Die Eis-Heiligen

“Come mai fa così freddo? [Warum ist es so eiskalt?]”, fragt der Mann mit einer erstaunlichen Ahnungslosigkeit. Er fragt es in etwa so, als ob er den Monat Mai der letzten sieben Jahre in Deutschland einfach übersprungen hat. Mit großen, verständnislosen Augen und auffallend ausgeprägter Gänsehaut steht er fröstelnd in seinem Polohemd vor mir und reibt sich theatralisch die Arme. “Na ja… das liegt vermutlich an den Eisheiligen!”, antworte ich und werfe einen warmen Woll-Cardigan über mein T-Shirt. “I santi dei gelati! [Die Heiligen der Eiscremes!] San Cioccolato, Santa Fragola e oppure San Pictacchio di Bronte! [Der heilige Schokoladeneis, die heilige Erdbeereis und natürlich der heilige Pistazieneis aus Bronte.] Nur das Wetter spielt nicht mit.”, lacht der Römer und denkt, dass ICH ihn auf die Schippe nehme.

San Cioccolato di Roma

“Nein, die heißen wirklich so. Eisheilige! Aber eher im Sinne von ghiaccio, Eis – nicht im Sinne von gelato, Speiseeis.”, schmunzle ich und ziehe mir sicherheitshalber die Leichtdaune über den Wollcardigan. “E’ come si chiamano, ’sti santi? [Und wie heißen sie nun, diese Heiligen?]”, will der Römer nun belustigt von mir wissen. Kurz bin ich versucht, mich seinem vorherigen Beispiel anzuschließen und den “Heiligen Zitrone-Basilikum”, sowie die „Heilige Sanddorn-Pfirsich” aufzuzählen, aber schließlich besinne ich mich auf meine auferlegte Rolle als germano-italbanische Integrationshelferin: “Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und die kalte Sophie!” Zugegeben, ganz aus dem Gedächtnis konnte ich sie nicht wiedergeben und musste eine Suchmaschine nach den genauen Namen der Eisheiligen fragen “Quindi, a causa di loro fa freddo a maggio? [Also ist es wegen ihnen so kalt im Mai?]”, stochert der Gatte weiter bei mir nach. “Das ist so eine Frage wie <<War das Huhn zuerst da oder doch das Ei?>>. Ob sie nun der Grund sind oder es im Mai schon immer in unseren Breitengraden kalt war, kann ich dir nicht genau beantworten. Aber so oder so – die Lederjacke kannst du zurück hängen. Es hat 9 Grad.”, kläre ich meinen römischen Gatten auf. “No, no, non ti preoccupare.[Nein, nein, keine Sorge.] Ich habe bereits einen Blick aus dem Fenster gewagt und alle laufen mit kurzen Hosen und im T-Shirt herum.”, beschwichtigt mich der Römer. Ich lächle mild, schüttle den Kopf, nehme ihm die Lederjacke ab, suche aus der Garderobe einen dünnen Schal und seine Leichtdaunenjacke heraus und drücke sie ihm sanftmütig in die Hand. Zur Sicherheit bitte ich ihn, mir in Richtung Balkon zu folgen.

Von innen gucken wir nach draußen. Ein Feigenbaum steht draußen. Daneben ein Rosmarin und ein Thymian. “Fällt dir etwas auf?”, frage ich ganz direkt. Der Römer denkt nach. „Gli uccelli… [Die Vögel…] die machen immer von der Balkonbrüstung auf unseren Balkon. Das sieht echt nicht gut aus. Sollten wir mal putzen.“, setzt er an. „Neeeein! Nicht das.“, motze ich etwas pikiert zurück. „Denk mal an dich und deine Lederjacke.“ Nach einer kurzen Weile fällt der Groschen bei ihm. All die winterharten Pflanzen stehen fröstelnd auf dem Balkon, aber die südländischen Gewächse, wie z. B. die gelben Tomaten, starren mit uns vom Inneren der Wohnung nach draußen. Sie haben Glück und stehen im warmen Schlafzimmer. “Siehst du! Deswegen konntest du vom Fenster aus viele, winterharte Deutsche in kurzen Hosen und T-Shirts beobachten. Du aber bist ein südländisches Gewächs und ziehst dir bitte eine ordentliche Jacke an. Einer Tomate reicht im Mai eben keine Lederjacke. Sie braucht eine Leichtdaune – und einen Schal!”, erkläre ich dem Römer.

Die Tomaten sind noch deutlich kleiner als letztes Jahr und stehen im Warmen.

Endlich zieht das südländische Gewächs seine warmen Sachen an. “E se inizio di sudare? [Und wenn ich anfange zu schwitzen?]”, fragt er sicherheitshalber nochmal nach. “Dann ziehst du etwas aus. Das nennt man “Zwiebellook”.”, helfe ich ihm weiter. “Eine Zwiebel ist aber in der Regel winterhart.”, versucht der Römer nochmal einzuhaken. “Ja, aber nur, weil sie genug Schichten anhat. Sonst wäre das auch nicht der Fall.”

Pasta-Kurs im Flughafentaxi – das Rom-Tagebuch [Tag 8]

Pasta-Kurs im Flughafentaxi – das Rom-Tagebuch [Tag 8]

Dienstag, 30.08.2022

Ich habe kaum geschlafen, was in diesem Urlaub eher die Regel als die Ausnahme darstellt. Um 04:21 Uh, ich war gerade eingenickt, kam die überaus fleißige und arbeitsame Müllabfuhr vorbei und fuhr gefühlte 30 bis 40 Mal den rostigen Mülltonnen-Greifarm unter unserem Fenster kreischend hoch und runter. Aber wer kann es ihnen übel nehmen, wo sie doch die Stadt in tiefster Nacht vom Müll befreien?

Am Morgen schaut auch der Römer sehr unerholt aus der Wäsche. Müde greift er zur schwarzen Baseballmütze und setzt sie auf seine welligen, dunklen Haare. Anscheinend ist ihm heute nicht nach aufwendigem Haarstyling zumute. Wie immer holt er Frühstück für uns. Als er zurückkommt trinken wir schweigend den ersten Kaffee des Tages. Da Signorino noch schläft, genießen wir die doch so seltene Ruhe. Nach zehn Minuten, in denen jeder für sich seinen Gedanken ungestört nachhängen darf, hören wir ein zaghaftes: „MamaPapa?!“. Signorino ist wach.

„Si, amore? [Ja, Schatz.]“, ruft der Römer ins Schlafzimmer, erhebt sich sogleich und geht Signorino kuscheln. Danach sorgt er dafür, dass Signorino auch genug frühstückt. Indessen kümmere ich mich um das logistisch erfolgreiche Kofferpacken, um später am Flughafen so wenig Stress wie möglich zu haben. Dazu zählt auch, so sinnvoll zu packen, dass die Handgepäcksdinge nach ihrer Priorität in den Rucksäcken verstaut sind. Nach kürzester Zeit ist mein Rucksack der Versorgungsrucksack geworden, der Wasser, Snacks und einen warmen Kinderpulli für den Flug beinhaltet. Außerdem liegen bei mir alle Flüssigkeiten oben auf, damit ich sie an der Sicherheitskontrolle rasch aus dem Rucksack ziehen kann. Der römische Rucksack beinhaltet dagegen das gesamte Windel-Equipment und die Technik. In Signorinos Elefanten-Rucksack ist lediglich leichtes Malzeug, ein paar Legosteine und eine Packung Feuchttüchter gestaut. Das Aufgabegepäckstück verlangt derweil keinerlei Präzession und so landen unsere Dinge gerollt oder gefaltet, nach dreckiger und frischer Wäsche aufgeteilt im Koffer. Nach 40 Minuten bin ich fertig.

Um Punkt 10 Uhr übergeben wir die Schlüssel an unsere Vermieter, bedanken uns und schleppen Kind und Koffer nach unten. Dann überqueren wir die Viale di Trastevere und erreichen nach wenigen Metern den Taxistand. Leider ist an diesem Tag und zu dieser Uhrzeit kein einziges Taxi in Sicht, was mich durchaus nervös stimmt. Vor uns stehen zudem noch zwei junge Schwedinnen, die ebenfalls auf ein Taxi warten. Da sie zuerst da waren, haben sie natürlich Vorrang. Nach etwa fünf Minuten Wartezeit hält ein Taxi. Die Schwedinnen kriechen auf die Rücksitzbank, wechseln vier Worte auf Englisch mit dem Taxifahrer und kraxeln postwendend wieder aus dem Taxi heraus. Wir gucken sie fragend an. „Only cash!“, sagt die eine der beiden und zuckt mit den Schultern. „Okay!“, spricht der Römer, nähert sich der Taxibeifahrertür, öffnet diese mit einem freundlichen „Salve! Buongiorno! [Grüß Sie, Guten Tag!] und wird noch einmal vom Taxifahrer, diesmal auf Italienisch, darauf hingewiesen, dass sein EC-Karten-Lesegerät leider defekt sei. „Ma noooo! Non c’è problema. [Aber nein! Gar kein Problem] Wir können bar zahlen.“, beschwichtigt ihn der Römer und der Taxifahrer steigt aus, um uns mit dem Koffer zu helfen. Dann klettern wir alle drei auf die Rücksitzbank, verstauen die Rucksäcke und der Römer instruiert den Fahrer, dass wir zum Flughafen müssen. „Ciampino o Fiumicino? [Ciampino oder Fiumicino?]“, will der Taxifahrer noch wissen und der Römer antwortet, dass wir Fiumicino bevorzugen würden. Ein kurzer Lacher auf beiden Seiten und ein „Va bene. [In Ordnung.]“ später, schlängeln wir uns flott durch den dichten Verkehr Roms. Dabei sucht der Fahrer mit der rechten Hand eine Telefonnummer in seiner Kontaktliste im Handy, während er mit der linken Hand das Auto steuert. Sein Blick wandert dabei immer mal wieder zwischen dem chaotischen, römischen Straßenverkehr und seinem Handy hin und her. Als er die Nummer gefunden hat, es kurz tutet und dann ein Antonino mit einem sonoren „Pronto!“ antwortet, haftet der Blick unseres Taxifahrers weitestgehend auf der Straße. Nur bei einigen Abschnitten des Telefongesprächs, redet sich unser Taxifahrer derartig in Rage, dass er nicht mehr den Verkehr beobachtet, sondern sein Handydisplay fixiert und leidenschaftlich mit diesem diskutiert. Ob ihm einer sagen sollte, dass es ein Sprachtelefonat ist und Antonino ihn über das Display gar nicht sehen kann? Lieber nicht, sonst dreht er sich noch zu mir um und wir rasen in ein Stauende. Stattdessen bevorzuge ich, auf der Rücksichtsbank mitzubremsen. Natürlich bringt das effektiv rein gar nichts, was auch der Römer bemerkt, der grinsend auf meinen rechten Fuß starrt, der im 10-Sekunden-Takt bremst.

Um mich abzulenken, fängt mein Mann an, auf Deutsch mit mir zu palavern. Er spricht überaus selten Deutsch mit mir, aber wenn sich eine:n Italiener:in in der Nähe befindet, wählt er diesen Modus, um ungestört mit mir reden zu können. Jedes Mal aufs Neue bin ich begeistert, welchen sprachlichen Fortschritt der Römer wieder gemacht hat. Von Mal zu Mal spricht er fließender, wobei seine Grammatikkünste fast gar nicht mehr darauf schließen lassen, dass er erst seit sechs Jahren in Deutschland ist. Nach etwa zehn Minuten beendet der Taxifahrer sein Telefonat und scheint sich zu langweilen. Immer wieder guckt er interessiert in den Rückspiegel, neben dem seine Taximarke hängt. „Francesco M.“ steht darauf und auf dem Lichtbild starrt er uns blass und emotionslos entgegen.

Während der Römer und ich eine kleine Gesprächspause einlegen, wittert Francesco seine Chance. Mit einem einfachen „Da dove siete? [Woher seid ihr?]“ steigt er in die bis dahin rein deutsche Konversation ein. „Aus Frankfurt.“, antwortet der Römer und ich weiß genau, warum er nicht die ganze Wahrheit sagt. Würde er aufdecken, dass er aus Albanien kommt, aber in Rom aufgewachsen ist, würde wieder das altbekannte Spiel anfangen: „Ah! Albanien! Ich kenne XY aus Albanien. Un bravo ragazzo [Ein guter Kerl.]“, gefolgt von einem Vortrag darüber wie der Taxifahrer Albanien und die Albaner:innen per se in Italien sieht. Mit der Antwort „Frankfurt“ ist der Römer definitiv auf der sicheren Seite. Nach kürzester Zeit finden Francesco, der Taxifahrer, und der Römer ein gemeinsames Gesprächsthema: Die Preisentwicklung in Italien und Deutschland. Akkribisch vergleichen Sie zuerst Benzinpreise, dann die aktuellen Obstpreise (IT: Kilopreis für Trauben liegt bei 3€ statt wie gewöhnlich bei 1,50€), um dann weiter über Gas- und Strompreise zu diskutieren. Schließlich kommen die beiden zu einer wirklich wichtigen Kategorie: Die Pasta-Preise in Italien.

Und ab hier beginnt Francescos Pasta-Kurs, der mit Gold nicht aufzuwiegen ist. Nachdem er uns die aktuellen Pasta-Preise seiner bevorzugten Marken vorgebetet und nochmals erörtert hat, dass er meist nur im Angebot kauft, lässt er uns teilhaben an seinem unglaublichen Wissen über Pasta. Ich versuche, die wichtigsten Punkte für Sie zusammenzufassen. Natürlich ist Francescos Wissen ohne Gewähr auf Vollständigkeit und/oder absoluter Richtigkeit.

Pasta-Kurs auf die Francesco-Art:

Klares Kochwasser: Gute Pasta erkennen Sie daran, dass das Kochwasser klar bleibt. Sollte sich das Wasser beim Kochen weißlich verfärben, wurden andere Dinge zu den einzig wahren Pasta-Bestandteilen Wasser und Hartweizengries hinzugefügt. Dies könnte zum Beispiel Maismehl oder jegliches, anderes Mehl sein, was dazu dient, den Pastateig zu strecken und somit die Herstellungskosten zu senken. Dadurch büßt die Nudel jedoch viel Geschmack und Konsistenz ein.


Heute für Sie ausprobiert. Das Wasser sieht einigermaßen klar aus.

„Al Dente bis zum Schluss“: Gute Pasta verkocht nicht. Sie können Pasta eines Qualitätsherstellers locker ein paar Minuten länger als auf der Packung angegeben im Wasser lassen. Bis zu 14 Minuten Kochzeit sollte für eine gute Nudel kein Problem darstellen. Francesco erzählte, dass sie bei ihm zu Hause gerne große, sonntägliche Familienmittagessen (=pranzo) haben und da es viele Gänge gibt, die Pasta auch gerne einmal ein paar Minuten länger als üblich im Wasser bleibt. Sie ist und bleibt trotz längerer Kochzeit „al dente“.

„Made in Molise“: Der Weizen sollte aus Italien stammen und zwar möglichst aus der Region „Molise“. Sollte das nicht möglich sein, sollte der Weizen zumindest aus Europa kommen. Francesco führt weiter aus, dass eine bekannte, italienische Marken, die sie in jedem deutschen Supermarkt kaufen können, dazu übergegangen ist weltweit Weizen einzukaufen, der durchaus auch genmodifiziert sei, laut Francesco. In Italien gab es daraufhin einen großen Aufschrei und die Verkaufszahlen brachen ein.

Al Bronzo macht den Unterschied„: Die Nudeln sollten möglichst „al bronzo“ produziert sein. Das bedeutet, dass der Nudelteig auf Bronzeformen gezogen wird, wodurch die Oberfläche der Nudel rauer und ihre Struktur dichter wird. Dies dient dazu, dass die Soße optimal an der Nudel haften bleibt.

„Francescos Lieblinge“: Zu Francescos absoluten Lieblingen zählt die Marke „La Molisana“*, die ihren Weizen ausschließlich aus der Region Molise bezieht. Auf Platz 2 befindet sich die Nudelmarke „Rummo“*, die Sie bei uns auch im gut sortierten Super- oder Drogeriemarkt finden. Bei Rummo sei zu beachten, dass sie europäischen Weizen benutzen.

„Das schafft jeder“: Die Nudelsoße sollten Sie immer selber machen. Als Basis benutzen sie ein soffrito: Dazu schwitzen Sie feingehackte Zwiebeln und eine Knoblauchzehe im Ganzen (diese können Sie hinterher wieder herausfischen) an und geben Passata di Pomodoro darüber. Salzen, etwas Chilli dazu und köcheln lassen. Dann vermischen Sie die Pasta direkt noch in der großen Tomatensoßenpfanne mit den Nudeln, damit die beiden sich verbinden. Und wie Sie bereits wissen, haftet die Soße an der angerauten Oberfläche (al bronzo) der Nudel optimal.

„Francescos Geheimtipp“: Ein paar Semmelbrösel, un filo d’olio [ein wenig Olivenöl] und Petersilie auf den bereits angerichteten Teller Pasta geben. Das schafft laut Francesco wirklich jeder!

Merke: Die perfekte Nudel färbt das Nudelwasser nicht weiß, verkocht nur bei grober Fahrlässigkeit, ist al bronzo produziert und beinhaltet optimalerweise nur Weizen aus der Region Molise.

Als Francesco langsam vor Terminal 1 des Flughafens rollt, würde ich am liebsten sitzen bleiben. Viel zu spannend ist sein geballtes Wissen über die perfekte Pasta. Doch leider, leider müssen wir aussteigen und unseren Flug erwischen. Als der Römer den Koffer entgegennimmt, wird ihm von Francesco folgende Frage gestellt: „Ma tu sei italiano, vero? [Aber du bist Italiener, richtig?]“ Der Römer schüttelt lachend seinen Kopf: „No, no, sono tedesco. [Nein, nein, ich bin Deutscher.]“ Ich gucke etwas irritiert. Technisch gesehen ist der Römer noch kein Deutscher. Dafür arbeitet das albanische Konsulat und die deutsche Einbürgerungsstelle viel zu langsam. Wie es denn komme, dass der Römer ein so lupenreines Italienisch spreche, will Francesco daraufhin wissen. „Das ist einfach zu erklären.“, sagt der Römer, „Ich habe sehr viele Jahre in Rom gewohnt.“ Daraufhin sprechen Francesco und der Römer fünf Minuten über das Leben in Rom, um kurz danach über Francescos Heimat Kalabrien zu reden. Mit Blick auf die Uhr, müssen die beiden sich schließlich voneinander losreißen. Als wir Signorino auf den Rollkoffer setzen, raunt mir der Römer zu: „I calabresi vivono per mangiare. [Die Kalabrier leben fürs Essen.]“. Ja, so ist das wohl. Und zum Glück sind sie so nett und teilen ihr Wissen.

Am Flughafen ist es anstrengend wie immer mit Kleinkind. Immerhin zahlt sich meine aufwendige Handgepäcksordnung aus und so kommen wir schnell und unkompliziert durch die Sicherheitskontrolle. Da wir immer noch viel zu früh am Flughafen sind, versuchen wir Signorino zu beschäftigen, was mäßig gut klappt. Nach einer unendlich lang erscheinenden Wartezeit kommen wir im Flugzeug an. Signorino schläft natürlich nicht erschöpft im Flugzeug ein. Da wir ziemlich müde sind, geben wir ihm das Tablet und er darf eine Serie gucken.

Endlich in Frankfurt ist unser Koffer zwar angekommen, aber beschädigt. Eine Rolle hakt und ist kaputt. So statten wir dem „baggage claim“ auch noch einen Besuch ab. Da dies nicht mein erster, beschädigter Koffer in meiner Laufbahn ist, geht es ruckzuck. Am Ende brauchen wir ein Koffergutachten, das wir uns in der Innenstadt einholen müssen. Aber nicht heute.

Auf dem Weg zur S-Bahn stoppen wir noch bei der goldenen Möwe. Heute ist eh schon alles egal und kochen stellt keine wirkliche Option dar. Wir bestellen an einem riesigen Bildschirm und Signorino und der Römer setzen sich hin, während ich das Essen abhole. Kurz darauf isst Signorino zufrieden seine Pommes und probiert Chicken Nuggets von mir und auch wir Erwachsenen sind zufrieden mit dem kulinarischen Angebot der goldenen Möwe. Dann nehmen wir die S-Bahn nach Hause.

Als wir endlich in unserer Wohnung sind, bin ich drauf und dran den Laminatboden vor Freude zu küssen. Aber ich kann mich noch davon abhalten. Schließlich habe ich heute noch etwas weitaus wichtigeres vor: Circa 3 Kilo Tomaten wollen geerntet werden. Und das mache ich dann auch!

Tomaten über Tomaten
Diese Tomatenpflanze brach unter der Tomatenlast zusammen
Und ein paar Chillis.

*Werbung, unbezahlt und unbeauftragt

Nachtrag: Ab heute haben wir eine Woche frei und bleiben daheim. Wir werden als Paar ganz entspannt in eines der unzähligen Museen Frankfurts gehen, während Signorino in seiner vertrauten Kita spielen wird. Manchmal kann Urlaub so einfach sein, oder?

Espresso zu Heavy-Metal-Klängen – Das Rom-Tagebuch [Tag 7]

Montag, 29.09.2022

Es ist 09:30 Uhr und alle schlafen – außer mir. Ich bin bereits wach, wobei „bereits“ sicher das falsche Adverb um diese Zeit ist. Mit gemischten Gefühlen denke ich an unseren morgigen Abreisetag. Um 10 Uhr müssen wir aus dem Haus, um das Flugzeug gegen Mittag zu besteigen. Um ehrlich zu sein, wäre es mir am liebsten, bereits heute Abend heimzufliegen, aber das Umbuchen meines Mitarbeiter-Tickets gestaltet sich schwierig und so werden wir wohl erst morgen Mittag Rom verlassen können. Dabei bin ich mir sicher, dass diese Tatsache sehr von 15 römischen Mücken geschätzt wird und sie auf ein grandioses, letztes Abendmahl (mit mir in der Hauptrolle) hoffen.

Immer noch sehe ich aus als hätte ich Windpocken und so pflege ich meine Mückenstiche mit dem Gel, dessen Verpackung stark an einen Flüssigklebestift erinnert. Langsam erwachen die männlichen Farnientes. Der Große springt auf und will sich um Frühstück kümmern, wie er es schon die ganze Woche über gemacht hat. Der Kleine möchte wieder seine Stimmung und sein Befinden in seinem Kleidungsstil manifestieren. Heute soll es die kurze Jeanshose sein – dazu ein weißes Polo-Shirt. Ob die Vorlage seines Outfits der römische Bekannte alias „der weiße Stein“ war? Meine noch benutzbaren, scheinbar sauberen Kleidungsstücke aus dem Koffer lassen mich langsam aber sicher verzweifeln. Selbst die Teile, die ich noch kein einziges Mal in diesem Urlaub angehabt habe, sind voller Wassermelonenflecken (Grazie, Signorino!). Als der Römer von der sizilianischen Bäckerei zurück kommt und ich ihm von meiner Misere berichte, kommt just der Kommentar, dass ich schließlich nicht besonders penibel mit meiner Kleidung umgehen würde. Ganz im Gegensatz zum römischen Gatten, versteht sich. Kurz schnellt mein Puls nach oben und ich mache dem feinen Herrn Römer klar, dass sein Privileg darin liegt, Papa geworden zu sein, was bedeutet, dass die körperliche Nähe zum eigenen Kind nicht mit Ende der Schwangerschaft endet. Signorino und vermutlich einige Kinder mehr leben quasi auf einem bis sie bereit sind, sich abzunabeln. Und wie das so ist bei einem Kleinkind, dass ständig auf Mamas Schoß, Arm, Rücken oder Hüfte will, sind Mamas Kleidungsstücke eben dann fleckig und/oder verknittert. Mein, zugegeben, etwas geladener Redeschwall lässt den Römer verstummen. Solange, bis er fragt, ob ich Hilfe beim Waschen meiner Kleidungsstücke brauche. Ich nicke und bedanke mich für sein Verständnis. Gleich nachmittags würde er sich um meine Kleidungsstücke kümmern, gibt er an. Sein „Gleich nachmittags“ kenne ich bereits aus der Vergangenheit und warte immer noch auf den ein oder anderen „Nachmittag“. Aber ich bleibe gespannt.

Als wir fertig gefrühstückt haben, gehen wir vor die Tür. Erster Stopp: Ein Modegeschäft. Signorino braucht eine zweite, lange Hose, da wir nur eine eingepackt haben. Ein paar Söckchen, eine lange und kurze Hose später, sowie ein T-Shirt, dass der Mann für den Sohn haben will, nehme ich noch ein einfaches T-Shirt im Sale mit. Augenscheinlich scheint es zu passen. Für eine Anprobe ist keine Zeit.

Der nächste Halt ist unser Stammcafé Baylon. Bereits die ganze Woche freute ich mich auf den Besuch „unseres“ Cafés. Hier schlug die zarte Liebe zwischen dem Römer und mir erste, feine Wurzeln. Die süßen Croissants, der herbe caffé und die wunderbare Atmosphäre trugen sicher auch dazu bei, dass wir den Schritt wagten und der Römer zu mir nach Deutschland zog.

Doch was soll ich sagen? Corona forderte anscheinend überall seine Opfer. Das einst so geliebte Café ist ein seelenloses Loch geworden. Wir treten ein und laute Heavy-Metal-Musik kreischt aus den Boxen. Der schöne 20er Jahre Charme, die adrette Arbeitskleidung der Bedienungen und auch die charmanten Kellner*innen sind alle verschwunden. Dafür haben sie nun eine dermaßen unmotivierte, kaugummikauende Kellnerin, die so wirkt als wäre sie dazu gezwungen worden, Gast bei uns zu sein und nicht andersherum. Oder anders ausgedrückt: Diese junge Dame in der Gastgeberrolle ist definitiv eine Fehlbesetzung. Immerhin ist der caffè gut, wobei ich in Italien noch nie schlechten Espresso getrunken habe. Doch, doch, auch das passiere, sagt der Römer. Er sei vor Jahren mit der Rugby-Mannschaft in Norditalien gewesen und dort hätten sie tatsächlich schlechten Kaffee getrunken. Dennoch habe ich recht, dass man in Italien lange suchen müsse für einen wirklich schlechten Kaffee. Das sei in Deutschland besser. Man kann sich sicher sein, dass man sehr schnell wässrigen, sauren Espresso findet – egal wo. Ich „mmh-pfe“ gegen die Heavy-Metall-Musik an und mein Blick fällt auf die lange Glasvitrine, die in der Vergangenheit mit reichlich frischem Obst, Teilchen, Croissants und Kuchen gefüllt war. Hier herrscht gähnende Leere. Ein einzelner Apfel steht in einer 10-Meter-Glasvitrine. Ich fühle mich so unwohl, dass ich meinen caffè herunterstürze und den Römer nervös dabei beobachte wie er in aller Ruhe ein Päckchen Zucker in den Espresso einrührt. Verträumt starrt er in seinen Espresso, während heftige Heavy-Metal-Klänge uns immer eindringlicher Anbrüllen. Signorino zappelt unruhig auf meinem Schoss. Ja, wir sind mehr als bereit zu gehen. „È diventato proprio un buco. [Es ist wirklich ein Loch geworden.]“ stellt der Römer nun fest und rührt weiter mit ruhiger Hand in seinem Espresso. Noch eine Löffel-Umdrehung mehr und ich renne schreiend aus dem Café. Doch endlich nippt er an seinem gut gerührten Espresso. Ob ich auch eine centrifuga [Smoothie] will, will der Römer von mir wissen. Mein Blick fällt auf den einsamen Apfel in der Glasvitrine. „Ich vermute, der Apfel reicht nicht für uns beide.“, antworte ich sarkastisch. „Sie haben sicher noch irgendwo Obst.“, gibt der Römer zurück. „Sei mir nicht böse, aber ich finde, DAS ist der Eingang zur Unterwelt. Ich möchte einfach nur raus hier.“, spreche ich meine Gedanken aus. Der Römer nimmt Blickkontakt zur Bedienung auf. Lustlos und immer noch Kaugummi kauend schlendert sie zu uns. „Two forty, please.“, knurrt sie die englischen Worte als wären es Italienische. „Va bene così. Grazie. [Stimmt so. Danke.]“, sagt der Römer und gibt ihr 3 Euro. „Grazie.“, antwortet die Bedienung, krallt sich die drei Euro und schlürft lustlos davon. Es ist eben nichts für die Unendlichkeit. Nicht mal das schöne Café, in dem wir so gerne waren.

Der Römer will keine Langeweile aufkommen lassen und so schlägt er vor, in den Interior Laden nebenan zu gehen. Wir treten ein, werden höflich begrüßt, gucken uns kurz um und treten wieder auf die Straße. Zu teuer und nicht unser Stil ist das ernüchternde Ergebnis. Vermutlich hängt mir auch noch die Trauer und Enttäuschung über mein „Café“ nach, als dass mir etwas interessant erscheinen könnte. Danach schlendern wir etwas plan- und ziellos durch Trastevere und nehmen gleich noch Pizza bei La Renella mit. Eben genauso wie die Tage zuvor auch.

Ich bin so platt und gleichzeitig genervt, dass ich mich nochmal an den Computer setze und schaue, ob man nicht vielleicht doch diese Mitarbeiter-Flugtickets umbuchen kann. Immerhin ist der letzte Flug aus Rom nur zu 50% ausgebucht. Gleichzeitig würden uns nur zwei Stunden Zeit bleiben, um alles zu packen und die Wohnung fluchtartig zu verlassen. Wie schön wäre der Gedanke, heute Nacht im eigenen Bett zu schlafen? Ich versuche bei der Hotline anzurufen, aber es gibt kein Durchkommen. Gleichzeitig will das Kind jetzt unbedingt und sofort auf meinem Schoss sitzen, während ich in der Warteschleife hänge. Jeglicher Versuch vom Römer ihn wegzulocken, endet in einer lauten Kreischattacke, so dass ich die Warteschleifenmusik gar nicht mehr verstehe. Ob wir sicher sind, dass wir heute Abend zurückfliegen wollen, frage ich den Römer und er antwortet „Non lo so. Che ne pensi? [Weiß ich nicht. Was meinst du?]“. Ich lege auf. Keiner ist sich sicher, ob eine Umbuchung auf den heutigen Tag sinnvoll ist und es wäre ein unendlicher Stress alles in so kurzer Zeit zu packen. Dann soll es nicht sein. Fliegen wir halt morgen Mittag.

Müde fallen der Römer und ich ins Bett. Signorino zeigt jedoch kein Anzeichen von Müdigkeit. Draußen ist es heiß und die Mittagssonne knallt vom Himmel. Somit ist rausgehen keine Option. Warum müssen eigentlich die, die ins Bett gehen wollen, die ins Bett bringen, die nicht ins Bett gehen wollen? Signorino beginnt zu malen, zu snacken, zu trinken, zu quatschen, Dinge durch die Gegend zu tragen, seine neuen Socken auseinander zu pflücken und in unterschiedlichen Kombinationen wieder zusammenzufügen. Kurzum: Unsere Geduld befindet sich bereits im hellroten Bereich. Dazu kommt, dass permanent nach „MAMAAA!“ geschrien wird. Ich checke uns derweil für den morgigen Flug ein. Obwohl wir innerhalb der EU fliegen, wird alles abgefragt. Wirklich alles! Das kenne ich sonst nur bei Reisen von/nach Drittländern. Beim Römer ist mir nicht ganz klar, was sein Reisegrund für Deutschland eigentlich ist. Deutscher Staatsbürger ist er nicht. Er studiert auch nicht in Deutschland, macht keine Geschäftsreise und ist auch kein Tourist. Die Auswahloption „Ich wohne in Deutschland, weil ich eine:n Deutsche:n geheiratet habe und jetzt hier leben muss.“ gibt es leider nicht. Am Ende schreibe ich „Arbeit“. Stimmt ja auch.

Um halb fünf Uhr Nachmittags schlafen Signorino und der Römer endlich ein. Es war heute wirklich ein langer, anstrengender Kampf. Meine Müdigkeit ist hingegen komplett verflogen und ich habe Hunger. Also esse ich etwas und versuche dann, mich nochmals hinzulegen. Das Bett quietscht. Ich vermisse mein Zuhause mit all seinen Vorteilen. Reisen mit Kleinkind ist eine Herausforderung und hat wirklich wenig mit Erholung zu tun.

Der Große wacht wenig später auf und geht duschen. Ich erinnere noch einmal freundlich an meine Kleidungsstücke, die er „gleich nachmittags“ waschen wollte. Missmutig löst er sein Versprechen ein und wäscht mit geschickter Hand Wassermelonenflecken in der Badewanne aus. Der Kleine wacht kurz danach von den Dusch-und Waschgeräuschen auf und baut sich im Bett eine Kissenburg. Derweil packe ich schon mal die dreckige Wäsche und baue eine Dreck-Wäsche-Burg in unserem Koffer. Der Große will sich noch bei Freund A., dem Restaurantbesitzer, verabschieden und holt in diesem Zug gleich Abendessen. Während wir essen, unterhalten wir uns darüber, ob ein Abendspaziergang noch eine Option wäre. „Raus! Ja!“, spricht unsere nachtaktive Kleinkind-Eule. Als wir fertig gegessen haben, beschließen wir Piazza Venezia und den Kapitolsplatz zu besuchen. Bus Nummer 8 bringt uns dorthin und wir stellen fest, dass es eine Haltestelle direkt vor unserer Tür gibt. Selbst der Römer wusste darüber nicht Bescheid und wir sind all die Tage zuvor mit bleischwerem Kleinkind auf den Schultern sieben Minuten nach Hause gegangen. Mamma mia!

Vor Ort angekommen erklimmen wir den Kapitolsplatz mit seinen sehr steilen, mit Sommersandalen sehr rutschigen Treppen und landen sofort in der Vergangenheit: Hier war ich zuletzt alleine mit dem Römer. Die Idee ein gemeinsames Kind zu haben war weit entfernt. Es gab nur ihn und mich – und jetzt rennt unser Kleinkind lachend über den Platz und grüßt Touristen aus aller Welt mit einem fröhlichen „Haaaaallo!!“.

Der römische Gatte

Wir schauen uns noch das Forum Romanum von oben an, gehen die rutschige Treppe wieder hinunter, schlendern am Teatro di Marcello, das oft für das Kolosseum gehalten wird, vorbei und überqueren den Tiber mithilfe der Tiberinsel. Signorino will alles selber laufen (Betonung auf laufen) , was wir begrüßen würden, wäre der Verkehr nicht so dicht. So tragen wir das maulende Kind heim, dass immer wieder „Laufen! Laufen!“ schreit.

Endlich sind wir zu Hause und packen für morgen.

Mülleimer-Jagd in Rom – das Rom-Tagebuch [Tag 5]

Samstag, 27.08.2022

Ha! Es hat nur fünf Tage gedauert und ich bin morgens nicht mehr unleidlich. Es stimmt schon, was man sagt: Man gewöhnt sich an alles. Auch an das quietschende Bett und alle anderen Störfaktoren, die meine Schlafhygiene beeinträchtigen. Meinen nächtlichen Erfolg kann keiner der männlichen Farnientes nachvollziehen, denn groß und klein schlafen Nacht um Nacht wie die Babys.

Leider ist mein Erfolg nur von kurzer Dauer, denn es juckt unangenehm an meinen Armen und Beinen. Noch vor dem Frühstück tupfe ich das Gel, das der Römer in der Apotheke erwarb, auf die roten Mückenstiche. Langsam, ganz langsam wird es besser.

Während ich noch tupfe, holt der Römer bereits Frühstück bei unserem neuen Stamm-Café „Il Siciliano“. Wenn einer Süßgebäck kann, dann definitiv die Sizilianer:innen. Nach vorheriger Absprache mit dem Römer, beschlossen mehr ich als er, dass Signorino heute kein Croissant bekommt. Nicht etwa, weil wir besonders gemeine Elterm sind, sondern viel mehr, weil er seit Tagen nur ein einziges Mal von dem Süßgebäck abbeißt, um dann lieber Kekse zu essen. Sehr zum Leid meines immer enger werdenden Hosenbundes, müssen der Römer und ich das Signorino’sche Croissant vernichten. Auch mein Magen rebelliert, denn nach eineinhalb pappsüßen Croissants mit Creme-Füllung fühle ich mich etwas schwerfällig in der Magengegend. Der Römer stimmte meinen Ausführungen natürlich voll und ganz zu bevor er das Haus verließ. Das macht er oft, um sich unnötige Diskussionen zu ersparen.

Nach wenigen Minuten kommt er mit einer Papiertüte gefüllt mit zwei großen Croissants und einem Mini-Croissant zurück. Signorino habe ihm so Leid getan, da musste er ihm zumindest ein kleines Marmeladencroissant mitnehmen. Es sei nur so groß wie zwei Kinderhände und deswegen absolut in Ordnung. Unser Nachwuchs freut sich sehr über das kleine Croissant, beißt ein einziges Mal davon ab und legt es auf meinen Teller. Dann widmet er sich den Keksen und will Milch dazu. Immerhin ist das Signorino’sche Croissant so klein, dass die Hälfte davon mich und meinen Magen kaum belastet.

Danach beginnt wie immer die Ideenfindung für das heutige Ausflugsprogramm. Wir kommen nicht recht weiter und so beschließen wir zuerst dem Laden gegenüber einen Besuch abzustatten.

Seit Tagen kann ich vom Küchenfenster unserer Ferienwohnung aus die Fußmatte des Ladens sehen, auf der „Ciao Patatoni!“ steht und ganz unter uns: Ich würde meine linke Niere verkaufen, um so eine Fußmatte in Frankfurt zu haben. So treten wir ein und gucken uns interessiert um, während ich nichts anderes als diese Fußmatte im Sinn habe. Leider entdecke ich sie nirgends. Immerhin entdeckt der Römer etwas und zwar rosa Baby-Tennissocken mit der Aufschrift „Daje!“ [röm. Komm schon!]. Er verliebt sich in die keinen Daje-Socken und will sie für die frisch geborene Tochter eines italienischen Freundes in Frankfurt kaufen. Gesagt, getan. Er schreitet zur Kasse und ich instruiere den Römer, doch bitte UNBEDINGT nach dieser Fußmatte zu fragen. Zögernd dreht er sich noch einmal zu mir um. Ich zische ein leises „Daje! Na los, mach schon!“. Ja, ich meine das tatsächlich bitterernst. Als auch er bemerkt, dass ich nicht scherze, fragt er das Verkaufspersonal höflich nach der Fußmatte. „Ah, das tut mir Leid.“, sagt der Ladenbesitzer. „Diese Fußmatte war eine Sonderanfertigung für uns. Sie ist leider unverkäuflich.“ Der Römer bedankt sich, zahlt und wir verlassen mit den Babysöckchen das Ladengeschäft. „Alles muss man selber machen.“, stelle ich fest und suche bereits nach „Fußmatten zum selber designen“ im Internet. „Muss das jetzt sein?“, will der Römer wissen. Jetzt bemerke ich selber, dass das tatsächlich ein bisschen dämlich ist und vertage die Fußmattensuche auf einen späteren Zeitpunkt. Wir bringen die Geschenktüte in die Ferienwohnung und beschließen von der Piazza Trilussa ein Taxi zur spanischen Treppe zu nehmen. Für 8,70 Euro bringt uns ein älterer Herr sehr zügig zu eben dieser. Als wir zahlen, bemerke ich wieder einmal, wie günstig Taxifahren in Italien ist. Wir bedanken uns und steigen aus.

Tatsächlich sind wir nicht wegen der Sehenswürdigkeit gekommen, sondern weil der Römer und ich in dieser Ecke ein Outlet kennen, das in der Vergangenheit immer tolle Angebote hatte. Leider können wir uns nicht mehr an den exakten Standort des Outlets erinnern und so irren wir ein bisschen zwischen den Luxusmarken umher und wundern uns über die Menschenschlangen, die sich vor so manchem Luxusgeschäft bildet. Als wir an einer Schlange vorbeigehen, bleibt Signorino stehen. „Hoch!“, spricht er und meint es ernst. Immerhin sind wir schon 50 Meter weit gegangen. Natürlich verstehe ich den kindlichen Wunsch getragen zu werden. Auf seiner Höhe sieht man nicht wirklich viel außer Schuhe, Knie und Hüften. Ich nehme ihn auf den Arm und schleppe ihn durch die Gassen. Er meldet sogleich seinen Wunsch nach „EEEIS!“ an und wiederholt es sicherheitshalber nochmal auf Italienisch, damit ihn auch wirklich jeder Elternteil verstehen kann. Da wir gerade erst gefrühstückt haben, beschließen wir, dass Signorino noch ein Weilchen ohne Eis auskommen kann. Stattdessen bekommt er seine Wasserflasche in die Hand gedrückt. Er guckt verdutzt, trinkt aber dann.

Am Outlet angekommen sind wir ziemlich enttäuscht. Die Auswahl ist sehr ausgedünnt. Da Signorino neben „Steine gucken“ auch „Kleidung gucken“ ziemlich langweilig findet, beschließt er die Treppe des zweistöckigen Geschäftes zu benutzen und zwar mehrmals und ohne Pause. Wir teilen uns auf: Erst schaue ich ein wenig durch die kleine Leicht-Daunenjacken-Auswahl, dann hat der Römer Zeit einen Blick in die Herrenabteilung zu werfen. Eh ich mich versehe, ist der Römer bereits in einem handfesten Verkaufsgespräch zu einer sehr eigenwilligen Trainingsjacke, die für mich eher nach Altkleidersammlung als nach Designerstück aussieht. Mein Gatte schwört Stein und Bein, dass das DIE Marke ist und nur Kenner dieses tolle Teil für den horrenden Preis schätzen würden. Ich stimme ihm zu. So muss es sein, denn anders kann ich es mir nicht erklären, wer mehr als fünf Euro für so eine furchtbar hässliche Jacke ausgibt. „Nur 150 Euro kostet sie.“, will mich der Römer überzeugen und ich falle aus allen Wolken. „150 Euro für eine Jacke, die du vermutlich nur daheim trägst?“, überschlägt sich meine Stimme. „Wie? Daheim? Ich werde die Jacke überall tragen.“, will mich der Römer überzeugen. „Bitte nicht.“, murmle ich. Signorino huscht derweil wieder die Treppe hoch und hat Gefallen daran gefunden, all die Schuhe, die pro Treppenstufe links und rechts platziert sind, zu tätscheln. Dazu begrüßt er sie, indem er ihre Farben erwähnt „Hallo Blau! Hallo Braun! Hallo Schwaaahaaz!“. Wenn ein Schuh hinsichtlich seiner Farbwahl besonders außergewöhnlich ist, sagt er nur „Hallo Schuhe!“ und tätschelt ihn ein bisschen weniger als die anderen. Während ich Signorino und die Schuhe beaufsichtige, sehe ich den Römer nachdenklich vor der aufgebügelten Trainingsjacke stehen. Er will diese Jacke, probiert sie noch ein, zwei Mal an, betrachtet sich im Spiegel auf der Verkaufsfläche und der Verkäufer redet auf ihn ein, dass diese Jacke ganz besonders „particolare“ [einzigartig] sei. Ja, so scheint es mir auch. Selten habe ich ein hässlicheresTeil gesehen. „Che faccio? [Was mache ich jetzt?]“, fragt mich der Römer. „Das musst du wissen.“, antworte ich und halte Signorino davon ab, einen Schuh samt Schuhkarton die Treppe hinunterzuwerfen. Der Römer seufzt. „Vielleicht kaufe ich sie später.“, spricht er. Wir wissen beide, dass dieses „Später“ nicht eintreffen wird. Sehr geknickt verlässt er den Laden. „Eis!!!“, ruft sich Signorino wieder ins Gedächtnis und der Römer ist damit beschäftigt für Signorino eine Eisdiele zu suchen. Wir landen in einem etwas edlerem Café mit furchtbar muffigem Personal. Die Eisverkäuferin gibt Signorino nicht einmal einen Waffelkeks auf sein überteuertes Schokoladeneis. Auch der Römer bestellt sich ein Scholoadeneis und ich frage mich, warum sie bei identischer Bestellung nicht einfach einen Becher zusammen genommen haben? Kurz danach weiß ich warum. Während ich den Nachwuchs mit Eis füttern darf und gleichzeitig aufpassen muss, dass er das Eis nicht zu schnell ist, da er sonst vor „Gehirnfrost“ schreit, löffelt der Römer in aller Ruhe sein Eis weg. Er hat leider, leider keine Hand frei, um das Kind zu füttern, denn schließlich würde sein Essen ebenso schnell schmelzen wie das des Nachwuchses. Verstehen Sie mich richtig, ich helfe Signorino sehr gerne, sein Eis zu essen. Jedoch wird das Erlebnis für mich etwas komplizierter, da ich einen hellrosa Hosenrock und ein weißes T-Shirt anhabe. Mit Argusaugen versuche ich, das Kind und mich sauber zu halten und gleichzeitig mit Schokoladeneis zu füttern, was furchtbar anstrengend ist. Als das Kind grundgereinigt ist und mein T-Shirt nur über einen winzigen Schokoklecks im Bauchnabelbereich verfügt, ziehen wir weiter. Der Römer sucht verzweifelt einen Mülleimer für die beiden Papp-Eisbecher, kann aber keinen finden und ärgert sich lautstark. Schritt um Schritt wird er wütender ob der mangelnden Mülleimer in der italienischen Hauptstadt. Schließlich, vor einer Kirche, finden wir einen und er versenkt erleichtert die beiden Verpackungen. „Das ist in Frankfurt schon besser.“, erklärt er mir und ich grinse. Ja, auch Frankfurt hat seine Vorteile.

Endlich ein Mülleimer vor einer Kirche.
Die Ansicht ohne Mülleimer und nach oben ist fast noch besser.

Mittlerweile, am Largo Argentino angekommen, wollen wir den Bus der Linie 8 nach Casaletto (Genau: à casa, al letto – nach Hause, ins Bett) nehmen. Leider lässt er heute auf sich warten. Es ist Mittagszeit und furchtbar heiß. Signorino will seinen Sonnenhut nicht tragen und wir streiten uns. Als der Bus kommt, gebe ich genervt auf. Im Bus braucht er keinen Sonnenhut. Da will ich mal nicht so sein. Angekommen an unserer Haltestelle bringt uns der Römer noch in die Wohnung, um dann zu La Ranella zu spurten. Diesmal bringt er erstaunlich viel Pizza mit, die wie immer klasse ist. Signorino isst am liebsten „Pizza Bianca“, also gebackener Pizzateig ohne alles mit Salz und Olivenöl.

Dann fängt der Kampf ums Mittagsschläfchen wieder an. Das Kind findet unsere Idee wie immer doof, ist aber müde. Sehr müde. Schließlich beschließt der Römer mit Signorino zu raufen. Laut kichernd kämpfen sie auf dem quietschenden Bett, um dann nach dem Kampf erschöpft nebeneinander zu liegen. Signorino trinkt Wasser und nickt dabei weg. Was für eine kluge Taktik. Vor 18 Uhr wacht der kleine Mann nicht auf.

Der Römer meldet an, eine schnelle „spesa“ [Einkauf] zu machen. Nach dem gestrigen Schreianfall Signorinos hüten wir uns davor, nochmal mit Signorino in einen Supermarkt zu gehen. Rasch flitzt der Römer in den Supermarkt im Souterrain unserer Ferienwohnung und kauft allerhand Nützliches und Unnützliches.

Danach das Übliche aus Duschen, einer kleinen Runde um den Block und Abendessen bis wir schließlich um Mitternacht im Bett sind.

Pantheon beinahe ohne Linse – das Rom-Tagebuch [Tag 4]

Freitag, 23.08.2022

Morgens krieche ich wieder etwas unleidlich unter dem dünnen, weißen Leinentuch hervor. Die übliche Mischung aus quietschendem Bett (bei jeder nur leicht verrutschten Haarsträhne) und der Straßenlärm, sowie die von Signorino vorgegebene, unchristliche Bettgehzeit (irgendwann nach Mitternacht) machen mich fertig. Dazu die Hitze in der römischen Hauptstadt, die stellenweise noch etwas intensiver ist als die, die ich in Frankfurt in den letzten Tagen vor den großen Ferien erlebt habe. Langsam, ganz langsam schalte ich von meinem inneren Leerlauf in den ersten Gang und habe Mühe, dabei nicht gleich vollkommen benommen vom Stuhl zu fallen. Der Römer, bei dem all diese nächtlichen Umstände und die Hitze Energiegeber (und nicht wie bei mir Energieräuber) sind, hüpft bereits gut gelaunt durch die Straßen Roms und holt Frühstück. Ein Mann wie ein Goldstück, auch das muss man ab und an lobend feststellen.

Signorino erwacht in der Zwischenzeit. Auch ihm tun die Nächte gut und er verbringt sie in vollkommener Zufriedenheit neben mir. Ich wechsle ihm die Windel und will ihm die kurze, rehbraune Hose mit dem Ananasdruck anziehen, aber keine Chance. Er weiß genau, wie er sich kleiden will und schreit wie am Spieß beim Anblick der kurzen Hose mit dem Print. Er zeigt mir selbstsicher, dass für ihn – als direkter Nachfahre des Römers – nur die orange, kurze Hose ohne Druck in Frage kommt. Dazu will er bitte das T-Shirt mit dem Eiffelturm-Print anziehen und Socken. Blau sollen diese sein! Das passende Paar zerrt er sogleich aus dem Koffer. Wenn er sich jetzt noch zweifelnd im Spiegel beäugen würde, wäre er die exakte Kopie des Römers.

Apropos Römer: Der kommt gerade zurück und wir frühstücken.

Währenddessen besprechen wir – wie die Tage zuvor – mögliche Ausflugsziele in Rom mit unserem Zweijährigen. Wieder schlägt der Römer den botanischen Garten vor, aber bei aller Liebe für den botanischen Garten, zwei Mal in zwei Tagen muss ich ihm auch keinen Besuch abstatten. Mein Vorschlag, Terme di Caracalla, findet der Römer gut, allerdings ist er der Meinung, dass wir schon zu spät dran sind und die Sonne so erbarmungslos vom Himmel knallen würde, dass wir diesen Ausflug heute lieber nicht machen sollten. Am Ende entscheiden wir uns für Bummeln. Genauso heiß wie der Ausflug zur Caracalla-Therme, wie wir schnell feststellen werden, aber immerhin zahlen wir keinen Eintritt und sind schnell wieder zu Hause.

Durch Trastevere schlendernd entdeckt der Römer ein T-Shirt mit dem wenig charmanten Aufdruck „Fatti cazzi tuoi“ [Sehr frei übersetzt: Kümmere dich um deinen Mist]. Er würde das T-Shirt gerne kaufen. Gleichzeitig ist er hin und hergerissen, ob er das T-Shirt wirklich braucht und so beschließen wir, dass wir es eventuell auf dem Rückweg kaufen werden.

Weiter geht es Richtung Nonna Vincenzas Konditorei. Leider sind wir noch so voll vom Frühstück, dass wir keinen Platz für ein zweites Frühstück finden können. Am Campo de‘ Fiori angekommen, zeige ich dem Römer einen geheimen Geheimgang, der tatsächlich so geheim ist, dass der Römer ihn nicht kennt. Dazu halten wir uns an der Piazza del Biscione, die direkt an den Campo de‘ Fiori anschließt, ganz rechts bis wir einen Art Tunnel entdecken. Dort gehen wir hindurch und kommen an der Via di Grotta Pinta heraus. Das ist sicher nichts weltbewegendes, aber für mich war es ein schönes Gefühl, dem Römer etwas von Rom zeigen zu können und nicht nur Sehenswürdigkeiten, Tricks und Kniffe gezeigt zu bekommen.

Die Aussicht auf die Kuppel der Kirche Sant‘Andrea della Valle wartet nach dem geheimen Geheimtunnel auf Sie.

Der Römer lotst uns zur Piazza Navona. Dort gönnen wir uns auf der Stufe zum Trottoir sitzend eine kleine Trinkpause. Es ist sehr heiß und viele Tourist:innen sind auf und an der Piazza unterwegs. Wir blicken auf die brasilianische Botschaft und mir wird schlagartig blümerant. Nicht etwa wegen der brasilianischen Botschaft, viel mehr, weil mein Kreislauf verrückt spielt. Ruckartig stehe ich auf und hoffe, dass es besser wird und tatsächlich geht es mir etwas besser. Mein Kreislauf läuft sich langsam wieder warm, oder, hinsichtlich der Temperaturen, vermutlich eher kühl. Wir beschließen weiterzugehen und der Römer bringt uns zum Pantheon – sein Lieblingsbauwerk. Wir beobachten die Tourist:innen, die allesamt nur damit beschäftigt sind, sich vor dem Pantheon fotografieren zu lassen. Abseits steht ein älteres Schweizer Pärchen in Tarn-Beige gekleidet. Sie sind die einzigen, die das Pantheon mit eigenen Augen und nicht durch eine Linse betrachten. Ihre Köpfe stecken sie zusammen und weisen sich gegenseitig auf Dinge hin, die sie an der Außenfassade oder an der Architektur des Pantheons in all seiner Einzigartigkeit entdeckt haben. Ja, diese beiden erleben Rom tatsächlich wie es sein soll und am Ende haben sie vermutlich mehr zu erzählen als all die Fotograf:innen, die nur auf der Suche nach dem nächsten Like sind.

Ein schneller Schnappschuss auch von mir. 😄

Der Römer will mir noch eine ganz andere Sehenswürdigkeit zeigen. Bei einem Jeansgeschäft am Eck hat er DIE Herren-Jeans schlechthin entdeckt. Jeder hat eben am Pantheon Augen für etwas anderes. 😉 Anprobieren möchte er sie nicht, weil das mit Signorino jedes Mal eine Herausforderung ist und so wollen wir gerade weiterziehen bis ich das Pärchen, dass sich in den Nationalfarben Italiens gekleidet hat, entdecke. Ich vermute, dass es ein Zufall ist, aber ein Foto war es mir doch wert. Ob die Dame heute früh zu ihrem Liebsten sagte: „Wenn du rot und weiß anziehst, bin ich grün?“ Als ich den Römer auf das italienische Duo aufmerksam mache, muss auch er laut lachen. Mein Vorschlag, dass er morgen Rot und Gold anzieht, während ich ganz in Schwarz gehe, findet er dann nicht mehr so zum Lachen. Spielverderber!

Ein Bild für die Götter. Sie in Grün. Er in Rot und Weiß. Zusammen stellen sie die italienische Flagge dar.

Wir setzen unseren Rundgang fort und besuchen die Galleria Alberto Sordi, oder wie sie bei mir heißt „Umberto Ecco“. Na ja, immerhin eint die beiden, dass sie berühmte Italiener waren. Dort sind mittlerweile alle Geschäfte dauerhaft geschlossen, dafür sind zwei Kaffeebars offen. Wir setzen uns zu der linken Kaffeebar und meine Blase drückt. Das Tat sie schon im Frühjahr 2019 an dieser Stelle und ich wunderte mich noch, warum ich ständig pinkeln musste. Tja, Signorino war damals schon mit an Bord – wir wussten nur nichts davon. Diesmal ist niemand mit an Bord und ich gehe zur Toilette und zeige pflichtbewusst meinen Kassenzettel vor, um mir einen Euro Toilettengebühr zu ersparen. Denn wer im Café konsumiert hat, darf die Toilette kostenlos benutzen. Die wunderbare Reinigungskraft hat den Laden im Griff – aber sowas von. Nach jeder Benutzung putzt und desinfiziert sie, was das Zeug hält. Sie kontrolliert, dass nicht zu viele Leute auf einmal im Spa-Bereich (den Ausdruck können Sie beinahe wortwörtlich nehmen, so sauber ist das WC) stehen und ist dazu freundlich und überaus fleißig. Als ich gehe bedanke ich mich herzlich bei ihr und lege ein paar Münzen in ihre kleine, dunkelgrüne Schale.

Zurück am Tisch diskutieren der Römer und Signorino gerade über die Sinnhaftigkeit der Zuckerpäckchen in einer kleinen, schwarzen Plastikschale, die auf dem Tisch steht. Der Römer findet es sinnvoll, dass die Zuckerpäckchen in der dafür bestimmten Zuckerschale bleiben sollen. Signorino stellt das gänzlich in Frage und lädt Zuckerpäckchen um Zuckerpäckchen aus, die der Römer geflissentlich wieder einräumt bis sie sich nach dem dritten Zuckerpäckchen streiten. Auch als ich mich auf die Seite des Römers stelle, ist das Geschrei bei Signorino groß. Er hat absolut ungerechte Eltern, die nichts und zwar gar nichts verstehen. Als Trostpreis bekommt er mein unbenutztes Zuckerpäckchen und wir tragen das 15 Kilo Kind zur Piazza Venezia, von der wir ein Taxi nach Hause nehmen wollen. Doch weil es gerade so schön ist, frage ich den Römer, ob wir nicht doch noch zum Largo Argentino weitergehen wollen und er gibt sich geschlagen. Dafür trage ich das Kind auf meinem Arm weiter. Der Largo Argentino ist komplett eingezäunt. Vermutlich wollten die Katzen, die dort leben, einfach mal ihre Ruhe und haben Betriebsurlaub eingereicht.

Da es nur noch wenige Schritte zur Bushaltestelle, die eigentlich eine Tramhaltestelle ist, sind, beschließen wir, uns das Taxi zu sparen. Wir fahren also wieder Richtung Casaletto und der Römer erklärt unserem Nachwuchs abermals, dass es jetzt „a casa“ (nach Hause) und ins „letto“ (Bett) geht und nur deswegen „Casaletto“ auf dem Bus stehen würde. Der Kleine guckt irritiert und fasziniert zugleich. Vermutlich hört er selten so viel dummes Zeug in einem Satz. Als wir im Bus sitzen, sind wir erleichtert, dass der Bus über eine Klimaanlage verfügt und diese noch dazu funktioniert. Wir schleppen das Kind die letzten Meter nach Hause und machen das Essen warm. Danach weigert sich das Kind Mittagsschlaf zu machen und so verbringen wir die Zeit bis 16:30 Uhr mit einem sehr knatschigen, sehr müden Kind bis Signorino endlich einschläft.

Der Römer mustert meine unzähligen Mückenstiche an den Beinen mit großen Augen. Ich sehe ziemlich zerstochen aus. Noch dazu kratzen die Dinger wie verrückt. Rasch zieht der Römer seine Schuhe an und geht in die Apotheke. Dort holt er mir ein Anti-Juckreiz-Gel gegen Mückenstiche. Auch, wenn ich mich wiederhole: Ein Mann wie ein Goldstück. Dankbar nehme ich es entgegen, betupfe die Stiche, doch es juckt immer noch fürchterlich. Immerhin haben sich die Mücken einzig und alleine mich als lebendes Buffet ausgesucht. Signorino und der Römer bleiben komplett verschont. Der Römer schnappt sich seinen Laptop und bereitet seine Bewerbung für ein Uni-Projekt vor, während ich meinen Reisebericht stichpunktartig abtippe. Dann sortiere ich Urlaubsbilder.

Nachdem Signorino erwacht ist, holt der Römer Supplì und Pizza von unten. Der Laden ist bekannt für seine Supplì, die als frittierte Reisbällchen beschrieben werden können. Für seine Pizza ist der Laden anscheinend nicht bekannt, denn sie schmeckt grauenhaft. Der Teig ist matschig, die Tomatensauce erinnert an Ketchup. Der Käse erinnert an geschmolzenes Plastik.

Abends verlassen wir das Haus gegen 21:30 Uhr und nutzen es schamlos aus, dass das Kind eine Eule ist, die nicht vor Mitternacht ins Bett geht. Der Abendspaziergang wird dennoch anstrengender als gedacht. Alleine eine Männer-WG entzückt Signorino, da sie mit einer Gießkanne die Pflanzen vor ihrer ebenerdigen Wohnungs- und Haustüre gießen. „Gießkanne! Gießkanne!“ ruft Signorino den Männern zu und sie lachen das Kind freundlich an. Schließlich finden wir noch zwei Nasoni, Wasserspender, und Signorino macht „pritsch pratsch“ mit dem heraussprudelnden Wasser. Am Ende ist das ganze Kind gewaschen und sehr nass. Wir beschließen, zurückzukehren und Signorino trocken zu legen.

Ja, die Zeiten sind wohl vorbei, in denen wir jung und unbeschwert bis spät in die Nacht durch Trastevere zogen. Alles hat im Leben eben seine Zeit – auch das. Daheim kuscheln wir uns ins Quietschebett und gucken eine Zeichentrickserie, während unten viele ausgehfreudige Leute lachend und laut quatschend vorbeiziehen. Als wir das Kind in den Schlafanzug stecken, hat er seinen Palmwedel, den er auf der Straße fand, immer noch in der Hand. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft wie es scheint.

Bekannt aus Film und Fernsehen – das Rom-Tagebuch [Tag 3]

Donnerstag, 25.08.2022

Auch meinen heutigen Zustand kann man als durchaus unausgeglichen bezeichnen. Alles kommt gleichzeitig zusammen: Die bleierne Müdigkeit, die sich in der vorherigen Woche in Bayern akkumulierte. Das Kind, das ständig ausrastet und vermutlich eben so müde ist wie wir. Das Bett der Ferienwohnung, das bei jedem Zucken quietscht. Das pure Leben, das nachts in der Bar unten an der Straße aus den Gästen und Boxen des Lokals dringt. Die Müllabfuhr, die um 4 Uhr nachts die an Müll erstickende, italienische Hauptstadt von eben diesem befreit. Und: Die Ferienwohnungsnachbarn, die um 7 Uhr morgens mit Koffern rumpelnd aus der Wohnung unter uns ausziehen. Am liebsten würde ich auch meine Koffer packen und heimfahren. Ganz Gentleman und frei nach dem Motto „Happy wife, happy life.“ bietet mir der Gatte um 8 Uhr morgens das nicht quietschende Einzelbett in der Ecke des Zimmers an. Ich schlafe noch einmal eineinhalb Stunden und bin fit. Ein Hoch auf die schnellen und effektiven Regenerierungszyklen meines Körpers, die um einiges kürzer geworden sind seitdem ich Mutter bin.

Morgens holt der Römer Brioche, die sich wirklich als solche bezeichnen dürfen. Innen fluffig, außen süß und knusprig. Ich frage den Römer, wo er diese Croissants gekauft hat und er erzählt mir, dass die Bar „Il Siciliano“* heißt. „Là e‘ un po signorile. Ma hanno dei brioche buoni.“ [Dort ist es ein bisschen vornehmer. Aber sie haben gute Croissants.], erklärt mir mein Gatte und er hat vollkommen recht. Die Croissants sind wirklich richtig, richtig gut.

Noch während des Frühstücks beratschlagen wir uns über die heutige Tagesplanung. Der Römer schlägt das Pantheon vor, das gleichzeitig sein Lieblingsbauwerk in Rom (und weltweit) ist. Mir wird ein bisschen unwohl bei der Aussicht, das Kleinkind bis vors Pantheon zu schleppen und so schlage ich etwas weniger anstrengenderes vor: den botanischen Garten. Der Römer war das letzte Mal 2003 im botanischen Garten in Rom und stimmt meinem Vorschlag zu.

13 Gehminuten später, von denen Signorino 10 Minuten getragen werden wollte, erreichen wir den orto botanico. Selbst im August ist er überraschend ruhig und stellenweise angenehm kühl.

Der botanische Garten in Rom

Details in der Schnellübersicht

Adresse: Largo Cristina di Svezia, 24

Eintritt: 4 Euro. Kinder von 0-5 Jahre umsonst. Das Schmetterlingshaus ist nicht im Eintrittspreis inkludiert und kostet nochmals 4 Euro Eintritt.

Öffnungszeiten: April – Oktober 09:00 – 18:30 Uhr; November – März 09:00 – 17:30 Uhr.

Welche Vorteile bietet diese Sehenswürdigkeit mit Kleinkind?

Es gibt viel zu entdecken und das Kleinkind kann frei herumlaufen. Achtung: Am Hang (steil!) bzw. in den japanischen Gärten ist etwas Vorsicht geboten, da dort Wasser ist.

Auch an den Treppen ist Vorsicht geboten, wenn das Kind noch nicht sicher läuft.

Es gibt Toiletten in ausreichender Anzahl und Verfügbarkeit, sowie einen Wasserbrunnen (beim Schmetterlingshaus) zum Wasser auffüllen. Dazu stehen viele Sitzbänke zur Verfügung, um zu rasten.

In der Nähe des Eingangs des botanischen Garten gibt es ein kleines Café, das aber unter der Woche (oder im August?) geschlossen hat.

Kleines Café, leider geschlossen. Man sitzt trotzdem nett.

Für Kinderwagen ist der botanische Garten sehr gut geeignet.

Alles in allem ist auch dieser Ausflug in Rom gut mit Kleinkind und Baby machbar.

Die Wege sind super für Kinderwagen.
Die Aussichten sind traumhaft.

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Danach greife ich zu meiner bereits erprobten Methode und wir locken das Kind mit einem Eis aus dem Garten. Natürlich muss es Schokoladeneis sein und natürlich muss ein waffelartiger Keks im Eis stecken. Heute und in dieser Ecke Trasteveres haben wir Glück und so finden wir gleich eine Eisdiele. Um das Eis zu essen, setzen wir uns auf die Stufen einer Schule neben der bekannten Apotheke „Farmacia di Santa Maria della Scala“, die schon in manchem Film mitwirken durfte. Das Kind ist begeistert. Nicht etwa, weil wir ihm so beeindruckende Orte zeigen, sondern viel mehr vom Schokoeis. Wie gucken den Touristen und Einheimischen zu, wobei uns Signora Clara darüber unterrichtete, dass Trastevere nur noch das Zuhause von Touristen, nicht aber von alteingesessenen Römer*innen sei. Die meisten seien weggezogen – nach Testaccio oder Monteverde Vecchio. Der Römer unterbricht meine Gedanken an den Austausch mit Signora Clara und fragt mich „Warum tragen Deutsche eigentlich immer Wanderstiefel in Rom?“. Es schlürft ein vermutlich Deutscher Staatsbürger mit kariertem Hemd, kurzer Wanderhose und knöchelhohen Wanderstiefeln vorbei und guckt unter seinem Fischerhut interessiert nach links und rechts. Ich fixiere den Herrn und denke nach. Dabei schöpfe ich aus meinem Erfahrungsschatz, als ich noch für einen Reiseveranstalter Romreisen organisieren durfte. Vorsichtig versuche ich mich an einer Antwort: „Amore, ich kann es mir nur so erklären, dass man hier alles zu Fuß machen muss und die Straßen eben sehr uneben sind. Dort knickt man schnell mal um und wer will schon im nicht deutschsprachigen Ausland im Krankenhaus liegen und tagtäglich mit der Versicherung telefonieren? Rom ist bereits Abenteuer genug, deswegen will man gleich vorab die größten Risiken wie gebrochene Knöchel ausschließen. Ansonsten kann ich dir sagen, dass wir in unseren Reiseunterlagen „festes Schuhwerk wird empfohlen“ geschrieben haben und ja, diese Wanderstiefel sind definitiv als solches zu werten.“ Mein blickt fällt auf meine dünnen Sommersandalen. Auch der Römer muss grinsen. „Aber du hast keine Wanderschuhe oder Wandersandalen an, obwohl du Deutsche bist.“ stellt der Römer belustig fest. „Ich spreche die Sprache und wenn ich umknicke, bleibe ich eben hier und lasse mich im Krankenhaus ganz in Ruhe gesund pflegen. Vielleicht kann ich dann auch endlich diesen Roman beenden, den ich vor Monaten angefangen habe? Ich würde sagen, das ist ein sehr überschaubares Risiko für mich.“ Der Römer wird etwas blass um die Nase, denn er sieht sich vermutlich schon alleine den Laden mit Signorino schmeißen. „Ganz falsch wären aber Wandersandalen nicht für dich. Oder zumindest Turnschuhe…“, antwortet er. „Danke, ich bleibe lieber bei meinen Sommersandalen.“, gebe ich zurück und stibitze mir ein Löffelchen Schokoeis von Signorino.

Auf dem Heimweg, wie sollte es anders sein, gehen wir bei La Renella vorbei und holen Pizza. Wie immer will das Kind nur Pizza Bianca und so toben wir uns bei den anderen Sorten aus. Rom ist mittlerweile backofenheiß und so beeilen wir uns heimzukommen. An einer Straßenecke schaut der Römer den Touristen auf den Teller, die gerade angestrengt ein Foto ihres Essens mit dem Handy machen. „Also hier essen wirklich nur Touristen.“ sagt er etwas zu laut auf Italienisch. Ich frage ihn, woran er das erkennen will. „La pizza sembra immangiabile. [Die Pizza scheint ungenießbar zu sein.] “ Ich gucke nun ebenso interessiert auf den Teller des Touristenpärchens. Irgendwie hat er recht. Die Pizza erinnert eher an amerikanische Fastfoodketten als an Pizza made in Italy. Hauptsache die Gäste sind zufrieden.

Vor der Haustüre treffen wir die Partnerin des Vermieters Gabriele und fragen sie nach dem ausgeschriebenen Bügeleisen. Blöderweise haben wir all unsere Sommersachen ungebügelt in den Koffer geworfen und darauf vertraut, dass die Ferienwohnungsausstattung genau so vorzufinden sei. Sie bringe uns gleich eines, antwortet die freundliche und engagierte Partnerin Gabrieles. 45 Minuten später steht sie mit einem neu gekauften Bügeleisen vor unserer Türe. Wir bedanken uns herzlich und ich freue mich sehr über unseren neuen Mitbewohner: Immerhin kann ich nachts nun die Bügelwäsche erledigen, wenn ich aufgrund des quietschenden Bettes nicht schlafen kann. 😉

Wir essen in der Zwischenzeit, dann legen Signorino und ich uns ins Bett. Der Römer arbeitet für sein Projekt in der oberen Etage der Wohnung. Das Kind schläft 3,5 Stunden, weil es so geschafft ist. Ich begnüge mich mit 1,5 Stunden und tippe dann den Text für mein Reisetagebuch ab.

Abends holen wir wieder etwas bei Restaurantfreund A. und fallen um Mitternacht ins Bett. Reisen ist echt anstrengend.

*Werbung, unbezahlt und unbeauftragt, aus Überzeugung.

Bekanntschaft mit Signora Clara – das Rom-Tagebuch [Tag 1]

Dienstag, 23.08.2022 (zweiter Teil)

„Buonasera.“ [Guten Abend.], sagt sie und ihre Stimme klingt tief, rauchig und ein wenig bedrohlich. Eine Wolke aus schwerem Parfüm zieht an uns vorbei. „Buonasera Signora. [Guten Abend, Signora.]“, antwortet der Römer und versucht sich nochmals am Türschloss. „Buonasera.“, murmle ich etwas verlegen, doch werde von einem freundlichen „HAAAALLOOOO!!“ von Signorino unterbrochen. „Ma tu, chi sei? [Aber du, wer bist du?]“, fragt die Signora freudig und ihr Gesicht erhellt sich plötzlich. Signorino antwortet nicht und lacht. „Ma come ti chiami? [Aber wie heißt du?]“, will die Signora von unserem Sohn wissen. Der Römer bittet Signorino seinen Namen zu sagen, doch Signorino will nur frech grinsen. Also lüftet der Römer das Geheimnis um Signorinos Namen. „Aah! Signorino! Che bel nome. [Ah! Signorino! Was für ein schöner Name.]“, stellt die Signora fest. Die Hündin der Signora flitzt aus dem Haus und direkt auf Signorino zu. Er will hochgenommen werden und so nehme ich ihn auf den Arm. Dann stellt die Signora ihren Hund vor. Lulu heißt die Hundedame und ist sehr neugierig, wobei sie besonders an Signorino interessiert ist. „Amore, non funziona ’sta cosa. [Schatz, dieses Ding funktioniert nicht.]“, unterbricht der Römer das gegenseitige Beschnuppern und zeigt auf das Display, das uns die Türe mit dem richtigen Code öffnen sollte. Ich seufze. Mehr fällt mir auch nicht ein. „Che è successo? [Was ist passiert]", will die Signora wissen. Der Römer erklärt es ihr. „Ah vabbè. [Ah, ja gut.] Ich habe Gabriele, dem Besitzer, schon vor Tagen gesagt, dass ich dieses Gerät für Humbug halte. Warum muss man immer alles technisieren und die Dinge dadurch komplizierter machen?“, fragt sie uns. Wir zucken mit den Schultern. „Und jetzt stehen die Gäste vor der Tür. Totaler Schwachsinn! Habt ihr die Nummer von Gabriele oder soll ich ihn anrufen?“, zetert die Signora weiter. Der Römer guckt in seinem Handy nach. Er hat Gabrieles Telefonnummer vorliegen. „Besser so für Gabriele. Dem hätte ich etwas erzählt. Unfug, diese Technik!“, spricht die Signorino ihr Missfallen aus. Der Römer telefoniert derweil mit Gabriele. Er würde so gleich mit einem Ersatzschlüssel hier sein, zehn Minuten – maximal. Italienische zehn Minuten kenne ich bereits von meinem Römer, also setze ich mich auf eine Stufe und lege den Pizzakarton auf meinen Schoß. Signorino setze ich neben mir ab, doch er bleibt im Gegensatz zu mir nicht sitzen. Sofort schießt er auf Lulu zu. Als besorgte Mutter schnelle ich sofort auf und halte Signorino fest, doch er ist bereits bei Lulu, der Hündin, angekommen. „Haaaalloooo Mellie*!“, brüllt er der Hündin ins Ohr. Sie schnuppert neugierig an ihm. „Nicht Mellie! Lulu!“, versucht der Römer richtig zu stellen. „Okaaaaay.“, sagt unser Nachwuchs. „Questa e‘ Lulu, amore mio. [Das ist Lulu, mein Schatz.] Willst du sie streicheln?“, wird die Signora ganz sanft und der Ärger über die Technik scheint verraucht. Langsam streichelt Signorino Lulu und sie lässt es sich gefallen. Dann erzählt die Signora von ihrer großen Liebe zu Hunden und das ihre Hündin gerne Welpen kriegen würde. Lang und breit erklärt sie, dass die Geburten ihrer eigenen Töchter zwar eine schönes Erlebnis waren, aber die Geburt von Welpen doch nochmal ein ganz anderes Erlebnis auf so vielen Ebenen darstelle. „Sie folgen nur ihrem Instinkt. Ist das nicht wunderschön?“, fragt die Signora uns mit strahlenden Augen und wir nicken. Daraufhin erklärt sie lang und breit, wie so eine Hundegeburt abläuft und ich beneide die Hündin dabei nicht. Ich weiß, wie meine Geburt ablief und wären in meinem Bauch noch vier weitere Signorinos gewesen, ich hätte definitiv nach einem Kaiserschnitt gefragt – Instinkt hin oder her.

Derweil verliert Signorino die Geduld und will wieder Treppen steigen. Ich hechte hinterher, kann aber den Pizzakarton wegen der Hündin nicht auf den Boden stellen und so renne ich mit Pizzakarton und Signorino die Treppen auf und ab. „Scusate, ma volete un po‘ di acqua? [Entschuldigt, aber wollt ihr ein bisschen Wasser?]“, erkundigt sich die Signora bei uns. „Wenn es nicht zu viele Umstände macht…“, fängt der Römer an. Signorino ruft in der Zwischenzeit vom unteren Treppenabsatz „WAAAAASSER!! WASSER!!“. Er scheint auch davon überzeugt zu sein, eine kurze Wasserpause einzulegen. Als die Signora ihm das Wasserglas reicht, wird er motzig. Nein, so hat er sich die Darbietung des Wassers nicht vorgestellt. Das Wasser soll – bitte, danke – in seiner hellblauen Sportflasche angeboten werden. Dicke Krokodilstränen rinnen dem Kind über die Wange, wobei er durchgehend „Acqua! Acqua! [Wasser! Wasser!]“ schreit. Die Signora guckt uns betroffen an. Ich versuche Signorino zu beruhigen, während der Römer bereits zufrieden an seinem Glas Wasser nippt. Die Signora eilt in die Küche und holt einen Keks für Signorino, den er dankend annimmt und nur noch ein wenig dazu schnieft. Ich nippe vom römischen Wasserglas und die Signora bittet uns herein auf ihre Couch. „Ihr müsst doch nicht draußen im heißen Flur warten bis Gabriele kommt. Herein mit euch. Macht es euch bequem.“ Wir setzen uns. Also alle, bis auf Signorino. Er stürmt auf Lulus Spielzeugecke zu. Ich will hinterherhechten, doch die Signora bittet mich, sitzen zu bleiben. Zu dritt, der Hund, die Signora und Signorino, spielen sie mit Lulus Ball, wobei Signorino immer wieder aufgeregt und quirlig durch das Wohnzimmer läuft. Die Signora findet’s herrlich „Questo è vita. È vita!!! [Dieser hier ist Leben! Er ist voller Leben!]“, ruft sie mit ihrer rauchiger Stimme und lacht aus tiefster Seele. Ja, Signorino ist wirklich äußerst lebhaft.

Unser Vermieter Gabriele ruft an. Er stehe vor unserer Tür. Wo wir denn verblieben wären? „Bei der Nachbarin.“, antwortet der Römer. „Ist das Gabriele?“, will die Signora wissen und stapft bereits zu ihrer Wohnungstür. Sofort fängt sie an mit Gabriele zu schimpfen. Der 40jährige, selbstbewusste und fesch gekleidete Italiener wird bei ihrem Gezeter zum Schulbub. Dann erzählt uns die Signora, dass sie jahrelang das Apartment, in dem wir zu Gast sind, verwaltet hat. Doch es sei ihr zu viel Arbeit und deswegen wurde die Verwaltung von Gabriele übernommen. „Er macht das gut. Sehr gut, sogar.“, erklärt sie uns. „Aber diese Technik? Die Gäste wollen hier Urlaub machen, ein paar schöne Tage in Rom verbringen und kein Technik-Seminar besuchen, Gabriele. Technik ist anfällig für Fehler. Schlüssel sind es nicht.“, stutzt sie Gabriele zu recht. „Schlüssel können verloren gehen.“, murmelt Gabriele kleinlaut. „Ja, und? Dann machst du einen neuen, tauscht das Schloss aus, was man eben so macht. Das Haus ist aus dem 17. Jahrhundert. Da wird man doch ein einfaches Türschloss austauschen können?“, zetert die Signora weiter. Am Ende öffnet uns Gabriele die Tür – mit einem Schlüssel. Wir bedanken und verabschieden uns von der Signora und Signorino ruft noch einmal „Tschüss Luluuu!“ Richtung Hündin. Während wir die kalte Pizza essen, hören wir, wie Gabriele versucht, die Türschließanlage zu reparieren. Immer wieder piepst es. Dazwischen motzt die Signora. Druck ist vermutlich genau das, was Gabriele in dieser Situation braucht. 😉

Am Ende klopft Gabriele nochmals kleinlaut an unserer Tür und hält uns einen Schlüssel entgegen. „Für die Türe.“, klärt er uns auf. „Ich kriege die Schließanlage heute nicht mehr flott. Für heute hat Signora Clara recht: Die Technik ist nicht immer eine Erleichterung. Aber sie kann es sein, wenn man sich ihr nicht versperrt.“ Wir nicken und bedanken uns. Anscheinend schwelt dieses Thema schon länger zwischen den beiden.

Was für ein Tag. Wir sinken allesamt um 21 Uhr ins Bett. Das Bett quietscht bei jedem Umdrehen. Ich kriege kein Auge zu und sehne mich nach meinem Bett.

*Mellie heißt der Hund von Signorinos Oma

Kolosseum am Meer – das Rom-Tagebuch [Tag 1]

Dienstag, 23.08.2022

Der Römer und ich stehen früh auf, frühstücken, werfen eilig die letzten Dinge in den Koffer und wecken Signorino, der partout nicht aufstehen will. Irgendwann bequemt er sich dann doch dazu.

Während der Kleine frühstückt, flattern wir weiter durch die Wohnung, machen noch dies und das und werden uns dabei bewusst, dass wir unsere vier Wände in einem solch desolaten Zustand verlassen, dass es für einen potenziellen Einbrecher aussieht als wäre ihm bereits ein Einbrecher-Kollege zuvorgekommen. „Vielleicht ist das als Abschreckungstaktik gar nicht so schlecht.“, denke ich so bei mir und erinnere mich an die letzten Reisen. Die Wohnung sah in unserer Abreise-Vergangenheit nie anders aus. Es schien immer eine Mischung aus „Überstürzte Flucht“ und „Umzugschaos ohne Kartons“ zu sein. Also alles wie immer, wenn wir verreisen. Ich werte es als gutes Omen.

Als wir bereits den Zeitpunkt überschritten hatten loszukommen, bricht wie immer Hektik aus. Vollständige Sätze weichen Kommandos und so rufen wir durch die Wohnung: „Schatz! Schuhe!“ oder „Signorinos Flasche! Kinderrucksack!“. In aller letzter Minute schnappen wir uns das Kind und rennen mit dem Koffer zur S-Bahn. Auch das ist typisch für uns, auch das Werte ich als gutes Vorzeichen. Eher untypisch dagegen war die geordnete Abreise vor einer guten Woche. Dazu die aufgeräumte und geputzte Wohnung und das Gefühl alles im Griff zu haben. Nein, das war, wenn man so will, bereits ein schlechtes Zeichen. Demnach läuft unsere Abreise diesmal absolut nach Plan.

Am Flughafen Frankfurt kommen wir seltsamerweise mühelos an der Sicherheitskontrolle an. Kein einziger Passagier ist vor uns. Ich fühle mich fast ein wenig betrogen ob des üblichen Spieles einiger, weniger erfahrenen Fluggäste. Keiner zerrt ärgerlich und auf Aufforderung der Sicherheitskontrolleure seinen Gürtel aus der Hose. Keiner sortiert in absoluter Ruhe und Gelassenheit einzelne Flüssigkeitsbehälter, die wildverstreut im Rucksack durch die Gegend fliegen, in ein Plastikbeutelchen mit nur einem Liter Fassungsvermögen und keiner mault „Wie? Kleingeld muss auch aus den Hosentaschen?!“. Aber nun gut – es wird auch so gehen. In zwei Minuten sind wir durch die Kontrolle geschleust worden. Wie sagt man so schön? Jeder Beruf lehrt einem etwas. Mir lehrte das Flugbegleiter-Dasein, wie man sich schnell durch Sicherheitskontrollen bewegt und sich klug anzieht und klug packt. Bezeichnen Sie mich ruhig als einen Kontrollfreak, aber ich plane nur beim Fliegen haarklein, was ich anziehe und welche Frisur ich trage, um nicht zu piepen oder abgetastet zu werden.

Danach wartet die erste von vielen anstrengenden Etappen auf uns: Signorino möchte – bitte danke – zwei Stunden am Frankfurter Flughafen beschäftigt werden. Wir finden den Spielplatz mit der großen Flugzeugattrappe, der witzigerweise direkt neben dem „Relax-Bereich“ liegt. Ob das nun genial oder grotesk ist, weiß ich nicht. Ich kann Ihnen aber sagen, dass im Minutentakt Kinder von ihren Eltern vom Spielplatz gezerrt werden, um das Flugzeug noch zu erwischen und dies meist unter sehr lautem Geschrei in der Altersklasse 1-4 stattfindet. Viel Ruhe bekommen die Gäste des „Relax-Bereiches“ demnach nicht. Vielleicht ist der Bereich aber auch für alleinreisende Eltern und Eltern mit großen Kindern gedacht, damit sie erleichtert aufatmen können, denn dieses Geschrei stammt nicht von ihrem Ableger.

Signorino spielt ein bisschen auf dem Spielplatz, traut sich aber nicht in die Flugzeugattrappe. Generell will er nirgends ohne uns hin und so hat er immer einen von uns an der Hand. Der andere darf auf einer der Elternbänke sitzen. Sehr interessant: Auf der anderen Elternbank sitzt ein Englisch-Italienisches Elternpaar. Ich finde es spannend, einen sehr ähnlichen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Die Konstellation wirkt auf Distanz ganz anders und überaus faszinierend. Als Protagonistin einer bilingualen Familie kriegt man oft nicht mit wie das von Außen aussieht. Bei dieser Familie konnte man mit eindeutiger Sicherheit sagen, dass sie in Italien leben, da die Kinder der britischen Mutter nur auf Italienisch antworten und sie auch nur Italienisch mit ihrem Partner spricht. Unser Kind hingegen antwortet dem römischen Vater zu 90% nur auf Deutsch. Doch wer weiß? Vielleicht wird sich das durch den Rom-Urlaub ändern?

Nachdem wir das Kind vom Spielplatz, und am Ruhebereich vorbei, gezerrt haben, decken wir uns noch kulinarisch für die Reise ein. Brezeln, einen sehr guten Brownie und mein Lieblingssandwich mit gegrilltem Gemüse und Schafskäse später, gehen wir zum Flugzeug. Wobei nur zwei Personen gehen. Signorino möchte getragen werden. Wir tragen ihn zum Windeln wechseln, da es im Flugzeug äußerst unbequem ist, das Kind frisch zu bewindeln und schon folgt der Aufruf am Gate , dass Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und Familien (die auch in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wenn sie mit Kleinkind reisen) einsteigen dürfen. Wir kommen an Bord, die freundlichen Mitarbeiter*innen grüßen und fragen nach Signorinos Spielzeugwünschen. Ich schlage das Malbuch vor (seit ich bei dieser Airline 2015 anfing, ist das Kindersortiment das ewig Gleiche) und wir huschen zu unserem Platz. Sogleich sind alle Rucksäcke unter den Vordersitzen verstaut, das Tablet ist geladen, es kann los gehen.

Doch halt! So schnell geht es leider nicht. Natürlich dürfen auch noch die anderen Gäste einsteigen und so schieben sich Deutsche in Wanderstiefeln und sehr gemächliche Brasilianer*innen in den Airbus des Typus A320. Ich merke, wie mich alleine das Beobachten der immer knapper werdenden Gepäckfächer nervös werden lässt, doch ich beruhige mich, denn ich bin nicht im Dienst und muss die Situation nicht lösen. Lediglich das am Ende des Boarding-Vorgangs hereinstolpernde, amerikanische Ehepaar um die 70 lässt meinen Puls noch einmal ansteigen. Hinter sich ziehen sie zwei Schrankkoffer her, die in etwa so groß sind wie unser zuvor aufgegebenes Gepäckstück. Alleine die überdimensionalen Räder dieser beiden monströsen Gepäckstücke erreichen vermutlich bereits die von der Airline vorgegeben 8 Kilo für Handgepäck. Ich versuche, der Situation keine Beachtung zu schenken, aber das Schicksal macht es mir nicht leicht, denn das amerikanische Paar sitzt genau hinter uns. Und so starren sie und ich die Gepäckfächer an und sie finden keinen Platz für ihr Überseegepäck. Gleichzeitig schwillt die Neugier in mir an, denn ich frage mich, wie und besonders wo die Flugbegleiter-Kollegin diese beiden Monstren verstauen will. Zumal die Türen bereits geschlossen und in „Flight“ sind. Das bedeutet: Diese Türen werden vor Rom auch nicht mehr geöffnet. Ein zartes, fein zurecht gemachtes Geschöpf in der obligatorischen, dunkelblauen Uniform schwebt herbei und mit einer Engelsgeduld schiebt und rückt sie Gepäckstücke umher, bis sie ein komplettes Overhead-Bin ausgegraben hat und dort die amerikanischen Koffer versenkt. Diese Meisterleistung bleibt von allen, selbst von den Besitzern der Koffer, unbemerkt. Aber in Gedanken verbeuge ich mich vor der Kollegin. Das ist ganz großes Tennis!

Die Lautsprecher knacken: Der Kapitän stellt sich vor, wobei er sofort erwähnt, dass einige Gäste diesen Flug leider nicht rechtzeitig erreichen konnten – im Gegensatz zu ihrem Gepäck, dass bereits verladen im Gepäckraum weilt. Da Gepäck aus Sicherheitsgründen nicht ohne Besitzer:in reisen darf, werden die fleißigen Gepäckabfertiger diese Koffer suchen, finden und ausladen. Besagtes Suchen, Finden und Ausladen dauert eine Stunde, die wir im Flugzeug verbringen. Wer meint, dass sich die am Flughafen verbrachte Wartezeit von zwei Stunden mit Kleinkind zog wie Kaugummi, der irrt. Eine Stunde in einem Flugzeug, dass sich nicht bewegt und in dem das Kleinkind förmlich an den Mittelplatz gebunden ist, zieht sich in eine so unendliche Länge, dass es vermutlich keinen adäquaten Ausdruck dafür gibt. Wir starten unser elterliches Unterhaltungsprogramm, damit unser Nachwuchs brav sitzen bleibt und geben dabei alles. Wirklich alles. Danach bin ich vollkommen nass geschwitzt. Meine linke Hand zittert. Es fühlt sich an als hätte ich den Mount Everest bestiegen – und zwar nur mit einem Paar Flipflops, wobei bei einem der beiden Badelatschen der Riemen gerissen ist und man mit seinem großen Zeh und dem danebenliegenden Zeh versucht, diesen verfluchten Riemen an Ort und Stelle zu halten, was aber natürlich nicht gelingt, denn er rutscht ständig raus, während man auf Schnee und Eis herumschlittert. Als wir endlich losrollen, schläft das Kind ein. Ich atme tief durch und lehne mich erschöpft ans Fenster. Und alle sagen, die Geburt des Kindes wäre echt heftig. Hätte mir mal einer gesagt, dass das ein Klacks ist im Vergleich zum Verreisen mit Kleinkind.

Blöderweise bin ich jetzt zu aufgedreht, um einzunicken. Vor mir bemerke ich zwei Jungs im Grundschulalter. Brav aufgereiht sitzen sie auf dem Fenster- und Mittelplatz. Am Gangplatz liest ihre Mutter eine Frauenzeitschrift, während die Kinder sich wahlweise langweilen oder ihre Kinderzeitschrift lesen. Alles läuft sehr gesittet ab. Ich schließe die Jungs gleich ins Herz, weil es zwei aufgeweckte, überaus witzige Kerlchen sind. Als wir in etwa auf der Höhe Mailands sind, unterbricht der Co-Pilot unser schnödes Warten auf die Ankunft in Rom und erzählt uns etwas über den Flug. Als erstes verkündet er, dass wir bereits im italienischen Luftraum sind. Die beiden Grundschüler vor mir rasten aus vor Freude und müssen ihren Vater, der auf dem gegenüberliegenden Gangplatz sitzt, mit einem „PAPA!!!! Wir sind in Italien!!! Italien!! Juhuuu!“ informieren. Die beiden sind so drollig, ich könnte sie knuddeln.

Als wir etwa auf Höhe der Toskana sind und all die vorgelagerten Inseln begutachten können, unterhalten sich die beiden kleinen Brüder.

„Aha. Das ist also Rom.“, sagt der Große sehr fachmännisch und zeigt auf eine kleine Küstenstadt am Meer. Gegenüber thront Elba. Der Kleine, der dem Großen in nichts nachstehen will, drängt sich dicht neben ihn. „Ja, richtig. Da ist das Kolosseum.“, stellt der Kleine fest. Ich gucke ebenfalls aus dem Fenster und muss schmunzeln. Diese Stadt am Meer ist alles, aber nicht Rom. „Mama, Anton sagt, da ist Rom.“, informiert der Kleine die Mutter. „Hm… schaut nochmal genau. Rom ist schon eine sehr große Stadt.“, spricht die Mutter. „Anton, Mama sagt, du sollst nochmal genau schauen. Das muss eine große Stadt sein.“, erklärt der Kleine dem großen Bruder keck. „Ja, da lege ich mich fest. Das ist Rom. Ich sehe auch das Kolosseum.“, spricht der Große voller Überzeugung. „Juhuuu! Rom!“, schreit der Kleine. Vielleicht hätte die Mutter den Kindern sagen sollen, dass der Flughafen durchaus nahe zum Meer liegt, die Stadt aber ganz und gar nicht? Doch die beiden haben eine solche Freude mit ihrer falschen Erkenntnis, dass diese beinahe ansteckend ist. Wir fliegen noch weitere 20-25 Minuten, dann sind wir da. Unser Signorino schläft immer noch. Auch, als der Römer ihn im Aussteigeprozess auf den Arm nimmt, döst er noch vor sich hin. Erst im Flughafengebäude wacht er auf und wundert sich etwas, was ihn aber nicht davon abhält, gleich auf den Boden zu wollen und davon zu düsen. „Rolltreppe!!“, ruft er euphorisch und läuft auf das Laufband zu. „Andiamo Rolltreppe!! [Gehen wir zur Rolltreppe!!]“, informiert er seinen römischen Papa, der ihm hinterherhechtet. Ich wundere mich hingegen, dass das Kind plötzlich Italienisch spricht.

Bei der Gepäckausgabe angekommen dauert es etwas. Signorino und ich warten auf dem kleinen Spielplatz. Das Kind ist, dank des Schläfchens im Flugzeug, vollständig aufgeladen und turnt überall herum. Dabei ruft er alle paar Sekunden „MAMA!!! MAMAAAA!!“. Zum Glück kommt unser Gepäckstück rasch an, so dass wir zum Zug gehen können. Der Weg dorthin ist echt lang geworden. Aufzug – Laufband – Laufband – Laufband – Laufband. Signorino ist im Glück. Auf dem Koffer thronend, hält er sich am Gestänge des selbigen fest und lässt sich von Laufband zu Laufband kutschieren, was er immer wieder mit seinen „Andiamo Laufband!“-Rufen unterstreicht. Schlussendlich sitzen wir im Zug und lassen uns allesamt durch die Gegend schaukeln. Signorino will gerne im Zug herumlaufen. Wir haben einige, sehr ernste Diskussionen und er findet uns Eltern fürchterlich, was er lautstark äußert. Ich atme viel in den Bauch hinein, um mich zu beruhigen. Als wir am Bahnhof Trastevere ankommen, wollen wir die Tram 8 nehmen, doch diese operiert momentan nicht, so dass wir den Autobus 8 nehmen. Auch gut. Wir quetschen uns in den Bus. Das Kind kreischt panisch auf als ich ihn auf einen leeren Sitzplatz setzen will. Schlussendlich setzen wir ihn wieder auf unseren Übersee-Koffer und stemmen uns mit unserem Körpergewicht dagegen, damit das Gepäckstück nicht mitsamt Kind umfällt.

Endlich kommen wir an der Unterkunft an. Das Vermieter-Pärchen erwartet uns und erklärt uns alles in einer sehr langatmigen Infoveranstaltung. Wir nicken viel, stellen keine Fragen, damit diese Veranstaltung nicht unnötigerweise in die Länge gezogen wird und schließen die Türe am Ende hinter uns zu. Der Römer schwankt zum Bett und legt sich schweratmend auf selbiges. „Oh dio! [Oh Gott!]“, spricht er ganz leise und jämmerlich. Er sieht aus wie das Betttuch: kalkweiß. „Ich habe einen Migräneanfall. Ich dachte, ich werde ohnmächtig, während sie redeten.“, murmelt der Gatte. Ich hole Wasser, zuckrige Snacks und mache einen Kaffee. Das Kind steigt derweil die wohnungsinterne Wendeltreppe hoch und runter. „Andiamo hoch. [Gehen wir hoch.]“, informiert der kleine Kerl uns, um danach „Andiamo ‚unter.“ zu rufen. Ich versuche den Römer wieder aufzupäppeln und frage, ob es so schlimm ist, dass wir einen Arzt brauchen. „No, no, es geht schon wieder.“, spricht er und ich halte ihm einen feuchten Lappen in den Nacken. Wieder ertönt ein „Andiamo hoch.“ mit glockenheller Stimme und der Kleine stampft die Treppe hoch. Mühsam steht der Römer auf und holt sich eine Migräne-Tablette aus seinem Rucksack. Dann schwankt er an Signorino vorbei, hoch ins Bad, und bleibt dort 10 Minuten. Mir erscheint die lange Zeit komisch und so frage ich kurz nach, ob alles ok ist. „Si, si. [Ja, ja.]“, antwortet der Gatte und scheint etwas vitaler zu sein. Kurz darauf kommt er zurück und sieht nur noch mittelblass aus. „Wollen wir Pizza holen?“, will er von mir wissen. „Klar, soll ich gehen?“, hake ich nach. „Andiamo pizza!!!“, ruft der Kleine und hechtet eilig zur Tür. Anscheinend gehen wir alle zusammen. Wir machen noch ein Foto des Tür-PINs und gehen los. Eine bunte Auswahl an Pizzastücken später, erklimmen wir die drei Stockwerke zu unserer Ferienwohnung. Einen Aufzug gibt es nicht. Der Römer schleppt die Pizza. Ich schleppe Signorino, der ab dem 1. Stock nicht mehr gehen mag. Oben angekommen gibt der Römer den Türcode ein, es piept, es blinkt, doch nichts geschieht. Wieder und wieder gibt er den immergleichen PIN ein, die Tür klackt ein Mal kurz, nur um sich dann wieder nicht zu öffnen. Wir rütteln an der Tür, geben noch zehn weiter Male den Code vom Foto ein, doch es bewegt sich nichts. Signorino zerrt an meiner Hand, denn er will wieder nach unten gehen. Wir gehen ein halbes Stockwerk nach unten, dann ruft das Kind „Andiamo hoch. [Gehen wir hoch!]“ und wir tapsen wieder nach oben. Beim Hochgehen bemerke ich all die Schilder, die auf Englisch und Italienisch den geneigten Gast dazu anhalten, bitte im Treppenhaus RUHE!! zu geben. Signorino brüllt durchs Treppenhaus, lacht, ruft „Pizza! Pizza!“ und „Andiamo ‚unter!“. Immer wieder piept die PIN-Anlage der Tür, doch sie bleibt verschlossen. Man hört Geräusche aus der gegenüberliegenden Wohnung, auf der ein weiteres, knallrotes Schild mit weißer Schrift „SILENCE!!!“kreischt. Rasch wird diese aufgezogen. Eine ernste Frau mit rotem Haar und strengem Blick steht mit ihrem Hund in dieser und starrt uns an….

[Fortsetzung folgt]

Ein Abenteuer in Stichworten

Bayern. Fiebriges Kind vor Reiseantritt. Reisestorno. Kind wieder gesund. Kurzfristige Alternativen am Meer unbezahlbar. Brainstorming. Wohin im August? Immerhin: Ein Ort in Italien hat Nebensaison. 😉

Falls Sie die Tonspur hören: Das Kind sagt „Bolli! Bolli! Bolli!“. Ansonsten filme ich das Nachbargebäude. Die Schönheit der Fassade erschließt sich einem von der Straße aus gar nicht.

P.S. Bei den Kommentaren hinke ich sehr hinterher. Das ändert sich spätestens nach dem Urlaub. Versprochen!

Entblätter dich!

Heute werden der Römer und ich ein Jahr älter. Das Schicksal bewies Humor und wählte für uns das gleiche Geburtsdatum aus. Beinahe auch die gleiche Geburtszeit, aber ich war 10 Minuten „schneller“*. Der Römer war vermutlich etwas mediterran-gelassener und hatte es nicht allzu eilig. Wobei er immer noch etwas mehr als eine Dekade rascher war – im Gesamtvergleich gesehen.

Und wie das am Geburtstag so ist, will man etwas Besonderes schenken und auch gerne geschenkt bekommen. Freuen Sie sich auf die Fotostrecke wie sich mein Geburtstagsgeschenk entblättert. 😉

Somit ging mein einziger, dekadenter Wunsch, den ich im Sommer in den Wind sprach, in Erfüllung: Ein Cannolo von Nonna Vincenza in der Via Arco del Monte. Und da ich durchaus auf Schnickschnack verzichten kann, ist mein liebstes Cannolo „semplice“, einfach. Ein bisschen gesüßter Ricotta, fertig. Die einfachsten Dinge sind doch oft die besten, oder?

So in etwa habe ich mir meinen Geburtstag vorgestellt: Lesend im Park. Es kam dann doch ganz anders. Ich werde berichten!

Übrigens hat heute auch ein wunderbarer Bloggerkollege Geburtstag und ist von uns dreien der älteste. Aber psssst! 😉 Erwähnen Sie das gegenüber Christoph lieber nicht.

*Lustigerweise ist Signorino in etwa zur gleichen späten Stunde wie wir auf die Welt gekommen.