Va bene: Socken in Sandalen

Mein Mann ist durchaus zielstrebig. Ja, sogar mit größtmöglicher Ausdauer arbeitet er daran, seine Ziele zu erreichen. Sofern er einen Sinn in diesen Zielen sieht.

Sieht er keinen Sinn darin, dann bleibt er stoisch stehen wie ein Esel am Wegesrand. Frei nach dem Motto: Ein Problem wird nur dann zu einem Problem, wenn man es auch als solches anerkennt.

Er hingegen akzeptiert den Zustand der Dinge und lässt seine Energie eben darum herum fließen. Ja, es ist die Kraft seiner mentalen Taschenlampe: Man sieht eben nur das, worauf man mit der Taschenlampe leuchtet.

Blöd nur, dass ich ausgestattet bin mit mehreren, inneren Flutscheinwerfern. Ich sehe alles – und will jede Aufgabe lösen. Ja, ich sehe selbst Herausforderungen, wo keine sind.

So war es zum Beispiel auch bei den Kinderschuhen im Urlaub. Wir reisten nur mit Handgepäck nach Valencia. Und so trug Signorino ein Paar Turnschuhe an den Füßen und ein Paar Sandalen wurden in Handgepäckstrolley gepackt. Das war’s. Für fünf Tage in einer südeuropäischen Stadt im Mai fand ich das überaus vertretbar.

Am zweiten Tag entdeckte unser Sohn Wasserfontänen im Park, die abwechselnd aus dem Boden schossen. Anfangs zögerlich – die Mahnungen seiner Eltern im Nacken – warf er sich nach kurzer Zeit jauchzend in die Fontänen. Das Kind war patschnass. Bei knapp 30 Grad zogen wir die nassen Klamotten aus und legten sie auf die warmen Steinfliesen unter der Sonne Spaniens. Wechselklamotten hatten wir natürlich nicht dabei. Wer rechnet schon mitten in Valencias Stadtzentrum mit einer nasskalten Duschgelegenheit?

Nur einen trockenen Pullover hatten wir noch in unserem Rucksack, der anscheinend auf diesen Einsatz gewartet hatte. So zogen wir dem Kind die nasse, aber nicht mehr triefende Hose nach einer Stunde wieder an, dazu den Pullover und die nassen Turnschuhe ohne Socken.

Dann traten wir den nie enden wollenden Heimweg an. Natürlich wollte das müde Kind nicht mehr gehen und wir hatten keinen Roller im Urlaub dabei. So presste Signorino seine nasse Hose gegen meine trockene Bluse und ich schleppte 18 Kilo nasses Kind auf meiner Hüfte über die Plaza del Ayuntamiento.

Falls Sie sich an dieser Stelle fragen, ob man das mal erlebt haben muss, ist meine klare Antwort: Nein!

In der Unterkunft angekommen, teilte der Römer seine Überzeugung mit mir: Die Schuhe würden von alleine trocken werden. Solange würde das Kind eben Sandalen tragen. Das Problem war für ihn gelöst und konnte ad acta gelegt werden.

Seine mentale Taschenlampe widmete sich den mitgebrachten Erdbeeren vom Markt.

Bei 30 Grad erschien mir der Gedanke des schnellen Trockenvorgangs nicht unmöglich. Aber ganz sicher war ich mir nicht, schließlich hatte es in der Wohnung keine 30 Grad.

Der nächste Tag verging. Die Außentemperatur kühlte um ca. 10 Grad ab. Es war eindeutig Turnschuh-Wetter in Valencia. Gerade, wenn man ein gesundes Kind von seiner Reise heimbringen wollen würde.

Ich kontrollierte die Turnschuhe. Sie waren immer noch nass. Darüber informierte ich meinen Gatten. “Strano. Non sono ancora aciute? Aspettiamo ancora un po’. [Komisch. Sie sind noch nicht trocken? Warten wir noch etwas.]”, kommentierte der Römer und widmete sich wieder einem Zeitungsartikel auf seinem Mobiltelefon. “Ja, aber es ist echt kalt draußen. Du kannst doch Signorino nicht nur mit Sandalen herumlaufen lassen!!”, antwortete ich etwas genervt. “Wir können ihm ja Socken zu den Sandalen anziehen. Dann sind sie fast so warm wie ein Turnschuh.”, sprach er.

“Nein, also wirklich nicht! Also ganz sicher nicht!”, gab ich zurück. So weit käme es noch! Socken in Sandalen! Auf gar keinen Fall, meldete sich der eitle Teil in mir.

Mein innerer Flutscheinwerfer zwang mich zum Handeln. Ich ging ins Bad und warf den Hochleistungsfön unserer Ferien-Unterkunft an. Dann föhnte ich 40 Minuten Innensohlen und Innenpolsterung des Kinderschuhs, während der Mann sich entspannt einen Kaffee machte und weiterlas. Irgendwann wurde es mir zu bunt (und zu heiß) und so rief ich ein “Du könntest mir ja auch mal helfen!” in die Wohnküche, die praktischerweise neben dem Bad lag. “Ich kann ihm auch einfach Socken in Sandalen anziehen!!”, gab der römische Gatte schnippisch zurück und knabberte unaufgeregt ein paar spanische Safari-Kekse. “Jaaaahaaa!!!”, rief ich und föhnte mit düsterer Miene weiter.

Innerlich verfluchte ich den Mann. Möge sein Lieblingshaargel für immer in der Drogerie ausverkauft sein und er an einen Friseur geraten, der nicht mit römischen Naturlocken umgehen kann. So sauer war ich!

Nach 40 Minuten waren die Turnschuhe trocken. Das Kind war froh, wieder seine geschlossenen Schuhe tragen zu können, weil die Sandalen etwas drückten. “Mit Socken hätten sie weniger gedrückt!”, kommentierte der Römer trocken.

Ich atmete tief durch, denn schließlich konnte ich mich daheim weitaus günstiger streiten als im Valencia-Urlaub*.

*Ich vermute, den Satz habe ich bei Tom gelesen. Aber verbessern Sie mich gerne, falls es doch Ihr Satz war.

29 Kommentare

    • Aber ein ganz grober Sandalismus, lieber Reiner. 😄
      Gemütlich trifft es bei ihm auch. Ich vermute, seine Reizschwelle ist deutlich höher als meine.
      Hab einen feinen Pfingstmontag und liebe Grüße, Eva

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    • Das freut mich sehr, lieber Hans-Georg! Es ist wie eine Blockade: Ich kann es bei anderen beobachten, aber den Sandalismus (wie Reiner in einem Kommentar schrieb) kann ich nicht in der eigenen Familie installieren.
      Einen feinen Pfingstmontag und liebe Grüße, Eva

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      • Der Sandalismus wird noch getoppt durch kurze Hosen, und zwar so kurz, wie es vor 20 / 30 modern waren, bevorzugt getragen von Rentnern, so wie ich einer bin. „Die sind doch noch gut, die kann ich noch anziehen!“. Ich trage auch Shorts, aber knieumspielt, und garantiert keine, die schon 20 Jahre auf der Hüfte haben.

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  1. für mich ist alles akzeptabel, was gegen Nässe und Kälte bzw Hitze schützt, als da wären: Plastiktüten zwischen Socken und löchrigen Turnschuhen bei Schnee, Zeitungspapier zwischen Hemd und Pulli zwecks Wärmedämmung, Stofftasche als Ersatz für Sonnenhut…Aber natürlich ist auch das Föhnen ok. Es lebe die Improvisation!

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    • Das ist ein valider Punkt, liebe Gerda, und er erinnert mich daran, wie ich mit meinen todschicken, aber leider wasserdurchlässigen Winterstiefeln umging. Ich trug ein Paar Socken, darüber die Plastiktüten und darüber ein weiteres Paar Socken. 😄
      Genau, es lebe die Improvisation!

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  2. Und ich dachte schon, der Römer hätte in einer absoluten Ausnahmesituation, keine Ahnung, nach zu viel Sangria oder was weiß ich … also der Titel hat mich auf die falsche Spur gelotst.🙈😅
    Aber es ging um Signorino. Da nahm ich an, der Vater hätte den Sohn lieber auf Händen durch die Stadt getragen, als einen solchen Modefauxpas zuzulassen, den du als praktische Problemlöserin hättest durchgehen lassen.
    Aber sag mal, der Hotelföhn, war der gut? Geht der jetzt noch? Ich frage aus beruflichen Gründen.

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    • Wenn es so weit kommt, mache ich ein Foto, um diesen Moment festzuhalten und mir eine Motiv-Tasse drucken zu lassen, liebe Anke. 😄
      Er sah es ganz pragmatisch. Vermutlich hat er das mit dem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft in einem der unzähligen Termine unterschreiben müssen. 😄
      Der Hotelföhn war gigantisch. Für Haare und Schuhe geradezu perfekt. 🤩

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  3. Ok, wenn die Sandalen drücken, dann ist das Problem wieder da. Das mit dem Kind, das nicht selbst laufen will.

    Das mit den Socken und Sandalen sehe ich auch nicht als Problem an. Laufen nicht alle Römer, Mailänder etc. ständig so rum? Oder waren das andere Leute, die so durch Italien laufen? Jedenfalls für den gegebenen Fall wäre es die Lösung: Mann und Sohn laufen in Sandalen, Socken an den Füßen. Kurze Hose dazu.

    Das wäre mein Vorschlag gewesen!

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    • Genau, das war ein unangenehmer Nebeneffekt. Mit drückenden Sandalen, womöglich noch mit Blasen, geht das Kind gar nicht mehr.

      Ich würde behaupten, die Italiener belächeln die Teutonen, die mit Sandalen und Socken herumlaufen. Die Föhnvariante erschien mir die sinnvollste.
      Aber der Vorschlag klingt auch gut! Ich wäre dann alleine ins Café, während die Herren die Stadt erkunden.

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