WMDEDGT – Mai 2022

Der Monatsfünfte und Frau Brüllen vergisst erstmal fragt mal wieder, mit was man seine Zeit verbringt. WMDEDGT nennt sie das und hier sieht das so aus:

07:20 Uhr Ich darf heute meinen gestrigen, verpassten Arbeitstag nachholen. Da die Kita wie jede Woche (in der kein Feiertag ist) gestreikt hat, freue ich mich darauf, in Präsenz zu arbeiten, da zwei Kolleginnen meine Anwesenheit vor Ort benötigen. Es regnet, ich muss einen 2jährigen zur S-Bahn schleppen, Sie können sich meine Stimmung vorstellen.

07:40 Uhr Kurzer Knatsch zwischen dem Römer und mir, da er sein Vorfahrtsrecht im Bad als gottgegeben betrachtet. Da ich gerade dabei bin Tabula rasa zu machen, sage ich ihm auch gleich, dass er mir donnerstags nie hilft, das Kind kitafein zu machen.

08;00 Uhr Mein Vortrag hat sofort gewirkt. Er weckt das Kind. Das dauert ein bisschen. Mit Blick auf die Uhr übernehme ich schlussendlich. Er fängt vor mir an zu arbeiten. Das Kind steht auf, geht in die Küche, ruft “Kissen! Kissen!”, geht aus der Küche und legt sich schnurstracks wieder zurück ins Bett – auf sein Kissen. So ein Tag ist das also. Ich persönlich finde die Idee genial und würde auch gerne “Kissen! Kissen!” machen, aber irgendjemand muss die verlorenen Stunden durch den Kita-Streik wieder reinarbeiten. Letztendlich schlage ich vor, dass er Peppa Wutz gucken kann, während er frühstückt. Es scheint zu wirken. Da das Kind beschäftigt wirkt, lege ich mein Büro-Make-Up auf. Diesmal sogar mir rotem Lippenstift. Wir haben heute Kundenbesuch und ich möchte nicht, dass sie immer meine Turnschuhe mustern. Deswegen lenke ich den Blick geschickt auf meine tiefroten Lippen. Für diese und weitere geniale Beauty-Tipps zögern Sie nicht, mir zu folgen. 😉

08:40 Uhr Das Kind ist frisch bezogen. Obwohl, so ganz wahr ist das nicht. Es hat noch sein Pyjama-Oberteil an, dass ich raffiniert mit einer Zip-Jacke kombiniert habe. Wir können los. Freude!

09:25 Uhr Die Erzieherinnen von Signorinos Gruppe sind nicht da. D.h. er hat irgendeine Vertretung. Fröhlich geht er ins Gruppenzimmer, nur um zu merken, dass seine Bezugspersonen fehlen. Tränen! Mit schlechtem Gewissen muss ich ihn dennoch dort lassen, da ich arbeiten muss. Das ewige Zermürbnis von Eltern eben. Ich hetze zur Arbeit.

09:40 -14:20 Uhr Ich bin in der Arbeit. Vorbereitung Kundentermin. Mehrere Anrufe. Organsieren, koordinieren, an den Chef delegieren, das Übliche eben. Dazwischen eine zehnminütige Mittagspause mit den Kolleg*innen.

14:20 Uhr Der Laptop ist in meinem Rucksack. Ich wünsche dem Kollegen ein schönes Wochenende. Er guckt irritiert. Ich hetze durchs Treppenhaus nach unten. Im zweiten Stock steht ein Konsulatsmitarbeiter (oder der Konsul himself?!) und übergibt etwas Kleines an einem Herrn im Trainingsanzug. Der Konsul guckt irritiert als er mich sieht. Ich auch, aber nur weil der Herr im Trainingsanzug dem Konsul des Konsulats einen Liter Sonnenblumenöl mitgebracht hat. Anscheinend wird das Öl nun offiziell als Währung in verschiedenen Ländern akzeptiert. Und wir Volltrottel horten nur Olivenöl im großen Stil…. So ist das eben, wenn man auf das falsche Öl setzt. Nach dieser irritierenden Szene geht’s zur Kita und ich sammle das Kind ein. “Heute hat er nicht geschlafen.”, flötet die Erzieherin. Ich grinse unter der Maske, denn das heißt früher Feierabend als Eltern. Am Dienstag hat er zwei Stunden geschlafen und das bedeutete: Um 23 Uhr schlief er endlich ein. Wir gehen zur Straßenbahn.

Hätten wir nur auf das richtige Öl gesetzt.

14:40 Uhr Die Straßenbahn hat eine neue Route. Bumsfallera, wir bekommen die ganz große Frankfurt-Tour über Sachsenhausen. Ein Rentner-Ehepaar steigt ein. Sie foppen sich gegenseitig. Immerhin haben sie sich noch etwas zu sagen. Nach 25 Minuten zahle ich den Preis für Signorinos ausgefallenes Mittagsschläfchen. Er schläft in der Tram ein. Ich trage das schlaffe Kind nach Hause. Mir fällt dabei beinahe der Arm ab. Einige Frankfurter Fußball-Fans kommen mir entgegen. Anscheinend geht es heute um etwas. Ich muss mal den Mann fragen. Der wird das wissen.

18:00 Uhr Der Römer kommt heim, snackt Signorinos Schüssel mit Blaubeeren weg und gibt dann an, Hunger zu haben. Bevor er sich seine kleine Wohlfühl-Platte aus lauwarmen Brot, Tomaten und einer feinen Auswahl an verschiedenen Käsesorten zubereitet, teile ich ihm mit, dass wir nachher “aber schon noch” (O-Ton) essen und dieses Nachher hoffentlich bald ist. Am Ende isst er ein Stück Brot mit einer kleinen Käseauswahl. Signorino schreit aus dem Kinderzimmer nach uns. Ich bleibe wie festgetackert sitzen, da ich heute genau 10 Minuten Mittagspause hatte und nur gerannt bin. Der Mann scrollt seelenruhig durch sein Handy. Ich räuspere mich. Signorino fordert Hilfe beim Lego-Aufzug ein. Der Mann, immer noch tiefentspannt, ignoriert uns. “Maaaaamaaaa! Aufzug!!!”, wird nun eindeutig aus dem Kinderzimmer gebrüllt. “Signorino meint dich.”, säusle ich. Der Mann guckt auf, seufzt, geht ins Kinderzimmer. Bei aller Liebe, aber ab und an darf sich der Gatte auch erheben.

20:00 Uhr Das Kind liegt im Bett. Hallelujah! Wie immer durfte ich ihn bringen, weil er mit mir in wenigen Minuten einschläft. Mit seinem Vater will er lieber „T(r)eppen“ aus Lego bauen. Der Mann ist so fertig vom „Nicht-ins-Bett-bringen“, dass er erstmal ein Eis braucht. Ich setze mich hin und fange an, meine Karteikarten fürs Studium zu lernen.

Let‘s call it a day!

Mitarbeiter einstellen leicht gemacht

Ich hatte heute Nacht einen Traum. Es war diese Art von Traum, die sich auf dem schmalen Grat zwischen Albtraum und normaler Absurdität des Unterbewusstseins befindet.

Alles hatte damit zu tun, dass der Römer sich momentan auf Jobsuche befindet. Sie ahnen es: Es ist anstrengend und die ganze Familie wird mit einbezogen. Momentan vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht mindestens einmal über ein Jobangebot, diverse Bewerbungsgespräche oder Vertragsbedingungen austauschen.

Heute Nacht verarbeitete mein Unterbewusstsein all diese Informationen in einem schnittigen Traum, der manchem Personaler eine ganz neue Richtung weisen könnte.

Ich träumte, dass der Römer sich bei „Gelli’s Praxis“ beworben hatte. Wer diese Gelli ist, erschließt sich, nach intensiver Recherche, weder dem Römer noch mir. Wir warteten geduldig auf eine Einladung zum Bewerbungsgespräch oder – im schlimmsten Fall – auf eine Absage. Doch tagelang passierte nichts. Dann kam ich in meinem Traum auf die Idee, sich doch noch einmal die Website der Praxis etwas genauer anzusehen. Ich klickte auf die Kategorie „Über uns“, wo der Lebenslauf und die Qualifikationen der Chefin (=Gelli) und ihrer einzigen Mitarbeiterin vorgestellt wurden. Doch im Vergleich zum letzten Mal, gab es nun einen Mitarbeiter mehr: Der Römer mitsamt seines Curriculum Vitae erschien jetzt ebenfalls im Aufklappmenü der Website. Dazu wurde in der Kategorie „Aktuelles“ verkündet, dass sie sehr froh sind über ihren neuen Mitarbeiter, der das Team zum 01.4. komplettierte. Ich war geschockt, fand doch, bis auf die Bewerbungsemail des Römers, keinerlei Kommunikation zwischen Gelli und dem Römer statt. Verwirrt öffnete ich in meinem Traum die Facebook Seite von Gelli’s Praxis. Hier zierte ein großes Bild des Römers den letzten Beitrag. Darunter stand: „Wir freuen uns den Römer am 01.04. als neues Teammitglied in unserer Praxis begrüßen zu dürfen.“. Er wurde eingestellt, ohne dass er davon wusste. In meinem Traum war ich komplett aus dem Häuschen, stotterte etwas von „Das geht doch nicht! Die muss dich doch erst einmal zum Gespräch einladen. Sie kann dich doch nicht ohne deine Kenntnisnahme oder einen Vertrag einstellen?!“ Der Römer zuckte nur gelassen mit den Schultern: „M’beh, che faccio adesso? Lavoro per loro. Ovviamente mi hanno assunto senza saperlo. [Ja gut, was mach ich jetzt? Dann arbeite ich halt für sie. Offensichtlich haben sie mich ohne mein Wissen eingestellt.]“ erklärte er mir. In meinem Traum war selbst ich von dem römischen Pragmatismus überrascht. Er wurde, ohne jemals von Gelli kontaktiert worden zu sein, eingestellt und fügte sich seinem Schicksal. „La chiamo per chiedere a che ora si inizia normalmente… [Ich ruf‘ sie mal an und frage nach, um wie viel Uhr sie normalerweise anfangen…]“ erklärte er weiter und tippte Gellis Nummer in das römische Telefon.

Dann wachte ich auf, weil Signorino lautstark bemängelte, dass er seinen Schnuller verloren hatte.

Am nächsten Morgen, diesmal in der Realität angekommen, erzählte ich ihm von meinem Traum. Er prustete den Schaum von seinem Cappuccino. „È pazzesco! Mi assumono senza saperlo e poi vado a lavorare per loro. Più facile di così…. [Wahnsinn! Sie stellen mich ohne mein Wissen ein und ich arbeite dann einfach für sie. Noch einfacher geht es nicht…]“

Na ja, wo er Recht hat, hat er Recht.

Timing ist alles

Wie wichtig die richtige Wahl des perfekten Augenblicks ist, um die maximale Begeisterung abzuschöpfen, merkte Signorino heute Nacht.

Signorino summte heute mehrmals nacheinander das allseits bekannte Schlaflied „La le lu, nur der Mann im Mond schaut zu…“, was wir ziemlich beeindruckend fanden. Nie vorher summte das Kind. Und wenn, dann konnte man keine wirkliche Melodie erkennen.

Allein für diese neue Fähigkeit hätte er unsere uneingeschränkte Bewunderung, Küsschen, freudiges Anfeuern und überschwängliches Lob erwarten können.

Wäre da nicht dieses miserable Timing gewesen. Sie ahnen es: Es war 2:30 Uhr nachts. Keine noch so schonende Weckmethode lässt einen sanft lächelnd mitten in der Nacht aufwachen. Ein fröhlicher, wacher Einjähriger, der es sich auf Mamas Kissen bequem gemacht hat und nun mitreißend in ihr Ohr summt, bildet hier keine Ausnahme.

Hätte er seine überraschende Musikalität um 10 Uhr vormittags mit uns geteilt, hätte er sich seinem großen Auftritt sicher sein können. Doch so quittierten wir seine Summeinlage mit „SIGNORINO!!! Schlaf jetzt!“ Aber wie das so mit Künstlern ist: Sie wollen einen verzaubern bis auch der letzte, ungebildete Depp merkt, dass er es hier mit einem summenden Meister zu tun hat. So hielt er weitere 1,5 Stunden an seiner Darbietung von „La le lu“ fest um uns doch noch einen kleinen Applaus zu entlocken. Dann gab er entnervt auf und schlief gegen 4 Uhr endlich ein.

Heute Vormittag summte er abermals das altbekannte Kinderlied und siehe da: Wir waren entzückt, frohlockten und machten viel zu viele Videos, die wir der Verwandtschaft schickten.

Wir hoffen dennoch, dass er das Bewusstsein für den richtigen Moment noch lernen wird. Hoffentlich.

Steuererklärung auf römisch

Wie unschön Steuererklärungen sind, wissen Sie sicher. Als mündige, erwachsene Bürger hatten Sie sicher mehr als einmal das Vergnügen aktiv oder passiv in den Steuerdschungel einzutauchen.

Es wird Sie vielleicht erstaunen, aber seit ich Mutter eines kleinen Signorinos bin, kümmere ich mich sehr gerne um die Steuererklärung. Fast möchte ich soweit gehen und Ihnen leise flüsternd verraten, dass ich mich bereits seit Anfang 2020 auf die 2021 fällige Steuererklärung freue. Nicht etwa, weil ich auf eine Rückzahlung hoffe. Wobei ich einer Rückzahlung generell nie abgeneigt bin. Nein, nein, viel mehr, weil ich ein paar ungestörten Stunden nicht abgeneigt bin. Nur ich, mein Computer, die giftgrüne Mappe mit dem hübschen Wort „tasse“ (Steuern) auf dem Einband und eine schöne Tasse Tee.

Es sind wahre Mußestunden. Doch wie es mit der Ruhe und Entspannung oft so ist, früher oder später kommt jemand, der sie Ihnen streitig machen will.

Am Montag war es, als mir der Römer die Lohnsteuerbescheinigung 2020 auf den Schreibtisch legte. Ich lächelte zufrieden, wusste ich doch, dass nun die Zeit reif war für einen ungestörten Nachmittag in meiner ganz privaten Steueroase. Der Römer indessen hatte die nicht minder wichtige Aufgabe, mir jegliche Störungen, egal wie süß und tapsig sie sind, vom Leibe zu halten. Steuererklärungen erfordern eine größtmögliche Portion an Konzentration, Akkuratesse und Spürsinn. Gegen eine schöne Tasse Tee und ein paar italienische Kekse ist dennoch nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil, sie sind dem Ergebnis sogar zuträglich, möchte ich behaupten.

Während ich die giftgrüne Mappe aufschlug um schon einmal die Rechnungen zu sortieren, nahm das Unglück Fahrt auf. „Scusa amore, mi potresti far vedere come si fa?„[Entschuldige, Schatz, aber könntest du mir zeigen wie man das macht?] durchbrach der Satz des Römers die sich langsam ausbreitende Ruhe. Ich guckte ihn höchst irritiert an, bekam ich es doch mit der Angst zu tun, meine Mußestunden abgeben zu müssen.

Die Steuererklärung?“ fragte ich und kannte doch bereits die Antwort. „Esatto. Mi interessa.“ [Genau. Das interessiert mich.] gab der Römer neugierig zurück und guckte mir über die Schulter. „Puh…das ist einfacher gesagt als getan. Jahre, ach was, Jahrzehnte hat es mich gekostet, überhaupt einen ungefähren Plan zu haben, wie das alles von Statten geht. Turtle zum Beispiel, machte extra eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, so kompliziert schien es ihr. Und mittlerweile versucht sie sogar Steuerberaterin zu werden, weil sie immer noch nicht recht weiß wie es funktioniert.“ versuchte ich ihm durch massive Abschreckung die Idee auszureden. „C’è lo possiamo provare.“ [Wir probieren es trotzdem.] sprach der Römer überzeugt. Ich nickte nur langsam und starrte auf meinen ungeöffneten Teebeutel. „Oase der Entspannung“ stand auf ihm, doch ich glaubte ihm nicht mehr so recht.

Heute Abend dann? Wenn Signorino schläft? Anders geht’s ja nicht. Einer muss auf ihn aufpassen und normalerweise mache ich die Steuern alleine, während du aufpasst. Einfach wird das eh nicht, aber….“ versuchte ich die Sache komplizierter zu machen als sie ist. Er unterbrach mich mit einem „stasera“ [heute Abend]. Dann drehte er sich um und ging in die Küche um sich dem Bräunungsgrad der Cannelloni im Ofen zu widmen.

Abends, Signorino schlief bereits seit dreißig Minuten, fanden wir uns dicht an dicht vor dem grellen Bildschirm ein. Weder eine Kanne Tee, noch Kekse waren auf meinem Schreibtisch, denn Gemütlichkeit würde bei diesem Thema heute garantiert nicht einziehen. Der Römer stellte seinen entkoffeinierten Espresso auf den Tisch und verrührte etwas Zucker in der dunkelbraunen Flüssigkeit. Ich kaute stattdessen nervös auf meinem Minzkaugummi herum. Dann griff ich beherzt zur giftgrünen Steuermappe und schlug sie auf. „Fürs Erste würde ich dich bitte, einfach nur unsere persönlichen Daten in dieses Programm einzutippen. Fang gerne mit dir an: Name, Anschrift, Beruf, Steuernummer,…“ zählte ich auf und vertiefte mich demonstrativ in eine Rechnung. „Okay, facile. [Okay, einfach.]“ gab er zurück und tippte los. Ich schielte immer mal wieder zu ihm und guckte, was er tippte. Nachdem er seinen Namen, unsere Straße und schlussendlich den Ort ausgefüllt hatte, guckte er mich fragend an. Mit zusammengekniffenen Augen dachte er angestrengt nach. Dann wandte er sich wieder dem Computer zu und tippte eine 6 ein. Wieder guckte er auf und fixierte mich fragend. „Jaaaaa?“ wollte ich wissen und guckte von meiner Rechnung hoch. „Il CAP è 6….e poi?“ [Die Postleitzahl ist 6….und dann?]“ erkundigte er sich bei mir. „Amore, wir wohnen seit dreieinhalb Jahren hier!“ gab ich beunruhigt zurück. Noch eh ich ihn fragen konnte, wie er seit Jahren Behördengänge und Bestellvorgänge absolvierte, hatte er die Antwort bereits in einer Suchmaschine gefunden. Siegessicher lächelte er mich an. „Man muss nur wissen, wo es steht.“ murmelte der Römer während er sich wieder seiner Aufgabe widmete. Nach einer Weile stand er auf, ging zu seinem Geldbeutel, holte seine Krankenkassenkarte und guckte sie kurz an. Dann tippte er los. Ich fragte mich seit wann das Steuerprogramm nach der Versichertennummer fragte. Aber, zugegeben, allzu vertraut bin ich mit den neuen Gesetzesänderungen nicht.

Ok, manca una ciffra.“ [Ok, es fehlt eine Ziffer.] stellte der Römer nach mehrmaligem Kontrollieren fest. Ich drehte mich zu ihm und guckte, was er eingegeben hat. „Woher hast du denn die Steueridentifikationsnummer? Die steht doch in dem großen Ordner. Oder weißt du sie etwa auswendig?“ hakte ich verwundert nach. „Ma è scontato. C’è sempre scritto sulla tessera sanitaria.“ [Aber das ist selbstverständlich. Schon immer steht diese auf der Krankenkassenkarten.] gab er etwas hochmütig zurück. „Seit wann?“ fragte ich nach während ich die Karte hin- und herdrehte und danach suchte. „Amore! Die Versichertennummer IST die Steuernummer. Die beiden sind identisch.“ erklärte er mir zunehmend genervter. Ich runzelte meine Stirn und zwei dicke Furchen bildeten sich zwischen meinen Augenbrauen. „Das wäre mir neu.“ sprach ich kurz und suchte im Internet mehr Informationen über seine These. Wenn es eine Änderung dieses Kalibers gegeben hätte, hätte doch das Finanzamt oder die Krankenkasse einen Informationsbrief geschickt? Ich wühlte in dem gut gefüllten Ordner mit der Aufschrift „Finanzkram“.

Schließlich fiel mir die Steueridentifikationsnummer in die Hände. Ich verglich sie mit der Versichertennummer der Krankenkasse. Nein, die beiden hatten rein gar nichts gemeinsam. Außer natürlich, dass sie aus wild zusammengewürfelte Ziffern bestanden. Die Krankenkasse nahm sich das Recht heraus, ihre Nummernfolge mit einem neckischen Buchstaben zu versehen. Langsam schüttelte ich meinen Kopf und gab dem Römer den Brief mit der Steueridentifikationsnummer, damit er sich noch einmal vergleichen konnte. „Strano. In Italia c’è scritto ovunque il codice fiscale*.“ [Komisch. In Italien steht überall die Steuernummer.] klärte er mich auf. „Aaaaah!“, jetzt fiel der Groschen auch bei mir, „In Italien!! Sag das doch gleich. Wir haben in Deutschland für alles eine eigene Nummer.“ Desillusioniert und verwirrt guckte mich der Römer mit seinen großen, blauen Augen an. „Germania è un paese molto strano. [Deutschland ist ein sehr seltsames Land.] Wo die Deutschen praktisch denken könnten, tun sie es nicht. Und wo sie es tun, braucht man es nicht.“ Nach diesem Satz tippte er die richtige Steueridentifikationsnummer ein, streckte sich und gähnte. „Mi sembra che dura un botto di tempo. [Es scheint mir, als würde das ewig dauern.]“ gab er nun zu und gähnte noch etwas lauter und übertriebener. „Amore, ich schätze deinen Einsatz sehr. Aber du nimmst mir schon so viel ab – die Steuererklärung musst du mir nicht auch noch abnehmen.“ versuchte ich ihm sein Vorhaben ein letztes Mal auszureden. „Hai raggione. Non posso fare sempre tutto io. Grazie, amore. [Du hast Recht. Ich kann nicht immer alles machen. Danke, Schatz.]“ gab er mir Recht und küsste mich auf die Stirn. Ich lächelte, dann streckte ich mich und gähnte ebenso herzhaft wie der Römer vor wenigen Momenten. „Morgen mach ich das. Heute bin ich schon zu müde.“ verkündete ich und erntete ein verständnisvolles Nicken vom Römer.

Am nächsten Vormittag stand eine dampfende Tasse „Oase der Entspannung“ vor mir. Die zweifarbigen Kekse waren griffbereit auf einem Tellerchen angerichtet. Zufrieden klappte ich den Laptop auf, während ich im Hintergrund den Römer hörte wie er mit Signorino schimpfte. Anscheinend hatte er Klopapier in einem unachtsamen Moment geklaut, zerrissen und überall auf dem Weg in die Küche verteilt. Lautstark fluchte und rief der Römer nach dem flüchtenden Kleinkind. Ich seufzte selig. „Na, dann wollen wir mal. Die Steuernummer müsste so stimmen…. Erster Punkt: Beruf!“ Während ich unsere Berufsbezeichnungen eintippe, lächelte ich, denn schließlich hatte ich meine Mußestunden des Jahres zurückgewonnen. Wie es schien, für immer.

*codice fiscale – die italienische Steuernummer – oder wie der Römer sagt: „Senza sei morto in Italia. [Ohne bist du tot in Italien]“ Nichts läuft ohne die Steuernummer. Ein Bankkonto eröffnen? Aber klar doch, wie lautet denn die Steuernummer? Denn ohne italienische Steuernummer gibt es kein Bankkonto, keine (Kranken-)Versicherung, kein nichts. Jeder gute Italiener oder in Italien lebende weiß sie auswendig – und wenn nicht, dann kann er die Nummer mit einem schnellen Blick auf seine Krankenkassenkarte abrufen. Wer keine beantragen möchte, aber einen codice fiscale auf die schnelle braucht, kann sich auf einigen Internetseiten schnell und gratis den codice fiscale berechnen lassen.

Wurmstichige Tage.

Wurmstichige Tage.

Momentan ist irgendwie der Wurm drin.

Mehrere Beiträge habe ich, die ich gerne niederschreiben würde. Es geht um Outdoorjacken und Sperrmüll. Natürlich handelt jede einzelne auch vom Römer. Dazwischen philosophiere ich über Metalltonnen, Marillenröster und dem Süßspeisen-Freitag meines Großvaters.

Aber meinen Sie, irgendwer lässt mich hier in Ruhe meine Gedanken zu Ende denken oder sie gar liebevoll in Worte verpacken? Mit nichten! Stattdessen unterbricht der Römer meine Gedanken regelmäßig mit wertvollen Informationen über gesehene und für gut befundene Tanzvideos der deutschen Polizei. Dazu kommt natürlich noch der kleine Farniente, der gerne meine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt (und natürlich auch bekommt!).

Gewiss bin ich schon auf die Idee gekommen, den Römer mit Signorino zu beschäftigen und andersherum. Meist endet es nach fünf Minuten so: „Amooooooore! Lui si sta lamentando!“ [Schatz! Er beschwert sich gerade!] wird mir der vor Wut schnaubende Signorino in die Hände gedrückt. Dann verschwindet der Römer erst einmal für einen längeren Zeitraum im Bad: 20 Minuten ungestört scrollen verpackt in einem Toilettengang. Doch es springt auch wieder etwas dabei für mich raus: Neue, erheiternde Videoempfehlungen und Gedanken zur politischen Lage.

Außerdem gibt es noch zu berichten, dass Signorino mittlerweile geht. Drei Schritte an einem guten Tag, fünf Schritte an einem grandiosen Tag. Nach vollbrachtem Kunststück, dass ich mit vielen euphorischen „Jaaa! Sehr gut!“-Rufen quittiere, lässt er sich auf die Knie sinken und krabbelt, da ihm Gehen zu langsam erscheint. Die Kombination aus Krabbeln, Gehen und sich am Küchenschrank entlang hangeln, mag zwar kinderlose, gleichgeschlechtlich liebende Freunde wie dem Anderen freudig aufschreien lassen, mich lässt es die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Aber nur eine Nanosekunde, denn mit Händen über dem Kopf lässt sich der gerade stürzende Signorino schlecht auffangen. Und er stürzt oft. Meist glimpflich und ohne Drama, das muss man ihm lassen. Wenn er allerdings einen Bauchplatscher in den leeren Wäschekorb macht, den Mutti unachtsam und gedankenverloren auf dem Wohnzimmerboden abgestellt hat, schreit er doch überaus laut.

Zugegeben, als Rabenmutter musste ich erst einmal lachen aufgrund des ulkigen Bildes, das er abgab. Doch ich schaltete, ganz profimäßig, sofort in den tröstenden Sh-Sh-Sh-alles-wieder-heil-Tröst-Modus um. Langsam, ganz langsam, versiegte dann auch der reißende Fluss Krokodilstränen, die Signorino wie ein Rasensprenger produzierte.

Ansonsten bin ich sehr froh, dass Sie, liebe Leser, fleißig schreiben. Denn lesen ist so viel einfacher und schneller als selbst zu schreiben. Das wollte ich Ihnen schon lange mitteilen! Danke, dass Sie so viele, exzellente Beiträge schreiben. Ich würde sonst verrückt werden, sehe ich doch seit Wochen niemanden mehr.

In diesem Sinne: Wünschen Sie mir Glück, dass die männlichen Farnientes sich doch wieder zusammenraufen, wie man so schön sagt und ich endlich meine Artikel abtippen kann!

Bleiben Sie gesund und führen Sie sich ruhig vor Augen: Auch diese Krise ist endlich. Genau wie der Risottoreis, der sich dazu entschlossen hat, genau heute, an einem durchwachsenen Sonntag, enden zu wollen, wo ich doch schon die getrockneten Pilze eingeweicht habe. Aber das ist eine andere Geschichte…

Kindermund tut Wahrheit kund.

Kindermund tut Wahrheit kund.

Es gibt ein italienisches Kinderlied, das “Il coccodrillo come fa?” [Wie macht das Krokodil?] heißt.

Am Anfang werden alle Tierlaute besprochen. Der Hund macht „wauwau“. Die Katze „miau“, das Schaf „mäh“, usw.

Signorino macht alle Geräusche gerne nach. Man erkennt, welches Tier er gerade nachmacht, auch wenn er mit einem Jahr natürlich nicht immer den exakten Laut nachmachen kann.

In dem Moment, in dem gefragt wird wie das Krokodil macht, antwortet er immer eindeutig mit: Mama!

Das Kind kommt eindeutig nach seinem Vater. 😉