Ein Gedicht von unseren Nachbarn

Es hämmert über uns. Die Nachbarn, die den ganzen Tag einen Ausflug machten, wollen doch noch ihr Tagwerk schaffen und klopfen und nageln fröhlich an ihrem Heimwerkerprojekt, das seit Mitte dieser Woche tatkräftig bearbeitet wird.

Und so fragte ich mich, wie wohl ein Gedicht von der anderen Seite aussehen würde? Welches Gedicht würden unsere Nachbarn aus ihrer Sicht zu Papier bringen. Lesen Sie hier einen meiner kläglichen, lyrischen Versuche nach:

Hämmern am Samstagabend

Samstagabend einundzwanzig Uhr dreißig

Auf die Nachbarn sch**ß ich

Ich hämmer hier und auch noch da

Ach, wie ist das Leben wunderbar

Klopf klopf Den Nagel rein

und schnell nach Schatz gerufen

Wer wird denn da schon böse sein 

und scharren mit den Hufen 

Die Nachbarn von unten 

drehen nervös ihre Runden

Das Nachbarskinde schlummert

Unser Hammer wummert

Hobbies sind wichtig

Besonders nach neun

Die Nachbarn oben, unten, links, ach die werd'n sich freuen

Ganztags mussten wir einen Ausflug machen

Schließlich waren wir mit unseren Ausflugssachen

am Badesee beim Sonne tanken

wo sich Erholung und Spaße ranken

deswegen nageln wir so spät

auch wenn unser Nachbar beinahe fleht

dass das Kinde ruht in seinem Bette

Lang schläft's so eh nicht 

Jede Wette!

22 Uhr - Das Werk ist vollbracht

Signorino von unten ist gerade erwacht

Ach wie schön kann Handwerk sein

Spätabends hauen wir den Nagel rein. 

Wir klopfen, hämmern, pochen, schlagen

Soll das Gewissen etwa an uns nagen?

Die Antwort lautet natürlich "Nein"

Gewissen - was soll das sein?

A wie Rind, B wie Haus

Die verborgene Schönheit eines Studienmoduls entdeckte ich in der Vergangenheit recht schnell. Irgendetwas Interessantes wurde einem immer geboten. Beim Thema Typografie ist die Schönheit sehr schwer zugänglich, so dass selbst der zweite und dritte Blick nicht genügen. Mittlerweile bin ich bei Lektion 3 (von 6) angekommen und ich weiß nun, was Ligaturen sind. Es sind Buchstabenkombinationen von mindestens zwei Zeichen. Dies kann ein fi (typografische Ligatur) oder eine Tonligatur wie Æ sein. Das „&“-Zeichen ist zum Beispiel eine Wortligatur.

Generell muss ich sagen, dass dieses Wissen zu den Dingen zählt, auf die ich gut und gerne verzichten hätte können. Ich lebte 31 Jahre sehr gut ohne dieses Wissen über Ligaturen und kann mir durchaus vorstellen, dass ich weitere 31 Jahre sehr gut ohne gelebt hätte. Aber nun weiß ich es und teile es mit Ihnen, denn geteiltes Leid, ist halbes Leid.

Das einzig spannende, das ich lernte, war, dass sich der Buchstabe A vom phönizischen Alef = Rind ableitete. Man stilisierte also ein Rind. Aus Alef (=Aleph) wurde im griechischen Alpha. Der Rinderkopf wurde um 90 Grad gedreht. Das „A“ entstand, das die Römer geschickt von den Griechen abkupferten.

Sei sehen das Rind doch auch, oder?

Dasselbe Spiel passierte mit dem griechischen Buchstaben Beta. Im phönizischen als „Beth“ (= Haus) erschaffen. Man versuchte also mehr schlecht als recht ein Haus zu malen. Zugegeben, das Haus hatte etwas Schieflage und eine Wand fehlte. Zum Vergleich habe ich Ihnen das „Haus vom Nikolaus“ gemalt. Ein Spiel, das wir in der Grundschule spielten. Man darf dazu den Stift nicht absetzen, sondern muss das „Haus vom Nikolaus“ in einem Rutsch zeichnen. Wie Sie sehen, ist es mir auf Anhieb nicht gelungen.

Falls Sie wissen wollen, warum Gamma einen Kamelrücken darstellt, dann schauen Sie sich gerne diese Liste an und lassen Sie sich verzaubern von der phönizischen Schrift, die wiederum nach Griechenland transportiert wurde, weil die Phönizier fleißige Händler waren und auch dort Handel betrieben.

Nachtrag: Wer bei wunderbaren Gerda schmökern möchte, um die Raffinesse der griechischen Buchstaben zu entdecken, dem sei ihr Alphabet sehr ans Herz gelegt: Starten Sie am besten mit A wie Alpha (Alpeh), um dann gleich zum B – Beta – Beth zu finden – und eh Sie sich versehen, sind Sie tief drin im Buchstaben-Dschungel und können auf dem nächsten Treffen unter Freund:innen richtig auftrumpfen. 🙂

Ich stürze mich derweil in Lektion 3 „Schriftklassifikation“ und bin gespannt, was ich Ihnen darüber berichten kann.

Haben Sie einen guten Start ins Wochenende!

Wer lang fragt, geht lang irr

Meine Überschrift ist einer dieser Sätze, die ich häufig von meinem Vater hörte. Doch erst jetzt merke ich langsam, dass dieser Satz verbales Platin ist. Eine dieser Weisheiten, die man sich auf das Handgelenk tätowieren lassen sollte , wenn Sie so wollen.

Ich berichtete Ihnen im vergangenen Freitagsrapport, dass ich einen Titel für eine wissenschaftliche Arbeit meines Studiums finden musste. Dabei ist zu erwähnen, dass ich diese Arbeit niemals schreiben muss, jedoch muss ich meine grobe, wissenschaftliche Forschungstaktik beschreiben und eine Einleitung dazu verfassen. Nun fragte ich meinen guten Freund, den Anderen, der zwar Marketing studiert, damit aber nicht ganz Fachfremd zu meinem Bereich Journalismus ist. Tief in meinem Gedächtnis vergraben, meinte ich mich zu erinnern, dass er einmal eine Fallanalyse über eine politische Rede schrieb. So trug ich ihm also mein Konzept vor, erklärte, erörterte und erläuterte eventuelle Fallstricke, meine Taktik und die Einleitung, die ich bereits niedergerschrieben hatte.

Er schüttelte den Kopf. Das konnte ich zwar nicht am Telefon sehen, aber an seinem langgezogenen „Hmmmm!“ konnte ich es deutlich hören. Dann verbrachte er 20 Minuten damit, meine Arbeit so umzumodellieren, dass es nicht mehr meine Arbeit, sondern ein komplett anderes Thema war. Ich fing also damit an, meine Einleitung umzuschreiben, Dinge anzupassen und Taktiken neu zu entwerfen, bis der Groschen auch bei mir fiel: „Moment mal! Das ist doch überhaupt nicht mehr meine Arbeit?“ Einzig und alleine der Protagonist, Dr. Markus Söder, blieb unverändert. Alles andere wurde ausgetauscht und umgedichtet, weil „das so wissenschaftlich überhaupt nicht durchführbar ist“, wie der Andere mir versicherte. „Nein, danke.“, dachte ich bei mir, klickte im Schreibprogramm auf „Alte Versionen anzeigen“ und lud die Version von Donnerstag, 09:33 Uhr. Somit hatte ich durch diesen gut gemeinten Ratschlag einen ganzen Studientag in den Sand gesetzt und wusste jetzt, dass ich nicht mehr lange frage, sondern einfach mache.

Mein Vater hat schon recht: „Wer lang fragt, geht lang irr.“ Ein Glück bin ich nur einen Studientag irr gegangen.

Zoff, wie es auf dieser Hausfassade steht, gab es nicht, aber eine Lektion fürs Leben.

Nachtrag: Mittlerweile hat das Kind mein Laptop Ladekabel kaputt gemacht. Da kein Elektrofachgeschäft eines vorrätig hat und die Lieferung sich bis Freitag zieht, sind mir diese Woche die Hände gebunden, was das Studium angeht. Ich könnte 🤮!

Bella! Bellissima!

Der Schauplatz in Rom

Wir sind endlich in Rom angekommen. Ich sitze in einem 70cm Bett in der ewigen Stadt und höre unter unserem Ferienwohnungsfenster einen jungen Italiener, der versucht seine Lebensabschnittsgefährtin zu überzeugen, dass die miauende Katze „Bella! Bellissima“ [Schön! Wunderschön!] ist. Sie scheint kein Herz für Katzen zu haben und antwortet mit einem genervten „Dai!!!“ [Komm schon!!!]. Der Katzenfreund versucht nochmals seine Angebetete (= die Freundin) von der miauenden Fellnase zu überzeugen: „Guarda! È proprio bella.“ [Schau! Sie ist wirklich schön.] Die Freundin antwortet mit einem „Okay.“ Der Katzenliebhaber spricht einen Satz in das herbstliche Rom, der mich immer noch über den Ausgang der Geschichte grübeln lässt:

„Scusa, amore. Ti devo lasciare!“ (Entschuldige, Liebling. Ich muss dich verlassen!)

Doch war der Satz an die Katze gerichtet und er musste der Partnerin hinterher dackeln? Oder aber war er doch für die Partnerin bestimmt, weil er gemerkt hat, dass die fehlende Katzenliebe das Fass zum Überlaufen gebracht hat und eine Trennung die einzig logische Konsequenz war?

Mit dieser römischen Impression wünsche ich Ihnen einen zauberhaften Abend.

P.S.: Vielleicht wissen Sie Rat und können mir sagen, wie die Geschichte wohl weitergegangen ist?

Fotografiert von unserem Fenster: Die Szene – bildlich dargestellt.

Memo an mein früheres Ich

Frankfurt, den 02.01.2018

Liebe Eva aus dem Jahre 2018,

ich weiß, es ist aufregend in die Zweizimmerwohnung mit dem Römer zu ziehen. Besonders, weil ihr euch in der Einzimmerwohnung nur schwerlich aus dem Weg gehen konntet und es zu vielen, unschönen Streits kam. Ich verspreche dir, es wird deutlich besser und viele, schöne Momente erwarten euch. So viel kann ich schon einmal verraten: Ihr zieht zu zweit ein, aber zieht zu dritt aus. 😉 👶🏻

Aber, ein wichtiges Anliegen habe ich noch: Du hast dieses Dübelset beim Baumarkt gekauft. Das ist wirklich klasse! Absolut! Doch 12 Löcher für ein Regalbrett des Möbelschwedens mit 8er Dübeln sind ein bisschen übertrieben. Das kannst du dir jetzt nicht vorstellen in deiner Euphorie, doch irgendjemand muss im Jahr 2021 die Löcher wieder von Dübeln und Schrauben befreien und sie zuspachteln. Und dieser jemand bist leider du. Glaub mir, 6er Dübel reichen locker. Und 12(!) Stück sind zu viel des Guten. Es ist keine Sitzbank, sondern ein schlichtes Regal. Wirklich!

Rote Dübel und Schrauben, sowie eine Zange auf einer Waschmaschine. Spaß sieht anders aus!

Weniger ist mehr! Denke nochmal über den Satz nach, bitte.

In diesem Sinne: Viel Spaß in der neuen Wohnung, deine Eva aus dem Jahre 2021

P.S. Hör dir auch nochmal den Vorschlag des Römers an, der besagt, Schränke hinzustellen anstatt unzählige Regalbretter in die Wand zu dübeln. Glaub mir, so dumm ist der Vorschlag nicht und würde dir beim Auszug sehr viel Gefluche ersparen.

Spieglein, Spieglein an der Wand!

Es ist eine der vielen Geschichten, die hinter einer Kleinanzeige stecken können. Aber diese ist mir (bis jetzt) die liebste.

Vor einigen Tagen sah ich einen Spiegel. Oval. Qualitativ hochwertig. Preis: Zu verschenken. Mittlerweile möchte ich mich, ohne mich selbst loben zu wollen, in den Stand des Experten der Kleinanzeigen erheben. Um die Qualität des Spiegels zu bestimmen reicht es nicht alleine, den Vordergrund, also das Objekt per se, zu begutachten. Nein, auch der Hintergrund ist wichtig. Man erkannte schwere, rote Perserteppiche. Der Spiegel war an ein nussbaumfarbenes Klavier mit goldenen Pedalen gelehnt. Ja, hier schlage ich zu, dachte ich mir und schrieb Frau Melchior an. Sehr höflich antwortete sie, dass sich der Spiegel im Besitz ihres Vaters befinde und dort gerne abgeholt werden könne. Ich müsse aber bitte pünktlich sein, weil ihr Vater eine halbe Stunde später abgeholt werden würde. Selbstverständlich bin ich pünktlich, finde ich doch nichts schlimmer, als unpünktliche Abholer/Käufer bei Kleinanzeigen.

[Zeitsprung – zwei Tage nach vorne]

Ich befinde mich irgendwo in einem betuchten Stadtteil Hanaus. Viele Villen, maximal zwei Stockwerke hoch. Ein Stadtteil, in dem es gemächlich zu geht. So gemächlich, dass ein Schwätzchen zwischen zufällig getroffenen Bekannten am Autofenster keine Seltenheit ist. Unbeirrt setzt man das Gespräch fort, auch wenn ein Auto mit Frankfurter Kennzeichen gerne vorbei möchte. Drei Minuten später scheint zwischen den Plaudernden alles geklärt. Man beauftragt seinen Gesprächspartner noch rasch, der Gattin die besten Wünsche zu überbringen und die Szenerie löst sich auf. Höflich wird sich bei dem Auto mit dem Frankfurter Kennzeichen per Handgruß bedankt und man huscht rasch weiter in einen der großen Gewerberparks. Es ist schließlich Samstag, was bedeutet, dass die oberste Bürgerpflicht der Einkauf bei Drogerie- und Supermarkt ist.

Ja, hier ist die Luft eine andere und das merke ich auch trotz laufender Klimaanlage und geschlossenen Fenstern. Nicht nur die Luft ist anders, auch die Parkplatzsuche, was daran liegen mag, dass man hier keine Parkplätze sucht, sondern nur findet. Ein Königreich für einen Autofahrer! Das überfordert mich als Frankfurterin dermaßen, dass ich gar nicht weiß, ob ich am Trottoir oder doch in der Einzelgarageneinfahrt parken soll? Ich entscheide mich für die Straßenvariante, denn das Parken in der Garageneinfahrt empfinde ich als etwas übergriffig. Mühsam schäle ich mich aus dem Auto. Hier ist es so ruhig und gemächlich, dass mir jetzt erst auffällt, mit welcher Wucht ich scheinbar immer die Autotür ins Schloss schlage. Beschämt drehe ich mich um. Doch hier ist niemand. Nur große Häuser starren mit leerem Blick auf die Straße. Ich gehe zum dunklen, schweren Gartentor, das hauptsächlich aus unzähligen Metallschnörkeln besteht. „Prof. Dr. Scherer“ steht an der Klingel und ich drücke darauf. Heraus kommt nicht der Professor, sondern der Rauhaardackel Wilma. Ich öffne die Gartentüre vorsichtig und Wilma springt an mir hoch. Ich halte ihr meine Hand hin, sie schnuppert angeregt und ich tätschle sie etwas am Bauch. Das scheint Wilma zu gefallen. Aber der Moment wird von den „Wilma-Rufen“ des Professors unterbrochen. Doch Wilma scheint es recht egal zu sein, was ihr Herrchen von ihr will oder nicht will. Hier ist eine neue Besucherin und diese könnte gleichzeitig eine neue Spielkameradin sein. Tollend gehen Wilma und ich zur Haustüre. Artig bleibe ich vor den gefliesten Treppen stehen. Wilma nicht. Sie hüpft zu dem älteren Mann, Mitte-Ende 80, hoch. „Wilma, jetzt ist aber gut! Haben Sie keine Angst. Wilma will nur spielen.“, begrüßt mich der Professor. Hätten wir nicht selbst einen Hund gehabt, hätte ich vermutlich Angst oder zumindest gehörigen Respekt vor Wilma gehabt, denn kleine Hunde zwicken ganz gemein in die Wade. Aber als erfahrene Hundetante, die ich in meiner Kindheit war, weiß ich, dass Wilma nur spielen, und nicht zwicken, will. Ich lächle und warte, dass der Professor den Spiegel herausreicht.

„Kommen Sie rein, kommen Sie rein!“, fordert mich stattdessen der Professor in seinem hellblauen Pullunder, unter dem er ein korrekt gebügeltes Hemd trägt, auf. Das Hemd ist blütenweiß – wie seine ordentlich gekämmten Haare. Ich nicke. „Ich ziehe nur eben die Schuhe aus.“, erwidere ich hastig und etwas beschämt, denn schließlich trete ich in ein Haus eines mir unbekannten Menschen ein. Er winkt ab, in etwa so als würde ein müder Löwe seine Tatze nach unten wischen. „Aber, Madame! Bitte, nein. Lassen Sie die Schuhe an und folgen Sie mir. Hier entlang!“, gebietet er mir und schleicht gemächlich voran. Ich folge ihm. Wilma läuft Schwanz wedelnd voraus. Ich habe den Eindruck, dass sie mittlerweile die einzige Dame des Hauses ist. Wir schreiten erst durch das Entrée, weiter durch einen Zwischenraum, in dem man vermutlich den Aperitif eingenommen hat, in den enorm großen, lichtdurchfluteten Salon. „Hier leben sie also, die 70er Jahre.“, denke ich beim Anblick des Interiors. Geschmackvoll, gepflegt und doch so, als wäre die Zeit seit 50 Jahren einfach stehen geblieben. Was müssen hier für rauschende Feste, Diskussionsrunden und Diners stattgefunden haben? Es sieht ein bisschen aus wie in dem alten Koch- und Backbuch, das mein Großvater mir nach der Jahrtausendwende vererbt hatte. Würden gleich Käseigel und Toast Hawaii serviert werden, es würde mich nicht wundern. Doch ein Detail lässt die Szenerie in einem anderen Licht erscheinen. Verstreut stehen immer wieder halb gefüllte Umzugskartons. Der Professor zieht aus. Vermutlich altersbedingt. Das Besitztum eines ganzen Lebens – verschenkt, verstaut, verkauft.

Die Zimmerdecke ist sicher am höchsten Punkt vier Meter hoch, dabei ansteigend und architektonisch wie ein großes Beduinenzelt gestaltet. Sie wurde mit hellen Holzpanelen verkleidet. Tropfenförmige Lampen lassen sich in einer Ecke gebündelt nach unten hängen und schaffen es doch nicht, den schwarzen Couchtisch mit den cognacfarbenen Elementen zu berühren. Der Teppichboden erinnert mich an silbriges Olivenlaub. Dieser ist mit schweren, roten Perserteppichen versehen. Warum der Teppichboden mit weiteren Teppich belegt ist, erschließt sich mir zwar nicht, dennoch finde ich die Idee sehr spannend. Wir gehen zu einer der hinteren Ecken des weitläufigen Wohnzimmers. Dort steht das nussbaumfarbene Klavier, das ich bereits im Hintergrund des Bildes erkannte. Daran gelehnt: mein Objekt der Begierde – der ovale Spiegel. Geschmackvoll, edel, schlicht, aber überaus hochwertig. Ich starre den Spiegel fasziniert an. „Der Spiegel sieht sehr edel aus.“, bringe ich staunend hervor. „Das Edle findet man oft in seiner Schlichtheit.“, antwortet der Professor lächelnd. Wilma schnuffelt an meinen Beinen herum. „Sehr schön!“, sage ich und schäme mich einige Sekunden später für meinen lapidaren Satz. Generell bin ich so überwältigt von dieser Professoren-Villa und von den Eindrücken, dass ich nur sehr begrenzte Kapazitäten habe, mich vernünftig verbal zu äußern. „Passt der?“, fragt mich der Herr Professor, in etwa so als wäre er einer der alteingesessenen Verkäufer bei einem renommierten Traditionskaufhaus. Ein solcher weiß natürlich, bevor es der Kunde selbst weiß, dass dieses Stück perfekt zum Klienten passt. Er erkennt es an den Blicken, an der gesamten Körperhaltung des Kaufenden, an dem kleinen, feinen Lächeln und den glänzenden Augen. Die Frage dient allein dazu, einen angenehmen Abschluss in diesem Verkaufsgespräch zu finden. Wenn dieser Spiegel nicht passen würde, dann würde es vermutlich keiner. „Wollen Sie ihn wirklich verschenken?“, will ich verdattert von dem älteren Herrn wissen. „Aber ja! Nehmen Sie ihn mit. Schenken Sie ihm ein neues Zuhause.“, insistiert er. Ich nicke zustimmend. Seine Aussage bedarf keiner Worte meinerseits. Meine Gestik und die glänzenden Augen reichen vollkommen aus. Verzaubert nehme ich den Spiegel in die Hände. Er ist schwerer als gedacht. Daraufhin blicke ich den Professor fröhlich an. „Vielen Dank – von Herzen!“, gebe ich von mir. „Es ist mir eine Freude, junge Frau.“, gibt dieser zurück. „Wollen wir?“, fragt er nun höflich und zeigt mit einer offenen Geste Richtung Tür. Ich nicke wieder und stolpere ihm nach. Erst jetzt fällt mir auf, dass seine Cord-Hausschuhe die gleiche Farbe wie seine Cord-Hose haben. Geschmackvoll und schlicht, niemals aufdringlich. Wilma springt, wie eben, vor uns her Richtung Haustüre. Er öffnet mir diese und lässt mich hindurchtreten. „Junge Dame, es war mir ein Vergnügen. Passen Sie gut auf sich auf und bleiben Sie gesund. Machen Sie’s gut!“, gibt mir der Professor mit auf den Weg. „Danke, das wünsche ich Ihnen auch.“, gebe ich zurück. „Und – danke nochmal für den Spiegel. Ich werde ihn in Ehren halten. Auf Wiederschauen!“ Der Professor lächelt und winkt. Wilma läuft mir hinterher bis zum Gartentürchen. „Tschüss, Wilma. Pass gut auf dein Herrchen auf.“, verabschiede ich mich von der Dackeldame. Zurück im Auto brauche ich eine Minute, um mich zu sammeln. Ein wenig fühle ich mich in diesem Moment wie ein Aasgeier, der die letzten Reste des Professorenlebens abwrackt und kostenlos mit nach Hause nimmt. Tief atme ich durch und fahre mit der wertvollen Fracht vorsichtig zu unserer neuen Wohnung. Ich werde bereits erwartet, lese ich auf meinem Handy.

In der Wohnung angekommen treffe ich den Römer und Signorino. Der Große schiebt den Kleinen mit dem Rutschauto durchs leere Wohnzimmer. „Und, Amore? Was hast du angeschleppt?“, grinst mich der Römer süffisant an. „Den Spiegel, von dem ich erzählte.“, antwortete ich und wusste doch, dass der Römer es für absolut überflüssig hielt, 25 Kilometer für einen Spiegel zu fahren. „Ooooh, che bello! [Ooooh, wie schön!] Wow! Was für eine Qualität.“, bemerkt dieser begeistert als er das edle Teil erblickte. „Der war anscheinend echt die Reise wert.“ Ich nicke: „Ja, das alles war die Reise wert.“

Spiegel in der Küche – ruhend.

Die perfekte Antwort auf die Frage nach einem zweiten Kind

Bei der Wohnungsübergabe ist mir ein Coup gelungen und das ganz ohne, dass ich diesen fokussiert hätte. Einer der mir bis dahin vollkommen unbekannten Anwesenden bemerkte, dass die neue Wohnung mit einem Kind perfekt sei, jedoch beim zweiten Kind recht eng werden würde. Dabei grinste er dämlich und zwinkerte den Römer an. Ich antwortete gelassen und ohne viel darüber nachzudenken: „Kein Sorge. Wir können keine Kinder mehr bekommen.“ Wobei dieser Satz keineswegs auf die biologischen Voraussetzungen abzielen sollte. Viel mehr verbarg sich hinter dem Satz unsere geistige Grundhaltung und unser erhöhter Bedarf an Freiheit.

Doch die Reaktion meines Gegenübers war bemerkenswert. Er wurde hochrot und fing an zu stammeln: „Oh. Entschuldigung. Die Aussage war auch irgendwie dumm. Verzeihung! Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht…“ Ich, mir der perfekten Antwort gar nicht bewusst, beschwichtigte: „Ach, das ist doch vollkommen okay. Aber ein zweites Kind wird es einfach nicht geben.“ Dabei lächelte ich aufmunternd. Unser Gegenüber verstummte komplett und starrte den hellen Laminatboden an. Solange, bis sich ein anderer Punkt in der Wohnungsübergabe anbahnte und er in dieser Sache aktiv werden musste.

Zurück im Auto ging mir das Gespräch nicht mehr aus dem Kopf. Das lag unter anderem daran, dass ich es in seiner ganzen Dimension gar nicht verstanden hatte. Erst nach und nach dämmerte es mir, dass mein im Affekt ausgespuckter Satz die perfekte Lösung für die Anspielungen oder direkten Fragen nach weiterem Nachwuchs war.

Falls Sie sich an diesem Satz bedienen wollen: Bitte gerne! Ich habe es für Sie getestet und erhebe kein Urheberrecht auf diese Antwortvariante. 😉

Da war Signorino noch klein und der Römer noch jung. 😉

Ich finde die irgendwie komisch

Komisch, oder? Ein Schnappschuss im Flugzeug. 😉

Vorwort: Dieser Text entstand vor ungefähr zwei Wochen, als ich hüfttief in den Vorbereitungen meiner ersten Prüfung „Einführung in die Kommunikations- und Medienwissenschaften“ hing.

Diesen Satz in der Überschrift habe ich in meinen 30 Jahren ziemlich oft gehört. Mal leise geraunt, mal etwas lauter herausposaunt. Und jedes Mal traf er mich. Egal, ob ich ein Teenager war oder bereits Mutter eines Signorinos. Mal um Mal bedeutete er für mich: Du bist anders. Du bist seltsam. Du gehörst nicht dazu.

Und wer möchte schon als seltsam angesehen werden? Ich wollte das nie.

Erst gestern hörte ich den Satz wieder. Auf dem Weg zur Kita wird eine Hausfassade erneuert. Zu der Uhrzeit, an der ich Signorino entweder zur Kita bringe oder von der Kita heimgehe, parkt meist schon der LKW vor der Türe dieses Hauses und lässig daran gelehnt sind vier Handwerker. Aufgrund der heißen Temperaturen sind sie gerne und oft oberkörperfrei anzutreffen. An einem Tag machte sich einer dieser Handwerker einen Spaß daraus, mich zu grüßen. Mit einem lauten „Morgen!“ eröffnete er das Spiel und seine Handwerkerkollegen grinsten schelmisch. Ich ging an ihm vorbei, ohne ihn zu grüßen. So ging dieses neue Ritual eine Woche lang. Er grüßte, ich ging wortlos vorbei. Als er auch nach einer Woche nicht aufhörte, beschloss ich knapp zurück zu grüßen. Noch vor Jahren wäre ich weiterhin geduckt davon geeilt und hätte nicht zurück gegrüßt, weil mir als schüchterne, zurückhaltende Person die große Bühnenbeleuchtung in aller Öffentlichkeit stets unangenehm war. Doch die Zeiten sind vorbei. Mit einem lauten, kühlen „MORGEN!“ erwiderte ich seinen Gruß und nickte ernst in die Runde, während ich mit Signorino gemächlich Richtung Kita schlürfte. Die Handwerker grinsten. Ganz besonders der Älteste von Ihnen, der mich gegrüßt hatte.

So vergingen die Tage. Mal waren die vier Herren dieses Fassadenunternehmens da, mal nicht. Gestern war einer dieser Tage, an denen sie da waren. Ich hatte Signorino gerade in die Kita gebracht und befand mich auf dem Heimweg. Noch bevor das Handwerkeroberhaupt grüßen konnte, kam ich den Herren mit einem knappen „Morgen!“ zuvor. Der Älteste grüßte grinsend zurück. Die anderen drei Herren unterschiedlichen Alters guckten sich die Szene an. Dann sagte einer der drei ganz ungeniert: „Ich find‘ die irgendwie komisch.“ Der Älteste antwortete im tiefsten Mannheimerisch: „Näääh! Des is meine.“ Anstatt darüber nachzudenken, wie ich dem Römer jetzt beibringen könnte, dass mich ein gelegentlicher Morgengruß zu einem Objekt machte, das man besitzen könne und dass dieses Privileg der Objektifizierung nicht dem Römer, in der Funktion meines Gatten, sondern einem Mannheimer Handwerker zuteilwürde, grübelte ich über den anderen Satz nach. Ich zermarterte mir den Kopf, warum ich „irgendwie komisch“ war und was nicht mit mir stimmen würde. Den ganzen Heimweg philosophierte ich über diesen einen Satz. Auch während ich die Spülmaschine befüllte, gingen die Gedanken ohne Unterlass weiter.

Richtigerweise werden Sie, liebe Leser, anführen, dass ich mir über so einen lapidar daher geredeten Satz keine Gedanken machen müsse. „Da rein, da raus.“ würden Sie vielleicht noch ergänzen. Damit haben Sie natürlich absolut recht. Aber so unkompliziert funktioniert mein Kopf leider nicht. Ich muss alles haarklein zerpflücken bis ich dem Problem auf den Zahn gefühlt habe. So auch diesmal.

Glücklicherweise spielt mir hier mein aktuelles Lernmaterial in die Karten, welches ich die letzten Wochen durchgepaukt hatte.

Ich beschloss mich um das erste meiner Probleme zu kümmern. Warum würde ich gerne unsichtbar durch die Straßen schleichen und damit gar nicht erst in eine solche Szenerie geraten, in der man lapidare Gedanken über mich äußern kann? Und: Wäre diese Unsichtbarkeit (im Rahmen meiner Möglichkeiten, schließlich kann ich mich nicht wegzaubern) überhaupt möglich?

Was ist überhaupt Interaktion?

Dazu schlug ich Kapitel 1 auf, denn dort wurde der Begriff Interaktion definiert. Dort steht also: „Der Begriff Interaktion bezieht sich auf Wechselwirkungen, denen wechselseitiges Wahrnehmen und daraus resultierende Reaktionen zugrunde liegen. [….] .“ Ich interagiere also mit mir fremden Leuten, sobald ich aus der Wohnungstüre trete. Das heißt, ich kann gar nicht unsichtbar werden, wie ich es mir wünschen würde. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er urteilt. Und das geschieht entweder laut, dementsprechend für mich hörbar, oder leise, also in Gedanken des Gegenübers. Etwas weiter in meinem Studienskript, Kapitel 3, werden die fünf Axiome von Paul Watzlawick beschrieben. Watzlawick entwickelte die fünf Axiome* im Rahmen seiner Arbeit mit Schizophrenie Patienten. Laut Watzlawick genüge es, diese Axiome zu befolgen, so dass eine erfolgreiche, zwischenmenschliche Beziehung ermöglicht würde. So wurde das erste Axiom als „Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren.“ beschrieben. So heißt es: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten[,] und genauso, wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“

Das möchte ich Ihnen gerne in einem Beispiel verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Wartezimmer. Ihnen gegenüber sitzt ein Mann, der den Kopf hängen lässt und auf den Boden startt. Seine Hände sind im Schoß gefaltet. Er vermeidet jeglichen Augenkontakt. Sie nehmen ihn wahr und schließen aus seinem Verhalten, dass er keinerlei Kontakt möchte oder aber traurig/besorgt ist. Er interagiert also allein durch seine physische Anwesenheit im Wartezimmer.

Nachdem wir diese Frage beleuchtet haben und feststellen mussten, dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren und dementsprechend zu interagieren, kommen wir zur eigentlichen Nachricht des Handwerkers, die er an mich, der Rezipientin, verbal schickte. Dazu möchte ich den Satz mit dem Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun beleuchten. Vorerst müssen wir aber die Begrifflichkeiten klären.

Erklärung der Wortarten und ihre jeweilige Bedeutung

Ich finde die irgendwie komisch.

Ich finde […] ist ein Personalpronomen und ein Verb. Es bedeutet, dass der Handwerker (der hier in der 1. Person Singular von sich redet) seine Meinung und sein Empfinden ausdrückt. Im Kontext der Szenerie bedeutet das, dass er seinen Arbeitskollegen seinen Eindruck schildern will.

Die ist ein Demonstrativpronomen. Natürlich hätte der Handwerker auch das Personalpronomen sie benutzen können. Das Demonstrativpronomen die ist hier überflüssig und stilistisch unrund. Wenn wir ein Demonstrativpronomen benutzen, dann zeigen wir auf etwas und schaffen damit räumliche Distanz zwischen dem Zeiger und dem Angezeigten.

Irgendwie ist ein Adverb und bedeutet in diesem Kontext in irgendeiner Hinsicht oder, besser noch, im Rahmen seiner Überlegungen.

Komisch ist ein Adjektiv. Da es hier das Schlüsselwort ist, blicken wir zuerst auf die Wortherkunft: Französisch comique < lateinisch comicus < griechisch kōmikós = zur Komödie gehörend; lächerlich, zu: kõmos, Komödie. Würden wir die Überlegungen bei der reinen Herkunft des Wortes belassen, dann würde das entweder bedeuten, dass ich einer Komödie angehöre, was mir bei der Beziehung zwischen dem Römer und mir im Rahmen des Möglichen erscheint, oder aber, ich bin lächerlich. Den ersten Punkt schließe ich aus, da der Handwerker nur meine Person kennt, nicht aber den Römer. Es sei denn, er liest hier mit, dann sei er lieb gegrüßt. Die andere Möglichkeit wäre lächerlich. Doch schauen wir weiter zur Bedeutung des Wortes.

Ich mache mich daran, nach der Definition des Wortes zu suchen. Hier haben wir zwei Möglichkeiten:

1. durch eigenartige Wesenszüge belustigend in seiner Wirkung, zum Lachen reizend

Beispiel: Ein komisches Aussehen, ein komisches Gesicht

Hier wären wir wieder beim Punkt lächerlich.

2. sonderbar, seltsam; mit jemandes Vorstellungen, Erwartungen nicht in Einklang zu bringen

Sie sehen, wir kommen der Deutung des Satzes schon näher.

Das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun

Betrachten wir kurz sein berühmtes Modell:

Knapp erläutert sehen Sie einen Kommunikator in Form des Handwerkers und einen Rezipienten, einen Empfänger, also mich. Wir haben die Nachricht, die er übermittelt und wir haben die vier Ohren, wie eine Nachricht gedeutet und interpretiert werden kann.

  • Das Beziehungsohr

Hier stehen die Fragen „Wie redet der Handwerker mit mir? Wen glaubt er vor sich zu haben?“ im Mittelpunkt. Diese Fragen sind einfach zu beantworten: Er redet gar nicht mit mir, sondern über mich. Er weiß nicht genau, wen er vor sich hat. Das suggeriert das Adjektiv komisch [oder: seine Erwartungen nicht in Einklang bringend].

  • Appellebene

Die Schlüsselfrage „Was soll ich aufgrund seiner Mittelung tun?“ steht hier im Raum. Meine Antwort wäre: Vermutlich nichts. Ich kann für ihn vermutlich nicht unkomischer werden. Was ich versuchen könnte, wäre, mich seinem Weltbild einer 30jährigen Frau mit Kind, die gerne T-Shirt und Jeans trägt, anzupassen. Somit könnte er mich mühelos in eine, ihm bekannte Schublade stecken.

  • Sachebene

Diese Ebene beschäftigt sich mit der Frage „Wie ist der Sachverhalt zu verstehen?“. Den Satz haben wir bereits Wort für Wort aufgeschlüsselt. Der Sachverhalt suggeriert mir, dass meine Erscheinung nicht seinen, ihm bekannten Vorstellungen entspricht.

  • Selbstkundgabe

Diese Ebene dient der Frage „Was sagt dieser Satz über den Handwerker aus? Wie fühlt er sich dabei?“. Vermutlich ist er genervt von seinem gierenden, 50jährigen Kollegen, der mich jeden Morgen penetrant grüßt. Um das Phänomen abzuschwächen, bezeichnet er mich als komisch. Vielleicht passe ich auch schlichtweg nicht in sein Frauenbild und er müsste erst mühsam eine Schublade für mich konstruieren. Das spart er sich, in dem er mich in die Schublade der komischen Gestalten steckt. Ein kluger Schachzug!

Fazit

Der Satz spiegelt allein sein Empfinden und seine Meinung wieder, der ich mich laut Watzlawick auch nicht entziehen könnte. Das Wort komisch ist gleichbedeutend mit Erwartungen nicht in Einklang bringen. Ich passe dementsprechend nicht in das Weltbild des ca. 35jährigen Handwerkers. Da ich keinerlei zwischenmenschliche Beziehung mit ihm plane, ist das für mich total okay. Statt dem Wort komisch, könnte er beispielsweise auch “schwer einschätzbar” oder “sich abhebend” benutzen. Auch “einzigartig” oder “besonders” wären treffende Worte. 😉

Alles in allem lässt sich feststellen, dass ich in meiner Familie und meinem Freundeskreis nicht als komisch gehandelt werde. Das mag daran liegen, dass wir uns bereits näher kennen oder aber, dass wir ab dem ersten Moment kompatibler zueinander waren als der Handwerker und ich. Egal wie, ich habe gelernt, dass dieser Satz das reine Empfinden meines Gegenübers wieder spiegelt, nicht aber meines. Und damit kann ich sehr gut leben! Nebenbei habe ich prüfungsrelevanten Stoff mit Ihnen zusammen durchgenommen und ich hoffe, es war für Sie so interessant wie für mich. Am 03.07. steht meine erste Klausur an, falls Sie Ihre Daumen drücken möchten.

Dazu fällt mir ein italienisches Lied und den dazugehörigen Witz ein.

Orietta Berti singt hier: „…Hai risolto un bel problema, e va bene così | Ma poi me ne restano mille | Poi me ne restano mille…“

„…Du hast ein großes Problem gelöst und das ist so in Ordnung | Aber dann bleiben mir immer noch tausende [Probleme] übrig | Aber dann bleiben mir immer noch tausende [Probleme] übrig…“

Der dazugehörige Witz geht so:

Ich: “Perfekt, ich habe schon 15 Seiten für die Klausur gelernt.”

Orietta Berti: „…aber dann bleiben immer noch tausende….tausende…“

Auf Italienisch sähe das dann so aus:

Io: „Perfetto, ho già studiato 15 pagine per gli esami.“

Orietta Berti: „Ma poi te ne restano mille…“

Nachwort: Während Sie den Text lasen, befinde und befand ich mich vermutlich fluchend auf dem Weg nach München. Wünschen Sie mir Glück, dass der Stau sich in Grenzen hält. 😉

Quelle: Watzlawick/Beavin/Jackson 2011, S. 57ff, Duden, Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun,

*Wichtig ist bei Watzlawicks Axiomen zu erwähnen, dass seine Erkenntnisse ausschließlich im psychologischen Kontext gewonnen wurden und sich insbesondere auf die Kommunikation zwischen psychisch kranken Patienten bzw. die Arzt-Patienten-Kommunikation bezieht)

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Arjeta – ein goldenes Leben

[Bis der dritte Teil der Albanienchroniken fertig gestellt ist, dachte ich, dass uns ein paar leisere Töne gut tun würden an diesem Sonntag. Die Geschichte entstand vor ein paar Monaten und ich veröffentlichte sie zuerst auf story.one. Arjeta war die Lieblingstante des Römers, die plötzlich und unerwartet an einem Hirnaneurysma starb.]

„Ein gnädiger Tod.“ sagte man viele Monate später als die Tränen bei den meisten längst versiegt waren. Die Rationalität hatte wieder die Kontrolle übernommen und drängte jegliche Melancholie in den Hintergrund.

Gebetet habe sie. So wie jeden Abend vor dem Zubettgehen. Als sie die letzten Worte aussprach und sich langsam vom türkisen Gebetsteppich erhob, löste sich der Knoten des weiße Kopftuch und rutschte über ihre Stirn. Sie trug das Tuch, das ihre weißen, langen Haare bedeckte, nicht nur aus religiösen Gründen. Vielmehr trug sie es aus Pflichtbewusstsein der Tradition ihres Landes gegenüber. Mit ihren, von Pigmentflecken übersäten Händen griff sie nach dem Tuch. Doch in dem Moment, in dem sie den Knoten im Nacken festzog, fiel sie einfach um.

Eilig wurde sie ins Krankenhaus gebracht. Man versuchte gar nicht erst den Krankenwagen zu rufen, denn die Straßen sind schlecht und auf die Krankenwagen ist kein Verlass. Besim, ihr Sohn, fuhr den alten Benz. Neben ihm saß sein Vater Agron und starrte mit leerem Blick in die Nacht. Auf der Rückbank lag seine bewusstlose Frau, die schwer atmete. Ihr Kopf war im Schoß ihrer Enkelin gebettet.

Agron wollte nicht weinen, denn da, wo noch Hoffnung besteht, weint man nicht. Stakkatoartig tastete sich sein schwerer Blick an der vorbeifliegenden Umgebung voran. Wie viele Male ist er bereits mit seiner Gattin diese Straße entlang gefahren? Und wie viele Male wird er sie, mit ihrer Hand in seiner, noch entlang fahren?

Drückend still war es im Auto. Man hörte nur das Schluchzen der Enkelin, die um ihre Großmutter bangte. Immer wieder streichelte sie ihrer Oma über das weiße Haar.

Im Krankenhaus ging alles ganz schnell. Es war noch nicht zu spät. Die Ärzte handelten rasch, spritzten und verkabelten die Patientin. So lag die alternde Dame drei Tage in einem Krankenhausbett, tief versunken im Koma und überwacht von Apparaten und medizinischen Personal.

Sie lebte.

70 Jahre sei kein Alter zum Sterben, redete Agron jede Nacht aufs Neue auf Gott ein. Er lag dabei allein im großen, schweren Ebenholzbett. Ein Geschenk seiner Eltern zur Hochzeit des damals so jungen Paares. Händeringend versuchte er Erklärungen zu finden, warum die Zeit seiner Frau noch nicht gekommen sei. Nächtelang wirkte er mit akribisch ausgearbeiteten Argumenten auf Gott ein. Er sei schließlich älter als sie, erklärte er Gott in der darauffolgenden Nacht. Man solle lieber ihn nehmen. Seine Frau würde auf Erden dringender gebraucht werden als er.

Doch Agrons Gott schien nicht nach Seniorität zu handeln. Am vierten Tag nahm er seine Gattin an sich.

Fast 400 Leute kamen zur Beerdigung Arjetas, Agrons Frau. Man sagte später, dass es ungewöhnlich für eine Frau dieses Alters sei, dass so viele Weggefährten zu einer Beerdigung kommen. Normalerweise sei das nur der Fall, wenn einer von den Jungen im Viertel zu schnell fuhr und es nicht überlebte.

Doch so ungewöhnlich war es nicht. Arjeta hatte für jeden stets ein offenes Ohr. Eine mütterliche, fast schon goldene Wärme strahlte sie aus. Nie hörte man sie schlecht oder gar abfällig über jemanden reden. Sie war eine von den wenigen Personen auf dieser Welt, die so pur und rein wie frisches Bergquellwasser war.

Ihren Namen hatte sie ihrer Großmutter zu verdanken. Sie bestand darauf, das Kind Arjeta zu nennen. Der Name bedeutet “goldenes Leben“. Diesen Wunsch gab sie ihrer Enkelin mit auf den Lebensweg. Er ging in Erfüllung.

Frankfurt und Corona – ein Erfahrungsbericht

[Prolog: Die Überschrift verrät es: Es geht um Frankfurt und meine Erfahrungen im Umgang mit Corona. Lesen Sie den Artikel nicht, wenn Sie a) von dem Virus die Nase voll haben b) sich nicht ärgern wollen über die Unvernunft Ihrer Mitmenschen und c) eine seichte, fröhliche Geschichte mit Happy End erwarten. Und sagen Sie hinterher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.]

Sie wissen, ich bin der größte Fan der heimlichen Hauptstadt Hessens. Die Einwohner sind deutlich entspannter und redefreudiger als die wortkargen Münchner. Die Stadt bietet viele schöne Ecken und die Lebensqualität ist sehr hoch.

Doch mit einer Pandemie kann diese Stadt definitiv nicht umgehen.

Turtle, die rüstige Hotline-Hessin und der kostenpflichtige Schnelltest

Seit gestern Abend hat Turtle einen trocknen, sehr heftigen Reizhusten und Schüttelfrost. Am Wochenende war sie in Bayern bei unseren Eltern und verbrachte viel Zeit in den Zugabteilen der deutschen Bundesbahn. Da Vorsicht besser als Nachsicht ist, rief sie bei der Corona Hotline ein. Nach einer halben Stunde Wartezeit nahm eine rüstige Hotline-Hessin ab. Turtle schilderte ihr das Problem, ihre Symptome und bat um Information, wie sie jetzt verfahren sollte. Die rüstige Hotline-Hessin antwortete, dass das streng genommen keine Corona Symptome seien und sie sich keine Sorgen machen brauche. Dann wollte sie das Gespräch beenden. Doch Turtle insistierte, dass sie gerne mehr Informationen haben möchte. Die rüstige Hotline-Hessin erklärte Turtle daraufhin: „In der Uniklinik in Frankfurt können Sie einen Coronatest machen. Aber nur von 9-12 Uhr. Doch mit IHREN SYMPTOMEN wird man Sie vielleicht gar nicht dran nehmen, wenn die Gefahr besteht, dass sie Corona haben.“ Turtle war verwirrt, sagte die rüstige Hotline-Hessin doch eben, dass Turtles Symptome nicht auf Corona hindeuten würden. Turtle beschloss, dass sie bei der Hotline nicht weiterkommen würde, bedankte sich und legte auf.

Dann rief sie bei ihrem Hausarzt an. „Nein, Coronatests bieten wir gar nicht an. Aber eine Krankschreibung kann ich Ihnen ausstellen.“ erklärte ihr die nette Arzthelferin. Immerhin ein erster Erfolg. Turtle informierte sich daraufhin über die kostenlosen Schnelltests, die angeblich überall angeboten werden. Doch Fehlanzeige! Am Ende rief sie bei der AIDS-Hilfe an, die ganz in ihrer Nähe ist, da sie Coronatests anbieten. Man empfahl ihr einen Schnelltest. 40 Euro. Sie könne gleich vorbeikommen.

Der Test war negativ. Turtle hustet immer noch, düste ins Büro, nahm die wichtigsten Ordner und USB Sticks mit und beantragte Homeoffice für morgen und übermorgen. Von der Krankschreibung braucht sie keinen Gebrauch machen.

Hafenpark-Partys und Schlechtwetter-Polizisten

Sehr ärgern musste ich mich auch über diesen Artikel, der sich vor unserer Haustür abspielte. Jugendliche, die im Hafenpark feierten und deren Party von der Polizei Frankfurts schlussendlich unterbunden wurde. Dabei gilt mein Ärger allein der nachlässigen Staatsgewalt. Mittlerweile verzeichnen wir hier in Frankfurt das dritte, sonnige Wochenende. Dazwischen gab es vermehrt sehr frühlingshafte, angenehme Tage. Und an all diesen Tagen, egal ob unter der Woche oder am Wochenende, spielten sich immer wieder die ewig gleichen Szenen ab: Menschenmassen, die sich dicht an dicht durch den Hafenpark und am Main entlang schoben, Horden von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, die sich am Skatepark vergnügten. Keiner davon trug jemals irgendeine Art von Maske. Erwachsene und Jugendliche bildeten Menschentrauben, picknickten und tranken. Wer nun eine oder mehrere, patrouillierende Polizeistreifen vermutet, der irrt sich. Es kontrollierte bis zu diesem Wochenende niemand.

Denn dann löste die Polizei „Partys von feiernden Jugendlichen“ auf, nachdem man wochenlang die staatlichen Augen verschlossen hatte. Ob dabei der Grundsatz „Besser spät als nie“ noch anzuwenden ist?

Seit diesem Wochenende zeigt die Polizei rund um den Hafenpark und am Main regelmäßig Präsenz. Gestern Nachmittag, 8 Grad, leichter Niesel, windig und bewölkt, waren mindestens vier Polizeiautos anzutreffen. Ich muss Ihnen nicht erklären, dass Menschentrauben und Massen an Spaziergängern bei diesen Temperaturen eher unwahrscheinlich sind.

Alles in allem ärgere ich mich über die Doppelmoral der Stadt Frankfurt. Bei begründetem Verdacht kann man sich nicht testen lassen oder man darf selbst tief in die Tasche greifen. Gleichzeitig schieben sich bei Sonnenschein seit Wochen maskenlose Menschenmassen am Main entlang ohne jegliche Polizeipräsenz.

Dass eine Stadt aus diversen Einwohnergruppen mit unterschiedlichen Auffassungsgaben besteht, sollte einer Regierung bewusst sein. Dass „Vater Staat“ aber hier ins Spiel kommen sollte um auf seine „Kinder“ aufzupassen, halte ich für selbstverständlich. Allein auf die Vernunft der Bewohner Frankfurts zu pochen, ist in etwa so als würde ich auf die Vernunft meines einjährigen Sohnes pochen, wenn ich ihm eine volle Packung Kekse in die Hand drücke und sage: „Aber nur einen, dann ist Schluss.“