Das vierte Türchen im germanoitalbanischen Adventskalender

[Die Auflösung von Tag 3 finden Sie, wie immer, ganz unten]

Fakt Nummer 4

Riad, Saudi Arabien. Wir schreiben das Jahr 2017. Auch hierher führte mich mein Beruf und ich genoss es sehr, den ganzen Tag im Schlabberlook herumzulaufen. Darüber die schwarze Abaya, denn die war (und ist) Pflicht, und schon stand mein outfit of the day. Mit den Einschränkungen als Frau in Saudi Arabien konnte ich gut leben. (Keine Poolnutzung, Essen nur in der Family Area, am besten in (männlicher) Begleitung aus dem Hotel,…) Es war schließlich nur für 24 Stunden, denn dann ging es wieder nach Hause.

Ich befand mich gerade auf dem Weg von der Crew Lounge in mein Zimmer. Nett war der Nachmittag mit den Kollegen – und kurzweilig. Ich hatte vor, mir noch eine schöne, heiße Dusche zu gönnen und zu dem Ruf des Muezzins zum Maghrib Gebet bereits fest zu schlummern. Ein paar Stunden Schlaf wollte ich mir noch gönnen, bevor wir durch die Nacht nach Hause flogen.

*Ping* Die Lifttür holte mich aus meinen Gedanken. Sie öffnete sich auf meiner Hoteletage und ich stieg aus. Meinen Weg kreuzte ein alter Saudi im traditionellen, weißen dishdasha Gewand. Sein langer, grauer Bart fügte sich schön in das Bild ein. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Osama bin Laden war nicht von der Hand zu weisen. Er wurde durch seinen Privatsekretär im Anzug begleitet, wie es schien.

Da Ausländerinnen in Saudi Arabien zwar dazu verpflichtet sind, die Abaya zu tragen, nicht aber das Kopftuch, erkannte man auf den ersten Blick, dass ich keine Staatsbürgerin des Wüstenstaates war. Der alte Osama bin Laden deutete auf mich und nuschelte etwas in das Ohr des Privatsekretärs. Ich senkte den Blick und wollte die letzten Schritte zu meinem Zimmer machen, da erhob Osama bin Ladens Lakai die Stimme: „Excuse me! Where is room number 405?“ [Entschuldigung, wo ist Zimmernummer 405?] Ich, hilfsbereit wie ich als Stuse nun mal bin, guckte kurz an die Wand zum Wegweiser und deutete in die entgegen gesetzte Richtung.

Gerade wollte ich weitergehen, da sprach der Lakai erneut in seinem seltsam anmutenden Englisch: „Room 405! We can’t find!“ [Zimmer 405! Wir können (es) nicht finden!] Ich deutete noch einmal auf den Wegweiser, doch der Lakai sprach: „Show us!“ [Zeigen Sie es uns!] Als wäre ich eine Angestellte des Hotels, lächelte ich höflich und schritt hinter den Männern her wie eine besorgte Entenmutter hinter ihren Jungen. „How much?“ [Wieviel?] fragte der Lakai aus dem Nichts. „Do you mean: How much is the room rate? I don’t know. I’m here on behalf of my company.“ [Meinen Sie: Wie teuer ist die Zimmerrate? Ich weiß es nicht. Ich bin hier seitens meiner Firma.] erklärte ich den netten Herren. „Seltsam diese Fragen.“ dachte ich und der Groschen wollte und wollte bei mir irgendwie nicht fallen. „No, how much is YOUR rate?“ [Nein, wie teuer sind SIE?] Mit einem klirrenden Geräusch fiel bei mir nun endlich der Groschen. Die beiden Herren wollten doch tatsächlich, dass ich „scheiche“ – wie es bei meinem Arbeitgeber scherzhaft heißt. „Also neeeee!“ antwortete ich empört in bestem Deutsch, machte auf dem Absatz kehrt und ging. „Wait! Wait! We pay good money!“ [Warten Sie! Warten Sie! Wir zahlen gutes Geld!] rief der Lakai mir hinterher.

Doch ich stand schon vor meiner Tür, kramte in Windeseile meine Zimmerkarte aus der Abaya und schlüpfte in mein Zimmer. Die Tür knallte ich hastig zu und verschloss sie dreifach. „Puh! Der alte Osama bin Laden dachte wirklich, wir spielen hier das saudische „Pretty woman“ nach. Ne, ne, Liebchen! Nicht mit mir.“ Mein Herz schlug bis zum Hals. Das Thema „Schlafen“ war vom Tisch – zu aufgeregt und adrenalingeladen war ich. Aber in der Crew sorgte ich später auf dem Flug für einige, sehr laute Lacher und den running gag „How much?“.

Was meinen Sie? Ein Märchen aus 1001 Nacht oder doch die nackte Wahrheit?

Reise Nummer 4

Die liebe Mitzi und die liebe Caro werden wahrscheinlich kopfschüttelnd vor dem PC sitzen und sich denken „Was will die uns denn von München erzählen?!“. Aber die Welt gehört den Mutigen. Also erzähle ich Ihnen, was an München damals als Kind toll war – und was mir bis zu meiner Auslieferung nach Hessen besonders gut gefallen hat. Also, auf geht’s!

Flugzeit (ab Frankfurt): 40 Minuten. (Aber Sie nehmen hoffentlich die Bahn!)

Taxikosten: Puh! 80-90 Euro. Da lohnt sich das S-Bahnticket deutlich mehr.

Da wir nun eh schon in der S-Bahn sitzen, fahren wir durch bis zum Marienplatz. Wir nehmen den Ausgang Richtung Rindermarkt, der uns kurz vor’m Spielzeugmuseum* ausspuckt. Mit meinem Opa durfte ich damals alle zwei Wochen hier herkommen und uns wurde nie langweilig in diesem Museum. Die nette Kassiererin kannte uns schon: „Ah! Da Opa mit da Enkelin! San wieder 2 Wocha um?“ begrüßte sie uns immer sehr herzlich. Mit großen Kinderaugen betrachtete ich all die faszinierenden Vitrinen. Mein Opa erklärte hier und da etwas über ein Spielzeug aus seiner Kindheit. Es ist ein sehr kurzweiliges Museum und für Kinder und nostalgische Erwachsene (wie mich) ideal.

Ein Kind zahlt 2 Euro Eintritt, ein Erwachsener 6 Euro. (Stand: 12/2020)

Danach kaufen wir uns ein paar Pralinen auf die Hand. Bayerisch Creme muss es sein – und das natürlich nur bei Elly Seidl*. Wir gehen aber nicht zum völlig überlaufenen Laden in der Maffeistraße. Das machen nur die Touristen und Münchner, die sich aufmandeln müssen. Als alteingesessener Münchner kaufen wir da, wo auch schon meine Oma einkauft hat: Die Filiale am Kosttor ist weitaus heimeliger – und ruhiger. Hier kennt man einen noch beim Namen – und zieht Rückschlüsse aufgrund der Bestellung: „150 Gramm Bayerisch Creme? Sind Sie gschickt worn von der Frau Dauser?“ In der Tat wurde ich geschickt von Frau Dauser, meiner Oma.

Und abends? Klar könnten wir zum Klinglwirt*, in die Teatro Bar Tapas* oder ins Dilan Meze & Bar.

Aber wir fahren lieber die paar Stationen nach Trudering und genießen echtes, bayerisches Essen. Im Truderinger Wirtshaus* ist’s eben wie’s in einem bayerischen Wirtshaus so ist. Zünftig, heimelig, ehrlich und lecker. Im Sommer ist der Biergarten ein Geheimtipp. Man sitzt unter großen Kastanienbäumen und lässt sich das wohlverdiente, kühle Bier schmecken.

*Werbung

(Fragen Sie mich nicht, warum ich keine Bilder vorweisen kann. Wahrscheinlich scheint mir meine Heimat so unspektakulär, dass ich nie welche gemacht habe. Es müssten noch etliche auf meinem alten Handy sein. Aber wo das wieder ist…?)

Auflösung von gestern:

Ja, ja! Da waren Sie sich alle einig: Moskau und Signora Farniente? Wie soll das denn passen?! Aber ich muss sie bitter enttäuschen. Ich war tatsächlich am häufigsten in meinem Leben in Moskau. Mindestens einmal, meist aber zweimal im Monat flog ich nach Moskau – beruflich. So ersparte man sich das Visum und es gab nur einen hübschen, roten Stempel am Flughafen Domodedovo (viele Passseiten sind fest in russischer Hand). Mein erster Weg führte mich immer in die City Space Bar. Bei Sushi und Cocktail fühlte sich das Leben ganz wunderbar an. Je nachdem, ob ich einen Tag frei hatte oder nicht, erkundigte ich die Stadt. Unter anderem hatte ich das Glück (oder Unglück?) den toten Lenin zu begutachten. Da die Fotos bei München fehlen, nun Fotos aus meiner zweiten Heimat Moskau.

9 Kommentare zu „Das vierte Türchen im germanoitalbanischen Adventskalender

  1. Klar stimmt das! Musste nicht nach Saudi-Arabien, kann dir auch in Deutschland passieren. Gutgekleidet, im Business-Kostüm, in der Mittagspause. Auto fährt langsam, neben mir dreht der Typ die Scheibe runter „Wieviel?“. Damals war ich genauso fassungslos wie du, und auch die Lacher gabs, als ich wieder im Büro war. Seitdem verstand ich aber, warum die männlichen Kollegen manchmal am Fenster standen und zu dieser Richtung auf die Straße hinausguckten. Da liefen tatsächlich die Damen, die nicht meine Kolleginnen waren. 🙈
    Die München-Erinnerungen aus deiner Kindheit sind auch ohne BIlder urig schön 😍

    Gefällt 1 Person

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