Geht auch, ist auch ‘ne Möglichkeit!

“Juda!”, brüllt die Nachbarin von oben. “Juda! Verdammte Axt. Hör auf damit!”

Juda brüllt und weint. Juda will nicht aufhören, was auch immer er dort oben, in der Wohnung über uns, macht. Der Römer blickt auf. “Juda…. Giuda? Non era questo che ha tradito Gesù Cristo? [War das nicht der, der Jesus verraten hat?]”, fragt er nachdenklich bei mir nach. Ich nicke. Auch ich assoziiere mit dem Namen Juda(s) sofort das Wort Verräter. “Ma si può chiamare il figlio così? [Kann man seinen Sohn wirklich so nennen?]”, will er von mir wissen. Ich nicke wieder. Ganz offensichtlich kann man, wenn man das nur möchte.

Es sind die sehr christlichen Nachbarn von oben. Sie bezeichnen sich selbst als Pastoren. Ich glaube, sie gehören irgendeiner angelsächsischen Kirche an und sind Do-it-yourself-Pastoren. Mir soll’s recht sein, solange sie leise sind. Das klappt leider nicht immer, denn regelmäßig finden religiöse Singabende in ihrer Wohnung statt, was zur Belastungsprobe werden kann, wenn man seine Ruhe möchte.

Auf alle Fälle heißt ihr Erstgeborener Juda. Und Juda dreht gerade hohl, wie es scheint.

Vor ein paar Monaten bekamen die besagten Nachbarn nochmals Nachwuchs. Das war toll, denn die lauten Gruppenabende in der eigenen Wohnung wurden (leider nur temporär) ausgesetzt.

Wir wissen nicht, wie das zweite Kind heißt. Es ist noch zu klein, als dass sein Name drohend, mahnend oder schimpfend durch die Wohnung geschrien wird.

“Secondo me, si chiama Lucifer. [Ich glaube, er heißt Luzifer.]”, schlägt der Römer vor und lacht diabolisch. “Oder Beelzebub!”, werfe ich ein und freue mich. “Che cos’è, un Beelzebub? [Was ist ein Beelzebub?]”, will er von mir wissen, denn der Name sagt ihm nichts. “Na, der Teufel. Il diavolo.”, erkläre ich ihm.

‘Geht auch, ist auch ne Möglichkeit!’, pflegt ein Freund von mir zu sagen.

Seitdem müssen der Römer und ich jedesmal grinsen, wenn die Nachbarn den Namen des Erstgeborenen durch die Wohnung rufen. “Judaaaa!!”, schreien sie dann und einer von uns ergänzt: “…und Lucifer! Jetzt ist aber wirklich Schluss!”

12 Kommentare

    • 😄 Wir rufen es zum Glück nicht, sondern ergänzen es nur für uns zwei. 😄 Wgnaunyn hat die namentlichen Hintergründe des Namens gerade erklärt. Mit Judas dem Verräter waren der Römer und ich wohl auf der ganz falschen Spur. 😃 Man lernt nie aus!
      Ganz liebe Grüße an dich, liebe Bea und angenehme und hoffentlich sonnige Feiertage!

      Gefällt 2 Personen

      • Schön, dass das geklärt ist. 😀
        Und das mit dem sonnig wird wohl nichts, hier ist seit gestern schon wieder Dauerregen, der bis einschließlich Sonntag anhalten soll. :-/
        ich gucke morgens unter der Dusche schon immer, ob mir unter den Armen bereits erste Anzeichen von Flossen wachsen! ~🐟~

        Like

  1. Ich vermute mal, das Kind ist nach Jehuda, dem vierten Sohn vom Stammvater Jakob, benannt. Die griechische Variante wäre dann Juda(s). Weibliche Varianten gibt es auch, so etwa Judith, Jutta.

    Das Italienische hätte Giuda und Giuditta zu bieten.

    In Israel gehört Jehuda zu den Top Ten unter den Jungennamen.

    Gerade in freikirchlichen Kreisen sind Namen aus dem „Alten Testament“ sehr populär.

    Gefällt 3 Personen

    • Das war sehr informativ. Vielen, lieben Dank! 😃 Und es liegt nahe, dass bei der Namenswahl Jehuda das Vorbild war und nicht Judas, der Verräter. Schwierig finde ich die Namenswahl dennoch, da ich vermute, dass die Durchschnittsbevölkerung (so wie wir) nicht auf Jehuda kommt, sondern Judas, den Verräter, im Sinne hat.
      Bei Jutta und Judith habe ich die Assoziation des Verräters jedoch nicht.
      Zum Glück kenne ich jetzt die Hintergründe des Namens und frage mich nur noch ein winzig kleines bisschen, wie man seinen Nachwuchs so nennen kann. Minimalst sozusagen.
      Ganz liebe Grüße, Eva

      Like

  2. Ich schlage noch den ein wenig umstrittenen (es könnte sich um mehrere Personen gehandelt haben, die in der Überlieferung dann zu einer wurden. Sowas passiert ja öfter.) Apostel Judas Thaddäus als Namenspatron vor.

    Dass in manchen freikirchlichen Zusammenkünften das alte Testament vorgezogen wird ist eingängig, da es in Amerika ja schon Bestrebungen gibt, all diese Seltsamkeiten, diesen Unsinn wie Liebe deinen Nächsten usw. endlich aus den Texten zu tilgen. Freie Bahn der religiös motivierten Gewalt!

    Gefällt 1 Person

  3. Juda ist ein gebräuchlicher hebräischer Vorname, bedeutet Lob, war einer der Söhne Jakobs und gilt als einer der Stammväter. Und sicher kein Name, mit dem man hierzulande seinem Kind einen Gefallen erweist.

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu wgnaunyn Antwort abbrechen