Der Freitagsrapport | KW 29

Nie darf ich was mit Freunden machen!

Nein, er dürfe abends nie ausgehen und generell, nie würde er seine eh schon wenigen Freunde zu sehen bekommen. Was sich anhört wie ein nöliger Teenager, war in Wirklichkeit der offensichtlich benachteiligte Römer. Dann sprach er sein Hauptargument aus: „Und überhaupt, das letzte Mal war ich im Oktober 2020 beim Essen mit Freunden.“ Ich kannte die Corona-Amnesie bereits von anderen Personengruppen in meinem Umfeld und erinnerte den Gatten höflich daran, dass das kein Wunder sei, schließlich war jegliche Art der Gastronomie in den Wintermonaten bis zum Sommer geschlossen. Er war derjenige, der im März fröstelnd herausposaunte, dass er sich mit niemanden mehr außerhalb der warmen Wohnung treffen wollen würde, denn es wäre alles nur zum Mitnehmen und diese Art des Treffens würde nun mal gegen seine südländische Natur gehen. Doch ein Happy End fand sich noch für den armen Römer: Er nutzte die Innengastronomie und traf sich mit zwei Freunden, während ich das Kind eine halbe Stunde eher ins Bett schickte und mich entspannte. Win win auf allen Seiten.

Mezze gab es beim Römer zwar nicht, sondern er war in einer französischen Käse-Bar (was es nicht alles gibt!?). Immerhin hat er seine Freunde gesehen.

Dieser Weg wird kein leichter sein…

dachte ich mir diese Woche, als ich den Römer dazu nötigte mit mir die beiden Bücherschränke im Wohnzimmer auszusortieren. Relativ einfach konnte ich mich von etlichen Büchern trennen. Das lag unter anderem daran, dass ich dazu überging, mir den Namen und eine Kurzzusammenfassung des Inhalts der Bücher zu notieren und auf einer Liste abzuspeichern. Natürlich durfte der Großteil der Bücher bleiben, aber ein Drittel habe ich stolz (und etwas wehmütig) aussortiert und verkauft. Der Römer hatte den gleichen Auftrag. Der Verkauf von italienischen Büchern stellt sich zwar generell als schwierig heraus, doch bis zum Verkauf kam er gar nicht. Jegliche Bücher waren ihm von Nutzen. Meist fingen seine Sätze mit „Aber wenn ich dann mein Doktorat mache, dann werde ich das sicher brauchen, weil…“ an. Dieses Doktorat, das er gerne machen würde, scheint mir bei der Anzahl der dafür benötigten Bücher dermaßen komplex und interdisziplinär zu sein, dass es vermutlich einige Jahrzehnte benötigt, um erfolgreich umgesetzt zu werden. Das Ende vom Lied war, dass der Römer schnell bei der Hand war, MEINE Bücher auszusortieren, solange seine davon unberührt blieben. Somit ist der vorläufige Verkaufsstand des Bücherregals: 30% meiner Bücher und etwa 1% der Bücher des Römers, wobei das eine Prozent aus vier Deutschgrammatik Büchern, Stufe B2 – C1, besteht. Wenn wir so weitermachen, passt mein Hab und Gut in zwei Umzugskartons. Die Umzugskisten des Römers werden jedoch das gesamte Wohnzimmer ausfüllen. Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass jeder seine eigenen Kisten transportieren muss?

Wie sich mein Leben momentan anfühlt

Umzug, neuer Job, Studium und natürlich Kind und Mann. Alle zerren an einem wie diese Hunde an ihrem Herrchen. Doch beschweren möchte ich mich absolut nicht. So viel wie in diesem Jahr schaffte ich in den letzten fünf Jahren nicht.

Die Empfehlung der Woche

Ich hörte gestern einen Podcast der Zeit-Serie „Verbrechen“. Dort stellen Sabine Rückert und Andreas Sentker jede Woche einen anderen Kriminalfall vor und beleuchten ihn von allen Seiten. Gestern stolperte ich über die Folge „Der Fluch des letzten Willens“. Es geht um eine ältere Dame, deren Mutter vor Jahrzehnten an Demenz erkrankte. Sie fand diesen Zustand der Mutter und die „Aufbewahrung“ im Heim (wir stellen uns ein Pflegeheim in den 80er Jahren vor) so bedrückend und niederschmetternd, dass sie verfügte, sollte sie jemals an Demenz erkranken, man möge ihr bitte Sterbehilfe leisten. Dann erkrankte sie tatsächlich. Und sie wurde getötet – obwohl sie ihre Meinung inzwischen geändert hatte.

Was mich an dieser Podcast Folge so nachdenklich stimmte, ist, dass wir Menschen unser Sein über unseren Intellekt definieren. Die Dame verfügte, dass sie im dementen Zustand nicht mehr leben wolle, da dieser Zustand ihr nicht mehr lebenswert erschien. Gleichwohl war sie aber im stark dementen Zustand nicht unzufrieden mit ihrem Status. Und sie war immer noch ein Mensch mit Gefühlen. Obgleich sie vermutlich nichts mehr mit einer Tageszeitung anfangen konnte, so empfand sie dennoch Freude an einer warme Tasse Kakao. Allein der Anspruch verschob sich. Man muss allerdings dazu sagen, dass sie den Zeitpunkt überschritten hatte, in dem sie sich bewusst war, in welchem Zustand sie sich befand.

Diese Folge sei all jenen empfohlen, die sich aus dem Schwarz-Weiß-Denken der Demenz lösen möchten und bereit sind, sich auf einen anderen Blickwinkel einzulassen. [Hier geht’s zum Podcast]

In eigener Sache

Diese Woche veröffentlichte ich einen passwortgeschützten Artikel. „Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?“, schrieb mir Lore einmal dazu. Recht hat sie natürlich! Liebe Leser, haben Sie keine Scheu nach dem Passwort zu fragen. Manche Themen veröffentliche ich lieber unter einem Passwort, da man nie weiß, wer über den eigenen Blog stolpert und ich ungern durch mein heiß geliebtes Hobby einschneidende Nachteile davon tragen möchte. Eine Email an info@zwischentiberundtaunus.com reicht vollkommen aus.

Ein passwortgeschützter Artikel – bildlich dargestellt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende, starten Sie gut in diese letzte Juli-Woche 2021 und bleiben Sie gesund und munter.

8 Kommentare zu „Der Freitagsrapport | KW 29

  1. Das Verhalten Deines Römers ist noch harmlos
    und Du wirst sicher geeignete Wege finden.
    Mitte der 80ziger zogen wir nach München
    Man GäGa hatte geschätzt Tonnen von Zeitungen, Fachzeitschriften über Jahrzehnte gesammelt und wollte alle mitnehmen. …
    Schönes WE Lg Meggie

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    1. Oh nein! Aber die Frage der Fragen ist: Hat dein werter Gatte denn alle Zeitungen und Fachzeitschriften am Ende mitgenommen? Und wenn nicht, wie hast du ihn davon überzeugt, dass er ruhig etwas verschenken oder aussortieren darf?

      Danke dir, das wünsche ich dir auch, Eva

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  2. Meine demente Tante las jede Woche die „Zeit“ von vorne bis hinten durch. Wahrscheinlich vergaß sie alles sofort wieder, aber die Zufriedenheit im Moment des Lesens war ihr anzumerken. (Einmal hatten wir vergessen, die neueste Ausgabe zu kaufen. Mein Bruder kam auf die Idee, ihr die Ausgabe der Vorwoche – glattgestrichen und ordentlich gefaltet – unterzujubeln. Es ist ihr nicht aufgefallen. Klingt gemein, aber anderenfalls wäre sie den ganzen Donnerstagabend unruhig und frustriert gewesen. Ein echter Notfall.)

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    1. Das ist eine sehr schöne Geschichte und zeigt doch umso mehr, dass sich Zufriedenheit eben vielfältig ausdrücken kann. Der Bruder ist ein wahrer Held! Hauptsache die Tante war zufrieden. Ob es nun die neueste Ausgabe war oder eben nicht. 🙂

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