It’s all about the S

Deutsch ist eine furchtbar schwere Sprache. Wie furchtbar und schwer, zeigt mir mein Gatte jeden Tag aufs neue auf.

Deutsch ist schwierig, aber Deutschland ist recht adrett, finde ich. Hier zum Beispiel ein Dezember-Abend am Main.

Kürzlich rief der Elektriker bei mir an. Da es beinahe 19 Uhr war und ich gerade in der Badewanne fröhnte, beantwortete ich den Anruf nicht, sondern leitete ihn zur Mailbox weiter. Es wäre mir arg unangenehm gewesen, wenn er das typische Echo einer sich in der Badewanne befindlichen Person vernehmen würde.

Ich schickte dem Römer die Sprachnachricht des Elektrikers von meiner Mailbox weiter und bat darum, dass er ihn bitte zurückrufen möge. Um was es ginge, wollte der Römer wissen. Um die zwei kaputten Rauchmelder, die ausgewechselt werden sollten, schrieb ich zurück und ließ ein paar Tropfen heißes Wasser in das sich rasch abkühlende Badewasser laufen.

Der Römer rief den Elektriker an, doch keiner nahm den Hörer ab. Mein Mann informierte mich via Messenger-Dienst, dass leider niemand antworten würde. Ich entschied, dass es jetzt an der Zeit wäre, das lauwarme Badewasser zu verlassen, um noch vor den Weihnachtsfeiertagen zwei neue Rauchmelder zu bekommen.

Italienisch für Anfänger, Lektion 4 “Terminfindung”, heißt diese Lektion.

Ein bisschen lächerlich fand ich meine Eile schon, denn die beiden Rauchmelder sind seit drei Monaten defekt. Geduldig warteten sie und ich darauf, dass ich bei der Hausverwaltung anrufe, um Ersatz-Rauchmelder zu organisieren. Aber der Punkt schaffte es einfach nicht auf meine Agenda der wirklich wichtigen Dinge. Zu meiner Verteidigung hatten wir noch drei andere, funktionierende Rauchmelder in der Wohnung hängen. Das Risiko einer Rauchvergiftung im Schlaf erschien mir daher gering, da beide Schlafzimmer mit diesen Meldern ausgestattet waren.

Und so kam mir, kurz vor Weihnachten, die Hausverwaltung zuvor. Sie würden nur kurz die Aktualität meiner Daten abgleichen wollen. Ob wir die Wohnung mit den zwei Balkonen haben? Ja, sagte ich, das sind wir. Die, die sich am Ende des Ganges befinden würde, wollte der nette Mann wissen. Auch das konnte ich bejahen. Ob ich denn Interesse hätte, das Onlineportal der Hausverwaltung zu nutzen, wollte mein Gesprächspartner wissen. „Aber natürlich!“, sprach ich, denn ich habe eine mittelschwer ausgeprägte Telefonphobie. Der nette Herr würde mir sogleich die Zugangsdaten schicken, versprach er.

Ping! Da waren sie schon.

Als er gerade das Gespräch beenden wollte, fielen mir die beiden abmontierten Rauchmelder ins Auge. „Darf ich Sie noch etwas fragen?“, fing ich an und ging fest davon aus, dass der nette Herr der Hausverwaltung „Ja“ sagen würde. Und genau so war’s. Er sagte nicht nur „Ja“, er sagte „Selbstverständlich.“. Ich schilderte ihm meine missliche Lage mit den herausgedrehten Rauchmeldern, deren Batterien leer waren. Selbstverständlich passte ich das Schadensdatum etwas an. Anfang der Woche wären die Rauchmelder kurz nacheinander und laut piepsend ausgefallen, sprach ich. Ganz gelogen war das nicht. Es war „Anfang der Woche im September„, aber wer würde den genauen Zeitpunkt schon nachprüfen können? Der nette Herr machte sogleich Werbung für sein neues Onlineportal, zu dem ich die Zugangsdaten zugeschickt bekommen hatte. Er ermunterte mich, dass ich doch gleich üben könne, wie dieses Portal zu benutzen wäre. Also klöppelte ich meinen Rauchmelderfall in das Schadensformular und bekam nur wenige Minuten danach eine Antwort: „Sehr geehrte Frau Farniente, wir werden umgehend den Elektriker beauftragen. Sie brauchen nichts weiter zu tun. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Hausverwaltung“

Tja, und dann rief der Elektriker eben gestern an, während ich in der Badewanne plantschte.

Mein Gesichtsausdruck ähnelte diesem Kindergarten-Geschenk von Signorino als der Elektriker anrief

Ich trocknete mich ab, warf mir einen Bademantel über und grub aus den Tiefen meines Handys eine andere Telefonnummer desselben Elektrikers heraus. Der Römer drückte auf „Anrufen“ und verzog sich mit meinem Telefon ins Nebenzimmer. Ich trocknete meine tropfenden Haare mit einem Handtuch ab und faltete mir einen Handtuchturban, während ich rein zufällig in der Nähe des römischen Telefonzimmers stand und Gesprächsfetzen mitbekam.

Römer: „Genau, ja. Wir sind die Mieter aus der Dingensstraße. Esatto, die mit den defekten Rauchmeldern.“

Elektriker: „Wunderbar, dann tauschen wir diese noch vor Weihnachten aus. Wie wäre es denn um 2 Uhr, morgen?“

Der Römer zögerte. Sicher wollte er erst mit mir klären, ob die Zeit für alle Beteiligten in Ordnung wäre. Er stammelte ein bisschen am Telefon herum, machte aber keine Anstalten, mich zu suchen. Seltsam!

Römer: „Mmh.. ich…also 2 Uhr morgens… wissen Sie, wir haben ein kleines Kind und auch wir schlafen um diese Zeit. Würde es denn auch später gehen? Vielleicht um 8 oder 9 Uhr morgens?“

Der Elektriker muss ebenso irritiert gewesen sein wie ich, denn es kam erst einmal keine Antwort. Dann sammelte er sich.

Elektriker: „2 Uhr, also, 14 Uhr – Morgen. Nicht morgens!“

Römer: „AAAAAH! Entschuldigung! Ich habe es völlig falsch verstanden. 14 Uhr!! Klar, das ist kein Problem. Nur 2 Uhr morgens wäre uns zu früh gewesen. Ich wusste ja nicht, wie viele Aufträge Sie so kurz vor Weihnachten haben.“

Der Elektriker lachte und versprach, um 14 Uhr vorbeizukommen, denn auch er würde um 2 Uhr morgens für gewöhnlich schlafen.

Trotz S-Problem haben wir nun einen neuen Feuermelder

Als der Römer aus seinem Telefonzimmer trat, guckte er in prustendes Gesicht, dass sich die Tränen mit einem türkisen Handtuch wegwischte.

„Che lingua stupida [Was für eine dumme Sprache.]“, motzte der Römer und musste dennoch ein bisschen grinsen. „Alle due, MORGEN! [Um 2 Uhr, MORGEN] Ma che ne so io [Woher soll ich denn das wissen?]: Morgen, morgens… Er kann doch auch 14 Uhr sagen. Mamma mia!“, beschwerte er sich bei mir. Ich nickte nur zustimmend und immer noch den Lachtränen nah. Dabei stellte ich mir vor wie der Elektriker um 2 Uhr morgens hier klingelt und die Rauchmelder austauscht. „Auf Italienisch ist das viel einfacher geregelt: Morgen ist domani und morgens ist (la) mattina. Es gibt keine Verwechslung wegen einem ‚S‘.“, erklärte mir mein Gatte. „Oh doch!“, dementierte ich. „Grande fortuna, grande sfortuna – ein ‚S‘ mehr und schon wird aus einem großen Glück ein großes Unglück.“

Der Römer dachte nach und zog seinen absoluten Sprach-Joker: „Mag sein, aber im Albanischen würde es das nicht geben. Ein ‚S‘ mehr und schon bekommt der ganze Satz eine neue Bedeutung? Das ist doch irre!“ Auch das konnte ich widerlegen: „Das stimmt nicht. Stell dir vor du stehst an der Frischetheke in Tirana. Vor dir steht ein Müttchen. Das Müttchen fragt, ob es noch Käse, also djath, gibt. Freudig antwortet die Verkäuferin: ‘Kemi djath.‘ und sagt damit, dass es noch Käse gibt. Jetzt bist du an der Reihe und bedauernd spricht die Verkäuferin: ‚S’kemi djath.‘ – Es gibt keinen Käse mehr. Ein ‚S‘ mehr und du bist der, der bemitleidet wird, denn du stehst jetzt ohne Käse da. Du siehst also, in allen drei Sprachen geht es nur um das fehlende oder nicht fehlende ‚S‘.“

Der Römer seufzte – vermutlich auch wegen meines miserablen, albanischen Beispiels, aber mehr Albanisch spreche ich leider nicht.

Am Ende kam er dennoch zu einem Resümee mit dem wir beide leben können: „Mamma mia, jede Sprache ist eine Katastrophe für die, die sie mühsam erlernen müssen.“

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