“Oh, la neve. [Oh, Schnee.]“, stellte der Römer letzte Woche verzückt fest und schmachtete die beiden, unmotiviert zu Boden fallenden Schneeflocken mit funkelnden Augen an. “Das ist kein Schnee.”, grummelte ich. “Doch, doch, das waren ganz sicher Schneeflocken. Mamma mia, io amo la neve. [Meine Güte, ich liebe Schnee.]”, bemerkte der Römer und blickte nach oben, ob da noch mehr kommen würde. Doch keine einzige Schneeflocke war mehr zu erspähen. „Che senso fa di vivere in Germania se non nevica neanche? [Welchen Sinn macht es, in Deutschland zu leben, wenn es nicht einmal schneit.], murmelte er und schlürfte mit hängenden Schultern neben mir nach Hause.
Anders war das in München. Die Stadt und die umliegenden Regionen versanken derweil im Schnee. Minütlich erreichten mich Bilder von zugeschneiten Flugzeugen und von Flugbegleiter-Kolleg:innen, die auch nicht mehr weiter wussten und kurzerhand in den Briefingräumen der Fluggesellschaft schliefen. Es ging nicht vor und nicht zurück. Die Hotels waren ausgebucht und der Schnee wurde minütlich mehr. Meine Mutter schickte ungläubige Bilder von ihrer Hofeinfahrt, vom Garten, vom Weglein zur Garage. Alles war weiß, so unglaublich weiß. Schneeflocke um Schneeflocke kettete sich aneinander bis eine beachtliche Schneedecke entstand und die Region lahm legte. Meine Frau Mama klagte über schweren „Bapp*-Schnee„, also Schnee, der so klebrig war, dass er exzellente Schneebälle formen würde. Alleine für Schneebälle hätte sie gar keine Zeit, denn sie musste stündlich die Einfahrt vom schweren „Bapp-Schnee“ befreien und der Rücken würde ihr schon weh tun. Sie hatte mein tiefstes Mitgefühl und doch konnten wir ihr nicht helfen.

Es war nicht ins Münchner Umland zu kommen. Ein guter Freund, Kabinenchef bei meiner Fluggesellschaft, versuchte es und kehrte bei Stuttgart wieder um. Der Zug fuhr nicht weiter und na ja, sein Flug, auf dem er eingesetzt werden sollte, war eh storniert.
Derweil saß der Römer traurig daheim im schneefreien Frankfurt. Traurig wischte er von Bild zu Bild, das mich aus dem Schnee-Chaos erreichte. So viel Schnee und er war nicht dabei. Und generell sei er der einzige Römer auf der ganzen Welt, der in einem Ort in Deutschland leben müsse, wo es nie schneie, klagte er mir und hielt sich melancholisch an seinem Weihnachtszauber-Tee fest. Dann aß er ein Vanillekipferl, das zu allem Überdruß auch noch mit schneeähnlichem Puderzucker bestreut war. Er seufzte resigniert. Nein, das mache ihm hier keinen Spaß. Im Norden schneie es. Im Süden ebenfalls. Nur wir, die sfortunati (Unglücklichen), würden in diesem grauen Frankfurt bei Tee und Plätzchen sitzen. Ich, für meinen Teil, war ganz zufrieden. Aber Glück und Unglück ist eben für jede:n etwas anderes.
Doch am Montagmittag um 13 Uhr wurden die römischen Wehklagen endlich erhört. Ganz sanft rieselten kaum sichtbare Schneeflocken vom Himmel. “Oh ne, Schnee. Hoffentlich bleibt er nicht liegen.”, maulte ich und starrte besorgt aus dem Fenster. Der Römer eilte zum Fenster und blickte nach draußen. „Mamma mia, che spettacolo. [Meine Güte, was für ein Spektakel.]“, rief er und lief auf den Balkon. Wie ein kleiner Bub streckte er seine Hand aus, um Schneeflocken zu fangen. “Che bella neve! [Was für ein schöner Schnee!]”, jauchzte er euphorisch. Entgegen meiner Hoffnung schneite es unentwegt weiter. Die Flocken wurden minütlich mehr und deutlich dicker.

Es schneite und schneite, so dass der Römer immer wieder beim Spaziergang zum Supermarkt stehen blieb, um Fotos zu schießen. “Che bello! Tutto bianco! [Wie schön! Alles weiß!]”, schmachtete er und formte einen Schneeball aus den weißen Flocken. Swooom! Er traf mich volle Kanne am dicken Winterparka. „Bist du verrückt?”, motzte ich, der Schnee-Grinch, ihn an. Swoooom! Noch einer traf mich. Diesmal an der Kapuze. “Papa wirft Schnee.”, stellte der Nachwuchs fest und formte auch ein Schneebällchen. Flatsch! Er traf den Römer aus 40cm Entfernung an der Hose. “Uh! Fa freddo. [Das ist kalt.]”, lachte der Gatte. Dann – swoom – trafen ihn zwei Schneebälle kurz nacheinander am Knie und am Oberarm. “Ma che cos….[Aber was ist…]”, fing er seinen Satz an, doch ein weiterer, meiner wohlgeformten Schneebälle unterbrachen ihn. “Ma che cavolo è? [Aber was zum Henker ist das denn?]“, motzte er und sah mit der dunklen Winterjacke und den weißen Schneeballtupfern aus wie ein Dalmatiner. Und – swooom – hatte ihn schon der nächste Schneeball am Oberschenkel getroffen. “Mama, super! Du schaffst das!”, feuerte mich Signorino an und gab mir Schützenhilfe. Swooom – da traf mich der römische Gegenangriff am Oberarm. Signorino nahm losen Schnee und warf ihn auf die römischen Winterstiefel. Nach dem Angriff auf seinen Papa, verbündete er sich gleich mit ihm und gab dem Römer Tipps in der Schneeballschlacht: “Papa! Du musst dich beeilen. Mama greift an.”

Ein älteres Ehepaar ging grinsend an uns vorbei. Die Dame war bei ihrem Gatten eingehakt und vorsichtig bahnten sie sich ihren Weg durch den Schnee. „Che spettacolo. [Was für ein Spektakel.]“, sprach der Mann zu seiner Frau auf Italienisch und langsam schlichen sie weiter.
Ja, das war es wirklich. Ein Spektakel!
*bappen = bayr. für kleben

😊😊😊 So schön, wie du das schreibst. Den Dalmatiner hätte ich gerne gesehen 🤣🤣
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Danke dir! 💚 Es war wirklich ein Bild für die Götter. 😄
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Und so wie dein Römer bin auch ich. Meine Augen funkeln und ich bin so glücklich wenn es schneit und ich Schnee sehe 🙂
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🤩🤩 Wie schön! Ich glaube, dazu muss man das “Schnee-Gen” haben. 😃
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Habe ich definitiv. Bin in den Bergen aufgewachsen und eine halbe Finnin 🙂
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Wenn nicht du das Schnee-Gen hast, wer dann? 🙂
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Wunderschön beschrieben, liebe Eva. Nur gehöre ich eher zu den Menschen, die das Schnee-Gen NICHT haben. 😀
Viele 🌞-Grüße Bea
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Danke dir, liebe Bea. 💚 Es
muss sich wie mit Koriander verhalten: Manche kannst du damit jagen und andere lieben ihn. Ich habe das Schnee-Gen leider auch nicht. 😄
Wundervolle Adventsgrüße und alles Liebe, Eva
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Danke liebe Eva und hab auch du ein kuscheliges und gemütliches Adventswochenende 🕯🕯🌲💫
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Danke dir, liebe Bea. 😃💚
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Quello che è successo all’aeroporto di Monaco è incredibile. Cinque giorni di voli cancellati o dirottati. 😒 Speriamo sia stato un evento raro…
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Era veramente un casino! Ho visto delle foto degli aerei – incredibili. 😳C‘era questa foto famosa del Private Jet che e‘ caduto
in dietro. E i monachesi sono abituati alla neve. I francofortesi invece no. 😄 Mamma mia, quanti voli sono cancellati al momento. Da non credere! Spero che al momento non devi volare! Tanti cari saluti a te 💚
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Mio marito ha volato ieri via Muc e fortunatamente è andato tutto bene ma era il primo giorno che riprendeva l’operatività. Le ho viste anch’io alcune foto incredibli. Saluti anche a te, mia cara, e buon lavoro!
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Meno male! Era la data perfetta. Oppure all‘inizio della settimana l‘aeroporto di Monaco era chiuso. 🙈 Grazie, cara! 😘
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Liebe Eva, hab deinen herzerfruschen lebendigen und amüsanten Text grad der Jüngsten vorgelesen. Sie beneidet Signorino, hier bei uns gab es heute nur fünf Minuten Schneeregen. Dabei haben wir Feiertag und müssen nirgends hin, ideal auch für uns verkehrsbedingte Schneemuffel, wenn es heute ein wenig Weißes vom Himmel gäbe. 😂
Was den Flugstopp wegen des Schnees am Münchner Flughafen betrifft, kann ich also doch froh sein, dass meine Dresden-Verbindung jetzt immer über Frankfurt geht? Lieber eine Nacht im Hotel, als drei Nächte auf dem Flughafen. 😉
Habt ein winterlich schönes Wochenende und Saluti nach Francoforte. 👋 Anke
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Liebe Anke,
vielen, lieben Dank! Das freut und ehrt mich sehr, dass du sogar deiner Jüngsten meinen Text vorgelesen hast. 💚 Vielleicht spart der Schnee sich auf für weiße Weihnachten in Norditalien? Zu wünschen wäre es euch von ganzem Herzen, sofern ihr alle frei habt und euch nicht in die Arbeit und zur Schule kämpfen müsst.
Du hast absolut recht! 😄 Lieber eine Nacht im warmen Hotelbett, als tagelang auf der Pritsche im Terminal. Danach kann man wirklich sagen: „Ich kenne den Flughafen München wie meine rechte Westentasche.“ 😄 Dennoch wünsche ich dir nur pünktliche Flüge mit einer möglichst großen Gruppe, die nach Dresden will. 😉
Liebe Grüße und ein entspanntes, langes Adventswochenende an euch, Eva
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Hach so schööön …
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😃😃 ❄️
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Liebe Eva,
selbst bei uns hat es in der letzten Woche nicht nur geschneit – nein davon ist sogar einiges liegen geblieben und mein Bruder mußte sich mit dem Schneeschieber beschäftigen.
In diesem Jahr kann ich mich also nicht beklagen, das alle Schnee haben, nur ich nicht 😉
Weil der Mensch allerdings nie zufrieden ist, fehlte mir in der letzten Woche die Zeit um selbigen zu genießen.
Darum hat dein Bericht mir gerade große Freude bereitet. Hat er mich gedanklich doch in eine Zeit versetzt, als meine Kleine, wirklich noch klein war und wir gemeinsam mit ihren Eltern durch die weiße Pracht getollt sind und uns eine Wahnsinns Schneeballschlacht geleistet haben.
Wie sollte es übrigens anders sein – die Erwachsenen hatten viel mehr Spaß an der Aktion als das Kind …
Ich wünsche dir einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Trude
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Liebe Trude,
wie schön, dass ich eine Erinnerung an ausgedehnte Schneeballschlachten mit der Kleinen (Großen mittlerweile 😄), ihren Eltern und euch wecken konnte. 😃 Vermutlich wäre eine Schneeballschlacht aktuell mit deinem Finger noch nicht ganz optimal, deswegen hoffe ich, dass du den Schnee auch so genießen konntest. 😃
Liebe Grüße und ein schönes und vor allem erholsames Adventswochenende, Eva
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Hallo, der Norden hier und ne, hier is nix mit Schnee. Zwei mal hat es wunderschön geschneit, aber eine Stunde später war wieder alles Matsch. Ich hoffe und warte weiter.
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Aaah! Wie schön das zu lesen. Also, für euch natürlich nicht, aber als Argument, dass nicht GANZ Deutschland Schnee hat(te). 😃 Vielen, lieben Dank für deine Schützenhilfe, liebe Sonja und ganz liebe Grüße, Eva
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