Und zurück auf Anfang – das Urlaubstagebuch

Sie haben Teil 1 und Teil 2 verpasst?

Samstag, 20.08.2022

Das Kind ist immer noch krank. Das Fieber ist leider nicht verpufft, sondern klebt an dem kranken Kind wie Pech. Es ist nicht so hoch, um panisch ins Kreiskrankenhaus zu fahren, aber doch so hoch, um den Flug für heute Abend auf Morgen umzubuchen. Dazu sitzen wir in Bayern fest und können nicht vor und nicht zurück. Die Nerven liegen blank, es knarzt nicht nur im Gebälk zwischen dem Römer und mir, nein, das ganze Gebälk knackt und kracht lautstark. Seit drei Jahren war keiner mehr von uns in einem richtigen Urlaub, was durchaus auch als Luxusproblem zu werten ist. Es gibt deutlich Schlimmeres in der Welt, aber jetzt gerade im Souterrain-Gästezimmer fühlt es sich furchtbar schlimm an. Dazu klammern wir uns seit Dezember letzten Jahres an diesen Urlaub wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. All die Arbeitsbelastung, das Studium, die Demenz meines Vaters, die schwachen Nieren des römischen Vaters, dazu die Lieblingstante des Römers, die verstorben ist und in den ersten beiden Signorino-Lebensjahren einen Schrei-Signorino, der nicht müde zu bekommen ist, ließen uns wenig Zeit für Mußestunden. Gelinde gesagt gingen wir vor dem Urlaub auf dem Zahnfleisch und hatten alle Hoffnungen auf diese Tage am Meer gesetzt, die letztendlich nicht angetreten werden können.

Nach dem Gewitter ist der Himmel immer einzigartig, finden Sie nicht auch?

Schweren Herzens stornieren wir alle Bestandteile der Reise. Das Kind will nur noch im Keller respektive Gästezimmer sitzen und weder ins ebenerdig gelegene Wohnzimmer, noch in ein anderes Zimmer im Haus seiner Oma. Signorino schreit lange und ausdauernd, findet alles blöd, weint viel und hängt wie ein lauwarmer Schluck Wasser im Bett. Am Ende essen meine Mutter, bei der wir zu Gast sind, und ich im Keller Pizza. Auf die Bettkante gequetscht sitzen wir da und kauen stumm vor uns hin, während das Kind sich endlich beruhigt und erschöpft einschläft. Vier Stunden ist er im Reich der Träume, dann ist das Fieber Geschichte. Trotz eingeschaltetem Babyphone kontrollierte ich stündlich, ob alles okay ist, denn vierstündige Mittagsschläfchen sind wir definitiv nicht mehr gewohnt. Als Signorino seine Augen aufschlägt, ist er quietschvergnügt. All die Tage zuvor scheinen vergessen zu sein.

Am Ende liegen noch eineinhalb Wochen Freizeit vor uns, die gefüllt werden möchten.

Wir starten langsam und beschließen am nächsten Tag heimzufahren. Signorino ist zwar symptomfrei, aber ab und an knatschig. Vermutlich war die letzte Woche schlichtweg zu viel für ihn. Als wir am Frankfurter Hauptbahnhof stehen und auf unsere S-Bahn warten, ist das Kind so quengelig, dass wir ihm einen Schokoriegel geben. Die Mutter vor uns mit den zwei blond bezopften Mädchen im Kindergarten wirft uns einen Blick zu, der Stahl schneiden könnte. Es scheint in diesem Moment, als bestünde das größte Problem des Frankfurter Hauptbahnhofes darin, dass ich Schokolade an einen Minderjährigen aushändige. Ein Glück fahren wir mit der gleichen S-Bahn und so kann uns die andere Erziehungsberechtigte der beiden Mädchen noch ein wenig weiter anstarren, während Signorino seinen Nachmittagssnack mit „Mmhh! Lecker! kommentiert.

Daheim angekommen, stelle ich fest, dass unsere Kreditkarte eine Reiserücktrittsversicherung beinhaltet und so rufen wir am Montagmorgen beim Kinderarzt an. Er könne für Samstag, den Tag, an dem wir storniert haben, keine Bescheinigung ausstellen. Wir hätten zum ärztlichen Notdienst gehen müssen, wenn wir für diesen Tag eine Bescheinigung gebraucht hätten. Unsere Kinderärztin könne uns nur eine Bescheinigung für Montag ausstellen und darauf schreiben, dass Signorino seit Sonntag an Fieber litt. Ich schreibe die Stornokosten bereits gedanklich ab.

Bei aller Liebe, aber 40 Minuten ins nächste Kreiskrankenhaus zu fahren, um dort drei Stunden mit fieberndem Kind zu warten, mache ich nicht. Dem Kind wäre damit nicht geholfen gewesen und bei uns lagen die Nerven eh schon blank. Zum Glück konnten wir den Mietwagen und die Flüge kostenlos stornieren, wodurch es im Geldbeutel zwar ordentlich weh tut, aber wir nicht dazu gezwungen sind, über einen Banküberfall nachzudenken.

Nachdem dieser Punkt semizufriedenstellend geklärt wurde, herrscht daheim erst einmal Ratlosigkeit. Alle sind gesund, alle sind genesen und irgendwo möchten wir dann doch hin. Nein, im August in Frankfurt zu sitzen stellt keine wirkliche Option dar. Schnell bestätigt sich meine Annahme: Überall am Meer ist es unbezahlbar. Wir wissen nicht was wir tun sollen und entscheiden uns kurzerhand für die Nebensaison in Italiens Hauptstadt Rom. Die Ferienwohnungen werden einem im August förmlich nachgeworfen, wobei sich die Touristenanzahl gleichzeitig in Grenzen hält. Dazu werte ich es als Vorteil, dass wir die Stadt so gut kennen, dass wir nicht lange nach Restaurants und Cafés suchen und auch nicht auf Teufel komm raus Fotos vor dem Kolosseum schießen müssen. Alle bekannten Sehenswürdigkeiten haben wir bereits Jahre oder Jahrzehnte vor Signorinos Geburt abgedeckt.

Wir klicken auf „Buchung bestätigen“. Ha! Was soll bei unserer Reiseplanung jetzt noch schief gehen? 😉

Im Auge des Sturms – das Urlaubstagebuch

Sie haben den ersten Teil verpasst? Lesen Sie gerne hier nach.

Freitag, 19.08.2022

Der Teufel ist ein Eichhörnchen. Natürlich hält die Ruhe nicht an.

Landeanflug auf Tirana während das Gewitter sich hinter den Bergen staut. Leider war der Anflug ohne uns.

Das Kind fiebert nach einer langen Woche in Bayern. Bereits in der Nacht mache ich mir Gedanken, wie es mit unseren Urlaubsplänen weitergehen soll. Der Mietwagen ist seit Dezember 2021 gebucht, die Unterkunft seit Juni. Alles ist in Stein gemeißelt. Jede Änderung der Mietwagenbuchung gleicht einer Neubuchung und ist unbezahlbar und „auf Anfrage“, wie mehrmals betont wird. Gerade steige ich aus meinem Gedankenkarussell aus und will einschlafen, da weckt mich der Römer mit einem „Ehi! Il bambino sta male. [Hey! Dem Kind geht es schlecht.] Es hat Fieber. Was tun wir jetzt?“. Es war 2 Uhr nachts. Das fiebrige Kind schläft. Was soll es da schon zu tun geben? Schlaf ist schließlich die beste Medizin. Morgen würden wir weitergucken.

Fieberzäpfchen mussten wir noch nicht geben. Zum Glück.

Der Römer rollt sich zusammen und schläft laut schnarchend ein. Ich liege abermals 2 Stunden mit offenen Augen wach und denke darüber nach, wie das werden soll, fernab von daheim, in Bayern mit kranken Kind. Mit Fieber würden wir nicht reisen können – weder nach Hause, noch woanders hin. Irgendwann döse ich ein und schrecke doch wieder mehrmals hoch.

Am Morgen frühstücken wir, dann sondieren wir die Lage. Nach einem ewigen Hin und Her entschließen wir uns, die Flüge auf den nächsten Tag umzubuchen. Vielleicht wird das Fieber bis dahin weg sein? Somit verkürzt sich nur der Verwandtenbesuch in Albanien, da wir Mietwagen und Unterkunft erst für einige Tage später gebucht haben.

Hoffen wir, dass Signorinos Fieber so schnell verschwindet wie es gekommen ist.

Ruhe vor dem Sturm – das Urlaubstagebuch

Es ist schon ein paar Tage her, als Anke anmerkte, dass wir wohl schon zurück aus unserem Urlaub in Rom sind. „Zum Glück.“, antwortete ich. Wie holprig unsere Sommerferien verlaufen sind, möchte ich Ihnen in den nächsten Tagen und Wochen erklären. Unser Urlaub – ein Rückblick!

Geplant war: Eine Woche in Bayern bei der engsten Verwandtschaft, um von dort am Freitag nach Albanien zu fliegen, um schließlich nach einem Wochenende bei der albanischen Familie des Römers den Mietwagen zu übernehmen und die Ferienwohnung am Meer zu beziehen. Aber was sind schon Pläne?

Montag, 15.08.2022

Selten läuft der Urlaubsbeginn bei uns in solch geordneten Bahnen ab wie heute. Das brauche ich denen, die uns schon länger verfolgen, nicht zu erklären, denn Sie wissen, dass es meist ein heilloses Durcheinander bei den Farnientes ist. Schließlich ist das Unvorhersehbare das einzig Vorhersehbare bei unseren Reisen. Doch heute lief die Reisevorbereitung beinahe gespenstisch glatt ab. So glatt, dass wir uns wunderten. Ist es nur die berühmt berüchtigte Ruhe vor dem Sturm oder sind wir mittlerweile so routiniert, dass uns alles leicht von der Hand geht?

Die Abendsonne strahlt durch die Bäume. In etwa so ruhig war es.

Gestern bereits packten wir Signorinos Sachen. Jemand, der noch nicht einmal einen Meter groß ist, sollte, wenn man sich das logisch durchdenkt, auf deutlich weniger Platzbedarf im Koffer kommen als seine deutlich größeren Eltern. Seltsamerweise ist es genau andersherum, was vermutlich an all den „Aber wenn…“-Kleidungsstücken des Kindes liegt. „Aber, wenn wir doch drei Mal am Tag am Meer baden sollten?“ – Zack, schon landeten zwei Handtuchponchos mit lustigen Figuren und zwei Kinder-Badehosen mehr im Koffer. „Aber, wenn es doch einen Kälteeinbruch im August in Albanien gibt? Der Klimawandel ist vermutlich noch unberechenbarer als wir es uns vorstellen können.“ Und schon warf ich drei Kinder-Kapuzenpullis in den Koffer. Als ich dreiviertel des Schrankkoffers mit Kindersachen zugepflastert hatte, entfernte der Römer ein Viertel „Aber wenn“-Klamotten und so blieb für unsere Klamotten immerhin ein halber Überseekoffer übrig. Wenn Sie sich jetzt fragen, warum wir nur einen einzigen Koffer mit auf Reisen nehmen, vermag ich die Antwort recht leicht zu geben: Wir reisen gerne mit leichtem Gepäck. Das spart Energie, Zeit und Ressourcen, die wir für all die Imponderabilien auf Reisen brauchen. Gerollt, gefaltet und gestopft quetschen der Römer und ich unsere Dinge auf die verbleibende Hälfte und finden auf besagter Hälfte meist noch ein bisschen Platz für eine kleine Packung Windeln. Dann schlossen wir den Koffer mit unserem altbewährten Spruch: „Notfalls kaufen wir das fehlende Zeug eben vor Ort.“

Als der Koffer gepackt war, nahm ich mir den Kühlschrank vor. Ich guckte, was wir noch verwerten müssen, bevor es auf Reisen geht. Dazu muss ich erwähnen, dass die Einstellung Lebensmittel zu verwerten, bevor man in den Urlaub fährt, beim Römer und bei mir sehr weit auseinander klafft. Der Römer schmeißt alles weg, rigoros und ohne mit der Wimper zu zucken. Ich koche und friere ein, schichte um, und schmeiße nur unter der ernstgemeinten Androhung der Todesstrafe Lebensmittel weg. „Eier, Butter, Milch, das muss noch weg…“, zähle ich halblaut auf. „Das heißt, ich mache nachher Waffeln und friere sie ein.“ „Ma che?! [Aber was?!] Warum machst du dir denn die Arbeit?“, unterbricht der Römer jäh meinen Gedanken. „Weil ich nichts wegschmeiße.“, antworte ich trotzig. „Bratpaprika…gibt es heute noch. Die Tomaten versuche ich an unsere Balkon-Hilfe Turtle abzugeben. Dann wäre da noch das Toastbrot… ab in den Gefrierschrank. Den Feta kannst du zu den Bratpaprika essen und den Joghurt… da frage ich nochmal Turtle. Oder wir nehmen ihn mit nach Bayern? Das sollte eigentlich gar kein Problem darstellen.“, erkläre ich dem Römer meinen weiteren Kühlschrankplan. Der Römer rollt nur mit den Augen und lässt sich einen Espresso aus der Kaffeemaschine. Selbst als ich anfange Waffeln zu backen, schenkt er mir wieder einen von seinen belächelnden Blicken. Signorino, der davon Wind bekam, dass es heute Waffeln geben wird, ist so aufgeregt, dass er begeistert zwischen Küche und Wohnzimmer hin- und herläuft. Dabei jubelt er immer wieder „Waffen!!“, wobei er den Buchstaben „L“ in Waffeln einfach auslässt. Selbstredend bekommt Signorino den ersten Teller voller frisch gebackener und lauwarmer Waffeln, die er unter lauten „Mmhs“ und „Aaahs“ isst. Während ich die restlichen Waffeln ausbacke, guckt mir der Römer neugierig über die Schulter. „Come si mangia? [Wie isst man das?]“, will er von mir wissen. „Mit Puderzucker, Kompott, Apfelmus,…“, zähle ich auf und er greift zum Honig. „Ok, lo mangio con miele. [Ok, ich esse es mit Honig.]“, spricht er und nimmt sich eine Waffel vom Teller. Es war wohl doch keine so blöde Idee, die Lebensmittel zu verwerten, denn am Ende isst Signorino 1,5 Waffeln und der Gatte 3. Den Rest friere ich ein. Als ich fertig bin, schrubbe ich die Küche und mache gleich mit dem Bad weiter. „Che stai facendo? [Was machst du gerade?]“, fragt mich der Römer, während er zwei Gläser Uva-Fragola-Getränk (=alkoholfreier Sekt) in den Händen hält. „Ich putze. Das hatten wir doch abgemacht?!“, gebe ich zurück und säubere den Badspiegel. „Già. [Schon.] Wollen wir einen kleinen Aperitivo auf dem Balkon genießen?“, will der Römer von mir wissen. Ich seufze und entgegne ihm, dass ich noch eben das eine Bad fertig putzen will und wir danach gerne seinen Plan umsetzen können. Fünfzehn Minuten später sitzen wir auf dem Balkon. Das Kind pflückt mit Freude Minzblätter vom Strauch und wirft sie in unsere Getränke . Dabei ruft er ganz laut „FÜR DICH!!!“. Einmal landet auch ein Erdbeerblatt in unserem alkoholfreien Sekt, was dem Geschmack aber keinen Abbruch tut. Danach reinigt der Gatte die Böden und wir sind fertig. Es ist 18:14 Uhr und alles ist erledigt. Sehr zu unserer Verwunderung haben wir sogar die ganze Wohnung auf Vordermann gebracht. „Liegt das jetzt am Alter vom Kind oder warum sind wir plötzlich so stressfrei durchgekommen?“, hake ich etwas verwundert beim Gatten nach. Der zuckt nur mit den Schultern. Auch als wir kein Kind hatten, artete die Urlaubsvorbereitung immer in einem riesen Chaos aus.

Vielleicht sind uns die Sterne einfach wohlgesonnen oder es entwickelt sich nach beinahe einem Jahrzehnt so etwas wie eine „Routine“? Was auch immer es gewesen ist, ich hoffe, es hält an. Drücken Sie uns die Daumen.

Der Freitagsrapport | KW 25

Ein Dusel

Nein, kein Dussel. Ein Dusel [Betonung auf dem U] sagt man im Bayerischen, wenn jemand sehr viel Glück (im Unglück) hatte. Wer so ein Dusel gehabt haben könnte? Natürlich mein römischer Gemahl. Wer sonst?!

Um was es ging? Um seinen Impftermin.

Vor etwa zwei Monaten wurden seine Impftermine bestätigt. Leider passten die Zeiten so gar nicht in seinen Arbeitsplan und so buchten wir den Ersttermin um, so dass er sich in seine Work-Life-Balance, wie man so schön sagt, einfügt. „Sollen wir den zweiten Termin auch gleich umbuchen?“, wollte ich vom Römer wissen. Er winkte ab. „No, no, das machen wir dann.“ Wie ein so kleines, unscheinbares Wort wie „dann“ in einem, einzigen großen Chaos endet, war mir damals nicht bewusst, sonst hätte ich darauf bestanden, dass aus dem „dann“ ein „sofort“ wird.

Der Römer trat in der beeindruckenden Frankfurter Messehalle zur Erstimpfung an, die Wochen vergingen und ihm fiel ein, dass er den Zweittermin unter der Woche, um 10:30 Uhr vormittags, nicht wahrnehmen könne. So bat er seine persönliche Assistentin, mich, um Hilfe. Sogleich machte ich mich daran, den Termin umzubuchen. Doch es klappte nicht. „Momentan können wir Ihnen keine Alternative anbieten. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“, stand da. Ich bestand darauf, dass der Römer die Impfhotline anrufen solle. „Si, si, lo faccio subito. [Ja, ja, das mache ich sofort.]“, sprach der Gatte und machte – nichts. So verging Tag um Tag. Immer wieder hakte er bei mir nach, ob ich es noch einmal online versucht hatte, seinen Termin zu verschieben. „Nein, ich habe es nicht noch einmal versucht.“, log ich, da ich wollte, dass er den Termin bei der Hotline umbuchte. Natürlich hatte ich es seit Tagen im Stundentakt versucht, aber es war absolut nicht möglich, einen anderen Termin zu bekommen. „Ah…allora…[Ah…also…] dann frage ich meinen Vorgesetzten.“, gab der Römer seinen Plan preis. „Du kannst auch einfach bei der dämlichen Impfhotline anrufen.“, schob ich nach. „Nein, nein, mein Arbeitgeber muss mich freistellen. Schließlich geht es um meine Zweitimpfung.“, bestand der Römer auf seinen Plan. Nun denn. Er informierte seinen Vorgesetzten und dieser, der zufällig italienische Wurzeln hatte, hatte vollstes Verständnis. „Aber sicher doch! Unsere Sekretärin muss dir die Stunden freischaufeln. Ich habe auch versucht, meinen Termin umzubuchen, aber das war unmöglich.“, zeigte sich sein Chef empathisch.

Na, wenn auch er das römische Modell angewandt hatte, was mir als Landsmann nicht unwahrscheinlich schien, dann konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass es nicht geklappt hatte. Die Sekretärin seufzte kurz, rief dann alle Patienten zwischen 10:00 – 13:00 Uhr an und suchte händeringend mit ihnen nach einem neuen Termin. Am Donnerstag Abend kontrollierten wir, auf meinen Wunsch hin, die Impfunterlagen. Mein Blick fiel auf die Uhrzeit des Zweittermins. 14:30 Uhr. Moment mal?! 14:30 Uhr?! Behauptete der Römer nicht seit Wochen steif und fest, dass dieser Termin um 10:30 Uhr stattfinden würde? Postwendend konfrontierte ich den Römer mit seiner Impfuhrzeit. „Das muss ein Fehler sein.“, antwortete er gelassen. „Aber hier steht 14:30 Uhr! Moment, ich schau mal in deinen Online-Unterlagen nach.“ Der Römer war immer noch tiefenentspannt. Es würde sich vermutlich nur um eine alte Bestätigung handeln, ein Tippfehler, ein Systemfehler, was auch immer. Ich loggte mich rasch ein. „Ach, du meine Güte. Der Termin ist wirklich um 14:30 Uhr.“, erschrak ich abermals. Der Römer wurde leicht nervös. „Eh allora? [Und nun?] Hm….“, sprach er leise. Sofort klickte ich hektisch in der Online-Plattform der Impfterminvergabe umher. Alles probierte ich aus. Erfolglos. Bis ich über die Kategorie „Ersttermin verschieben“ stolperte. Was hatte ich schon zu verlieren? In meiner Verzweiflung verschob ich also den Ersttermin, den der Römer bereits Anfang Mai hatte. Das System gab mir einen neuen Erst- und Zweittermin. Freitag, 16:30 Uhr war der neue Ersttermin und „Irgendwann Ende Juli.“ der Zweittermin. Ein Versuch war es wert.

„Ich versuche das mal. Wenn’s klappt, ist’s gut. Wenn’s nicht klappt: pazienza! [Geduld!]“, fasste der Römer seine missliche Lage zusammen. Einmal so gelassen wie dieser Mann zu sein, und das ganz ohne stundenlange Meditation, das wäre mein Lebenstraum. Nach der Arbeit tuckerte er zur Festhalle/Messe, wo sich Frankfurts Impfmaschinerie befand. Er erklärte charmant seine missliche Lage und wie er versuchte, das Problem selbst zu lösen. „Kein Problem! Uns ist nur wichtig, dass wir die Impfdosen hier haben und sie einen Termin gebucht haben. Wir sehen in unseren Computern, dass Sie bereits erst geimpft worden sind. Bitte mit den Unterlagen hier entlang. Tschüüühüüüss!“, flötete die Dame an der Impfrezeption. Nach einer Stunde kam der Römer gut gelaunt nach Hause. „Hat alles geklappt. Es war überhaupt kein Problem.“, erklärte er stolz. Dieser Mann! Römisch gelassen und dabei immer das Glück auf seiner Seite.

Römer müsste man sein! Das Bild zeigt den Parco degli Acquedotti. Im Hintergrund ein imposantes Aquädukt, rechts Pinienbäume, eine große, grüne Wiese, darauf ein umgekippter Baumstamm und eine Person, die darauf rastet. Der Himmel ist blau.

Geheult wie ein Schlosshund

… habe ich diesen Mittwoch. Der knapp 2jährige Nicola Tanturli wurde am Fuße einer Böschung, irgendwo im Mugello, (einer Landschaft, die sich in etwa nördlich von Florenz und südlich von Bologna befindet) wieder gefunden. Außer ein paar Kratzern hatte er nichts.

Was war passiert? Am Dienstag publizierten die italienischen Medien, dass der kleine Nicola von seinen Eltern vermisst gemeldet wurde. Er verschwand in der Nacht von Montag auf Dienstag aus seinem Elternhaus in Palazzuolo sul Senio, einem Ort in der Provinz Florenz. Dienstagmorgen haben die Eltern die Polizei informiert, da sie ihren Sohn nicht mehr in seinem Bettchen vorfanden. Man ging davon aus, dass der kleine Mann eigenständig aus seinem Bett aufgestanden ist und das Haus verlassen hat. Hierzulande würde das Haus wohl als Einsiedlerhaus bezeichnet werden. Dadurch war Nicola es gewohnt, dass er das Haus autonom verlassen und draußen spielen konnte.

Den ganzen Tag und die ganze Nacht suchte man nach dem kleinen Nicola. Ohne Ergebnis. Man untersuchte einen nahegelegenen See. Wärmebildkameras wurden eingesetzt. Spürhunde. Helikopter. Doch alles verlief im Sand.

Am Mittwoch dann die erlösende Nachricht: Der Carabinieri-Chef Danilo Ciccarelli aus Scarperia hat den Kleinen auf Hinweis eines Journalisten am Fuße einer Böschung entdeckt. Es schien ihm ein Tier, das so schrie. Der Eindruck wurde auch dadurch bekräftigt, dass das scheinbare Tier jedes Mal verstummte, sobald Ciccarelli Nicolas Namen rief. Als Ciccarelli Nicola entdeckte, rief dieser nur „Mama!“ und warf sich dem Carabinieri um den Hals. „Ich habe kontrolliert, ob es ihm gut ging. Er hatte nur ein paar Kratzer.“, sagte Ciccarelli sichtlich bewegt im Interview mit der Presse. Als ich dann noch das Video sah wie seine Mama ihren vermissten Sohn nach diesen aufregenden Tagen in die Arme schloss, weinte ich wie ein Schlosshund.

Ende gut, alles gut? Ja.

Und nein. Welch enthemmende Wirkung digital vermittelte Massenkommunikation hat, brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Aber, dass ein Großteil der kommentierenden Personen davon ausging, dass die Eltern sicher einen Mord an ihrem eigenen Kind vertuschen wollten, empfand ich dann doch als sehr schockierend. Ein 2jähriger könne doch keine Türklinke öffnen und das Haus verlassen, war hier das Schlüsselargument. Dazu kann ich sagen: Was ein 1,5jähriger Signorino kann, und zwar die Türklinke der Wohnungstür ohne Probleme herunterzuziehen, kann auch ein 2jähriger Nicola. Ich hoffe, die ätzenden Waschweiber der sozialen Netzwerke schämen sich in Grund und Boden für ihre widerwertigen Kommentare und ihnen rutscht beim Händewaschen jedes, einzelne Mal der Ärmel runter und wird pitschnass.

Jetzt aber fix!

Aber wirklich. In einer Woche schreibe ich meine erste Klausur (ich werde noch ausführlich berichten) und irgendwie dachte ich, als ich mich zur Prüfung anmeldete, ich wäre schon „weiter“. Ich war ebenso überrascht wie mein Studienskript, dass ich noch etwas hinterherhinke. Deswegen wird es hier vermutlich etwas stiller. Dennoch hoffe ich, den nächsten Freitagrapport nicht ausfallen zu lassen. Doch wenn, seien Sie mir nicht böse! Es dient einem höheren Zweck. 😉

Das damalige, römische Deutschskript wäre um ein vielfaches leichter. Das Bild zeigt einen Leitfaden zum Bestehen der Deutschprüfung.

Danke!

Herzlichen Dank für all Ihre wunderbaren Tipps, wo die Farniente’schen Ferien verbracht werden könnten. Sobald meine erste Klausur geschrieben ist, werde ich mir ein paar, freie Tage gönnen, in denen ich müßig auf dem Sofa liege und mich genau mit Ihren Tipps beschäftige.

Das Bild zeigt ein türkisfarbenes Meer, ein Bötchen, das darauf schaukelt. Alles wurde durch den weitmaschigen Strandkorb fotografiert. Ein Meer aus pastellblauen Farben.

Das Lied der Woche

Ohne Frage, Italien ist zauberhaft. Die Landschaft, die Bauwerke, die Kultur, die Leute und das Essen. Aber, dass die Italiener uns mindestens genau so toll finden, zeigt Francesca Michielin (ja, die schon wieder) in ihrem Videoclip zum 2017 erschienenen Lied „Vulcano„. Gedreht wurde das Musikvideo in Berlin. Nun bin ich wahrlich kein Berlin-Kenner wie Valentin und Julian, aber ich finde, das Video ist gelungen und die Kulisse ist passender denn je.

Jetzt bleibt mir nur zu hoffen, dass Sie sanft ins Wochenende schweben und sich keinen Sonnenbrand (oder nasse Füße, je nach Region) holen.

Der Freitagsrapport | KW24

Löffelchenstellung

Wie isst Signorino daheim?“, fragte die Erzieherin mich diese Woche. „Mit den Händen… und flüssige Sachen füttern wir ihm.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Sie runzelte die Stirn. „Also wir hier in der Kita sagen, dass Kinder mit 1,5 Jahren mit dem Löffel essen sollten. Das ist unser Standard hier.“ Ich nickte und versprach, mich darum zu kümmern. Das tat ich auch. Zwei Nachmittage versuchte ich, dass das Kind alleine einen Joghurt isst. Nachdem 2g Joghurt im Magen des Kindes landeten und 98g überall anders, von der Wand über den Schrank bis zum Tischchen, gab ich auf. Dann malte Signorino noch ein bisschen mit der Joghurt Pampe auf dem eh schon verhunzten Tischchen. So konnten wir immerhin einen künstlerischen Erfolg verzeichnen. Dennoch: Dinge mit dem Löffel zu essen und das mit 18 Monaten klappt bei uns nicht. Der Versuch ist (vorerst) für beendet erklärt!

Vater-Kind-Brunch

Der Römer bezeichnet mich morgens gerne als „lunatica“ [launenhaft]. Dabei hat er (leider) recht. Morgens komme ich wirklich schwer in die Gänge. Alles ist mir zu laut, zu viel, zu wuselig und zu dicht. Unter der Woche ist es hingegen erträglich, da Mann und Kind zur Arbeit und Kita gehen. Den ganzen Vormittag verbringe ich dann damit, mich gemächlich in den Tag hineinzufühlen (das hört sich dekadenter an als es ist). Aber am Wochenende prasselt alles ungefiltert auf mich ein, was dann durchaus gerne zu Konflikten führen kann. Auch dadurch, dass der Römer wie eine Sprungfeder am Wochenende aus dem Bett springt und sofort da anfängt, wo er abends aufgehört hat. Am liebsten würde er mir all seine nächtlichen Erkenntnisse bei einem Frühstück in einem Café irgendwo in Frankfurt erzählen. Doch vor 12 Uhr das Haus zu verlassen, ist mir, am Wochenende, eine unendliche Qual.

Wie gut, dass wir vor einem guten Jahr Nachwuchs produziert haben. Der neue, samstägliche Frühstückskumpel des Römers ist nun Signorino – und Mutti hat frei. Die beiden Herren nutzten die Öffnung der Frankfurter Gastronomie und düsten mit der U-Bahn ins italienische Lieblingscafé des Römers. Dort gönnte sich der Große ein Cornetto und einen Cappuccino, der Kleine bekam eine aufgeschäumte Milch und ein Stück Ciambella [ein ringförmiger Frühstückskuchen]. Beide hatten ihren Spaß und ich eine angenehme Mußestunde, in der ich lunatica [ich übersetze es gerne als mondfühlig] sein konnte wie es mir behagte.

Ich hoffe, aus diesem Vater-Kind-Brunch wird eine samstägliche Tradition. Es wäre sowohl der ruhebedürftigen Partei, als auch der italienisch-quirligen Frühstückspartei zu gönnen. Drücken Sie mir die Daumen!

Nachwort: Das Beste daran habe ich Ihnen noch gar nicht mitgeteilt. Man bringt der Daheimgebliebenen, also mir, auch noch etwas mit. Drei süße Törtchen bekam ich, die wir zwischen uns aufteilten! Da verflüchtigte sich sogleich jeglicher Rest meiner Morgenmuffelichkeit.

Sie möchten wissen wie die Törtchen aussahen? Ich zeige Sie Ihnen im Bild der Woche.

Das Bild der Woche

Man möchte meinen, im Hause Farniente gibt es nur Törtchen und Kuchen. Ganz verneinen kann ich die Annahme nicht!

Der Lacher der Woche

Den Lacher der Woche lieferte Signorino – und zwar im Schlaf. Laut kichernd und dabei tief und fest schlafend weckte er uns. Nachdem der Römer und ich zu uns gekommen waren, mussten auch wir schmunzeln. So ging das zehn bis fünfzehn Minuten lang. Dann drehte sich das Kind zur Seite und das Kichern wandelte sich zu tiefen, ruhigen Atemzügen.

Hilfe! Urlaub!

In etwa so fühlt es sich dieses Jahr an. Im September soll es so weit sein: 14 Tage Urlaub hat der Römer eingereicht und bestätigt bekommen. Nur leider wissen wir nicht wohin. Wir wissen nur, was wir wollen (und was wir nicht wollen), nicht aber, wo dieser Ort sein soll. Vielleicht haben Sie zufällig die Nadel im Urlaubsdestinations-Haufen und können uns einen Tipp geben?

So entspannt möchte ich im Urlaub aussehen. Nur die Kulisse sollte eine andere sein.

Was wir uns vorstellen:

  • Ein Urlaubsort am Mittelmeer mit einem adretten Strand, der nicht allzu weit entfernt ist.
  • Ferienwohnung – da wir Individualtouristen sind.
  • Mein persönliche Wunsch wäre ein Ort, an dem ich mindestens einmal in 14 Tagen einen Tintenfisch vom Grill (polpo arrostito) genießen kann.
  • Es sollte im gleichen Ort (oder in Fahrweite) einen Supermarkt, (mind.) ein Café und eventuell ein Restaurant geben.
  • Maximal zwei bis drei Stunden Flugzeit

Und ja, wir dachten auch schon an Apulien und wären nicht abgeneigt. 😉

Es muss nicht gleich Ipanema sein.

Was wir nicht wollen:

  • Einen All-Inclusive Hotelbunker
  • Einen Club-Urlaub
  • Einen wilden Partyort mit unzähligen Diskotheken, die alle bis September wieder in Betrieb sind.

Sie wissen ganz genau, wo dieser Ort sein könnte? Dann schreiben Sie es gerne ins Kommentarfeld oder per Email an info@zwischentiberundtaunus.com

In diesem Sinne:

Gleiten Sie sanft und sicher ins Wochenende. Und lassen Sie sich nicht vom Freizeitstress verrückt machen. 😉

Der Freitagsrapport | KW19

Jedem neuen Anfang wohnt ein Zauber inne

Gezuar fiter bajramin!“ hörte und las ich am Mittwochabend sehr oft. Was das wohl bedeuten mag, werden Sie sich fragen? Es bedeutet, dass der Fastenmonat Ramadan ein Ende gefunden hatte und dies war der dazugehörige, albanische Glückwunsch. Und wie das oft so ist mit einem Ende: In ihm wohnt ein neuer Anfangszauber inne. Dazu war die Magie dieses Anfangs eine ganz besonders köstliche: Zweierlei Canapés, Dorade in Salzkruste mit persischem Reis und natürlich das Dessert in Form von Brownie Cheesecake (selbstgemacht), Baklava, Kadayif (von Turtle selbst gekauft) und Erdbeeren.

Besonders schön fand ich, dass sich Turtle an unser letztes Zuckerfest erinnert hat und sich bereits am Anfang des Fastenmonats für das diesjährige Zuckerfest angemeldet hatte. Da das heurige Fastenbrechen um Punkt 21 Uhr stattfand, waren wir besorgt, ob wir ein ganzes Abendessen bis zur Ausgangssperre um 22 Uhr unterbringen würden. Turtle wäre kein Spaziergänger gewesen, denen es erlaubt war bis Mitternacht das Haus zu verlassen. In jedem Fall hätte sie, um nach Hause zu kommen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssen. Aber noch rechtzeitig erreichten uns die gesetzlichen Neuerungen für bereits Geimpfte und Genesene: Diese sind nicht von der Sperre betroffen und so konnte Turtle, die vor einigen Wochen positiv auf Corona getestet wurde, dieses wirklich sehr schöne Fest bei uns verbringen und mit ihrem ausgedruckten, positiven Testergebnis von Ende März beschwingt und pappsatt mit der U-Bahn nach Hause düsen. Kontrolliert hat sie natürlich keiner.

Natürlich allen Musliminnen und Muslimen von ganzem Herzen: Gezuar fiter bajramin! Eid Mubarak! Ich bewundere Sie uneingeschränkt, dass Sie den Ramadan durchgehalten haben.

Stress! Stress! Stress!

So in etwa fühlt es sich momentan an. Die Kita-Eingewöhnung startet am kommenden Montag. Durch die vielen Aufgaben, die alle gleichzeitig auf mich Einprasseln, wäre ich gerne eine Krake mit acht Armen und zwei Tentakeln. Leider bin ich nur ein Mensch mit zwei Armen, wobei auf einem meist das zur Zeit sehr anhängliche Kind sitzt. Alle Artikel (und besonders mein zweites Baby, die Albanienchroniken) sind momentan aufgeschoben, nicht aber aufgehoben.

Erschwerend kommt hinzu, dass mein Kopf einfach weitertextet. Ständig fallen mir schöne Redewendungen, lustige Sätze und Szenen aus der Vergangenheit ein, die gerne verwurstet werden wollen. Doch ich habe keine Zeit! Aber anscheinend hat der bloggende Teil meines Gehirns diese Information nicht mitbekommen. Beim Badezimmerschrubben erzählt er munter weiter: „Weißt du, über was du mal schreiben könntest? Davon, dass dich Wochenenden und Feiertage so nerven, weil du ein Morgenmuffel bist, während der Römer eine südländische Discoparty am Frühstückstisch veranstaltet… Ich würde zum Beispiel schreiben, dass…“ Ja, so geht das den lieben, langen Tag. Aber, um Paulchen Panther*² zu zitieren: „Heute ist nicht aller Tage, ich komme wieder, keine Frage!“

*²Wenn Sie Paulchen Panther nicht kennen, sind die einzigen Falten, die Sie tragen, vermutlich ihre Pofalten.

Mein persönliches Fundstück der Woche

Mein persönliches Fundstück der Woche fängt mit einer Beschwerde an. Nun war die Beschwerde nicht nur römischer Natur. Nein, auch der germanoitalbanische Sohnemann beschwerte sich über die stottrigen, deutschen Leseversuche seines Vaters. Wenn zwei Drittel der Familie mit der rein deutschen Kinderbuchauswahl unzufrieden sind, dann heißt es für das verbleibende Drittel (also mich) in Aktion zu treten und etwas zu ändern. Beim größten, bekannten Onlinekaufhaus A. guckten wir nach italienischen Kinderbüchern. Auf der deutschen Seite wurden wir zwar fündig, aber überzeugt waren wir von der dortigen, mageren Auswahl nicht. Auf der italienischen Homepage des Unternehmens waren wir zwar überzeugt von der Fülle des Bücherangebotes, leider verschickten sie die von uns ausgewählten Kinderbücher nicht nach Deutschland. Der Römer schlug vor, sich doch beim italienischen Bücherladen laFeltrinelli* zu informieren, ob dieser italienische (Kinder-)Bücher nach Deutschland verschicken würden. Und siehe da! Das taten sie. So wanderte ein bunter Strauß an italienischen Kinderbüchern in unseren Warenkorb. Zwei Tage nach Bestellung erhielten wir die Versandbestätigung. Und am nächsten Tag kam unser Paket per DHL Express* an.

Am Ende war Signorino glücklich, weil sein Vater endlich flüssig und korrekt lesen konnte und der Römer war glücklich, weil er sich weitaus weniger beim Vorlesen anstrengen musste.

Sollten Sie ein großes, italienische Bücherangebot vermissen oder in unseren Breitengraden nicht fündig werden und Ihre nächste Italienreise liegt in weiter Ferne, so kann ich Ihnen eine Bestellung bei laFeltrinelli* sehr ans Herz legen. Der Versand kostet auch nur eine halbe Niere und keine ganze, wie von mir anfangs vermutet. (Wen es interessiert: 11,38 Euro kostete der Versand für diese Bücher; der Preis richtet sich nach der Anzahl der Bücher)

Im Hintergrund zu erkennen: Ein Wäschekorb, damit auch Mutti auf ihre Kosten kommt.

[*wie immer: Werbung, unbezahlt]

Das Foto der Woche

Ich wollte ein Stück Schokoladenkuchen fotografisch in Szene setzen, was bei der dunklen Farbe des Gebäckstücks gar nicht so einfach war. Doch eh ich abdrücken konnte, war schon eine kleine Hand am Schokokuchen, die ihn blitzschnell vom Teller zog.

Der Lacher der Woche

Heute müssen Sie mir versprechen, wirklich, aber auch wirklich, ganz genau zu lesen.

Und bevor Sie einen Kommentar wie „Das sollte wohl jedem selbst überlassen sein!!“ tippen, lesen Sie noch einmal das lila Feld – ganz in Ruhe. Ich bin mir sicher, dass Sie mir uneingeschränkt zustimmen.

Dazu passend die Frage: Wohin werden Sie als erstes in den Urlaub fahren (wenn Sie dazu gezwungen werden 😉)?

Mein Rezept der Woche

Der Schokokuchen überzeugte mich nicht wirklich. Der Brownie-Cheesecake war nicht das, was ich mir davon versprochen hatte. Kurz: Es war eine herausfordernde, kulinarische Woche.

Deswegen müssen Sie heute mit einem indischen Gericht vorliebnehmen. Sie wissen bereits, dass ich, im Gegensatz zum Römer, keine Koryphäe in der Küche bin. Das mag zu einem großen Teil daran liegen, dass es bei mir schnell, und wenn das nicht möglich ist, zumindest unkompliziert gehen soll. So wurde mir von einer Kollegin dieses vorzügliche Indian Butter Chicken Rezept empfohlen. Es kommt, bis auf das Gewürz Garam Masala, das sie in jedem gut sortierten Supermarkt finden, ganz ohne Schnickschnack aus. Dazu bereitet sich das Hähnchen beinahe von ganz allein zu. Die meiste Zeit verbringt es eh in einem Bad aus Joghurt und Gewürzen. Und das schönste ist: Selbst der Römer, der exotischeren Küchen sehr skeptisch gegenüber steht, isst es gerne.

Hier finden Sie das wirklich sehr einfache Rezept!

Guten Appetit & starten Sie mit ordentlich Karacho in dieses Wochenende, wenn sie das nicht bereits am Mittwoch getan haben!

Endlich (oder auch nicht)

Ich bin Ihnen etwas schuldig. Und zwar eine Erklärung!

„Ach, Eva (oder, wenn Sie die förmliche Anrede bevorzugen: Ach, Sig.ra Farniente), Sie sind mir doch nichts schuldig.“ werden Sie lächelnd abwinken.

Doch, doch, darauf bestehe ich.

Letzte Woche, es war ein Montag oder Dienstag, Signorino schlief gerade, lagen der Römer und ich auf der Couch. Er links, ich rechts und wir starrten an die Decke. „Urlaub wäre schön.“ sprach ich in die Stille und der Römer seufzte. „Si, si. Ma abbiamo solo una settimana a settembre. E dobbiamo andare a vedere i miei.“ [Ja, ja. Aber wir haben nur eine Woche im September. Und wir müssen zu meinen Eltern fahren.] antwortete er müde.

Wir seufzten gleichzeitig.

„Wie viel Zeit brauchst du eigentlich für dein neues Ph.D. Projekt?“ fragte ich nun um das Thema zu wechseln. „Tre, quattro mesi.“ [3, 4 Monate] antwortete er und versuchte die Verzweiflung wegzugrinsen.* „Aber ich habe nur 6 Wochen bis Abgabeschluss. Es wird sehr knapp mit dem Projekt.“

Draußen prasselten Regentropfen gegen die Scheibe. Es war trist, es war grau und es war stürmisch.

„Unbezahlter Urlaub wäre schön.“ seufzte ich wieder. „Hm….“ stimmte der Römer in die Monotonie ein.

Plötzlich kam Bewegung in die Szenerie. Der Römer setzte sich ruckartig auf. „Ma perché no?“ [Aber warum nicht?] fragte er nun voller Energie. Ich runzelte die Stirn. „Ist es jetzt nicht viel zu spät um für August nach unbezahltem Urlaub zu fragen?“ erwiderte ich etwas überrannt. „Ma era idea tua! [Aber das war deine Idee!] Und, das muss ich diesmal ausnahmsweise sagen, es war eine fantastische Idee.“ strahlte er.

Ich dachte nach. „Aber es ist alles so kompliziert… und sicher werden sie dir keinen Urlaub geben UND….“ ich wollte gerade noch andere Gründe finden, warum es nicht klappen kann, da unterbrach mich der Römer: „Das Neun hast du doch eh schon, wenn du nicht fragst. Aber es kann ein Ja werden, wenn du den Mut hast zu fragen.“ versuchte er mich zu bekehren. „Den Satz hast du von mir!“ wandte ich ein. „Io lo provo! [Ich versuch’s!] Und wenn sie nein sagen, dann ist’s auch okay.“ verkündete er während er auf seine Armbanduhr guckte. „Oh, mi devo sbrigare. [Oh, ich muss mich beeilen.] Gleich fängt der Spätdienst an.“ sprach’s und packte hastig seine Tasche.

Als er von der Arbeit zurückkehrte, wirkte er sehr niedergeschlagen. Die Antwort auf die Frage nach unbezahltem Urlaub beantworteten seine hängenden Mundwinkel. Ein klares Nein für unseren Urlaub, der einen Monat dauern sollte. „Na ja, wir haben’s versucht.“

Gedanklich legten wir das Thema ad acta.

Bis heute.

„Christel [des Römers Chefin] bat mich nach der Arbeit auf sie zu warten. Sie müsse mir etwas zu meinem Urlaub sagen.“ schrieb der Römer um 13 Uhr.

Ich verdrehte die Augen, denn ich hatte Hunger und wollte noch länger auf ihn (und das gemeinsame Mittagessen) warten. „Welcher Urlaub? Den Vorschlag wegen des unbezahlten Urlaubs hat sie bereits abgeschmettert. Da bleibt nur die Woche im September. Sag mir bitte nicht, dass sie dir die Woche auch noch nehmen will?“ tippte ich genervt. Mein Hunger wirkte wie ein zusätzlicher Katalysator meiner – eh schon angespannten – Gefühle.

Doch der Römer antwortete nicht mehr. Frustriert biss ich in einen Schokoriegel und kaute ärgerlich darauf herum.

Nach 45 Minuten sah ich einen beschwingten Römer die Straße entlang spazieren. Fröhlich schwang er seine Milchkaffee braune Arbeitstasche hin und her. Ich wunderte mich.

„Okay! Tutto confermato.“ [Okay! Alles bestätigt.] jauchzte der Römer vor Glück und wirbelte den eben noch auf dem Boden spielenden Signorino im Kreis umher, der dann auch anfing vor Freude zu jauchzen. „Dein Urlaub im September war doch schon bestätigt?!“ hakte ich bei dem unorganisierten Römer nach. „Ja!! 5 Wochen!“ gab er freudestrahlend zurück. Ich war verwirrt. „Ne, ne. Eine Woche war das doch?“ vergewisserte ich mich irritiert. „Ma no! Allora, si! Ma no!“ [Aber nein! Also, ja! Aber nein!] strahlte mich der Römer an.

Ich hob beide Augenbrauen und verstand nichts. Doch diesmal war es definitiv kein sprachliches Missverständnis, das hier vorlag.

Der Römer bemerkte meine verhaltene Reaktion und rollte die Geschichte freundlicherweise noch einmal von vorne aus: „Wir wollten doch unbezahlten Urlaub?“ fing er an. „Dieser wurde uns aber nicht gewährt, weil meine Bitte so kurzfristig kam. Aber weißt du, was Christel heute gesagt hat: „Alles klar,“ sagte sie, „Römer, viel Spaß! Du hast 5 Wochen Urlaub – ab Mitte August! Ich hab nochmal mit Walter [dem anderen Chef] geredet und Walter ist d’accordo. Wir wollen, dass du dein Ph.D. Projekt ordentlich vorbereitest. Also: Ciao Kakao! Viel Spaß im Urlaub.“

Mir stand der Mund offen. „Wirklich?“ fragte ich irritiert. „Maaaa si! Cinque settimane per noi – e il progetto del Ph.D..“ [Aber ja! Fünf Wochen für uns – und das Ph.D. Projekt]

Ich schüttelte nun völlig fassungslos den Kopf. Als ich die Information langsam verstand, fuhr mein Kopf Achterbahn. Soviel war noch zu organisieren! „Ach du liebe Zeit. Wir brauchen einen neuen Kindersitz, eine Hülle, Flüge, Unterkünfte, vielleicht sogar einen Mietwagen?“ plapperte ich hektisch darauf los. „Senti, una volta nella tua vita…lo possiamo fare a modo mio?“ [Hör mal, einmal in deinem Leben… können wir das auf meine Art machen?] fragte er zögerlich an. Doch ich war schon ins Schlafzimmer gerannt und durchforstete Signorinos Kommode. „UV Anzug!“ delegierte ich. „Schreib auch gleich Sonnenschutz 50+ auf – der ist in Albanien** so teuer!“ leitete ich ihn an. „Ma chi dice che andiamo in Albania?***“ [Aber wer sagt, dass wir nach Albanien reisen?] fragte der Römer erheitert. „Wohin denn sonst? Im August sind wir immer in Albanien. Außerdem haben deine Eltern Signorino noch gar nicht kennengelernt. Danach können wir gerne woanders hin. Aber der erste Stop ist Albanien. Dein Ph.D. Projekt lässt sich doch viel erfolgreicher dort vorbereiten.“ quasselte ich fröhlich darauf los. Signorino quieckte erheitert. „Na, wenn selbst Signorino der Meinung ist. Aber sei bitte nicht genervt, wenn wir dort sind.“ bat der Römer.

„Aber natürlich bin ich genervt, wenn wir dort sind. Einfach weil nichts funktioniert, es laut und stickig ist. Dazu ist Pünktlichkeit ein Fremdwort. Absolut nichts läuft in geregelten Bahnen. Doch gleichzeitig bin ich gerne mit deiner verrückten Verwandschaft unterwegs. Ich lasse mich gerne von deiner Mama auf albanisch bequasseln, minütlich umarmen und mich mit „zemra ime“ anschmachten. Mir fehlen die losen Abmachungen, die Zeit und Ort betreffen. Das überrascht wirkende „Es war komischerweise Stau während der Hauptverkehrszeit, deswegen sind wir 40 Minuten zu spät.“ deiner Brüder geht mir ebenso ab, wie das völlig gelassene „s’ka problem“ [kein Problem] bei jedem vollwertigen Weltuntergang. Dazu der Kaffee, die holprigen, nicht geteerten Straßen Kamez‘, die Granatapfelbäume, die gemächlich im Wind wiegen. All das fehlt mir.“ erklärte ich ausschweifend.

„Allora, va bene.“ nickte der Römer zufrieden und hing mit einem Ohr bereits am Telefon um seiner Verwandschaft Bescheid zu geben, dass der lang ersehnte Enkel Signorino im August das gelobte Land betritt. „Endlich.“ werden sie jauchzen und sich seufzend in den Armen liegen.

„Endlich.“ murmelte ich zufrieden und strich beschwingt über meinen vereinsamten Handgepäckskoffer.

*Der Römer arbeitete seit 8 Monaten an seinem Projekt. Leider hat die Universität nach 10 Jahren beschlossen, die ausgeschriebenen Messgeräte durch andere zu ersetzen. Das wiederum stürzt den Römer in eine mittelschwere Krise, da er nun ein neues Thema braucht – und der Bewerbungsschluss Ende August ist.

**So einfach wie gedacht gestaltet sich eine Reise in ein Drittland wie Albanien leider nicht. Die aktuellen Gesetze besagen, dass man nach der Rückkehr aus einem Drittland 14 Tage in Quarantäne muss. Es gibt jedoch eine Ausnahme: ein nachweisbarer, negativer PCR Test, der bei Einreise nicht älter als 48h ist und aus einem anerkannten Land (Liste: klick) kommt. Alternativ kann der Test nach Einreise am Ort des Grenzübertritts (z.B. das Centogene Testcenter am Frankfurter Flughafen) oder am Ort der Unterbringung erfolgen. Das Testergebnis muss – unabhängig davon, ob die Testung vor oder nach Einreise erfolgte – für mindestens 14 Tage nach Einreise aufbewahrt werde. Es muss dem Gesundheitsamt auf Verlangen vorgelegt werden. (Quelle: Auswärtiges Amt)

***Da wir nicht aus touristischen Zwecken reisen, werden wir die Lage selbstverständlich (auch aufgrund der steigenden Covid-19 Zahlen) beobachten und nicht unbedacht nach Albanien reisen. Wir befinden uns bis zum Reisezeitpunkt in der Feinabstimmung mit der Familie, die darauf besteht, dass wir nicht reisen, sollten die Zahlen sich noch weiter erhöhen.

Eine Hand voll Muscheln und Sand

Bei diesem schmuddelig-kalten Wetter ist mir ein Blogbeitrag in die Hände gefallen, den ich im Urlaub am Strand geschrieben habe. Hoffentlich wärmt er genau so wie eine warme Kürbissuppe, die auf dem Herd vor sich hinköchelt oder die Kuscheldecke auf dem Sofa.

Eine Hand voll Muscheln und Sand bedeuten doch überall Glück, oder? Egal in welche Sprache. Egal mit welcher Währung gezahlt wird. Egal in welchem Land und an welchem Strand.

Eine Hand voll Muscheln und Sand bedeutet Freiheit, salzige Meerluft. Es bedeutet einen Moment sorglos zu sein. Tief durchzuatmen während die Meeresbrise sanft die sonnengebräunte Haut streichelt. Es bedeutet Familien mit Kühlboxen voller Köstlichkeiten, die liebe- und mühevoll zusammengestellt wurden. Es bedeutet Eis, dass viel zu schnell schmilzt und Geschmackssorten, die oft so künstlich sind, dass man sie nur im Sommer am Strand essen kann. Es bedeutet Fußabdrücke im warmen, hellen Sand. Es bedeutet Wellen, die dich umspielen um dich langsam ins Meer zu ziehen. Lauwarmes, salziges Meerwasser, Luftmatratzen in grellen Farben, windschiefe Sandburgen, morsche, ausgeblichene Holzplanken, über die man bis zum Strand balanciert.

Es bedeutet, Urlaubsbekanntschaften an der immer selben Strandbar zur immer selben Zeit zu treffen. Nur die Haut- und Haarfarbe verändert sich. Während die Haare ausbleichen, das dunkelblonde Kleinkind nun fast hellblond ist, wird die Haut dunkler. Bei manchen erst rot – und das in allen Schattierungen, bei anderen ein hübsches braun, dass so wunderbar zum weiten, weißen Leinenkleid passt. Es bedeutet Kaffeeduft und eine große Flasche Wasser, an der die Wassertropfen abperlen und sich ihren Weg bahnen um eine hübsche, kleine Pfütze auf dem Holztisch zu bilden.

Eine Hand voller Muscheln und Sand bedeutet auch Wassermelonenkerne-Weitspucken. Die riesigen, süßen Wassermelonen des Südens mit ihren Rabenschwarzen Kernen. Es bedeutet Schwimmsachen, die im Wind in wenigen Minuten wie von Zauberhand trocknen. Es bedeutet Gummikrokodile, die mit voller Lebenslust von jungen Abenteurern gekapert werden, nur dass sie sie dann wieder ins Meer plumsen lassen, wenn sie nicht aufpassen. Es bedeutet pappsüße Granita, abends, auf warmen Steinstufen zu schlürfen oder zu löffeln.

Es bedeutet fangfrischer Fisch, der wunderbar nach Salz und Meer riecht, gebraten mit ein wenig Olivenöl und Rosmarin auf dem Grill. Beträufelt mit frischer, sonnengelber Zitrone aus Nachbars Garten. Es bedeutet Gemüse aus dem Garten. Gurken, so aromatisch, dass man sich schwört, nie nie nie wieder ihre traurigen Artgenossen in Plastikfolie eingeschweißt im Supermarkt zu kaufen. Es bedeutet warme Nächte, die nur durch den Ventilator und das dünne Betttuch erträglich werden.

Und am Ende des Urlaubs bedeutet es, immer nochmal ein paar Sandkörner im schon ausgepackten Koffer zu finden. Vielleicht auch eine kleine Muschel, die sich keck reingeschmuggelt hat.

Eine Hand voll Muscheln und Sand sind vielleicht die Währung des wahren Glücks auf dieser Erde.

Gjiri i lalzit – verursacht einen Knoten in der Zunge beim Aussprechen, ist dafür aber tausendmal schöner als die Aussprache. Versprochen.

Autofahren in Albanien

Autofahren in Albanien

Vorab die gute Nachricht: Sollten Sie, liebe Leser, das Fahren eines Kraftfahrzeugs nicht so gut beherrschen wie sie es gerne würden, dann machen Sie sich keine Sorgen. Man wird es Ihnen nicht übel nehmen. Sollte die letzte Fahrt schon etwas länger her sein: Keine Panik! Sie befinden sich in bester Gesellschaft.

Im Buch „Lügen auf Albanisch“ von Francine Prose (muss ich das jetzt mit *Werbung kennzeichnen?! 😄) beschreibt die Protagonistin Lula wie und warum ihre Landsmänner so Auto fahren wie sie es eben tun: Unter Enver Hoxha gab es keine Privatautos, nur „Parteibonzen“ sei es erlaubt gewesen, Auto zu fahren. Nachdem das Land geöffnet wurde, stürzten sich alle gierigst darauf, auch ein Auto zu besitzen. „Erst einmal besitzen – das Fahren kommt von allein.“ so dachte und denkt man – bis heute. Das Problem ist: alle fahren als hätten sie den Führerschein erst seit fünf Minuten.

Ich lasse Sie gerne an einigen Beispielen teilhaben:

Der Blinker wird grundsätzlich nicht benutzt. Das ist etwas für Ausländer. Man wird schon am Bremsverhalten merken, dass das Auto vor einem einscheren möchte. Ausgleichend dafür wird gerne die Warnblinkanlage benutzt. Leidenschaftlich und oft – meist ohne ersichtlichen Grund. Man fährt einfach gerne mit dieser Disko ähnlichen Lichtinstallation durch die Dörfer. Dazu kommt: Das Fernlicht ist meistens an. Komme was da wolle. Man möchte auch was sehen.

Einzige Ausnahme: Wenn man die Lichthupe benutzen muss. Dann setzt man das Fernlicht für ein paar Bruchteile von Sekunden aus. Man verdeutlicht gerne, dass man als größeres Auto das Vorrecht auf der linken Spur hat und ein Kleinwagen da nun wirklich nichts zu suchen hat.

Hindernisse gibt es auch unzählige: Die reichen vom betrunkenen Großvater auf dem Rad (mit einem sehr großen und fantasievollen Wendekreis) über streunende Hunde, die das Prinzip Auto noch nicht verstanden haben und keinen Zentimeter von der Straße weichen, bis hin zu Schlaglöchern, so groß wie bayerische Seenlandschaften, die aus dem nichts auftauchen. Rechnen Sie immer mit allem.

Dazu gibt es noch die Bonusversion, die aus albanischen Hochzeiten (meistens Donnerstags oder Sonntags), waghalsigen Überholmanövern, plötzlich bremsenden und anhaltenden Autos auf der rechten Spur der Autobahn, Obst, das von den Obstständen in die Straße kullert, Esel- und Pferdekarren (ja, ich dachte auch, es ist ein Klischee – aber fahren Sie mal auf ruraleren Straßen), Müttchen, die in Trauben auf der Autobahn spazierengehen,… usw. besteht.

Es gibt keinen – und zwar wirklich keinen Spezialeffekt – den es nicht gibt. Seien Sie auf alles gefasst. Wirklich auf alles! Aus dem nichts.

Vielleicht können Sie nicht wirklich gut Auto fahren. Das sollte, wie eingangs erwähnt, kein großes Problem sein. Aber Sie sollten eine schnelle und ungetrübte Reaktionsfähigkeit haben. Seien Sie auf alles vorbereitet und schonen Sie Ihre Stimme. Sie werden die Fahrweise der Albaner nicht ändern. Die Albaner werden aber wiederum Ihre Fahrweise ändern. Man wird nachlässiger, mutiger, man wendet, wo es gerade passt oder man zieht in letzter Sekunde raus, weil ein Auto auf der rechten Spur plötzlich auf der Autobahn parken muss (ohne Warnblinkanlage – das wäre ja pure Übertreibung). Letzteres empfehle ich Ihnen nicht, wenn Sie den Kleinwagen haben und das Auto, das hinter Ihnen bremsen muss ein teurer SUV ist. Aber es ging ja nochmal gut. Stichwort: Reaktionsfähigkeit.

Noch ein Tipp: Die besten Restaurants finden Sie in den entlegensten Gegenden. Wundern Sie sich nicht, wenn plötzlich die Straße aufhört und nur noch eine bergige Schotterstraße den kläglichen Weg weißt. Sie werden belohnt – hier zum Beispiel:

(Verzeihen Sie mir meine kläglichen Fotokünste – ich war mit Essen und Genießen beschäftigt)

Das Restaurant ist – wie sollte es auch anders sein – auf Fisch spezialisiert. Etwas unterhalb gibt es eine kleine Badebucht mit Liegen. Ach, und wenn Sie genervt sind von den zwei kleinen Kätzchen, die auf der Terrasse rumschleichen und um ein Stück Fisch miauen: Geben Sie nach! Danach beruhigen Sie sich. Glauben Sie mir, eine andere Möglichkeit haben Sie nicht. Auch nicht beim Autofahren.