosis Praxis sieht – auf ihrer Homepage – ganz wunderbar aus. Das „über mich“ sprach mich sofort an und sie ist nicht weit weg. Sie schrieb mir sehr sympathisch, entschuldigte sich für die verspätete Antwort und schlug ein Telefonat in der selben Woche vor.

Ich wartete ungeduldig auf ihren Anruf, doch nichts passierte. Also musste ich am Montag selbst zur Tat schreiten. Ich rief sie an. Der Anrufbeantworter ging ran. Rosi hatte einen ganz wunderbaren, bayerischen Akzent. Sofort musste ich an meine Mama denken. „Grüß Gott, da ich momentan nicht erreichbar bin, schlag ich Eana [Ihnen] einfach vor, dass Sie’s später no’amoi [noch einmal] probieren. Auf Wiederhören und bis bald!“ Sehr sympathisch, aber leider brachte mich das keinen Schritt weiter. Ich gab mir eine Frist von 24 Stunden. In dieser Zeit wird sie schon zurückrufen. Und genau das passierte.

„Ja, grüß dich, ich bin’s die Rosi. Ich wollt mich nur amoi [nochmal] schnell melden um dir zu sagen, dass wir uns am besten persönlich kennalerna! Kimmst dann einfach zu mir in die Praxis, gell? Passt dir der Mittwoch guad?“ redete sie fröhlich darauf los. „Klar, Rosi. Mittwoch passt super! Ich hatte schon Angst, dass du abspringst.“ antwortete ich sichtlich erleichtert. „A geh! Natürlich net. I hob’s dir doch gschriem [geschrieben]. Wir Bayern müssen im Exil doch zamhalten!“ antwortete sie keck.

Also sieht es wohl so aus, als würde Rosi meine e’bamma werden. Ein Glück!

Neuigkeiten aus Rom

Als wir vor einigen Wochen in Rom waren, da ist etwa passiert. Ich weiß nicht genau, wo es passiert ist. Der Römer weiß es auch nicht. Vielleicht ist es passiert, als wir am ersten Tag einen schönen, langen Spaziergang gemacht haben und in der Galleria Vittorio Emanuele II einen caffé an der Bar getrunken haben. Vielleicht ist es passiert, als wir uns dazu entschieden haben, dass unsere Stammpension nicht mehr unsere Stammpension ist, weil der Eigentümer gewechselt hat und alles schlechter wurde. Vielleicht ist es in dem Moment passiert, wo wir unsere neue Stammpension gefunden haben. Vielleicht ist es beim Frühstücken in Trastevere passiert als ich meine centrifugha numero uno verschüttet habe und Matteo mir eine Neue auf’s Haus brachte. Vielleicht ist es aber auch passiert als wir auf der Ponte Sisto standen, Richtung Vatikan blickten und uns an unsere Verlobung erinnerten.

Wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass es passiert ist. Und das mit genauer Sicherheit. Konnte ich doch vorher Stunden lang aushalten ohne auch nur einmal eine Toilette aufzusuchen, schaffte ich es kaum eine Stunde. Ging ich vorher nicht vor drei oder vier Uhr morgens ins Bett, war ich in Rom um 23 Uhr müde. Wir waren viel an der frischen Luft und erledigten auch viel in und um Rom, da der Römer noch Unterlagen für seine Berufsanerkennung in Deutschland brauchte, aber früher hielt ich deutlich länger durch? War es die Sonne? Die viele, frische Luft? Oder sehnte sich mein Körper nach Urlaub und nutzte diesen um in Ruhe zu schlafen? Gleichzeitig mutierte ich zum Frühaufsteher. War es vorher für mich eine Qual vor 11 Uhr aufzustehen, war ich nun um 8:30 Uhr hellwach.

„Seltsam wie mich Rom diesmal verändert.“ sagte ich zum Römer. „Ich fühle mich irgendwie komisch.“

„Perché? [Warum?] fragte der Römer.

Ich erklärte ihm all die Veränderungen, die ich beobachtet hatte. Er grinste: „Non è che sei rimasta incinta?“ [Kann es sein, dass du schwanger bist?]

„Alles ist möglich.“ antwortete ich. „Aber wir versuchen es schon so lange. Warum denn ausgerechnet in diesem Monat? Es war stressig, wir haben uns kaum gesehen und hatten kaum Zeit füreinander.“

„Basta una volta!“ [Einmal reicht ja] lachte der Römer. „Nu gut und was soll ich jetzt deiner Meinung nach machen?“ fauchte ich den Römer urplötzlich an. Stimmungsschwankungen. Auch die waren neu. „Wir kaufen einen Test in der farmacia [Apotheke] und finden es heraus.“ schlug er vor. „Okay, Aufgabenteilung: Du kaufst den Test und ich mach den Rest.“ erwiderte ich.

Er wollte anfangen zu diskutieren, aber mein Blick zeigte ihm wohl eindeutig, dass es keinen Diskussionsbedarf gab. Er trottete los. Nach 20 Minuten kam er zurück. In der Hand eine Tüte mit zwei Tests. „Falls der eine nicht funktioniert, habe ich lieber zwei gekauft.“

Ich las die Packungsbeilage und machte mich ans Werk. „Uuuuuund?“ fragte der Römer neugierig. „Ähm… keine Ahnung. Der Test denkt noch.“ gab ich zurück. Der Römer wartete zwei Minuten auf der Bettkante mit mir. „Ich geh‘ und schau mal nach.“ sagte er und ging ins Bad. „Amooooore was bedeuten zwei rosa Linien?“ rief er ins Schlafzimmer. Ich rannte ins Badezimmer. „Äääh… schwanger wohl!“ Ich konnte es nicht fassen. „Nooooo, aspettiamo un bambino?“ [Neeeein, wir erwarten ein Kind?]

Der Römer war außer sich vor Freude, während ich es einfach nicht fassen konnte. Wir erwarten tatsächlich ein Kind!

La professoressa di tedesco

Ich gebe es ungern zu, aber mir macht der Job als selbsternannte Deutschlehrerin Spaß.

Heute war unsere erste Stunde. Ich hatte einige Arbeitsblätter vorbereitet, doch der Römer wollte erst ein paar Vokabeln aus einem Buch, das er gerade liest, abschreiben. Da ich ihn kenne (vielleicht auch oft zu gut) und genau weiß, dass er sie zwar ordentlich auf eine Seite schreibt, aber dann nie wiederholt, gab ich ihm die Aufgabe sich zehn Sätze auszudenken. In der Zeit ging ich Duschen. (den Luxus habe nur ich als professoressa di tedesco [Deutschlehrerin])

Frisch geduscht kehrte ich an unseren Arbeitsplatz zurück. Er hatte zehn wunderbare Sätze geformt. Wir verbesserten sie gemeinsam und dachten uns jeweils nochmal zwei Sätze aus, die wir aber nur mündlich besprachen. Und was soll ich sagen? In dieser heimeligen Atmosphäre, „klickte“ es nicht nur einmal in seinem Kopf. Viele Zusammenhänge, die in der Schule schnell durchgekaut werden, machten jetzt Sinn für ihn.

Nach sieben Sätzen fragte der Römer: „Possiamo fare una pausa? [Können wir eine Pause machen] Ich kann mich nicht mehr konzentrieren.“

Aber ich bin eine strenge Deutschlehrerin. Nach nur sieben Sätzen kriegt man bei mir maximal einen Espresso, ein Stück Schokolade und wir lüften mal kurz durch. Aber dann geht’s weiter. Die zehn Sätze wollte ich noch fertig bekommen. Und das schafften wir dann auch. Der Römer war wie neu geboren. Die Sätze flutschten nur so.

Und ich verstand, dass ich ihm in der Vergangenheit mehr helfen hätte sollen. Da ich aber keinen Bürojob habe und oft müde war, wenn ich von der Arbeit kam, hatte ich nicht immer die Lust und Möglichkeit ihm zu helfen. Aber jetzt, jetzt wird das anders. Das habe ich ihm und mir versprochen!

Forza, Römer! Wir schaffen das!