Dreierlei vom Sprachbrei

Ja, die Zweisprachigkeit in der Erziehung, das ist so ein Thema für sich. Der ambitionierte Plan war, dem Kind Deutsch und Italienisch beizubringen. ‘One parent, one language’ heißt es so schön und wir empfanden das als machbar.

Also ich.

Der Römer hatte damals, als wir noch kinderlos waren, seinen eigenen Kopf. Er würde mit dem damals noch ungeborenen Signorino “mal so, mal so“ sprechen. Mal spräche er Italienisch, mal Albanisch. Ich muss immer noch über diese Idee lachen, weil die Wirklichkeit eine ganz andere ist.

Anfangs sprach mein Mann nur Italienisch mit Signorino, was daran lag, dass er kaum Deutsch sprach. Es war schlichtweg bequemer für ihn. Doch stets ein paar Tage bevor wir nach Albanien flogen, um die Verwandtschaft zu besuchen, meldete sich sein schlechtes Gewissen. Er startete dann seinen Crash-Kurs “Albanisch für die Verwandtschaft” mit dem ahnungslosen Signorino.

Erst war das Kind nur verwundert, dass da noch eine andere Person in seinem italienischen Papa steckte, dann begann er zu weinen, weil er nicht verstand, warum diese andere Person zwar aussah wie sein Papa, aber total seltsam redete. Als der Römer stoisch an seinem Albanisch-Crash-Kurs festhielt, ignorierte der Sohn ihn schlichtweg, wann immer er Albanisch mit ihm sprechen wollte. Noch im Flugzeug nach Tirana gab der Römer entnervt auf.

“Was soll man machen?”, dachte mein Gatte und gab auf. Den Crashkurs Albanisch bekommt Signorino dennoch regelmäßig vor jedem Urlaub.

Das nagte natürlich an meinem Mann. Schließlich konnte sich weder Frau, noch Kind mit der Verwandtschaft auf einem anständigen Level verständigen.

Ein Schwager des Römers erkannte die römische Not und fragte mich, warum ich denn kein Albanisch mit dem Sohn sprechen würde. Schließlich würde es Muttersprache heißen und ein Vater könne demnach gar nicht viel ausrichten. Erst lachte ich ob der Absurdität. Dann gab ich nüchtern zurück, dass meine Eltern beide aus Bayern kommen. Und Bayerisch hat wenig gemein mit der albanischen Sprache, auch wenn das in manchen Teilen Deutschlands sicher anders gesehen wird. 😉

Am Ende redete Signorino Deutsch mit den Albanern, die sichtlich bemüht waren, ihn zu verstehen. Nach ein paar Tagen saßen bei der albanischen Verwandtschaft die Wörter “Kekse”, “Milch” und “Fernseher”.

Als die Jahre vergingen und der Mann immer besser Deutsch sprach, wurde es ihm zu anstrengend, nach der Arbeit noch Italienisch zu sprechen. Schließlich bestritt er den Großteil seines (Arbeits-)Alltags ausschließlich auf Deutsch. Ich wies meinen Gatten darauf hin, dass er bitte Italienisch mit dem Kind reden solle, denn jede weitere Sprache wäre ein Geschenk für das Kind. “Ja, ja.”, sagte dieser und nahm es con calma, gelassen.

Von seinem Bemühen konnte ich mich nach ein paar Wochen selbst überzeugen: Als mein Mann mit dem Sohn unterwegs zu seinem italienischen Stammcafé war, beging mein Mann eines seiner berühmten Hosentaschen-Telefonate. Ich weiß nicht, wie er das immer hinbekommt, aber sein Handy ruft mich unwissentlich und regelmäßig aus der römischen Hosentasche an. Bei diesem unbeabsichtigten Telefonat konnte ich mich selbst von seinem Italienischunterricht überzeugen. “Signorino! Dai! Vieni! [Komm schon!] Wir nehmen die Rolltreppe, um zu Paolo zu gehen. Möchtest du gleich einen Keks?” So ging das eine ganze Zeit lang bis ich auflegte. Das Kind antwortete. “Mit Nutella?”, fragte der Gatte zurück. “No, no, va bene. [Nein, nein, in Ordnung.] Dann isst du halt ein Eis.”

Eis geht bekanntlich immer.

Dem Kind gefiel’s. Klar, ein paar Ausdrücke sind ihm geläufig auf Italienisch. “Vieni qua” [Komm her], “No” [Nein] und “Va bene” [In Ordnung] versteht er wunderbar und antwortet darauf auf Deutsch. Wie viel Signorino genau versteht und wie viel nicht, wissen wir nicht so ganz genau. Aber vermutlich versteht er mehr als wir denken.

Der Beweis dafür kam als das Kind Schnupfen hatte und regelmäßig Nasenspray benutzen sollte. Das hasste er abgrundtief und so wechselten wir Erwachsenen auf Italienisch, um uns zu besprechen, wie wir unseren Nasensprayangriff am besten durchführen könnten. Weil “Spray” ein recht internationales Wort war, fragte ich den Römer, wo er “il coso per il naso” [das Dingens für die Nase] denn nun hingelegt hätte. Das Kind protestierte SOFORT, dass er kein Nasenspray wolle und brauche. Es war ihm so wichtig, dass er sicherheitshalber ein “No, no, no!” nachschob. In dieser Situation waren wir etwas verwundert wie gut das Kind verstand.

Beim Thema Nasenspray leuchteten beim Kind alle Warnlampen auf.

Aber ich bin auch keinen Deut(sch) besser: Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, meinem Mann wichtige Infos auf Italienisch mitzuteilen und Unwichtige auf Deutsch. Das sieht dann in etwa so aus: “Ich habe gestern Liams Mama getroffen. Wir haben über den Kindergarten geredet und dann sagte sie doch glatt zu mir che loro hanno gli stessi problemi come noi! [dass sie die gleichen Probleme haben wie wir!] Lo puoi immaginare? [Kannst du dir das vorstellen?] Oppure il loro bambino ha difficoltà con il neue Regelung (hier fiel mir das italienische Wort nicht schnell genug ein) del Kindergarten. [Auch ihr Kind hat Probleme mit der neuen Regelung des Kindergartens.]“

Anfangs beschwerte sich der Römer, dass er nicht mitkomme, wenn ich einfach so im Satz die Sprache wechselte. Da ich aber an der “Wichtige Infos auf Italienisch, Unwichtiges auf Deutsch”-Regel festhielt, gewöhnte er sich sehr schnell daran. Und selbst dann geht noch die Hälfte der Infos verloren oder er erinnert sich nicht mehr.

Alles in allem bleibt festzuhalten: Mehrsprachigkeit ist durchaus ein Geschenk, aber auch eine Herausforderung.

16 Kommentare

  1. Mur kommt der Text so bekannt vor. Hast du ihn schon einmal veröffentlicht, oder besitze ich seit gerade eben hellseherische Fähigkeiten? Sehr aufgeregte und neugierige Grüße vom Rheinland ins Rhein-Main-Gebiet. 🤯😇

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    • Du bist aber eine sehr aufmerksame Leserin, liebe Bea. 😄 Ich habe ihn aus Versehen am 21.06. veröffentlicht, obwohl ich ihn für heute planen wollte. Wenige Minuten später ist es mir aufgefallen und ich habe ihn auf Status „geplant für Sonntag 30.06.“ gesetzt. 😄 Du hast ihn wahrscheinlich bei meiner verfrühten Veröffentlichung gelesen. 😄
      Liebe Grüße aus dem nassen Frankfurt, Eva

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      • Das erklärt warum mir der Beitrag bekannt vorkommt. Kommentieren konnte ich ihn neulich aber nicht – glaube ich jedenfalls.

        Die Patentante von meiner Kleinen ist mit einem Mann aus Kuwait verheiratet.
        Sie hatten ihre Wohnung nach Sprachen aufgeteilt. In einem Teil der Räume wurde ausschließlich arabisch gesprochen. In einem anderen nur deutsch. Es sei denn einem Elternteil fiel gerade das passende Wort nicht ein.

        Das klappte zu Hause sehr gut. Nur wenn sie den Jungen zu Gesellschaften mitnahmen, dann hatte er Verständigungsprobleme. Mich z.B. etwas auf arabisch zu fragen hatte nicht viel Sinn 😉

        Sobald er in den Kindergarten gekommen ist, war dann Deutsch seine Hauptsprache. Arabisch lernte er trotzdem zusätzlich.
        Und vor vielen Jahren hat er auch sein Abitur geschafft.

        Wird schon werden, mit eurem Signorino.

        Wenn Männer nur die Hälfte mitbekommen, hat das übrigens in den seltensten Fällen etwas mit der Sprache zu tun 😉

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      • Genau, weil ich ihn damals wieder auf „Geplant“ gestellt hatte. 😄

        Das ist ein spannender Ansatz! Und er schien zu funktionieren, auch wenn es ab und an nicht gleich klar war, dass du kein Arabisch sprichst. 😄

        Der letzte Satz ist genial! So ist es wohl. Es ist sprachunabhängig. 😄 Danke dir, liebe Trude, und liebe Grüße!

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  2. Leider ist es ja mit Gatten und Kindern eher so, dass es egal ist, in welcher Sprache man Wichtiges kommuniziert. Es ist eine Frage des Wollens. Wenn die Antennen nicht auf Empfang sind … was soll man machen? 😉

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    • Absolut richtig, liebe Anke! Da kann der Sender noch so ins Mikrofon brüllen. Wenn der Empfänger nicht mitspielt, ja, dann brüllt der Sender vermutlich noch heute und hofft, er wird irgendwann ge- oder erhört. 😄

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  3. Ein herrlich unterhaltsamer Beitrag bzw. Einblick in euer Leben. In meinem Familien und Bekanntenkreis haben die meisten Paare auf diese Methode gesetzt und alle Kinder beherrschen beide Sprachen sehr gut. Wenn sie klein sind, erscheint das oft nicht so, Ich bin mir sicher, euer Sohn wird sich später lässig durch alle Kulturen und Sprachen bewegen. Liebe Grüße

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